Ostpreußen-Warte, Folge 06 vom Juni 1958

Ostpreußen-Warte

Folge 06 vom Juni 1958

 

Seite 1   Moskau übt scharfe Kritik. Sowjetischer Oder-Neiße-Bericht Diskussionsthema bei der Ostblock-Konferenz

Aus Warschau liegen Informationen vor, die nichts anderes besagen, als dass Moskau der Oder-Neiße-Frage in zunehmendem Maße Beachtung schenkt. Als sich kürzlich eine sowjetische Delegation unter der Leitung des Staatspräsidenten Woroschilow in der Volksrepublik Polen aufhielt, ist es verschiedentlich zu lebhaften Diskussionen über die allgemeine Verwahrlosung und den Verfall in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten gekommen, nachdem das von einer sowjetischen Sonderkommission — die sich im Auftrage des Sowjetbotschafters Abrasimow in die Oder-Neiße-Gebiete begeben hatte — zusammengestellte Material vorlag.

 

Wie verlautet, hat Woroschilow ganz offen der „Enttäuschung" über die Zustände in den Oder-Neiße-Gebieten Ausdruck gegeben und erwähnt, diese Dinge würden in Moskau mit „wachem Interesse" beobachtet, zumal Warschau offenbar bemüht sei, den „sowjetischen Freunden und Helfern" diese „negativen Erscheinungen" zu verheimlichen. Tatsächlich hat Gomulka nach der Abreise der sowjetischen Delegation unverzüglich in zahlreichen Konferenzen und Einzelunterredungen aufs schärfste die mangelnde „echte Aktivität" der „Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei" in der Frage der „Belebung der polnischen Westgebiete" kritisiert und dazu ausgeführt, dass dem „Ansehen" der Oder-Neiße-Gebiete bereits schwerer Schaden zugefügt worden sei.

 

Es liegt auf der Hand, dass das betonte sowjetische Interesse an der Lage in den Oder-Neiße-Gebieten lebhafte Besorgnisse in Warschau ausgelöst hat. Die sowjetischen „Mängelrügen" tragen jedenfalls einen hochpolitischen Akzent, und auch Gomulka dürfte sich darüber im Klaren sein, dass Moskau sehr wohl eines Tages auf die Ermittlungen der sowjetischen „Oder-Neiße-Kommission" zurückgreifen kann, wenn politische Entscheidungen anstehen. Man braucht dabei noch nicht einmal das in Betracht zu ziehen, was die „New York Times" im Auge hatte, als sie Warschau kürzlich aufforderte, die Polemik gegen Bonn einzustellen, da sonst im Zuge einer eventuellen Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen Polen ohne Einfluss auf künftige Entwicklungen bleiben dürfte. Auch die Sowjetzonenrepublik hat in letzter Zeit verschiedentlich ihr Interesse an diesen Fragen zum Ausdruck gebracht und ihre Forderungen hinsichtlich Stettins bereits präsentiert.

 

Nach neuesten Informationen, soll in Rahmengesprächen bei der Ostblock-Konferenz in Moskau auch die Frage der polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete zwischen sowjetischen und polnischen Politikern erörtert worden sein.

 

Von sowjetischer Seite — auch der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow beteiligte sich an diesem Gespräch — wurde den polnischen Partnern mitgeteilt, dass die sowjetische Wirtschaftshilfe auch für die Oder-Neiße-Gebiete bestimmt gewesen sei. Die Lage dort habe sich jedoch „kaum positiv verändert". Warschau müsse also „größere Anstrengungen" machen, um in diesen Gebieten, „die von der sowjetischen Armee unter großen Opfern erobert wurden", endlich eine „angemessene Wirtschaftslage" zu erreichen. In diesem Zusammenhange soll den polnischen Gesprächspartnern auch mitgeteilt worden sein, dass Warschau seine „Politik der Vorgriffe" auf sowjetische Lieferungen aufgeben bzw. einschränken müsse. Auf Grund des kürzlich abgeschlossenen erweiterten sowjetisch-polnischen Handelsabkommens lebt die Volksrepublik Polen zurzeit von Vorgriffen auf das Jahr 1960.

 

Seite 1   Foto: Heilsberg. Die Ordensburg Heilsberg im Ermland ist eines der wehrhaftesten Bauwerke im deutschen Osten. Foto: Löhrich.

 

Seite 1   USA-Senator für Gespräche mit Pankow.

Der demokratische Senator Mansfield hat im amerikanischen Senat eine aufsehenerregende Rede gehalten. Darin setzte sich der Senator nachdrücklich für Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der sogenannten DDR ein. Es sei keine realistische Politik, wenn man auch heute noch darauf bestehe, dass freie gesamtdeutsche Wahlen mit Einverständnis der Sowjetunion, Frankreichs, Großbritanniens und der USA der einzige Weg für eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands seien. Man müsse berücksichtigen, dass auch im Osten ein neues Deutschland entstanden sei. Angesichts der verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Systeme in beiden Teilen Deutschlands sei es notwendig, dass Bonn und Pankow miteinander verhandelten. In diesem Zusammenhang regte Mansfield eine Begrenzung der Bewaffnung in beiden Teilen Deutschlands an.

 

Seite 1   Neue Reece-Rede

Wie hvp meldet, hielt anlässlich des Geburtstages des Königsberger Philosophen Immanuel Kant der Abgeordnete Carroll Reece am 22. April im USA-Kongress eine große Rede über „Die Rechtsansprüche der deutschen Heimatvertriebenen". Carroll Reece legte die Gedanken über eine internationale Friedensordnung dar und schilderte sodann eingehend die Austreibung der ostdeutschen Bevölkerung aus ihrer Heimat unter besonderer Berücksichtigung der Sudetenfrage.

 

Der republikanische Abgeordnete von Tennessee betonte in seiner Ansprache, dass die amerikanische Nation verpflichtet sei, für eine gerechte Lösung der durch die Austreibungen aufgeworfenen europäischen Fragen Sorge zu tragen. Eine Lösung im Geiste Immanuel Kants werde zugleich „die einzige reale Grundlage für die Herstellung guter Beziehungen zwischen dem deutschen Volke und seinen westlichen Nachbarn finden“.

 

Bereits im Vorjahre hatte der amerikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten eine mehrstündige Rede über Deutschlands Ostproblem gehalten, in der er sich vor allem mit der Oder-Neiße-Frage befasste.

 

Seite 1   Kein wirksamer Schutz.

In Hamburg wandten sich 1039 Ärzte mit einem Aufruf an den Hamburger Senat, in welchem sie eindringlich vor der Einführung atomarer Waffen in der Bundesrepublik warnen. Wir geben nachstehend den vollen Wortlaut dieses Appells wieder.

 

Angesichts der großen Gefahren, die der Menschheit durch die atomare Waffentechnik drohen, und im Hinblick auf die bevorstehende Entscheidung über die Stationierung von Atomwaffen in der Bundesrepublik erheben wir deutschen Ärzte unsere Stimme. Gebunden an den hippokratischen Eid, fühlen wir uns als Anwälte und Hüter des Lebens und der Gesundheit unserer Mitmenschen und deren Nachkommenschaft verpflichtet, die Aufmerksamkeit der verantwortlichen Politiker und der Öffentlichkeit auf die medizinischen Tatsachen und Probleme der Atomwaffen zu lenken.

 

Allen Verharmlosungsversuchen wehrend, ohne jedoch dramatisieren zu wollen, erklären wir hiermit in nüchterner Erkenntnis der medizinischen Sachlage und um der Wahrheit willen folgendes: Schon die Anwendung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken führt möglicherweise zu radioaktiven Einwirkungen auf den menschlichen Körper und stellt damit den Arzt vor schwierige, noch nicht zu übersehende Probleme. Die Anwendung der Atomenergie zu militärischen Zwecken jedoch hat verheerende gesundheitliche Folgen.

 

Man muss vier Wirkungen unterscheiden:

 

1. Die Luftdruckwellen der Explosion;

2. Die Hitze;

3. Die radioaktive Strahlung aus der Explosion und der aufsteigenden Wolke;

4. Die radioaktive Verseuchung aus dem radioaktiven Staubfall und Niederschlag nach der Explosion.

 

Wenn auch die beiden erstgenannten Wirkungen alle im letzten Krieg erlebten Explosionswirkungen um ein Vielfaches übersteigen und deshalb schon Schrecken genug in sich bergen, so ist doch die Strahlenwirkung am gefährlichsten und nachhaltigsten; besonders darum, weil die durch sie verursachten Schäden zunächst unbemerkt bleiben.

 

Zu den Krankheiten, die allein durch die Strahlenwirkung erzeugt werden, gehören schwere Geschwulstbildungen an der Körperoberfläche, Leukämien und Knochenkrebs. Darüber hinaus entstehen aber durch die Einwirkung der Gammastrahlen auf die Fortpflanzungsorgane in ihrem Ausmaß heute noch nicht abzusehende Erbschäden, die erst an den Nachkommen offenbar werden.

 

Gegen alle diese Schäden und Krankheiten gibt es keine wirksame Hille, es gibt keine Erholung der betroffenen Gewebe und Organe; insbesondere ist die Rückbildung einmal eingetretener Erbschäden nicht möglich.

 

Das fürchterliche Ausmaß dieser Strahlenschäden wird an der Tatsache deutlich, dass noch im Jahre 1957 in Hiroshima 185 Opfer der zwölf Jahre zuvor abgeworfenen Atombombe gestorben sind — einer Bombe, die ‚nur' die Wirkung einer heutigen, sogenannten ‚taktischen Atomwaffe' besaß. Entgegen allen irreführenden Verlautbarungen stellen wir weiter auf das nachdrücklichste fest:

 

Selbst bei Aufwendung größter finanzieller Mittel gibt es keinen wirksamen Schutz der Bevölkerung in einem Atomkrieg.

 

Es besteht Übereinstimmung darüber, dass jede, auch die kleinste, Strahlungszunahme die Aussicht auf Zunahme von Leukämien, Knochenkrebs und genetischen Schäden erhöht. Auch sehr schwache Strahlenwirkungen sind noch gefährlich, wenn sie entsprechend lange Zeit bestehen. Die Wirkungen summieren sich.

 

Aus diesen unbestreitbaren medizinischen Tatsachen ergeben sich in ärztlich-menschlicher Hinsicht zwingende Konsequenzen, die wir nachfolgend so zusammenfassen: Wir erachten es als notwendig, die Versuchsexplosionen der Atomwaffen zu beenden, da die Versuche eine steigende Gefahr für geborenes und ungeborenes Leben bedeuten. Jegliche Verwendung von Atomwaffen verstößt gegen vitale Interessen der Bevölkerung und schließt schwere Gefahren für die biologische Substanz unseres Volkes und der gesamten Menschheit in sich. Wir können nicht umhin, weiter zu erklären, dass ein etwaiger politischer Nutzen durch die Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden in gar keinem Verhältnis zu der ernsten Bedrohung der Bevölkerung durch diese Massenvernichtungsmittel steht.

 

In Erkenntnis der medizinischen Tatsachen und Zusammenhänge und in tiefer Sorge um die uns als Arzte anvertrauten Mitmenschen warnen wir deshalb die verantwortlichen Politiker auf das eindringlichste vor der Einführung atomarer Waffen in der Bundesrepublik.

 

Seite 2   Halbe Souveränität.

Am 5. Mai war es drei Jahre her, dass die Bundesrepublik souverän wurde. Das Ereignis wurde damals durch den Bundestagspräsidenten bekanntgegeben, der ein Schreiben des Bundeskanzlers verlas, in dem es hieß: „Die Vertreter der französischen Republik und des Vereinigten Königreiches haben um 12 Uhr die Urkunden über die Ratifizierung des Deutschlandvertrages und des Truppenstationierungsvertrages hinterlegt . . . das Besatzungsregime ist damit beendet, die Bundesrepublik Deutschland ist souverän“.

 

Mit dem Truppenstationierungsvertrag waren allerdings eine Reihe von Bedingungen verbunden, die unsere Souveränität bis heute stark einschränken. So sind z. B. auf dem Gebiet der Bundesrepublik die Nachrichtendienste der trüberen Besatzungsmächte recht eifrig tätig. Es ist ihnen gestattet, nach Belieben einige durch das Grundgesetz garantierte Rechte zu verletzen (z. B. das Briefgeheimnis), unsere Telefongespräche abzuhören und nach ihrem Gutdünken Verhaftungen vorzunehmen; ganz abgesehen davon, dass den früheren Besatzungsmächten auch ein Interventionsrecht eingeräumt wurde und die Angehörigen ihrer bei uns stationierten Streitkräfte bei Straftaten nicht vor die Gerichte des souveränen deutschen Bundesstaates kommen dürfen.

 

Das Entscheidende daran ist nun keineswegs die Einschränkung der Souveränitätsrechte, die selbstverständlich bei jedem übernationalen Zusammenschluss unvermeidlich ist, aber in diesem Falle handelt es sich um einseitige Zugeständnisse, die der deutschen Bundesrepublik abgefordert worden sind. Kein anderes Land, das der NATO oder sonst einer westlichen übernationalen Gemeinschaft angehört, duldet derartige einseitige Beschränkungen, die sich gegenüber dem einzelnen Bürger schwerwiegend bemerkbar machen können.

 

Es ist erstaunlich, wie gleichmütig bisher diese Tatsache in der Bundesrepublik hingenommen wurde, wobei allerdings zu beachten ist, dass der größte Teil der Bevölkerung nur wenig Kenntnis davon hat. Es sei auch zugegeben, dass die den früheren Besatzungsmächten verbliebenen Befugnisse gegenüber den deutschen Staatsbürgern maßvoll angewandt wurden, es genügen allerdings die wenigen bekanntgewordenen Fälle von Willkürakten (sie wurden zumeist gegen Ausländer und Staatenlose begangen), um uns die schwachen Punkte unserer Souveränität ins Gedächtnis zu rufen. we. Aus DIE BRÜCKE, München

 

Seite 2   Lastenausgleich erst nach dem Tode. Eine Million Berechtigte gestorben.

HANNOVER. Erschütternde Angaben machte Vertriebenenminister Höft dem Parlament über den jetzigen Stand des Lastenausgleichs. Höft erklärte, dass auf Grund der ihm vorliegenden Unterlagen bisher bereits eine Million der heute im Bundesgebiet wohnhaften rund zwölf Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge verstorben seien. Diese Zahl nimmt jährlich um hunderttausend zu. Leider sei es so, dass bis heute kein Plan über eine Vorfinanzierung des Lastenausgleichs soweit gediehen sei, dass er realisiert werden könne. Höft kritisierte besonders, dass die Hauptentschädigung — also die Endzahlung aus dem Lastenausgleich — bisher nur an Geschädigte über siebzig Jahre ausgezahlt werden konnte, von ganz besonderen Notfällen einmal abgesehen.

 

Seite 2   Polnische „Patenschaft" für Ortelsburg. „Viel Lärm und viel Reklame" und doch nichts mehr als ein Schildbürgerstreich.

Die in Allenstein erscheinende Zeitschrift „Warmia i Mazury" befasst sich in der letzten Ausgabe vor ihrer Einstellung in ironischer Form mit dem „Patenschaftsverhältnis", das die zentralpolnische Stadt Zyrardow der ostpreußischen Stadt Ortelsburg gegenüber eingegangen ist. Um diese Zusammenarbeit sei „viel Lärm und viel Reklame gemacht" worden. Ortelsburg habe große Hoffnungen gehegt: die Zusammenarbeit habe aber praktisch gar nichts gezeitgt, und „Ortelsburg fühlt sich — zu Recht — an der Nase herumgeführt".

 

Für das Reisegeld der Ortelsburger Delegationen hätte man hier besser alle Schulen renovieren sollen. Zyrardow verlange, dass Ortelsburg aus eigenen Mitteln alle Fremdenverkehrseinrichtungen instand setzen solle, dann garantiere es auch für Besucher. Ortelsburg dagegen meine, wenn es seine Einrichtungen ausbaue, dann brauche es sich um Gäste keine grauen Haare wachsen zu lassen; diese kämen dann von selbst und von allen Seiten. Aber es fehle der Stadt Ortelsburg eben an Mitteln, um für ihre Gäste zu sorgen. „So wird diese Patenschaft zum Schildbürgerstreich“, bemerkt die polnische Zeitschrift dazu. Sie erwähnt weiterhin auch noch einen ähnlichen Vorfall, bei dem es sich um eine Kanalverbindung des Städtchens Arys mit den benachbarten Seen handelt. Diesen Kanal habe man seit 1945 „ganz einfach vergessen", und so sei eine weitere Möglichkeit, den Fremdenverkehr zu heben, ungenutzt geblieben.

 

Über die Lage in Arys selbst schreibt „Warmia i Mazury", dass unsichtbar über der Stadt die Worte: „Arbeitslosigkeit und Schweineställe" stünden. Außer einer kleinen Kleiderfabrik gebe es keinen Gewerbebetrieb in Arys, und die Bewohner seien genötigt, sich mit der Unterhaltung von Kleingärten und mit Kleinviehzucht über Wasser zu halten. Kürzlich erst wurde die Molkerei geschlossen und die Maschinen wurden im Stillen abtransportiert. Sämtliche Städte Ostpreußens in der Größenordnung von Arys seien durch trostlose Lebensverhältnisse und durch ihren Niedergang gekennzeichnet, erklärt das polnische Blatt zusammenfassend.

 

Seite 2   Nordostpreußen auch für Polen gesperrt

Die Bemühungen der polnischen Verwaltungsbehörden in der „Wojewodschaft" Allenstein, mit den sowjetischen Verwaltungsdienststellen im sowjetisch verwalteten Teil Ostpreußens in näheren Kontakt zu gelangen, sind erneut gescheitert. Wie hierzu aus Warschau verlautet, lehnen es die sowjetischen Behörden in Königsberg neuerdings wieder ab, polnischen Journalisten die Einreise in das sowjetisch verwaltete Ostpreußen zu gestatten. Auch die Bemühungen des polnischen Reisebüros „Orbis", Ausflüge von Allenstein nach Königsberg, Tilsit, Insterburg und Gumbinnen zu veranstalten, scheiterten, da die sowjetischen Behörden keine Antwort auf entsprechende Ersuchen gaben. Das Thema eines engeren Kontaktes zwischen der Allensteiner „Wojewodschaft" in dem sowjetisch verwalteten Teil Ostpreußens sei auch während des „Geheimtreffens" zwischen Gomulka und Chruschtschow erörtert worden, heißt es in Warschau. Chruschtschow habe dabei eine „Lockerung der Maßnahmen" zugesagt. Zuerst habe es auch den Anschein gehabt, als seien die sowjetischen Behörden in Königsberg zu einer „Belebung" bereit, jedoch sei diese Bereitschaft innerhalb weniger Tage dahingeschwunden.

 

Seite 2   Abwanderung ein „dringendes Problem". Das polnische Justizministerium fordert noch härtere Maßnahmen.

Das Warschauer Justizministerium hat die „Mitarbeiter des Justizapparates" in den polnisch verwalteten Oder-Neiße-Gebieten aufgefordert, einem „dringenden Problem" Aufmerksamkeit zu schenken: Der ständig zunehmenden Abwanderung polnischer Siedler aus den Oder-Neiße-Gebieten zurück in zentral- oder südpolnische Gebiete. In einem internen Rundschreiben, das den Angehörigen der polnischen Justizverwaltung zugestellt wurde, heißt es hierzu: „Es müssen gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden gegen die empfindliche Schädigung der Westgebiete Polens, die durch das unkontrollierte Verlassen dieses Territoriums entstehen".

 

Bisher seien gegen diejenigen, welche die Oder-Neiße-Gebiete verlassen, nur sehr geringfügige Strafen, zumeist Geldstrafen, verhängt worden. Es habe sich jedoch als notwendig erwiesen, „härtere Maßnahmen" zu ergreifen und dieses Delikt künftig schärfer zu bestrafen. Derartige Maßnahmen würden, so heißt es in dem Rundschreiben zur „Festigung der polnischen Westgebiete" beitragen. Das Schreiben fordert die „Mitarbeiter des Justizapparates" auf, dem Warschauer Justizministerium geeignete Vorschläge zu unterbreiten. Die Justizbeamten in den Oder-Neiße-Gebieten sollen ferner aus ihrer Sicht das Problem der Besiedlung darstellen, „die sehr stark nachgelassen hat", und auch in Aussprachen mit der Bevölkerung das Thema diskutieren.

 

Seite 2   Ostpreußens Bahnnetz

Mit dem Versagen der polnischen Behörden beim Wiederaufbau der zerstörten und demontierten Eisenbahnverbindungen in Ostpreußen befasste sich die in Allenstein erscheinende Zeitschrift „Warmia i Mazury", die resigniert feststellt, dass das Vorhaben des Dreijahres-Planes 1946 – 1948, die Bahnlinien auf einen Stand von 92 Prozent im Vergleiche zur Vorkriegszeit zu bringen, sich als eine Illusion erwiesen habe. Auch der dann folgende Sechsjahres-Plan verrann tatenlos und jetzt erst, gegen Ende des Fünfjahresplans habe man 60 Prozent des Vorkriegsstandes erreicht. Die ersten Planungen hätten „mit einem Fiasko geendet". „Das war eine Leichtsinnigkeit, die uns bis heute teuer zu stehen kommt", fährt „Warmia i Mazury" fort; denn heute sei der Verfall der Bahnanlagen so weit fortgeschritten, dass die Stationsgebäude „dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen" und die Bahndämme überwuchert seien. Der Verzicht auf den Wiederaufbau der Bahnlinie Lötzen-Arys-Johannisburg trage beispielsweise die Schuld daran, dass das masurische Gebiet noch nicht habe „erschlossen" werden können.

 

Seite 2   Personenstandsurkunden aus der UdSSR

Für Heimatvertriebene, Aussiedler und Heimkehrer von Wichtigkeit zu wissen bei der Beschaffung von Personenstandsurkunden und anderen Personalpapieren aus der UdSSR ist der Hinweis, dass die Beschaffung wesentlich dadurch erleichtert werden kann, dass die Antragsteller in ihren Anträgen die früher in der Sowjetunion gewählte oder angewandte Übertragung ihrer Namen angeben.

 

Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass bei der unterschiedlichen und häufig auseinanderfallenden Schreibweise gleicher Laute zwischen der deutschen und der russischen Sprache bei der neuerlichen Lautübertragung kyrillische Buchstaben gewählt werden, die an sich nicht der ursprünglichen Eintragung in den sowjetischen Personenstandsbüchern bzw. -registern entsprechen.

 

In diesen Fällen werden die beantragten Urkunden und Unterlagen nicht beschafft werden können, zumal auch nicht damit zu rechnen sein dürfte, dass die sowjetischen Urkundsbeamten durch Prüfung der verschiedenen Transkriptionsmöglichkeiten diese Fälle einer Klärung unterziehen.

 

Die Angaben der früher in der Sowjetunion, gewählten oder üblichen Transkription der Namen, dürfte die Erfolgsaussichten der Anträge wesentlich erhöhen.

 

Für die Bearbeitung muss die Gebühr von 15 Rubel je Urkunde im Voraus zusammen mit dem Antrag an das sowjetische Außenministerium entrichtet werden. Falls die gewünschten Unterlagen von den russischen Behörden nicht beschafft oder ausgestellt werden können, wird in diesem Fall die Gebühr nicht zurückerstattet.

 

Seite 2   Deutschlandkarte missfällt

In einem Eigenbericht von der Brüsseler Weltausstellung nimmt die Kattowitzer Zeitung „Dziennik Zachodni" Anstoß an einer aus Holz geschnitzten Landkarte im Deutschen Pavillon Nr. 8, die das dreigeteilte Deutschland mit Einschluss der Oder-Neiße-Gebiete zeigt und die Aufschrift trägt: „Das Herz des Volkes schlägt in dem in drei Teile zerrissenen Land". Die polnische Zeitung nennt die Karte „einen unangenehmen Missklang"; sie sei „ein Zeugnis des deutschen Revisionismus" und stelle eine „Taktlosigkeit gegenüber dem gastgebenden Lande" Belgien dar.

 

Seite 2   Erschwerte Ausreise

Bereits seit einiger Zeit wird den Deutschen aus Schlesien und Polen die Ausreise von den lokalen polnischen Behörden erheblich erschwert. Als Grund dafür geben polnische Zeitungen einen zunehmenden Mangel, an Facharbeitern an. Um bewährte Fachkräfte nicht zu verlieren, ist man neuerdings daran gegangen, Stipendien, die jungen Facharbeitern zur Verfügung gestellt wurden, zurückzufordern, ehe eine Ausreisegenehmigung erteilt werden kann.

 

Seite 2   Die Pflicht der Sieger

„Die Siegermächte sind nach dem Völkerrecht juristisch zur Wiedervereinigung Deutschlands verpflichtet“. Diese Feststellung traf der Rektor der Göttinger Universität, Prof. Werner Weber, im Rahmen eines Referats über die Problematik der Wiedervereinigung, welches er auf der Hochschulwoche 1958 des Arbeitskreises sudetendeutscher Studenten in Erlangen hielt. Allerdings könne der Wunsch nach Entspannung unter den Großmächten so groß werden, dass sie sie ohne eine vorherige deutsche Wiedervereinigung verwirklichten. Die Bundesrepublik müsse daher nachdrücklich weiter auf ein Junktim zwischen Wiedervereinigung und Entspannungspolitik bestehen.

 

Seite 2   Mahnmal an der Bundesstraße 1

HAMELN. Ein Mahnmal wird am 17. Juni mitten in Hameln errichtet werden, wie der Rat der Stadt in seiner letzten Sitzung beschloss. Das Mahnmal, das an der Bundesstraße 1 stehen soll, wird die Inschrift tragen: „Bundesstraße 1, Aachen-Berlin-Königsberg, 1170 km, Deutschland ist unteilbar".

 

Seite 2   PRESSESPIEGEL

Zurück in die Wirklichkeit

Völker von jahrhundertealter diplomatischer Tradition wie die Briten und die Franzosen haben gewiss nie daran (an die Wiedervereinigung Deutschlands. Anmerkung) geglaubt sondern nur so getan. Aber wir haben daran geglaubt. Jetzt begeben wir uns zögernd in das Reich der Wirklichkeit zurück. Wir sehen, wie ungeheuer schwer der Weg zur Wiedervereinigung ist. Ist es ein Wunder dass auf dem Beginn des Weges uns zunächst ein Gefühl der Resignation überkommt? Dass wir uns erst einmal der peinigenden Empfindung hingeben, keinen rechten Rat mehr zu wissen?

 

Jener Stimmungswandel der bundesrepublikanischen Politik kommt nicht nur in dem zum Ausdruck, was gesagt wird, sondern auch in dem, was nicht gesagt wird. Wir wissen heute, dass die offiziellen Berichte über die Bonner Gespräche mit Mikojan nicht vollständig waren, dass sich namentlich in den Trinksprüchen ein Zweikampf abgespielt hat, wie es für Gastmähler höchst ungewöhnlich ist. Der Bundeskanzler hat mit bewunderungswürdiger Offenheit die sowjetische Politik wegen ihrer Doppelzüngigkeit angeklagt, aber Mikojan hat mit Schärfe zurückgeschlagen.

 

Man stelle sich die Situation vor: festlich gedeckter Tisch, funkelnde Weingläser, Fräcke und Ordensbänder, und nun das Wort des Gastes: „Der Entschluss zur Atombewaffnung war eine schlimme Sache; Sie werden das noch spüren, Herr Bundeskanzler. Eine diplomatische Drohung kann nicht weniger verhüllt ausgesprochen werden. Nun, als vor drei Jahren die Sowjetunion ähnlich drohte, haben wir uns ein wenig über sie lustig gemacht, wir haben unserer kernigen Zuversicht Ausdruck gegeben, dass sie schon nachgeben werde und Zehntausende haben diese Kraftsprüche bejubelt. Heute macht man sich nicht mehr lustig darüber, und wenn, man würde die Zehntausende nicht mehr finden, die darüber jubeln“. DIE WELT, Hamburg

 

Gegen Atombewaffnung.

Christ und Welt" ist seit Monaten gegen die taktische Atombewaffnung aufgetreten, nicht weil wir fürchteten, die Bundeswehr würde dadurch ein militärisch zu starkes und bedrohliches Instrument, sondern weil wir überzeugt davon sind, dass sie ein militärisch untaugliches Instrument werden muss, wenn sie sich tatsächlich auf taktische Atomwaffen umstellen sollte. CHRIST UND WELT

 

Den Bruder neben uns sehen.

Wenn es uns gelingen könnte, über diese geschwätzigen Besserwisser, über ihre Dogmen und opportunistischen Philosopheme hinweg alle „Episoden" unserer neueren Geschichte gleichsam zusammenzusehen, ihre scheinbaren Brüche, Umkehrungen und Dogmenstreite auf den eigentlichen Kern zurückzuführen, sie nur als Kurven, Nuancen, Schattierungen unseres vielgestaltigen Wesens zu empfinden — vielleicht könnten wir dann auch in einem geteilten und von Satellitenregierungen beherrschten Deutschland ein Volk sein ...

 

Wenn es uns doch gelingen wollte, bei der Betrachtung unserer eigenen Geschichte nicht mitten im Gedränge, sondern gewissermaßen über uns selbst zu stehen, so weit, so hoch wie möglich! Wir müssten dann freilich aufhören, Ameisen zu sein. Erst dann wären wir auch imstande, unseren Bruder neben uns zu Sehen. NEUE POLITIK, Hamburg

 

Die Gefühle sind stark.

Mit offiziellen Feiern beginnend, mit Pressekonferenzen und Musik, neigen diese Treffen dazu, sich zu lauten Wiedersehensfeiern beim Bier zu entwickeln. Und wenn die Stimmung auf dem Höhepunkt ist, dann kann ein ausländischer Beobachter vielleicht den Eindruck haben, dass alle, wenn jemand plötzlich Gewehre verteilen würde, über der Grenze wären, noch ehe man Vereinte Nationen sagen könnte. Die Gefühle sind stark, und hinter ihnen steht die feste Überzeugung, Unrecht erlitten zu haben. Es wäre jedoch falsch, das Schreckgespenst einer militanten Irredenta bei diesen Vertriebenentreffen zu deutlich an die Wand zu malen. Diese Menschen fassen immer mehr Fuß in Westdeutschland. Und während die gefühlsmäßige Anziehungskraft der verlorenen Heimat noch stark ist, ist es aber zweifelhaft, ob sich allzu viele ein zweites Mal entwurzeln würden. TIMES, London

 

Unabhängigkeit und Solidarität

„Für Afrika ist die Stunde der Unabhängigkeit gekommen: eine Unabhängigkeit, die erobert werden muss, wo sie verweigert wird, und die befestigt werden muss, wo sie zugestanden wurde. Sie befestigen heißt, den Abzug der fremden Truppen aus den nationalen Gebieten zu erreichen, stabile und moderne Staaten zu bauen (oder wiederaufzubauen), wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit zu fördern … Truppenabzug und wirtschaftlicher Aufbau werden uns nicht von dem anderen Imperativ ablenken: der Solidarität mit allen Völkern, die für ihre Unabhängigkeit kämpfen, und vor allem mit Algerien ... Es handelt sich jetzt für unsere Diplomatie darum, gemeinsam mit unseren algerischen Kameraden ein Friedensprogramm auszuarbeiten und die Initiativen zu vervielfachen, um es durchzusetzen“. L'ACTION, Tunis

 

So unmöglich nicht...

„Im Kriege erzählten wir uns einen dereinstigen“ Wehrmachtsbericht:

 

Vorausabteilungen der großdeutschen Wehrmacht erreichten den Mississippi. Die italienische Luftwaffe bombardierte erfolgreich La Valetta auf Malta.

 

Als Zukunftsmeldung sei angeregt:

Atomare Einheiten der Bundeswehr vernichteten sich zusammen mit gegnerischen Kräften erfolgreich oberhalb des Nordpols. In den Bunkern unterhalb der ehemaligen vorläufigen Hauptstadt Bonn berieten greise überlebende Parlamentarier und Vertreter von Organisationen über eine Volksbefragung gegen die Atombewaffnung. Die Verhandlungen gehen weiter“. DER SPIEGEL, Hamburg (Leserbrief)

 

Seite 3   Polens Werbung um Frauenburg. Die Stadt Kopernikus - - Geld und Propaganda als Mittel zur Geschichtsfälschung.

„Ja, wenn wir die Summen zur Verfügung erhielten, die in Frauenburg investiert werden, dann wären wir schon aller Sorgen ledig!" Mit diesen Worten charakterisierte kürzlich der polnische Stadtabgeordnete L. Zenowski in Braunsberg das Missverhältnis zwischen dem Wiederaufbau der Städte und der Polonisierung bekannter deutscher Kunstbauwerke. Während nämlich für den ersteren Zweck nur völlig ungenügende Summen bereitgestellt werden, ist der Haushaltsausschuss der Warschauer Regierung mehr als großzügig, wenn es um einzelne Objekte geht, die den angeblich historischen Anspruch Polens auf die deutschen Ostprovinzen aller Welt demonstrieren sollen.

 

So ist es kein Wunder, dass die polnische Regierung gewaltige Summen in den letzten Jahren freigegeben hat, um die Stätten des Nikolaus Kopernikus in Frauenburg einschließlich Dom und Domburg „als ein Symbol des Polentums" zu renovieren, weiter zu erforschen und zu propagieren. Dabei wollen wir sogleich auf einen bemerkenswerten Umstand verweisen: die polnische Verwaltung hat sich bisher kaum um den Wiederaufbau der zu etwa 65 v. H zerstörten städtischen Anlagen von Frauenburg gekümmert! Dafür wurde bisher so gut wie gar kein Verständnis gezeigt. Fast die gesamten — in Millionen gehenden — Mittel flössen und fließen in das sogenannte „Objekt kultureller Bauten zu Frauenburg“.

 

Es ist natürlich nichts dagegen zu sagen, dass die polnischen Behörden die im Krieg entstandenen Schäden an diesen Gebäuden ausbessern und sonstige Renovierungen ausführen. Andererseits müssen wir uns aber entschieden dagegen wenden, dass viel größere Summen dazu aufgewendet werden, das Domviertel in polnische Bauten umzufälschen und entsprechend in aller Welt zu propagieren. Für diese letzteren Ziele werden daher auch mehr Gelder als für die eigentlichen Renovierungen ausgegeben! Denn Frauenburg ist nicht nur zu einem Mittelpunkt der innerpolnischen Touristik geworden, sondern es kommen Jahr für Jahr immer mehr Ausländer aus westlichen wie östlichen Staaten nach hier.

 

Die polnischen Pläne um Frauenburg basieren auf folgenden Hauptüberlegungen: 1. Sollen die Dombauwerke Polens Anspruch auf das südliche Ostpreußen manifestieren. 2. Sollen die Stätten des Kopernikus als „Heimstatt eines der größten polnischen Weisen" publik gemacht werden. 3. Will man das Geschichtsbewusstsein der polnischen Besucher stärken und bei den ausländischen Gästen den Eindruck hervorrufen, als ob Frauenburg Zeugnis für das angeblich polnische Süd-Ostpreußen ablegt. 4. Sollen die Besucherströme inländische Zahlungsmittel und Devisen einbringen. In Warschau rechnet man damit, dass sich die beträchtlichen Investierungen mit der Zeit rentieren und dass Frauenburg ab 1960 sogar Überschüsse abwirft. Gegenwärtig besuchen zwischen 65 000 und 75 000 Touristen jährlich Frauenburg — vom nächsten Jahr ab werden es im Jahr aber schon 100 000 sein. Rund fünf Prozent davon sind Ausländer aus westlichen Staaten. Man sah in Frauenburg während der vergangenen Monate Forscher aus den angelsächsischen Ländern, Skandinavien und Westeuropa. Aber auch Kunststudenten und andere Interessierte haben die alte Bischofsstadt besucht.

 

Da diese Gäste zum Teil ganz erhebliche Beträge zahlen (eine skandinavische Reisegruppe gab an drei Tagen in Frauenburg pro Person den Gegenwert von 60 Dollar aus), will man den ausländischen Besuchern in Frauenburg immer wieder etwas Neues bieten. Deshalb werden von der polnischen Verwaltung auch regelmäßig neue Ausgrabungen und Forschungen im Domburgviertel unternommen. Nachdem einige dieser Forschungen sehr erfolgreich waren, haben sich in verstärktem Maße ausländische Wissenschaftler zu einem Besuch angekündigt. Als sehr anziehend haben sich dabei die Ausgrabungen in einer Tiefe von fünf Metern erwiesen, wo Fragmente älterer Bauten gefunden wurden. Unter anderem glauben viele polnische Forscher daran, dass sie dabei auf die Überreste des uralten Osttores der Domburg gestoßen sind. Solche Erfolge locken natürlich auch andere Historiker und Forscher an, die man großzügig an den Arbeiten teilnehmen lässt. In aller Stille bereitet man unter anderem auch eine wissenschaftliche Broschüre vor, in der mit Unterstützung und Namensnennung ausländischer Forscher eine vorläufige Bilanz der bisherigen Arbeiten gezogen werden soll. Es versteht sich von selbst, dass im Vor- und Nachwort dieser Broschüre das Warschauer Kultusministerium die falsche Auffassung vom „polnischen Frauenburg" propagieren wird. Obwohl aber nur der rein wissenschaftliche Bericht die Unterschrift der ausländischen Forscher trägt, wird auf diese Weise der Eindruck hervorgerufen, dass sich diese Gäste auch mit den politischen Erklärungen einverstanden erklären.

 

Sehen wir uns erst einmal in dem Städtchen um, dem der Krieg und manche mutwillige Brandstiftung so schweren Schaden zugefügt hat. Unter den vielen vernichteten Gebäuden befindet sich auch die mittelalterliche Pfarrkirche, die gänzlich verschwunden ist. Weiter macht sich sehr bemerkbar, dass bis etwa 1956 auch in Frauenburg Abbruchkommandos ihr Unwesen trieben und viele nur leicht oder gar nicht beschädigte Häuser abrissen. Das ist inzwischen unter Strafe gestellt worden, Stadtverwaltung, Gericht in Braunsberg und die Frauenburger Miliz wachen jetzt streng darüber, dass alles erhalten bleibt. In der Tat hat es seit dieser Zeit keine Zerstörungen dieser Art mehr gegeben. Berechtigte dieses Verhalten auch zu einigen Hoffnungen, so wurde zwar die weitere Vernichtung durch Menschenhand unterbunden, aber es kam nicht zu dem mehrfach angekündigten großen Wiederaufbau.

 

Heute besteht das Hauptproblem darin, die Besucher Frauenburgs unterzubringen. Für die wesentlich geringer gewordene Einwohnerzahl genügt dagegen das erhaltene Drittel der Stadt. Für die Touristen stehen jetzt in erster Linie Räume in zwei der unversehrten Domherrkurien zur Verfügung. Das reicht jedoch nicht aus. Und so sind in der letzten Zeit in den einzelnen Stadtteilen andere Herbergen entstanden. Bis heute aber ist es nicht gelungen, zumindest ein hotelähnliches Gebäude einzurichten. Die Verwaltung ist gezwungen, für die Ausländer die besten Privaträume oder Zimmer in den Herbergen zu reservieren. Bei den polnischen Gästen ist es zumeist so, dass sie morgens ankommen und abends wieder abreisen. Frauenburg ist trotz des schon jetzt großen Besucherstromes nicht in der Lage, auch nur eine kleine Zahl von Gästen für längere Zeit in der Stadt unterzubringen. Andererseits weiß man aber sehr gut, dass die Unterkunftsfrage wenigstens in bescheidenem Umfang gelöst werden muss. Selbst wenn man sich auch in Zukunft darauf einstellt, dass die Mehrzahl der Besucher nur Tagesgäste sein werden. Vor allem den Ausländern ist es nicht zuzumuten, kurzfristig wieder abzureisen oder mit primitiver Unterbringung vorlieb nehmen zu müssen. Es wäre deshalb höchste Zeit, dass die Verwaltung sich dem Wiederaufbau der Stadt zuwendet und als erstes die Beherbergungsbetriebe wiedererstehen lässt. Im städtischen Volksrat ist unter anderem auch schon die Forderung aufgestellt worden, Frauenburg endlich ein eigenes Baukomitee zu geben und es nicht mehr wie bisher dem Braunsberger Bauamt zu unterstellen. Dort nämlich hat man bisher immer die zum Aufbau der Stadt vorgesehenen Mittel umzuleiten verstanden. Dabei ist am Schluss dann einiges in Braunsberg hängengeblieben . . .

 

An dringenden Arbeiten sind außer dem Häuserbau noch folgende auszuführen: vor allem die Überholung der Brunnen, weil Frauenburg ja wegen der bekannten Grundwasserschwierigkeiten kaum generell mit Wasserleitungen versehen werden kann. Nun sind die vorhandenen Brunnen zwar schon vor Jahren überholt worden, aber ihr heutiger Zustand ist dennoch jämmerlich gegenüber unserer Zeit. Ab und zu muss ein Brunnen geschlossen werden, weil Verunreinigungen usw. vorkamen. Nicht minder wichtig ist die völlige Wiederherstellung des Kopernikus-Kanals, den wir in seinem jetzigen Zustand kaum wiedererkennen würden. Weniger Schwierigkeiten bereitet die Beseitigung der letzten Trümmer, die Instandsetzung der Straßen und Verschönerungsarbeiten Anlagen.

 

Wie sieht es nun aus, wenn man den „Krengel" zum Dom hinaufgeht? Das Gebiet der Domburg ist im Wesentlichen erhalten geblieben. Der Führer erklärt den Besuchern sogleich, welche kleineren Schäden in letzter Zeit völlig ausgebessert wurden. Dabei wird eingefügt, dass deswegen die Frauenburger Hospital- und die Pfarrkirche nicht hätten wiederaufgebaut werden können (die polnischen Gottesdienste finden heute in dem protestantischen Gotteshaus Frauenburgs statt). Im Domviertel finden wir das Alte Palais und den Glockenturm zerstört. Die Polen haben vor einiger Zeit damit begonnen, diese Stätten in ihrer alten Form wiedererstehen zu lassen. Allerdings ist es so, dass die meisten Mittel nach wie vor zur Erhaltung, Erforschung und Renovierung der heil gebliebenen Gebäude verwendet werden. Gegen dieses Verfahren ist wenig einzuwenden, da es natürlich zuerst darauf ankommt, die echten historischen Gebäude zu schützen. Die Rekonstruktion vernichteter Einzelteile tritt demgegenüber zurück.

 

Der Dom mit seinen vier spitzen Türmen hat sich äußerlich nicht verändert. Im Inneren machen sich aber fehlende Kunstwerke bemerkbar. Das Inventar ist beträchtlich zusammengeschrumpft. In noch stärkerem Maße gilt das für das Kopernikus-Museum. Gingen durch russische Trophäen-Kommissionen im Dom hauptsächlich Gerätschaften aus Edelmetall verloren, so muss das alte deutsche Frauenburger Museum als in alle Winde verstreut gelten. Als die polnische Verwaltung vor zehn Jahren ein neues Kopernikus-Museum einrichtete, da konnte sie auf keinerlei gerettete Gegenstände zurückgreifen. Besucht man heute das ein Dutzend Räume umfassende Museum in den beiden Domherrkurien neben dem Hauptportal, so findet man im wesentlichen Rekonstruktionen von Originalstücken, Übersichtskarten, Erläuterungen usw. Alles andere existiert nicht mehr. Trotzdem muss man der Museumsleitung Lob zollen dass sie sich in letzter Zeit um die Wiederbeschaffung von verlorengegangenen Archivstücken und dem Auffinden neuer Ausstellungsdinge kümmert. Unter den seit Kriegsende obwaltenden Umständen hat die Museumsleitung alles getan, was menschenmöglich war. Wir stellen dies ausdrücklich fest, weil es der Wahrheit entspricht und wir nicht nur Kritik üben wollen. So kann man es auch nur begrüßen, dass sich das Museum gegenwärtig darum bemüht, in die Sowjetunion gebrachte Originalbriefe von Kopernikus wieder zu beschaffen oder zumindest in den Besitz von Photokopien zu kommen. Ebenso im Stillen laufen Verhandlungen, die erst vor Luftangriffen ausgelagerten und dann von den Russen entdeckten und abtransportierten Teile des Dom-Flügelaltares wieder nach Frauenburg zu bekommen. Es geht dabei vor allem um die berühmten hölzernen Altarfiguren, von denen einige bis nach Moskau gelangt sind. Zwar hat man offiziell schon vor sechs Jahren erklärt, diese Kunstwerke seien alle der polnischen Regierung übergeben worden, aber in Frauenburg ist nur ein verschwindend kleiner Teil angekommen. Es gereicht der polnischen Verwaltung zur Ehre, dass sie sich energisch um weitere Nachforschungen bemüht.

 

In diesem Museum befindet sich auch ein Raum, in dem anhand von photographischen Aufnahmen gezeigt wird, was seit 1945 an Reparaturen im Domburgviertel ausgeführt worden ist. Der Dom selbst hatte Schäden am Dach (Hauptteil und Seitenhalle) und am Mauerwerk (westlicher Eckturm) davongetragen. Die zur Wiederherstellung notwendigen Reparaturen sind inzwischen ordnungsgemäß ausgeführt worden, so dass nichts mehr an die Schäden erinnert. Schwerer wurden die Domherrkurien betroffen, die teilweise schwer beschädigt wurden oder gänzlich abgebrannt waren (durch Krieg und Brandstiftung). Völlig verschwunden ist die Kurie des Dompropstes. Das durch Artilleriefeuer beschädigte Hauptportal ist dagegen wieder in seinem alten Zustand. Auch der in Mitleidenschaft gezogene Kopernikusturm, in dem sich zu unserer Zeit das Museum befand, hat sein altes Aussehen zurückerhalten.

 

Dass dennoch nicht alles in Frauenburg in Ordnung ist, geht aus der polnischen Zeitung „Allensteiner Stimme" hervor. Dieses Blatt schrieb vor einiger Zeit: „Im stillen Frauenburg stand nicht weit entfernt von der Kathedrale ein gusseisernes Kopernikus-Denkmal. Es wurde von den Deutschen zu Ehren des großen Astronomen gesetzt. ‚Das ist der deutsche Kopernikus. Kopernikus ist volksdeutsch! Man muss ihn zum Teufel jagen!' — so haben es im Jahre 1945 offizielle polnische Stellen angeordnet. Sie verfügten über Panzerwagen. Und dann haben sie diese Kampfwagen mit Stahlseilen versehen und den Volksdeutschen Kopernikus vom Sockel reißen lassen. ,Hier werden wir einen neuen, unseren polnischen Kopernik, aufstellen, brüsteten sich unsere Sieger damals. Bis heute aber gibt es jedoch leider immer noch nicht ein neues Kopernikus-Denkmal ..." In diesem Artikel taucht die Problematik der Polen in Frauenburg auf, die doch ein wenig unsicher sind, ob alles das, was sie hier tun, richtig ist. Vielleicht hatten die Kollegen von 1945 doch recht, die Kopernikus als Deutschen ansahen und daher vom Sockel stürzten? Auch aus mancher anderen Stellungnahme geht hervor, dass längst nicht alle Polen davon überzeugt sind, Kopernikus sei ein Landsmann von ihnen . . .

 

Und an diesem Punkt muss auch wieder unsere Kritik einsetzen. Man wird der Welt und vor allem den ausländischen Besuchern Frauenburgs von unserer Seite aus sagen müssen, dass diese Stadt ein Symbol des Deutschtums ist und von den Polen lediglich zur Geschichtsfälschung benutzt wird. Außerdem sollte man auf einen grundlegenden Unterschied hinweisen: heute ist Frauenburg unter der zeitweiligen polnischen Verwaltung ein Instrument der politischen und nationalistischen Propaganda! Das aber ist es in unserer Zeit niemals gewesen! Verfälschung und Propaganda können aber niemals an den Tatsachen etwas ändern. Und Tatsache ist, dass der Gelehrte Nikolaus von Kopernikus wie die Stadt Frauenburg mit ihren Bauwerken immer deutschen Charakter getragen haben und tragen werden.

 

Seite 3   Foto: Dom zu Frauenburg, an dem Nikolaus Kopernikus wirkte. Foto: Löhrich

 

Seite 3   Königsberg – Stadt ohne Kirchen. Gotteshäuser, die der Krieg verschonte, werden zweckentfremdet.

Das unter sowjetischer Verwaltung stehende Königsberg in Nord-Ostpreußen ist zu einer Stadt ohne Kirchen geworden. Diese Tatsache wurde jetzt in einer Sendung von Radio Königsberg über „Historische Bauwerke" der ostpreußischen Hauptstadt bestätigt. Der sowjetische Sprecher erwähnte im Laufe der Sendung auch „sogenannte kultische Bauwerke", womit die Gotteshäuser gemeint waren. Einleitend sagte er: „Da die Bevölkerung keinerlei Interesse an der Ausübung kultischer Handlungen zeigte, beschloss der Stadtsowjet, diese in der Mehrzahl schwer beschädigten Gebäude einer der Allgemeinheit dienenden Verwertung zuzuführen. Bei den Überprüfungen ergab sich, dass außer den überhaupt nicht mehr zu erhaltenden kultischen Gebäuden zwei gesprengt werden mussten, deren Reparaturkosten in keinem Verhältnis zu dem erwarteten Nutzeffekt bei der etwaigen Wiederherstellung gestanden hätten. Durch die Sprengung wurden nicht nur öffentliche Schadensstellen beseitigt, sondern auch große Mengen von Baumaterialien gewonnen. Die bei diesen beiden Gebäuden gewonnenen Baustoffe verwendete man dazu, ein neues Kulturhaus für die werktätigen Fischer und die Arbeiterinnen der Fischverarbeitung zu erbauen“.

 

Aus den Angaben der Radiostation geht weiter hervor, dass die Altstädtische Kirche Königsberg (an der Tragheimer Kirchenstraße) demnächst ebenfalls gesprengt werden soll. Obwohl das etwas zurückliegende Gotteshaus für den Verkehr keine Gefährdung darstellt, soll diese ausgebrannte Kirche ebenfalls nicht erneuert werden. Ein völlig freier Platz erhebt sich dagegen schon auf dem Gelände der früheren Schlosskirche. Hier ist alles gesprengt worden. Inzwischen wurden Aufräumungsarbeiten durchgeführt. Der Sender gab an, dass an dieser Stelle ein Park mit russischen Denkmälern entstehen soll.

 

Noch trister wird es in Zukunft an der Luisenkirche zugehen. Der hier befindliche Park aus der Vorkriegszeit ist längst zum „volkseigenen Rummelplatz" mit den verschiedensten Amüsierbetrieben geworden. Nun sollen die Reste der Luisenkirche abgetragen werden. Danach will man das Vergnügungsgelände bis hierher vergrößern. Auch das älteste Gotteshaus der Stadt — die Steindammer Kirche — existiert nicht mehr. Es ist bereits vor längerer Zeit bis auf die Grundmauern niedergerissen worden.

 

Völlig unklar ist, was mit dem notdürftig wieder hergerichteten Dom geschehen soll. Der Sprecher äußerte sich dazu nicht. Aus einer früheren Sendung kann jedoch entnommen werden, dass der Dom als Sehenswürdigkeit geschont werden soll. Auf keinen Fall aber werden Gottesdienste in ihm stattfinden! Genau so wenig wie in der Ponarther Kirche und dem Gotteshaus am Ottokarplatz. Diese beiden Gotteshäuser blieben erhalten bzw. sie wurden renoviert — heute dienen sie als Lagerstätten für die verschiedensten Versorgungsgüter. Zum Teil hat man in sie provisorische Stockwerke eingebaut, um mehr unterbringen zu können. Radio Königsberg gab zum Schluss dieses Berichtes noch zu verstehen, dass auch im gesamten sowjetischen Verwaltungsgebiet von Nord-Ostpreußen nicht mehr eine einzige Kirche ihrem alten Zweck dient!

 

Seite 3   Polnischer Reisedienst will Ostpreußens Seen „entdecken“.

„Entdeckungs- und Erschließungsfahrten" zu den Seen Ostpreußens will der staatliche Orbis-Reisedienst im kommenden Sommer durchführen. Genannt werden u. a. als Reiseziele Eckersberg am Spirding-See. Lötzen und Angerburg. In entsprechenden Prospekten und Rundschreiben werden die Reiselustigen vom „Orbis"-Büro allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass sie zwar Naturschönheiten, dafür jedoch „keine Bequemlichkeiten und nur behelfsmäßige Unterkünfte" erwarten müssten. Wanderungen würden nur in geschlossenen Gruppen durchgeführt werden können, was sich „durch die Nähe der Grenze" und „zum Teil schwierigen Wegeverhältnissen" erkläre. Die Mitnahme von Zelten und Kochgerät wird empfohlen.

 

Seite 3   Bernsteinbetrieb in Danzig.

Von den privaten Bernstein-Industriebetrieben aus der Vorkriegszeit ist in Danzig heute noch ein einziger übrig, der von einem Bernsteinschleifer geleitet wird. Dies berichtete eine Danzigerin, die auf dem Zonengrenzbahnhof Büchen eintraf. Sie sagte, die Bernsteinindustrie habe nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut werden können, da das Rohmaterial von der ostpreußischen Samlandküste fehlte und es keine ausgebildeten Schleifer mehr gab.

 

Seite 4   Was muss der Spätaussiedler wissen. Kleiner Wegweiser durch das Dickicht der Gesetze.

Keine Enttäuschung erlebt der Umsiedler in der Regel mit den ihm in Aussicht gestellten Lastenausgleichsleistungen. Hier hat er keine Stichtage versäumt, und hier kann er also alle in Frage kommenden Leistungsanträge und den Schadenfeststellungsantrag bei seinem zuständigen Ausgleichsamt stellen. Bei allen mindestens 65-jährigen kommt vor allem die Unterhaltshilfe, gegebenenfalls auch eine Entschädigungsrente als Altersversorgung in der neuen Heimat in Frage. Sehr wichtig ist, dass der Antrag auf die Unterhaltshilfe so früh wie möglich gestellt wird, weil sie nicht früher als vom Zeitpunkt der Antragstellung ab gewährt werden kann.

 

Hausrathilfe

Fast jeder Aussiedler wird einen Antrag auf Hausratsentschädigung stellen können. Hier gibt es unter Umständen bereits die erste Meinungsdifferenz mit dem Ausgleichsamt. Der Beamte wird den Aussiedler fragen, welche Hausratstücke er mitgebracht habe. Ist das einiges, so wird der Beamte möglicherweise dem Aussiedler bedeuten, dass er erst in eine eingehende Untersuchung eintreten müsse, ob nicht etwa mehr als die Hälfte des Hausrates gerettet sei. Diese Praktik ist lächerlich, denn selbst wenn der Aussiedler zahlenmäßig einen Großteil der Gegenstände mitgebracht hat, so ist die Qualität dieser Güter doch bereits so schlecht, dass sie niemals fünfzig Prozent des Wertes des Hausrates von 1945 darstellen können.

 

Die Ausbildungshilfe

Im Falle der Beantragung einer Ausbildungshilfe für Jugendliche aus dem Lastenausgleich kann der Aussiedler unter Umständen auch einige Überraschungen erleben. Es ist nicht möglich, das Erlernen eines einwandfreien Deutsch in Förderschulen für Schulpflichtige aus Lastenausgleichsmitteln zu finanzieren. Es stehen aber andere Haushaltsmittel für diesen Zweck zur Verfügung. Über die Enttäuschung, dass die Kinder nicht aus der Ausbildungshilfe des Lastenausgleichs gefördert werden können, weil der Aussiedler einen Arbeitsplatz mit etwas mehr als dem doppelten Fürsorgerichtsatz erhalten hat, soll hier nicht weiter gesprochen werden, weil diese Bestimmung nicht nur die Aussiedler, sondern auch die Altvertriebenen empört.

 

Die Versicherungen

Gehörte der Aussiedler vor 1945 der Invaliden-, Angestellten- oder Knappschaftsversicherung an, so erhält er, wenn er die Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsvoraussetzungen erfüllt, in Westdeutschland eine Sozialversicherungsrente, in der auch die in der Heimat nach 1945 gearbeiteten Zeiten rentensteigernd anerkannt werden, sofern die gleiche Tätigkeit nach den Vorschriften der deutschen Versicherungsanstalten versicherungspflichtig sind. Durch die Sozialversicherungs-Neuordnungsgesetze vom Februar 1957 konnte erreicht werden, dass auch alle jene Zeiten bei einem Aussiedler wartezeiterfüllend und rentensteigernd angerechnet werden, die chaotische Jahre genannt werden. Das sind die Monate, in denen sich ein Vertriebener auf der Flucht, in Transporten, in Lagern usw. befand. Da auch in den Sozialversicherungen die Rentenzahlung frühestens mit dem Monat der Antragstellung beginnen kann, empfiehlt es sich auch hier, den Antrag so früh als möglich zu stellen.

 

War der Aussiedler vor 1945 Versicherter einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung, so wird er in Westdeutschland fast immer Enttäuschungen erleben. In der Regel wird das Versicherungsinstitut, bei dem er versichert war, untergegangen sein. Dann wird man den Aussiedler auf den Lastenausgleich verweisen. Ist das Versicherungsunternehmen in die sowjetische Besatzungszone ausgewichen, erhält der Aussiedler auch nichts. Handelt es sich um ein in die Bundesrepublik verlagertes Versicherungsinstitut, so wird der Aussiedler in der Regel nur etwa die halbe ihm zustehende Zahlung erhalten.

 

Personen, die Kriegsbeschädigungen in einem der beiden Weltkriege erlitten haben, erhalten Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Das gleiche gilt für Hinterbliebene (Witwen, Waisen, Eltern) Gefallener oder nachträglich gestorbener Kriegsbeschädigter. Entsprechendes gilt auch für Angehörige von Kriegsgefangenen. Wer im Zusammenhang mit der Vertreibung Beschädigungen erlitten hat, erhält dafür keine Kriegsopferversorgung.

 

Kriegsgefangene, Heimkehrer, Internierte.

Ähnlich steht es mit den Leistungen nach dem Heimkehrergesetz. Diese Leistungen erhalten nur Kriegsgefangene und Internierte. Als Internierte gelten nicht Deutsche, die in Sammellagern, Arbeitslagern und ähnlichen Lagern zusammengepfercht waren. Eine Verschleppung in das Ausland würde Ansprüche aus dem Heimkehrergesetz begründen. Ein Ausweichen nach Litauen pflegt jedoch nicht als Verschleppung in das Ausland zu gelten. In der Regel entfällt die Geltungmachung von Ansprüchen als Heimkehrer.

 

Für die Zahlung der Kriegsgefangenenentschädigung ist, sofern nicht Kriegsgefangenschaft vorlag, ein Festgehaltenwerden oder die Verschleppung in das Ausland in ursächlichem Zusammenhang mit Kriegsereignissen erforderlich. Eine Zusammenfassung von Personen in anderen Lagern, und sei sie auch noch so rechtlos, führt zu keiner Berechtigung auf Kriegsgefangenenentschädigung.

 

Zweifelhaft ist auch, ob dem Aussiedler Leistungen aus dem Häftlingshilfegesetz gezahlt werden können. Er muss von den Polen oder Russen aus politischen oder — nach freiheitlich-demokratischer Auffassung — von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sein. Wenn er in Haft genommen worden ist, nur weil er Deutscher war, so reicht das nicht aus. Und inwieweit bei „Felddiebstählen" Häftlingshilfeleistungen anerkannt werden, ist von Fall zu Fall verschieden. Schwierigkeiten können auch wegen Überschreitung bestimmter Fristen auftreten.

 

Mit den Arbeitslosenzahlungen wird es im Allgemeinen keine Schwierigkeiten geben. Aussiedler aus dem Memelgebiet werden jedoch empört sein, dass ihnen nicht das günstigere Arbeitslosengeld der Arbeitslosenversicherung zusteht, sondern nur die niedrige Arbeitslosenhilfe (früherer Name Arbeitslosenfürsorge).

 

Die Wohnraumfrage

Die größte Enttäuschung wird natürlich hinsichtlich der Wohnraumversorgung eintreten. Wenn der Aussiedler zu seinen Verwandten zieht und dort Platz vorhanden ist, dann ist das noch die beste Lösung. Das Warten auf eine Wohnung kann recht lange dauern. Zwar stellt der Bund für jeden Aussiedler zwecks Wohnungsbau 2000 DM zur Verfügung, aber das Geld allein nützt nicht viel; es fehlt fast immer die diesen Betrag ergänzende Finanzierung. Bis die Vollfinanzierung geschafft ist, dauert es manchmal Monate, wenn nicht sogar Jahre; und dann beginnt ja meist erst die Bauzeit.

 

Meldestellen für Förderschulen

Durch die zusätzliche Einrichtung einer Landesmeldestelle Rheinland für jugendliche Spätaussiedler aus den deutschen Ostgebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie beim Hauptbüro des Evangelischen Hilfswerks in Düsseldorf bestehen nunmehr im Lande Nordrhein-Westfalen vier Meldestellen, die jetzt folgende Bezeichnung und Anschrift führen:

 

A) Für evangelische Kinder und Jugendliche:

1. Landesmeldestelle Rheinland für jugendliche Spätaussiedler (beim Hauptbüro des Evangelischen Hilfswerks), Düsseldorf Graf-Recke-Str. 213;

2. Evangelische Landesmeldestelle Westfalen für junge Spätaussiedler, Münster, Friesenring 34.

 

B) Für katholische Kinder und männliche Jugendliche:

Zentrale Meldestelle für Kinder und männliche Jugendliche beim Diözesan-Caritasverband, Paderborn, Domplatz 26.

 

C) Für katholische Mädchen über 14 bis 25 Jahre:

Zentrale Meldestelle für weibliche Jugendliche Aussiedler beim Meinwerk-Institut, Paderborn, Heierstraße 32.

 

Alle Anfragen, die jugendliche Spätaussiedler oder Förderschuleinrichtungen für diese betreffen, sind deshalb an die vorbezeichneten Meldestellen zu richten.

 

Begabtenförderung

Begabte jugendliche Zuwanderer aus der SBZ und aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten (Spätaussiedler), die bereits in einer Berufsausbildung stehen und sich gern schulisch weiterbilden wollen, können sich durch den Besuch einer Abend-Oberschule auf das Abitur vorbereiten. In der Bundesrepublik sind für diesen Zweck solche Abend-Gymnasien in nachstehend angeführten Städten eingerichtet:

 

Aachen, Braunschweig, Bremen, Bremerhaven, Dortmund, Duisburg, Essen, Frankfurt/M., Gelsenkirchen, Gießen, Göttingen, Hamburg, Hildesheim, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Köln, Lübeck, Mainz, Mannheim, Neuß, Offenbach, Pforzheim, München, Saarbrücken, Siegen/Westf, Stuttgart, Wuppertal, Wiesbaden.

 

Das jeweilige Stadtschulamt erteilt Interessenten über die Aufnahmebedingungen Auskunft.

 

Bundesvertriebenenausweise

Bis zum 31. März 1958 wurden im Bundesgebiet und Berlin (West) insgesamt 7 570 270 Anträge auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 15 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) gestellt, wie das Bundesvertriebenenministerium mitteilt:

 

Davon entfielen auf:

Ausweis A: 6 642 372 (87,8 v. H.)

Ausweis B: 229 170 ( 3,0 v. H.)

Ausweis C: 698 728 ( 9,2 v. H.)

 

Von den 7 570 270 Anträgen insgesamt wurden erledigt:

durch Ausstellung von Ausweisen 6 703 991 (88,6 v. H.)

durch Ablehnung 297 477 (3,9 v. H.)

durch Rücknahme, Verzug, Tod usw. 328 367 (4,3 v. H.)

durch Unerledigt geblieben sind 240 435 (32, v. H.)

 

Von den jeweils gestellten Anträgen wurden erledigt:

Durch Ausstellung von Ausweisen

bei Ausweis A: 6 167 804

(92,9 v. H. der Anträge mit 8 019 025 Pers.)

 

Seite 4   Sterbevorsorge

Unterhaltsempfänger auf Zeit, die bereits endgültig aus der Unterhaltshilfe ausgeschieden sind, können auf Grund der im 8. Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz enthaltenen Neuregelung beantragen, dass sie in die Sterbevorsorge wieder aufgenommen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sie die bei ihrem Ausscheiden zurückerhaltenen Sterbegeldbeiträge bis zum 31. Juli 1958 wieder bei ihrem zuständigen Ausgleichsamt einzahlen und Antrag auf Wiederaufnahme in die Sterbevorsorge stellen.

 

Seite 4   Zahlen, die zu denken geben

Untersuchungen der Schulanfänger durch das Gesundheitsamt Augsburg ergaben, dass im Jahre 1955: 26,5 v. H. der Sechsjährigen unter nervösen Störungen, 26,65 v. H. unter Fußbeschwerden und 5,9 v. H. unter Haltungsschäden litten. In München lag im gleichen Zeitraum der Anteil der Kinder mit Haltungsschäden und Fußbeschwerden noch höher (10,5 v. H. bzw. 36,3 v. H.); schlechter Allgemeinzustand wurde bei 13 v. H. festgestellt, und nur jedes zehnte Kind wurde als völlig gesund befunden.

 

In Bremen wurde 1954 bei einer Untersuchung der 6- bis 14-jährigen registriert: Allgemeinzustand „gut" 25 v. H., Allgemeinzustand „sehr schlecht" (knapp) 15 v. H.

 

Bei vertrauensärztlichen (!) Untersuchungen im Auftrag der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) stellte sich 1955 heraus, dass nur etwa 28 v. H. aller Lehrlinge (2. Lehrjahr) völlig gesund sind. Bei 9,4 v. H. der männlichen und 21,1 v. H. der weiblichen Lehrlinge lautete der Befund: „Kurbedürftig". Örtlich liegt der Anteil der kurbedürftigen Jugendlichen oft erheblich höher.

 

Befragungen kleineren und größeren Umfanges in verschiedenen Teilen der Bundesrepublik ergaben übereinstimmend, dass einem bedenklich großen Teil der Kinder (insbesondere im volksschulpflichtigen Alter) weder während der großen Ferien noch sonst im Laufe des Jahres ein Erholungsaufenthalt beschieden ist.

(Entnommen dem Jahrbuch der Arbeiterwohlfahrt, Landesverband Bayern.)

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 6, Juni 1958.

 

Foto: Das schmeckt besser als bei Mutti. Foto: Sachers. Ein kleines Mädchen schöpft sich mit einer großen Schöpfkelle Milch aus einem Milchkübel, frisch gemolkene Kuhmilch in einen Blechbecher.

 

Seite 5   Ewiger Quell. Deutsche Dichter preisen den Wald.

Die Nachmittagssonne war schon ziemlich tief zur Rüste gegangen und spann schon manchen roten Faden zwischen den dunklen Tannenzweigen herein, von Ast zu Ast springend, zitternd und spinnend durch die vielzweigigen Augen der Himbeer- und Brombeergesträuche — daneben zog ein Hänfling sein Lied wie ein anderes dünnes Goldfädchen von Zweig zu Zweig, entfernte Berghäupter sonnten sich ruhig, die vielen Morgenstimmen des Waldes waren verstummt, denn die meisten Vögel arbeiteten oder suchten schweigend in den Zweigen herum. Manche Waldlichtung gewährte Blicke auf die rechts und links sich dehnenden Waldrücken und ihre Täler, alles in wehmütig feierlichem Nachmittagsdufte schwimmend, getaucht in jenen sanft blauen Waldhauch, den Verkünder heiterer Tage, daraus manche jungen Buchenstände oder die Waldwiesen mit dem sanften Sonnengrün der Ferne vorleuchteten. So weit das Auge ging, sah es kein ander Bild als denselben Schmelz der Forste, über Hügel und Täler gebreitet, hinausgehend bis zur feinsten Linie des Gesichtskreises, der draußen am Himmel lag, glänzend und blauend wie seine Schwester, die Wolke . . . Ein Unmaß von Lieblichkeit und Ernst schwebte und webte über den ruhenden dämmerblauen Massen. Man stand einen Augenblick stumm, die Herzen der Menschen schienen die Ruhe mitzufühlen. Denn es liegt ein Anstand, ich möchte sagen, ein Ausdruck von Tugend in dem von Menschenhänden noch nicht berührten Antlitz der Natur, dem sich die Seele beugen muss als etwas Keuschem und Göttlichem — und doch ist es zuletzt wieder die Seele allein, die all ihre innere Größe hinaus in das Gleichnis der Natur legt. Von Adalbert Stifter.

 

Der Wald allein lässt uns Kulturmenschen noch den Traum einer von der Polizeiaufsicht unberührten persönlichen Freiheit genießen. Man kann da doch wenigstens noch in die Kreuz und Quere gehen nach eigenen Gelüsten, ohne an die patentierte allgemeine Heerstraße gebunden zu sein. Ja, ein gesetzter Mann kann da selbst noch laufen, springen, klettern nach Herzenslust, ohne dass ihn die alte Tante Dezenz für einen Narren hält . . . Der Wald ist der Turnplatz der Jugend, oft auch die Festhalle der Alten. Wiegt das nicht mindestens ebenso schwer als die ökonomische Holztrage? Den freien Wald und das freie Meer hat die Poesie mit tiefsinnigem Wort auch den heiligen Wald und das heilige Meer genannt; nirgends wirkt darum diese Heiligkeit der unberührten Natur ergreifender, als wo der Wald unmittelbar dem Meere entsteigt. Von Wilhelm Heinrich Riehl.

 

Seite 5   Deutsche in aller Welt. Das Deutschtum in Rumänien.

Vor dem 2. Weltkrieg lebten rund 800 000 Deutsche in Rumänien, die 460 Volksschulen, 17 höhere Schulen, 10 Fachschulen und 4 Lehrerbildungsanstalten besaßen, die von 75 000 Schülern besucht wurden. 1700 Lehrer und Professoren unterrichteten an diesen deutschen Schulen. Die Deutschen nannten rund 80 000 Bauernhöfe mit rund 700 000 ha Grund ihr Eigen. Sie hatten 260 Kreditgenossenschaften, 50 Konsum- und 200 Einkaufs- und sonstige Genossenschaften. 14 500 Betriebe waren in deutscher Hand. Fast 50 Prozent der gesamten industriellen Produktion Rumäniens wurde durch Deutsche ausgeübt und die privaten deutschen Finanz- und Versicherungsinstitute verfügten 1938 über rund 400 Millionen Goldmark Betriebsmittel.

 

Heute leben noch etwa 400 000 Deutsche in Rumänien. Die übrigen sind entweder im Elend gestorben oder gefallen bzw. sind etwa 250 000 ausgesiedelt oder abgewandert.

 

74 000 Bauernhöfe wurden enteignet, ferner 200 000 Stück Rindvieh, 60 000 Pferde, 180 000 Schweine und 170 000 Schafe beschlagnahmt. Es handelte sich bei diesen bäuerlichen Enteignungen nicht um eine sozialpolitische Maßnahme, denn die deutschen Landwirte Rumäniens, waren zu 98 Prozent Klein- und Mittelbauern, sondern ausgesprochen um eine nationalistische. Viele deutsche Bauern verblieben an Ort und Stelle als landwirtschaftliche Arbeiter, andere wurden Straßen- und Bahnarbeiter, bzw. sie wanderten in die Städte ab und wurden Fabrikarbeiter.

 

Die deutschen Industriebetriebe und deutschen handwerklichen und kaufmännischen Unternehmungen wurden alle unter staatliche Kontrolle gestellt und systematisch ruiniert und dann wurden ihre früheren Besitzer und führenden Persönlichkeiten wegen angeblicher Sabotage zu vieljährigen Gefängnis- oder Zwangsarbeitsstrafen verurteilt, weil man ihnen den wirtschaftlichen Niederbruch der Unternehmungen zur Last legte.

 

Die früheren zumeist kirchlichen Schulen wurden restlos verstaatlicht, aber man beließ wenigstens die deutsche Unterrichtssprache, so dass es heute rund 400 deutschsprachige Schulen in Rumänien gibt. Es wurden auch zahlreiche sogenannte Kulturkreise, literarische und künstlerische Organisationen mit deutscher Sprache gegründet aber selbstverständlich stehen die Schulen und Kulturkreise unter marxistischer Leitung und Ideologie. Der Gebrauch der deutschen Sprache ist frei, auch die deutschen Ortsnamen werden wieder gebraucht und es gibt deutschsprachige Zeitungen, aber das frühere Gefüge der deutschen Volksgruppen in Rumänien ist restlos zerschlagen! VDA

 

Seite 5   Von Richard Schirrmann.

Alle Jugendherbergen sollen Kulturstätten der Jugend und zugleich ‚Mahnmale des Friedens‘ zur Verständigung und Freundschaft der Jugend in allen Völkern und Staaten der Erde werden!

 

Seite 5   Wer darf in einer Jugendherberge übernachten?

Die Jugendherbergen stehen der gesamten, unter einem verantwortlichen Führer wandernden deutschen und ausländischen Jugend sowie Einzelwanderern beiderlei Geschlechts bis zum vollendeten 25. Lebensjahr offen. Außerdem werden, soweit Platz vorhanden, auch Wanderer über 25 Jahre aufgenommen. Aufnahme finden in erster Linie Wanderer, Radfahrer, Bootfahrer. Wanderer bis zu 25 Jahren, die mit zweirädrigen Kraftfahrzeugen ankommen, können nach 19 Uhr Aufnahme finden, soweit noch Platz vorhanden ist. Kraftfahrzeuge jeglicher Art (auch Fahrräder mit Hilfsmotor) dürfen auf dem Herbergsgelände nicht abgestellt werden. Pkw-Reisende werden nicht aufgenommen. Schulen, Jugendgruppen und Jugendgemeinschaften unter verantwortlicher Führung, die mit einem Autobus anreisen, finden nach vorheriger Anmeldung — auf die eine Zusage erfolgt ist — Aufnahme, wenn sie bis 20 Uhr eintreffen und nicht vor 7 Uhr morgens abzufahren beabsichtigen. Anmeldungen von Reisebüros werden nicht angenommen.

 

Wer in einer Jugendherberge übernachten will, benötigt einen Jugendherbergsausweis. Wanderer bis zu 18 Jahren erhalten für 1,-- DM den sogenannten Bleibenausweis. Er hat im Ausland keine Gültigkeit. Wanderer bis zu 20 Jahren und Studenten, Schüler, Lehrlinge, also in Berufsausbildung befindliche Personen, sowie nachweislich Erwerbslose bis zu 25 Jahren bekommen den Jugendausweis für 3,-- DM. Alle übrigen Wanderer erhalten den Mitgliedsausweis für 5,-- DM. Der Jugendherbergsausweis kann beliebig oft in einem Jahr benutzt werden.

 

Die Ausweise werden ausgestellt bei den Landes-, Kreis- und Ortsverbänden sowie den Ausgabestellen des Deutschen Jugendherbergswerkes. Die Anschriften sind zu finden im „Verzeichnis der deutschen Jugendherbergen im Bundesgebiet 1957", das in jeder Buchhandlung und in jeder Jugendherberge zu beziehen ist, sowie gegen Voreinsendung von 1,-- DM durch das Deutsche Jugendherbergswerk, Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e. V., Detmold, Bismarckstraße 21, Postscheckkonto Dortmund 557 69.

 

Außer dem Ausweis ist zur Übernachtung in einer deutschen oder ausländischen Jugendherberge die Benutzung eines Schlafsackes vorgeschrieben. Dieser Jugendherberge-Schlafsack besteht aus weißem Nessel und kann in jeder deutschen Jugendherberge gegen eine Gebühr von 70 Pfg. je Nacht entliehen werden. Da er — bei entsprechender Pflege — unbegrenzt haltbar ist, empfiehlt es sich, einen eigenen zu besitzen. Schlafsäcke aus anderen Stoffen werden in keiner Jugendherberge zugelassen. Der weiße JH-Schlafsack aus Nessel kann zum Preise von 7,-- DM gegen Voreinsendung des Betrages ebenfalls durch das Deutsche Jugendherbergswerk bezogen werden.

 

Ausbau des Jugendherberg-Netzes

Das Deutsche Jugendherbergswerk erstrebt den Ausbau eines derart dichten Netzes von Jugendherbergen in der Bundesrepublik, dass die Entfernung von einer Herberge zur anderen nicht mehr als nur eine Tageswanderung beträgt. Derzeit gibt es im Bundesgebiet 730 Jugendherbergen, die im Vorjahr etwa acht Millionen Übernachtungen erzielten.

 

Seite 5   Erste Hilfe

Hier einige Verhaltungsregeln, die man unbedingt kennen sollte, bevor man den Rucksack packt und auf Fahrt geht.

 

Schnittwunden:

Wunde möglichst trocken behandeln; nur wenn beschmutzt, mit abgekochtem Wasser reinigen; Blut nicht abwaschen. Verband mit einer Verbandpatrone, Sterile Jodoform- oder Vioformgaze auf die Wunde legen und mit Watte verbinden.

 

Brandwunden:

Bei kleineren verbrannte Stelle mit Öl begießen, die Wunde von der Luft abschließen. Rohe Kartoffeln auflegen. Bei schwereren Brandwunden, doppelkohlensaures Natron aufstreuen. Mit Brandliniment dick bestrichene Watte auflegen.

 

Insektenstiche:

Vor allem nicht kratzen! Die vorher angefeuchtete Stelle mit Salmiakgeist, einem Insektenstift oder einem frischen Blatt Petersilie betupfen.

 

Nasenbluten:

Gestreckte Stellung, Kopf leicht rückwärts gebeugt. Tiefes, langsames Einatmen. Dadurch findet das im Kopf gestaute Blut leichter Abfluss. Blutschlucken ist nicht gefährlich.

 

Wundgelaufene Füße:

Wunde Stelle sorgfältig reinigen. Einreiben mit Lanolin oder bedecken mit auf Leinen gestrichenem Salizyltalg.

 

Vergiftungen:

Brechmittel, z. B. starkes Salz- oder Seifenwasser einnehmen; Kitzeln des Halses mit einer Feder; den Arzt holen.

 

Ohnmacht:

Horizontal hinlegen; Kleider lockern, Schläfen mit kaltem Wasser besprengen oder mit Zitronen- oder Essigwasser einreiben. Riechen an Salmiakgeist; Reiben der Füße. Arzt!

 

Ertrinken:

Körper, Gesicht nach unten, über das Knie legen, damit eingedrungenes Wasser ausfließt. Mund vom Schlamm reinigen. Künstliche Atmung bewirken: rittlings über den Ertrunkenen knien, beide Hände auf die Rippen pressen und wieder loslassen; langsam, ruhig zwanzigmal in der Minute.

 

Seite 5   Aus unserer Bücherkiste

Liebe Leseratten!

Wir haben lange darüber nachgedacht, was wir Euch für die Sommermonate aus unserer Bücherkiste herausgreifen sollen. Es muss ja etwas sein, das Euch auf Euren Fahrten und Wanderungen und ins Lager begleiten kann, ja soll. Und da glauben wir, mit der nun abgeschlossen in vier Bändchen vorliegenden Liedersammlung ‚Unverlierbare Heimat' (Lieder der Deutschen im größeren Vaterland) einen guten Griff getan zu haben.

Sie erschienen im Voggenreiter-Verlag, Bad Godesberg-Mehlem, und stehen unter den Titeln

Bd. 1: FREUT EUCH IN ALLEN LANDEN. Wiegen-, Weihnachts- und Neujahrslieder. DM 2,40.

Bd. 2: WIR ZOGEN IN EIN FERNES LAND. Lieder der Volksdeutschen in Osteuropa. DM 3,30,

Bd. 3: ES TRAUERN BERG UND TAL. Volkslieder aus Mittel- und Ostdeutschland. DM 4,20. Bd.

4: HEIMAT DIR FERNE. Deutsche und europäische Volkslieder. DM 3,60.

Über allen vier Bändchen könnte das im Teil 4 enthaltene Wort von Fritz Jöde stehen: ,Wer Wege zu den Völkern der Erde sucht, der trachte, dass er darob nicht den Weg zu seinem eigenen Volke verliert. Nur wo die Liebe zur Ferne die Liebe zur Heimat vertieft, bringt sie Segen. Alles andere ist Schall und Rauch und vergeht im Wind“. Besonders hervorheben möchten wir noch, dass diese Liedersammlung auch die schönsten Lieder unserer ost- und westpreußischen Heimat enthält, und zwar in so reichem Maße, wie man sie kaum an anderer Stelle vereint findet. Dem Herausgeber, Hermann Wagner, ging es mit dieser Sammlung darum, das Liedgut der deutschen Ostgebiete zu bewahren und klingend lebendig zu erhalten, zugleich aber auch, mit diesen Liedern die Liebe zur alten Heimat in die Herzen der Jugend zu pflanzen. Jedem der Bändchen hat der Verlag ein schönes buntes Gewand gegeben; es ist eine Freude, nach den Bändchen zu greifen. Wir können nur wünschen, dass sie bei recht vielen Jungen und Mädchen zum unentbehrlichen Fahrtengepäck werden, dass der Schatz, der in ihnen ruht, in unserer Jugend lebendiger Quell bleibt, immer wieder Lied wird und so forttönt durch die Zeiten: Lob und Bekenntnis zur Heimat. Gert und Ute

 

Seite 6   Edelknaben als Postreiter. Das Botenwesen im Ordensstaat Preußen. Von Albert Gallitsch.

Die Kanzlei des Hochmeisters in der Marienburg war diejenige Stelle, bei der alle wichtigen Berichte zusammenflossen und von der aus die meisten Briefe und Botschaften abgefertigt wurden. Der weniger wichtige Teil wurde den Komturen überlassen. Der oberste Marschall in Königsberg empfing z. B. die Berichte der Komture an der litauischen Grenze über die Ergebnisse ihres Kundschafterdienstes. Die Großschäffer führten den Briefwechsel ihres Handels ohne Eingreifen des Hochmeisters aus. Auch die anderen Komture hatten in ihrem Briefwechsel eine weitbemessene Selbständigkeit. Die versorgten ganze Kreise mit den erlassenen Verordnungen. Über alle vorkommenden Rechts- und Verwaltungsfragen mussten sie Auskunft erteilen. Die Instandsetzung der Straßen lag zwar den Anliegern ob, aber die unteren Organe des Komturs sorgten für die Ausführung. Allerdings geschah in der Regel nicht viel; man füllte die tiefsten Löcher mit Steinen und Sträuchern aus und bedeckte alles mit Sand. Der Komtur überwachte auch die Sicherheit der Straßen, indem er unter dem Vorbehalt des Straßengerichts alle Verletzungen des sogenannten Straßenfriedens vor sein Forum zog.

 

Ein interessanter Bericht des Vogtes von Schivelbein vom 25.07.1445 gibt über die damalige Unsicherheit der Straßen nähere Auskunft: „Ihr habt mir geschrieben, lieber Herr Hochmeister, ich soll die Straße beruhigen. Das will ich gern tun und darauf den höchsten Fleiß verwenden. Doch wenn man das will, so soll man das ohne Wissen des Hans von Wedel und des Cordes von Glasenapp tun, denn die würden alle Räuber warnen, zumal Cordes von Glasenapps Knechte die Jahre hindurch auf der Heide, und wo sie sonst hinkamen, geschindet haben. Die (Bürger) von Belgard haben letzthin einen seiner Knechte gefangen... Will man die Räuber fangen, muss der (Komtur) von Hammerstein aus der Komturei Schlochau mit 200 Reisigen heranziehen, und ich selbst würde ihm von hier entgegenrücken. Doch muss dies zu Herbst geschehen, wenn sie sich nicht im Busch bergen können, sondern die Dörfer aufsuchen müssen“.

 

Die Brüder des Ordens durften nur mit Erlaubnis der Obrigkeit Briefe schreiben und empfangen. Der Inhalt wurde zensiert. Auch war ihnen streng verboten, auf Reisen Briefe fremder Personen und der Bevölkerung mitzunehmen.

 

Im Innern des Landes wurden die Briefe des Hochmeisters und Komture zumeist durch die sogenannten Briefjungen oder Postknaben befördert, die auf eigenen Pferden, den Briefsweiken, ritten. Diese Briefjungen waren nicht, wie es die Historiker annehmen, einfache Stallknechte slawischer Herkunft, sondern Edelknaben, die zu Rittern oder Verwaltungsbeamten erzogen wurden.

Sie standen nicht im Kindesalter, waren vielmehr junge Männer von mindestens 18 Jahren, wenn sie als Postjungen Verwendung fanden. Darüber gibt die pommersche Hofordnung von 1559 die beste Auskunft. In ihr heißt es: „Von alters ist hergebracht, wird auch heutigetags noch bei den Fürsten im Reich festbräuchlich gehalten, dass edle Knaben, welche verschwiegen sind, mit Briefen verschickt werden“. Hinterher ist der Nutzen für den Fürsten und sein Land angegeben. Er liege darin, dass die Edelknaben als die zukünftigen Ritter und Verwaltungsbeamten Land und Leute, Wege und Stege kennenlernten, so dass die gesammelten Kenntnisse in Friedens- und Kriegszeiten gut verwertet werden könnten. Oft wurden sie als Wegweiser den Komturen und Botschaftern des Hochmeisters beigegeben.

 

Die Ausbildung der Edelknaben lag zuerst der Edelfrau ob, die sie im inneren Dienst ausbildete, d. h. im Kammerdienst und in der Aufwartung bei Tisch. Hinterher erfolgte die Ausbildung im Waffendienst. Die Edelknaben empfingen weder Kleidung noch Taschengeld, und sie mussten sogar, wenn sie alt genug für die Postjungendienste waren, ein Pferd liefern, das im fürstlichen Marstall gefüttert wurde. Verlor der Postjunge im Dienst sein Pferd, so empfing er den sogenannten Schadenstand, d. h. den festgestellten Wert des Tieres vor dem Abritt. Im Allgemeinen genossen die Edelknaben hohes Ansehen und wurden daher in erster Linie mit Briefen an die befreundeten Fürstenhöfe entsandt. Diese Bevorzugung, besonders bei Überbringung von Hochzeitseinladungen, Geburtsmeldungen usw., verfolgte den Zweck, ihnen die für die Zubringung solcher familiären Anzeigen üblichen Gnadengeschenke zukommen zu lassen. Diese Präsente bestanden in höheren Geldbeträgen (10 bis 15 Taler) oder in Kleidern aus Samt und Seide.

 

Der Umstand, dass nach dem zweiten Thorner Frieden (1466) polnische Adlige als Ordensritter und Edelknaben aufgenommen werden mussten, brachte es mit sich, dass Edelknaben mit polnischen Vornamen im Ordensdienst erscheinen, die aber gleichfalls aus adligen Häusern stammten.

 

Die Beförderung der Briefe lag im Ordenslande freilich nicht allein den Briefjungen ob, vielmehr wurden diese nur für die Hauptpoststrecke verwendet. Für die Seitenkurse nach Vogteien an Nebenstraßen wurden Landbewohner verpflichtet, die für ihre Dienste Land zur Beackerung empfangen hatten.

 

Wurden andere Landbewohner ausnahmsweise mit Briefen abgefertigt, so empfingen sie für diesen Dienst besondere Verehrungen. In den Missiven des Hochmeisters Heinrich von Plauen (1412/1413) hieß es z. B.: „Wenn die Schalwen (Landschaft Schalauen) mit Briefen in Botschaft reiten, so soll man ihnen „torkoppelbrot", neue Hosen und ein paar reisken (Bastschuhe) geben". Die Annahme der Historiker, dass das „torkoppelbrot" eine einfache Art Brot war, ist irrig, vielmehr handelt es sich um das übliche „Botenbrot", wie es im Sachsenspiegel und auch im Schwabenspiegel, in den alten Rechtsbüchern erwähnt wird. Nach diesen Quellen bestand das „Botenbrot" aus mehreren Gängen Fleisch, aus Wein und Bier in genügenden Mengen. Noch im 17. Jahrhundert war das Botenbrot hier und da üblich. Oft wurde es durch die Zahlung von einem Gulden oder Taler abgelöst. Im Allgemeinen wurde das Botenbrot denjenigen Boten gereicht, die nur gelegentlich Briefe mitnahmen, also nicht beförderungspflichtig waren. Dass die Pflicht der Schalwen nicht vorlag, beweist besonders die Lieferung von neuen Hosen und Schuhen. Unter Botenbrot verstand man nicht nur die Lieferung von Mahlzeiten, sondern auch „Verehrungen". Bei Zustellung von Fehdebriefen in einer Stadt wurde z. B. dem Boten „Botenbrot" in Gestalt eines Pferdes als „Verehrung" gegeben.

 

Wenn der Feind ins Land einbrach, erließen die Komture Laufbriefe von Ordenshaus zu Ordenshaus und das sogenannte Kriegsgeschrei von Dorf zu Dorf. Ein solcher Laufbrief von 1410 lautet: „Wissentlich sei allen ehrbaren Leuten, wie wir Nachricht haben, dass ein großes litauisches Heer in das Land will kommen heute oder morgen. Darum bitten wir fleißig, dass etliche (Männer) sich bevorreiten, zuzujagen, wo man ihnen heißen wird“.

 

Nach der Säkularisation und der Entstehung des Herzogtums wurden die Briefbeförderer der herzoglichen Kanzlei nicht mehr Briefjungen, sondern Postreiter genannt, obwohl nachweislich in den ersten Jahrzehnten noch Edelknaben als solche gebraucht wurden. In den anderen Staaten war das nicht üblich. Ein Brief des Postreiters Hieronymus Horn vom 04.02.1553 gibt dazu die nötige Aufklärung. Er sei, so schrieb er an den Herzog Albrecht von Preußen, von Jugend an am Hofe des Königs von Polen erzogen worden und seit mehr als einem Jahre dem Herzog zugeordnet. Seit seinem Übertritt in herzogliche Dienste habe er nur um ein Hofkleid, aber sonst ohne alle Besoldung gedient. Auch die Zehrung auf Reisen habe er, sofern die Verpflegung in den herzoglichen Ämtern nicht beansprucht werden konnte, aus seiner Tasche bezahlt. Er habe also, wie er sagt, „als ein Postreiter auf mein Leib und Leben" gedient. In diesem Dienst habe er kürzlich zwei Pferde eingebüßt, von denen das eine ihm selbst gehört habe und im Schadenstand mit 12 preuß. Mark bewertet worden war. Horn bat um Neulieferung des Pferdes mit voller Ausrüstung. Dem Antrag wurde stattgegeben. Der Brief lässt eindeutig erkennen, dass Horn ein Edelknabe war, der wie zur Ordenszeit als Postreiter vorübergehend gebraucht worden war, damit er vor der Anstellung im Verwaltungsdienst Land und Leute, Wege und Stege kennenlerne.

 

Das brauchte nicht im Herzogtum Preußen zu geschehen, sondern in jedem andern Staat konnte er sich bewerben, wenn er den „ehrlichen" Abschied von seinem Herrn vorzeigen konnte.

 

Ein anderes Beispiel aus dem Jahre 1587 zeigt das gleiche Bild. Die preußischen Postreiter Wolf Glaubitz, Michael Machwitz und Albrecht von der Mülbe teilten mit, dass sie auf Befehl des Obermarschalls an der Hochzeitstafel aufwarten sollten, wie es ehemals von den Edelknaben verlangt worden war. Auch sie erwähnten ausdrücklich, dass sie dem Herzog nur um „schlichte Kleidung dienten, aber jetzt mit Kleidung ganz übel versehen" seien. Darum bäten sie um ein Ehrenkleid, in welchem sie an der Tafel keine Unehre einlegen würden. Dem Antrage wurde entsprochen. Jeder empfing ein Kleid im Werte von 1272 preuß. Mark. Wenn man berücksichtigt, dass damals ein Reitpferd etwa 14 preuß. Mark kostete, kann man feststellen, dass das Ehrenkleid aus feinsten Stoffen hergestellt war. Ehrenkleider gab man Stallknechten nicht, auch gebrauchte man sie nicht zur Aufwartung am herzoglichen Tisch.

 

Seite 6   Bauernregeln.

Juniregen, reicher Segen.

 

Stellt der Jun mild sich ein, wird mild auch der Dezember sein.

 

Im Juni wird des Nordwinds Horn noch nichts verderben an dem Korn.

 

Gibts im Juni Donnerwetter, wird auch das Getreide fetter.

 

Macht Medardus (8.) nass, so regnet es ohne Unterlass.

 

St. Barnabas (11.) nicht die Sichel vergaß, hat langen Tag und das längste Gras.

 

Hat Margret (10.) keinen Sonnenschein, dann kommt das Heu nicht trocken rein.

 

Regen am Vitustag (15.) die Gerste nicht vertragen mag.

 

Wenn der Kuckuck sich lang nach Johanni hören lässt, so bedeutet das eine teure Zeit.

 

Viele Donner im Juni bringen ein fruchtbares Jahr.

 

Ameisen und Spinnen an allen Pfaden, dann wird das Wetter gut geraten.

 

Menschen und Juniwind ändern sich geschwind.

 

Vor Johanni bitt‘ um Regen, nachher kommt er ungelegen.

 

Regen an Peter und Paul, wird die Kornernte faul.

 

Schön zu St. Paul, füllt Taschen und Maul.

 

St. Paulus klar, bringt gutes Jahr.

 

Seite 6   Über das Bücherlesen

Du bist über die Kinderjahre, du musst also nicht nur zum Vergnügen, sondern zur Besserung deines Verstandes und deines Willens lesen. Nicht wahr, das kommt dir wunderlich vor, dass ich so rede? Ich kenne dich, ich weiß, wie und warum du liesest. Siehe, so musst du es machen: Nimm ein Stück nach dem andern in der Reihe, lies es aufmerksam durch, und wenn es dir auch nicht gelallt, lies es doch! Wenn du es gelesen hast, so mache das Buch zu und stelle Betrachtungen darüber an. Im Anfang wird es dir schwer fallen, aber bald wird es leichter gehen wie mit dem Schreiben. Fange damit an, aber balde! Dieses ist besser und dir nützlicher, als wenn du zwanzig Romane gelesen hättest.

Joh. Wolfgang Goethe

 

Seite 6   Die Spur im Stein / von Will Vesper.

Im Herzen Deutschlands — ich will nicht sagen, in welchem Herzogtum, denn es gibt noch solche, die es kränken könnte, — liegt eine alte Burg, heute nur noch eine Schauburg, durch die ein geschwätziger Mann die neugierigen Reisenden führt, von alten Geschicken berichtend. Zuletzt lenkt er sie in ein unziemlich enges Gelass, dunkel und wie rundum in Stein gehauen, mit kleinem, schwer eisernem Tor und vergittertem Fensterloch, und sagt: „In diesen Raum setzte Herzog Waldemar seinen Bruder Wilhelm, eines Erbstreites wegen, in jungen Jahren gefangen und hielt ihn darin bis zu seinem eigenen Tode. Der geschah nach zweiunddreißig Jahren. Dann wurde der Gefangene frei, erbte das Land und war noch zehn Jahre Herzog. Während seiner Gefangenschaft lebte er nur in diesem Raum, hatte kein Licht als dies Fensterlein, nur diese Pritsche aus Eisen, diesen Stuhl aus Eisen und diesen Tisch aus Stein. So sehr hasste der Bruder den Bruder. Kein Hass ist ja furchtbarer als der zwischen Verwandten. Darum erschlug er ihn wohl auch nicht. Der Tod schien ihm zu milde für seinen Hass.

 

Aber den anderen beugte und zerbrach das alles nicht, was er ihm antat, und er überlebte ihn und wurde noch Herzog. Und darauf hatte er es von vornherein abgesehen, und darum ließ er sich nicht sinken und verzweifelte nicht, wie so mancher getan hätte, — wohl wir alle“, pflegte der Führer hier zu sagen und sah sich im Kreis der neugierigen Männlein und Weiblein um, und lächelte verzeihend.

 

„Jener aber", fuhr er fort, „sagte sich, dass alles darauf ankomme, nicht einzurosten in seinem Elend und dass er gesund und aufrecht bleiben wolle und müsse. Und da begann er um diesen steinernen Tisch zu gehen und ging zweiunddreißig Jahre lang, eine unendliche Wanderung.

 

Mag sein, so denke ich mir, dass er dabei träumte, wie Gefangene tun, dass er immer gradaus ginge, feldein und weltein, tausend Straßen, vielleicht rund um die Erde. Die Augen, so wird berichtet, hielt er dabei immer geschlossen. Darum kam ich auf den Traum. Die Augen öffnete er nur, wenn er still stand und das Brot und die rohen Möhren aß, und das Wasser trank, das man ihm reichte. Die nahm er zu sich, und sogleich ging er weiter mit seinen geschlossenen Augen, und vielleicht sah er wunderbare Länder, durch die er ging, und war so elend gar nicht, wie sein Peiniger wollte. Und nur, damit er einen Halt hatte und den Weg nicht verlor, streifte er mit dem Daumen der Rechten über den Tisch, leicht und tastend. Schauen sie hier, die Rinne im Gestein hat er so mit dem sanften Druck des Daumens rundum in den Tisch gedrückt, in zweiunddreißig Jahren, tief und breit, wie eine gebogene Hand, in die er fasste. Das gab ihm wohl Halt in der Welt, und so hielt er durch und stand noch aufrecht, als seine Zeit kam und wurde der Herr. Das waren Kerle“.

 

Alle Zuhörer staunen und legen die Hand in die Steinfurche. Da ist wohl keiner, der sich zutraute, so lange um den Tisch zu wandern, bis er mit bloßem Daumen diese Rille in den Stein gerieben. Es läuft ihnen kalt über den Rücken, wenn sie daran denken.

 

Ich aber möchte, dass ein ganzes gemartertes Volk daraus lernt, was ein gerechter Wille vermag, auch im tiefsten Elend und ohne Waffen, und dass das Stetige Gewalt hat und sich behauptet und mit zartem Daumen seine Spur selber dem Stein einprägt, wenn es einem nur fest darum zu tun ist, Gerechtigkeit zu finden und sein Erbe wieder zu gewinnen.

 

Seite 6   Dennoch – es lohnt! Hans Bahrs

Lass nur die Sterne am Himmel

Still ihres Weges gehn.

Wir müssen doch auf der Erde

Unseren Kampf bestehn.

 

Wie wir die Dinge hier finden,

Stellt sich das Leben dar:

Hässlich und bitter, dann wieder

Leuchtend und wunderbar.

 

Nichts ist vollkommen, es haftet

Allem das Sterben an.

Dennoch — es lohnt um das Leben,

Das in dir auch begann.

 

Seite 6   Deutsche! Geliebte Brüder und Landsleute! ERNST MORITZ ARNDT 1807 IN SEINER „FRIEDENSREDE AN DIE DEUTSCHEN".

Unser Zeitalter ist schwer, unser Unglück ist groß . . ., aber für den, der nicht an sich verzweifelt, ist nichts verloren!

 

Wie haben wir gelebt in Sorgen und Ängsten, und in törichten und vergeblichen! Die Welt wird sich halten! Sie wird sich aufrichten, wenn wir fest und aufrecht bleiben. Die Meteore und Ungeheuer der Zeit werden, angebetet oder verflucht, zu ihrer Zeit auch nur als Erinnerungen schweben!

 

Wir wollen nicht verzagt sein, dass wir Stunden und Tage verzagt gewesen sind. Unsere ganze Liebe, alle unsere Hoffnung, alle unsere Kraft wollen wir in die Zeit legen und glauben, sie sei zu retten! Und sie wird gerettet werden!

 

Fremde Fäuste können nicht helfen, wenn die eigenen schlaff sind. Aber die Entscheidung des Zeitalters ruht mehr auf dem Wort und der Meinung, als auf dem Befehl und dem Schwerte.

 

Klagt nicht um das Verlorene, seht nur auf das Künftige! Herrschaft, die von Schlechten verloren ward, wird durch Tüchtige wiedergewonnen. Die zerschlagenen Städte, die verödeten Fluren bauen deutscher Fleiß und Sparsamkeit schöner wieder auf.

 

Darum klaget nicht, noch trauert um das Kleine, sondern sorget, dass das Große erstehe und das Schlechte untergehe!

 

Wahrheit und Recht, Mäßigkeit und Freiheit seien die Halter unseres künftigen Lebens. Darin wollen wir eines sein in Unglück und Schmach, so werden unsere Enkel eines werden durch Glück und Glorie! Das ist mein letztes Wort, dies unser höchster Glaube.

 

Seite 7   Die ostpreußische Arbeiterbewegung. Tragende Schicht: Landarbeiter – Staatsbürger III Klasse.

Die Arbeiterbewegung in den deutschen Ostgebieten war, ebenso wie ihre große Vorläuferin im Reich, ein Kind der industriellen und sozialen Entwicklung im Ausgang des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

 

Die Wirtschaftsgeschichte kennt Ostpreußen im Wesentlichen als typisches Agrarland, dessen wirtschaftliche Struktur ausschlaggebend von der Landwirtschaft bestimmt wurde. Die in der Landwirtschaft vorherrschende Besitzform war der Großgrundbesitz, in den vier ermländischen Landkreisen, in der Elchniederung und in Masuren, allerdings von guten Bauernwirtschaften unterschiedlicher Größe durchbrochen.

 

Die aus der wirtschaftlichen Situation Ostpreußens entstandenen gesellschaftlichen Auswirkungen bildeten die soziale Grundlage, auf der sich die ostpreußische Arbeiterbewegung entwickelte. Diese ostpreußische Arbeiterbewegung war eine Bewegung der Landarbeiter, sie war aber auch in starkem Maße eine Bewegung der Industriearbeiter.

 

Wirtschaftlich gesehen war eben auch damals keine großräumige Landwirtschaft denkbar, die nicht aus ihren eigenen Bedürfnissen heraus naheliegende industrielle Unternehmen nach sich zog. So zeigte Ostpreußens Wirtschaft ein vielfaches Bild. In nahezu allen Kreisstädten der 36 ostpreußischen Landkreise gab es Maschinenfabriken und Mühlen. In den Waldgebieten Masurens und der Johannisburger Heide arbeiteten bedeutende Sägewerke. Es gab im Lande eine Anzahl Zuckerfabriken und etwa 15 Brauereien. Die ostpreußische Wirtschaft zeigte also, obwohl sie vorwiegend von der Landwirtschaft getragen wurde, in erheblichem Ausmaß gewerbliche und industrielle Züge.

 

Hinzu kam die günstige Lage der Hafenstädte an den Flussmündungen der Ostseeküste. Königsberg und Tilsit-Ragnit waren Zentralplätze der Holzeinfuhr auf dem Wasserwege und der Holzverarbeitung in großen Zellstoffwerken. Die als führendes Schiffsbauunternehmen im deutschen Osten bekannte Firma Schichau aus der westpreußischen Stadt Elbing errichtete in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg eine zweite Schiffswerft in Königsberg. In allen diesen Wirtschaftszweigen, im Handel, in der Industrie und in der Landwirtschaft wirkte eine Arbeiterschaft, die mit beruflichem Können und persönlicher Zuverlässigkeit dazu beitrug, die Leistungsfähigkeit der Betriebe auszugestalten und zu verbessern.

 

Fragt man nach den Entstehungsursachen der Arbeiterbewegung in diesen Gebieten, so stößt man auf die sozialen Verhältnisse der Zeit. Das Leben der Landarbeiter in Preußen wird rechtlich bis zum Ende des ersten Weltkrieges durch die aus dem Feudalismus stammenden Vorschriften der Landgesindeordnung bestimmt. Der Landarbeiter war rechtlich nicht frei und in allen Lebensäußerungen, ähnlich wie die hörigen Bauern vor der Bauernbefreiung, an die Zustimmung der Gutsherren gebunden. Er durfte nicht freizügig Wohnsitz und Beruf seiner Kinder bestimmen, sondern musste dem Gutsherrn die erforderliche Zahl von Arbeitskräften stellen. Selbst das Recht der Eheschließung unterlag Einschränkungen durch den Gutsherrn, die in unserer Zeit nur ungläubiges Kopfschütteln hervorrufen würden. Es passte zum Geist der Landgesindeordnung, dass den Landarbeitern ein Koalitionsrecht nicht zugestanden wurde. Durch das in Preußen geltende Dreiklassenwahlrecht waren sie Staatsbürger III. Klasse und die Fürsorgepflicht des Gutsherrn kam damals nur in selten freundlich hergerichteten Landarbeiterwohnungen zum Ausdruck.

 

Völlig anders und vor allem viel fortschrittlicher waren die Verhältnisse in den Handwerksberufen und in der Industrie. Hier galt die Freizügigkeit und hier hatten die von Ort zu Ort wandernden Handwerksgesellen sich nach dem Muster der Zünfte das Recht erkämpft, Löhne und Arbeitsbedingungen durch den Zusammenschluss zu verbessern. Wandernde Handwerksgesellen aus dem deutschen Osten sind es gewesen, die auf ihrer Wanderschaft in Mittel- und Norddeutschland Berührung mit den Arbeiterbildungsvereinen fanden und bei ihrer Rückkehr mit dem Gedanken des Zusammenschlusses den Geist der sozialistischen Gedankenwelt in ihre Heimat brachten. Bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen in der Industrie bewirkten im Übrigen nach der Jahrhundertwende einen Sog von der unterbezahlten Landarbeit im Osten zur besserbezahlten Industriearbeit im Westen. Die Maschinensäle vieler westdeutscher Industriebetriebe wurden hauptsächlich durch die Landflucht aus dem Osten mit Arbeitskräften gefüllt. Der berufstreue ostpreußische Landarbeiter, der mit dem Boden verwurzelt seiner heimischen Landarbeit nachging, war erst nach der Beseitigung der Landgesindeordnung im November 1918 in der Lage, den Weg des sozialen Aufstiegs durch wirtschaftlichen und politischen Zusammenschluss zu beschreiten.

 

Zeigt schon diese knappe Schilderung die großen Schwierigkeiten, die im weiträumigen Osten dem Wachsen der Arbeiterbewegung entgegenstanden, so sind auf der anderen Seite umso mehr der Mut und das Selbstvertrauen einzuschätzen, mit dem die Anhänger der Bewegung für ihre Sache einstanden. Schon im Jahre 1914 hatte die Königsberger Arbeiterschaft aus eigenen Mitteln auf dem Vorderroßgarten ihr Gewerkschaftshaus gebaut. Die Verwaltungsstellen der Gewerkschaften, die Bezirksleitung und der Ortsverein der SPD und die Arbeiterwohlfahrt fanden in diesem Hause gute, zusammenhängende Büroräume. Das Organ der Königsberger Sozialdemokratie, die täglich erscheinende „Königsberger Volkszeitung“, wurde jahrelang im Gewerkschaftshaus redigiert, bis Redaktion und Druckerei im Jahre 1930 in das neuerrichtete Otto-Braun-Haus in der II. Fließstraße übersiedelten. Das Königsberger Gewerkschaftshaus hatte einen guten Gaststättenbetrieb und ausreichende Versammlungssäle, die allen Veranstaltungen der verschiedenen Organisationszweige der Bewegung genügend Raum boten. Es ist hervorzuheben, dass auch die Elbinger Arbeiterschaft in der Nähe des Stadttheaters ein Volkshaus und damit einen Mittelpunkt ihrer geselligen und kulturellen Bestrebungen besaß.

 

In den Jahren der Weimarer Republik war auch der ostpreußischen Arbeiterbewegung in zäher Arbeit der Aufstieg der Arbeiterschaft aus manchen Niederungen des Elends zu den Gütern der Kultur gelungen. Alles was an geistigen und kulturellen Werten im deutschen Volke lebendig war, fand im Organisationsleben der Arbeiterbewegung seinen Niederschlag. Der soziale Wohnungsbau, die Volksbühnenbewegung, der Arbeitersport die Musik- und Gesangpflege, wurden auch in Ostpreußen Wesenszüge eines Lebensstils, zu dem der arbeitende Mensch sich in heißem Streben emporgerungen hatte. Die Arbeiterbewegung setzte sich in Ostpreußen das besondere Ziel, auch den Landarbeiter in den Kreis sozialer und kultureller Aufstiegsbestrebungen einzubeziehen. Der deutsche Landarbeiterverband unterhielt in Ostpreußen bis zum Jahre 1933 etwa 20 Kreisgeschäftsstellen, in denen seine Mitglieder Rat und Hilfe in Fragen des Arbeits- und Sozialrechts fanden. Es steht außer Zweifel, dass das unermüdliche Drängen der Arbeiterbewegung, auf politischer und gewerkschaftlicher Ebene, schon in der Weimarer Zeit zu entscheidenden Verbesserungen der unzulänglichen Verhältnisse im Landarbeiterwohnungswesen führte.

 

Jede Schilderung der Vergangenheit bleibt unvollständig, wenn sie nicht der Kräfte gedenkt, deren persönliches Wirken ihre Zeit überragt. Ostpreußens Sozialdemokraten denken in erster Linie an Otto Braun, diesen Sohn ihrer Heimat, der seinen Lebensweg als Buchdruckerlehrling in Königsberg begann, zum Ministerpräsidenten des Landes Preußen aufstieg und der stärkste Hort der Freiheit in der Weimarer Zeit blieb, bis die verhängnisvolle Destruktion der Kommunisten, Nationalsozialisten und des Herrenklubs seine politische Arbeit zerschlug.

 

Es gibt einen anderen ostpreußischen Sozialisten, dessen Wirken mit ehernen Lettern in das Schriftbild der Geschichte eingetragen ist. Alfred Gottschalk, langjähriger Vorsitzender des Ortsvereins der SPD und der sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion in Königsberg, war einer der geachtetsten Kommunalpolitiker im Königsberger Stadtparlament. Wie selten ein anderer verzehrte er sein Leben in selbstgewählter Armut, im Dienste seiner Mitmenschen und der Allgemeinheit. Diesen aufrechten Charakter konnte selbst die Grausamkeit der Nationalsozialisten nicht brechen. Er starb im Winter 1944 im Königsberger Polizeigefängnis, nachdem er den Ausweisungsbefehl nach Theresienstadt erhalten hatte.

 

So zählt die ostpreußische Arbeiterbewegung eine stattliche Zahl stolzer Namen, deren Wirken weit über ihre Zeit und über den engeren Bereich ihrer Heimat hinausreichte. Wenn Gespräche alter Freunde sich um gemeinsames Wollen bewegen, gedenken sie häufig derer, die nicht mehr unter den Lebenden sind, zu ihren Lebzeiten aber das Banner der Freiheit im deutschen Osten getragen haben. Diese wenigen Namen, unvergessen allen, die sie kannten, mögen für viele zeugen, die an der Sache des Aufstiegs der Arbeitenden gewirkt haben. Hermann Bludau, Otto Borowski, Arthur Crispien, Franz Donalies, Albert Drews, Wilhelm Endrulat, Erwin Feustel, Hugo Haase, Max Hofer, Adolf Kalesse, Paul Kraschewski, Fritz Krise, Paul Lange, Ferdinand Mertins, August Quallo, Franz Scharkowski, Fritz Schikorr, Hermann Schulz, Max Wirdin, Hans Weitschat und Otto Wyrgatsch. Sie alle dienten der Freiheit. Als machthungrige Kräfte 1933 die Arbeiterbewegung und die Freiheit zerschlugen, war im Rausch der Macht dann bald die Heimat verspielt. Heute ringen alle, denen die Heimat etwas wert ist, mit den Mächten des Unrechts um das Heimatrecht. Mag die Erinnerung an die Kämpfe der Vergangenheit den Kampf der Gegenwart um das Heimatrecht stärken. Max Sommerfeld

 

Seite 7  Kulturelle Nachrichten.

Ostforschung vor neuen Aufgaben.

Im Herder-Institut in Marburg fand die ordentliche Jahresversammlung des Herder-Forschungsrates statt, die mit einer mehrtägigen, wissenschaftlichen Konferenz über Probleme Ost- und Mitteleuropas verbunden war.

 

Im Mittelpunkt der Arbeitstagung standen Vorträge und Diskussionen über die verschiedenen neuen Aufgaben der deutschen Ostforschung, die durch die historische Entwicklung und den gesellschaftlichen Strukturwandel in den Ostgebieten in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Mehrere Sprecher befürworten dabei eine enge Zusammenarbeit mit den Ostforschern anderer Länder In West und auch in Ost und bezeichneten einen Austausch der Erkenntnisse und Forschungsergebnisse als durchaus wünschenswert und für alle Beteiligten nützlich.

 

Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Grundmann (Hamburg) teilte u. a. mit, dass die seit einiger Zeit laufenden Vorbereitungsarbeiten für die in Zusammenarbeit mit Gelehrten anderer Länder geplante Herausgabe eines umfassenden Kartenwerks über die Ausbreitung der Stilformen der mittelalterlichen Baukunst in Osteuropa (Kunstatlas von Osteuropa) gute Fortschritte machen.

 

Seite 7   Ostpreußischer Kulturpreis für Walter von Sanden-Guja

Im Rahmen einer festlichen Sitzung der Ostpreußischen Landesvertretung wurde dem Naturschriftsteller Walter von Sanden-Guja der Ostpreußische Kulturpreis für Literatur zugesprochen, dessen Stiftung die LO im vorigen Jahr, dem zwölften nach der Vertreibung, beschlossen hatte. Die Auswahl des Preisträgers erfolgt durch ein Gremium von Fachkennern; die endgültige Entscheidung trifft der Bundesvorstand. Die Verleihung des Preises erfolgt jeweils am Geburtstage des verstorbenen Ehrenpräsidenten Ottomar Schreiber, dem 1. Mai. Erstmals erhielt diese Auszeichnung Schriftsteller Walter von Sanden-Guja, der durch seine herrlichen Natur- und Tierschilderungen längst zu einem Begriff geworden ist. Die Preisverleihung erfolgte in Hamburg und wurde im Auftrage des Bundesvorstandes der ostpreußischen Landsmannschaft von deren 1. Sprecher Dr. Alfred Gille vorgenommen.

 

Seite 7   Die Norddeutsche Künstler-Einung e. V., der auch zahlreiche namhafte bildende Künstler aus Ost- und Westpreußen angehören, hat mit der Übersiedlung der geschäftsführenden Vorsitzenden Ida Wolfermann-Lindenau von Marburg nach Dortmund endgültig ihren Sitz nach Dortmund verlegt. Dadurch ist eine noch stärkere Konzentration der Arbeit möglich geworden. Den ersten Erfolg brachte eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit einer Bundeskommission zum Ankauf von Werken für Berlin, die in den Räumen des 1. Vorsitzenden, Dr. Ernst Melzner, stattfand. In Vorbereitung steht eine umfassende Kunstausstellung, die im November in Berlin gezeigt werden soll. Im Rahmen dieser Ausstellung wird ein großer ostpreußischer Kulturabend mit einem Lichtbildervortrag von Dr. Melzner über ‚Nidden und seine Künstlerkolonie' stehen.

 

Im Haus der Begegnung in Königstein im Taunus findet vom 30. Juli bis 3. August der 8. Kongress „Kirche in Not" statt, der sich in diesem Jahr vor allem mit den Bestrebungen des Kommunismus befassen wird, die Jugend zu gewinnen.

 

Eine Ausstellung des ostpreußischen Malers Ernst Mollenhauer (früher Nidden, jetzt Düsseldorf), zeigte im Mai 1958 die Galerie Boisserée in Köln (Drususgasse 7 - 11).

 

Seite 7   Meine dreifache Lebensrettung. Fritz Kudnig.

Pitzerke nannte mich „Großche", mein lieber Großvater, mit Vorliebe, wenn ich zu ihm in das lieblich gelegene Deutschendorf in die Ferien fuhr. Nur, wenn er sehr böse war, weil ich wieder etwas besonders Schlimmes ausgefressen hatte, nannte er mich plötzlich Fritz! — „Fritz!" rief er dann und versuchte, dabei recht bärbeißig dreinzuschauen, was ihm bei seiner schier übermenschlichen Gutmütigkeit allerdings immer vorbeigelang. „Fritz, wöllst du woll nich so garschtig seie!" — so rief er in solchen Augenblicken auf echt Deitschedorfsch. Deutschendorf liegt nämlich im Kreise Preußisch-Holland, wo man seine ganz eigene, besonders melodische Sprache sprach.

 

Großche war — nächst meiner Mutter — der liebste Mensch, den ich auf Erden besaß. Er war so lieb, dass ich spätestens zwei Minuten, nachdem er „Fritz, wöllst du nicht so garschtig seie!" gerufen hatte, bereits wieder ein neues „Bommche", ein neues „Lutscherche" von ihm bekam. Was half es, dass mein Vater und selbst die liebe Mutter in jedem Briefe, den sie in meine Sommerfrische schrieben, gegen diese Lutscherchens in herzbewegenden Tönen Sturm liefen. Großche, das gute Herz, hat, solange er lebte, nie einsehen können, dass ein Kind nicht alle zwei Minuten ein Bommche braucht. Er hatte ja auch nie die Zahnarztrechnungen zu bezahlen, die jenen Lutscherchens in angemessenen Zeitabständen folgten.

 

Ich habe dem Guten aber nicht nur dies unvergessliche Bonbonparadies, sondern mehrfach sogar mein Leben zu verdanken.

 

Eines Tages rettete er mich aus einer tiefen „Adelkaule", in die ich Hals über Kopf gestürzt, als ich einem vor mir fliehenden Schwein mit Federn hetzend nachgelaufen war.

 

Was es mit diesem Sturze auf sich hatte, wird erst dann völlig klar, wenn man weiß, dass Adelkaule in Deutschendorf Mistkaule bedeutete — und dass diese gerade an jenem Tage nicht nur mit Dung, sondern mit einer leider nicht nach Kölnischem Wasser duftenden Flüssigkeit angefüllt war, die unmittelbar aus dem daneben liegenden Schweinestall gelaufen kam.

 

Das Schwein mit Federn, dem ich nachgerast war, und von dem ich nach meiner Errettung und Trockenlegung begeistert erzählte, entpuppte sich bei näherem Zusehen meiner Tante Liese als eine ganz gewöhnliche Gans; das konnte meiner Begeisterung natürlich nicht den geringsten Abbruch tun. Es war wirklich zu schön gewesen, wie dies Federschwein vor mir Angst gehabt und die Flucht ergriffen hatte.

 

Zweimal noch hat mir Großche nach jenem Adelkaulen-Abenteuer das Leben gerettet. Beides geschah in Braunsberg, wohin Großche dann und wann zu Besuch kam, nachdem mein Vater seine schmucke Kürassieruniform nebst dem dazu gehörigen schimmernden Brustschild abgelegt hatte und ein kleiner, bescheidener Beamter geworden war.

 

Großche hatte mir zu einem Weihnachtsfest die ersten Schlittschuhe geschenkt. Diese gedachte ich unter seiner Obhut sogleich auf dem Hotzkegraben, der schmutzig hinter unserm Garten vorbeischlich, zu erproben. Kaum hatte ich die blitzenden Eisen unter den Füßen und die ersten, krampfartigen Gehversuche damit gemacht, da war es mir bei meiner angeborenen Geschicklichkeit schon gelungen, in eine Eiswune und in der nächsten Sekunde vollkommen unter das Eis zu geraten. Nur der Tatsache, daß Großche seinen eichenen Krückstock bei sich hatte, mit dem er mich in affenartiger Geschwindigkeit am Rockkragen kriegte und wieder hervorangelte, verdankt die Mitwelt mein kostbares Leben.

 

Dass mir nach dieser eisigen Taufe zu Hause eine geradezu beängstigende Tracht Prügel drohte, war ohne größeres Fernrohr vorauszusehen. Großches übermenschliche Liebe glaubte mich davor bewahren zu können. Er stellte mich unten im Hausflur ab und holte, während ich, triefend wie ein Waschbär, den Flur in einen kleinen See verwandelte, aus der hoch im dritten Stock gelegenen Wohnung eilends trockene Wäsche und Kleider herunter. „Keiner hotts gesehe!" frohlockte er, als er schwitzend, schnaufend und puterrot vor Aufregung mit den Kleidern angebraust kam. Er hatte trotz aller Erregung sogar daran gedacht, auch ein Handtuch mitzubringen, mit dem er mir sogleich das triefende Fell trocken rieb, nachdem er mich zuvor in einer Flurnische splitternackt ausgezogen hatte.

 

Doch wir hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Als mein Vater mich plötzlich, obwohl es erst Donnerstag war, in meinem Sonntagsstaat herumstolzieren sah, witterte er, obgleich ich mein harmlosestes Pausbackengesicht dabei machte, Verrat. Großche musste beichten. Alles übrige besorgte Vater unter heftigem Wimperzucken aus dem Handgelenk, dass es nur so donnerte. — Ich wage nicht, heute noch nachträglich die Schuldfrage in diesem Strafverfahren aufzurollen. Soviel steht fest, dass ich doch nicht absichtlich jenen Fehltritt auf dem Eise getan hatte. Doch ich will meinen lieben und stets sehr gerecht gewesenen Vater nicht noch im Grabe mit der Frage beunruhigen, ob diese Prügel wirklich von mir verdient waren, zumal über meine Narben längst Gras gewachsen ist.

 

Noch ein drittes Mal sollte Großche mich vom Tode erretten, und dies kam so: Zwei Spielgefährten und ich führten Krieg gegen drei Jungen aus der Nachbarschaft. Natürlich war ich der Anführer unseres Heeres. Als solcher trug ich auf dem Kopf einen indianischen Hahnenfederschmuck, in der linken Faust einen großen Baumast und in der rechten einen mächtigen Straßenstein. Ich hatte von vornherein das dumme Gefühl, dass dieser Stein eigentlich zu schwer wäre, um den Gegner damit zu zerschmettern. Trotzdem schwang ich ihn, barbarisch drohend über meinem Haupte, als die mit ebenso modernen Waffen ausgerüsteten Gegner über das schmale Brett hin, das den Hotzkegraben überbrückte, auf uns eindrangen.

 

Eben suchte ich unsern Todfeind mit meinem Felsen zu zertrümmern, da sauste ich — weil ich in blindem Kampfeseifer das schmale Brückenbrett verfehlte — mitsamt meiner Felslast kopfüber in den stinkenden Hotzkegraben. Schon trieb ich, meinen Pflasterstein in der verkrampften Faust, sang- und klanglos unter Wasser mit der Strömung davon. Da hatte Großche, der auf das Geschrei der anderen, nichts Gutes ahnend, herbeigeeilt war und sofort mit einem Weidenaste nach mir zu angeln begann, das Glück, mich mit diesem Aste ausgerechnet an der Nase zu piken. Mit einem halben Fuße bereits im Jenseits, empfand ich diese Kitzelei doch noch so unangenehm, dass ich eine heftige Abwehrbewegung nach der Nase hin machte. Dabei ergriff ich unbewusst den kitzelnden Weidenast so fest und krampfhaft, dass ich daran im Schweiße von Großchens angstvoll verzerrtem Angesicht schließlich ans Ufer geschleust werden konnte.

 

Durch eine gewaltige Maulschelle — die einzige, die ich je von Großche bekam — wurde ich vollends zum Bewusstsein zurückbefördert. Indessen Großche immer noch Angstschweiß schwitzte, spuckte ich eilends das eklige Hotzkegrabenwasser aus, das ich im Eifer des Gefechtes geschluckt hatte. Dann ließ ich, völlig geknickt, all die Vorwürfe über mein triefendes Haupt ergehen, die der sonst so unerschütterlich gutmütige alte Herr aus seinem jetzt so aufgewühlten Herzen holte. Was dieser gefühlvollen Feld-, Wald- und Wiesenpredigt zu Hause folgte, brauche ich wohl nicht erst farbenprächtig auszumalen.

 

Großche erhielt in dankbarer Anerkennung seiner Tat zwar nicht die Rettungsmedaille, doch das Versprechen, mich demnächst auf seinen Hof nach Deutschedorf mitnehmen zu dürfen, damit ich dem Vater für einige Zeit aus den Augen kam.

 

Seite 8   Welche Deutschen dürfen heimkehren? Einzelheiten aus dem deutsch-sowjetischen Repatrierungsabkomen.

Vom Auswärtigen Amt wurden in Bonn Erläuterungen bekanntgegeben, die sich im Einzelnen mit den deutsch-sowjetischen Verhandlungen über die Repatriierung von Staatsbürgern beider Länder beschäftigen, danach bezieht sich die sowjetische Zusage auf folgende vier Personengruppen:

 

1. die Memelländer, d. h. die Bewohner des Memellandes, die sich heute noch dort aufhalten oder von dort stammen,

 

2. die sogenannten Vertragsumsiedler, d. h. die Personen, die auf Grund der Umsiedlungsverträge der Jahre 1939 bis 1941 aus den baltischen Staaten, Wolhynien, Bessarabien u. a., nach Deutschland umgesiedelt waren,

 

3. die Ostpreußen, die sich heute noch in dem von der Sowjetunion verwalteten Teil Ostpreußens befinden oder von dort stammen,

 

4. alle übrigen Reichsdeutschen, die sich heute noch in der Sowjetunion oder einem von der Sowjetunion verwalteten Gebiet aufhalten.

 

Ferner wird die Frage der Familienzusammenführung von Personen, die nicht schon zu einem der vorgenannten Personenkreise gehören, behandelt.

 

Die sowjetische Erklärung bedeutet, dass die Sowjetregierung die Verpflichtung eingeht, allen Personen aus den Gruppen 1, 3 und 4 auf Antrag die Ausreise zu gestatten, wobei nur der eine Nachweis zu führen ist, dass der Antragsteller am 21. Juni 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat.

 

Für einen Teil der Memelländer gilt eine Ausnahme: die Anträge der Memelländer, die erst nach 1918 in das Memelland zugezogen sind, werden außer auf die Staatsangehörigkeit nach dem Stand vom 21. Juni 1941 auch darauf geprüft, ob die Betreffenden deutsche Volkszugehörige sind. Für die Memelländer hingegen, die selbst oder deren Eltern 1918 schon im Memelland ansässig waren, bleibt es dabei, dass nur die Staatsangehörigkeit nach dem Stand vom 21. Juni 1941 untersucht wird.

 

Zu den sogenannten Vertragsumsiedlern ist nach der sowjetischen Erklärung zu unterscheiden zwischen denen, deren heutige deutsche Staatsangehörigkeit unbestritten ist, und denen, die nach sowjetischem Recht heute als sowjetische Staatsangehörige betrachtet werden. Für die ersteren gilt das Gleiche wie für alle übrigen deutschen Staatsangehörigen, sie werden auf Antrag die Ausreisegenehmigung uneingeschränkt erhalten. Für die Übrigen hat die Sowjetregierung eine wohlwollende Prüfung zugesagt. Nach den hierüber geführten Gesprächen kann laut a. a. damit gerechnet werden, dass auch diese, von Ausnahmefällen abgesehen, die Ausreisegenehmigung erhalten werden, wenn es sich um deutsche Volkszugehörige handelt. Bei Mischehen, d. h. in Fällen, in denen einer der beiden Ehegatten nichtdeutscher Volkszugehörigkeit ist, wird nach den Umständen des Einzelfalles entschieden.

 

Seite 8   Seit Jahresbeginn: 41 800 Umsiedler aus den Oder-Neiße-Gebieten.  Im Grenzdurchgangslager Friedland treffen täglich als Einzelreisende Heimkehrer aus der Sowjetunion ein, deren Grenzdokumente teilweise bereits vor zwei Jahren seitens der sowjetischen Passbehörden ausgestellt worden sind.

 

Seit Jahresbeginn sind bis Anfang Mai 40 600 deutsche Aussiedler in 80 Transporten aus den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten eingetroffen, sowie rd. 1200 Aussiedler als Einzelreisende. Bei letzteren handelte es sich um Umsiedler, für die im Rahmen der Familienzusammenführungsaktion keine Aussicht auf Berücksichtigung bestand und die für ihre Pässe und Visa jeweils 5000 Zloty an Gebühren zu entrichten hatten.

 

Seite 8   Ersatzeinheitswerte für Forstvermögen.

Mit der „Zehnten Durchführungsverordnung zum Feststellungsgesetz" wird das Verfahren für die Berechnung der Ersatzeinheitswerte beim forstwirtschaftlichen Vermögen festgelegt. Danach sollen die Ersatzeinheitswerte für Betriebe (in den Arten Hochwald, Niederwald, Mittelwald und Nichtwirtschaftswald) mit einer Holzbodenfläche über 50 Hektar auf der Basis von „Ausgangshektarsätzen" ermittelt werden, die nach Wertgruppen abgestuft sind.

 

Wertgruppen sind jeweils Gebietsbereiche, die nach den Prinzipien der Einheitsbewertung gleiche Preis- und Reinertragsverhältnisse aufweisen. Innerhalb dieser Wertgruppen werden die Ausgangshektarsätze bei Hochwald nach Holzarten (Kiefer, Fichte, Eiche, Buche, Erle und Birke) und Standortklassen, bei den anderen Betriebsarten nach Leistungsklassen (Zusammenfassung von Beständen mit gleicher Reinertragsleistung nach örtlichen Wachstumsbedingungen und der Verkehrslage) bestimmt.

 

Durch Rechtsverordnung der Bundesregierung sollen die für die bestimmten Gebietsbereiche maßgebenden Wertgruppen noch festgelegt werden. Erst dann werden sich die Ausgangshektarsätze berechnen lassen, die Wertanteile für Boden, Bestand, Wirtschaftsgebäude, lebende und tote Betriebsmittel umfassen. Die Berechnung des Ersatzeinheitswertes erfolgt sodann nach einem stark differenzierten Verfahren, das der Verschiedenartigkeit der Waldbesitzungen soweit wie möglich Rechnung trägt.

 

Grundstücksentschädigung

Es mehren sich in letzter Zeit die Fälle, in denen Aussiedler bei der Geltendmachung von Lastenausgleichsansprüchen insofern Schwierigkeiten haben, als sie in der Heimat gezwungen worden sind, ihren landwirtschaftlichen Betrieb zu veräußern. Der VdL hat das Bundesministerium für Vertriebene in dieser Angelegenheit angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten. Das Bundesministerium für Vertriebene äußerte sich wie folgt:

 

In der Frage, wie die im polnisch verwalteten Gebiet zurückgelassenen Grundstücke im Lastenausgleich zu behandeln sind, hat inzwischen eine Abstimmung mit dem Bundesausgleichsamt stattgefunden. Es besteht Klarheit darüber, dass die als Vertreibungsverlust gewertet und im Lastenausgleich entschädigt werden, wenn ein Grundstück an den polnischen Staat verschenkt worden ist; das gleiche gilt bei Schenkung an andere Personen, mit Ausnahme nur solcher Personen, die im Verhältnis zum Aussiedler erbberechtigt sind. Bei Verkauf des Grundstücks an dritte Personen kommt es auf verschiedene Einzelumstände an, insbesondere ob der Kaufpreis dem tatsächlichen Wert entsprochen hat und ob der Kauferlös dem Aussiedler zugutegekommen ist.

 

 Es ist zu erwarten, dass das Bundesausgleichsamt die Ausgleichsämter entsprechend der oben genannten Abstimmung informieren wird.

 

Sonderklasse in Katlenburg

Der niedersächsische Kultusminister hat an der Siedlerschule in Katlenburg eine Förderklasse für jugendliche Aussiedler aus den Ostgebieten eingerichtet mit dem besonderen Auftrag, die aus der Landwirtschaft stammenden Jugendlichen zur Volksschulreife zu führen und ihnen berufliche Grundlagen für eine geordnete landwirtschaftliche Ausbildung zu vermitteln. Die Sonderklasse wird voraussichtlich im Mai mit 20 Jugendlichen im Alter von 14 - 18 Jahren eröffnet. Es ist möglich, weitere jugendliche Aussiedler mit landwirtschaftlichen Interessen in diese Sonderklasse auch nach Beginn des Unterrichts aufzunehmen. Entsprechende Aufnahmeanträge sind an die Verwaltung der Siedlerschule Katlenburg (Harz) zu richten.

 

Seite 8   Literatur zur Vertriebenengesetzgebung

Nachstehend veröffentlichen wir eine Übersicht der wichtigsten Literatur und Fachzeitschriften zur Vertriebenengesetzgebung mit gleichzeitiger Angabe, in welchen Verlagen und zu welchem Preis diese erscheinen.

 

Bundesgesetzblatt. Verlag: Bundesanzeiger — Verlags GmbH. Bonn/Köln. Bezugspreis vierteljährlich für Teil I = 4,-- DM; für Teil II =  3,- DM.

 

Amtliches Mitteilungsblatt des Bundesausgleichsamtes. Verlag: Bundesanzeiger Köln. Erscheint nach Bedarf, Bezugspreis vierteljährlich 3,-- DM.

 

Lastenausgleichsgesetz und Feststellungsgesetz. LAG — Kleinausgabe LAG, FG, ASpG, WAG, AKG. Rote Textausgabe — Taschenformat. Beck'sche Ausgabe kartoniert 6,-- DM.

 

LAG Taschenausgabe FG, LAG, WAG, ASpG, mit vielen wertvollen Hinweisen, herausgegeben von der Sudetendeutschen Landsmannschaft, München 2, Karlsplatz 11/II, 6,80 DM.

 

Kommentar zum LAG, FG, WAG und ASpG von Kühne-Wolff im Kohlhammer Verlag Stuttgart und Köln (Loseblattsammlung) — Ausgleichsleistungen — 138,80 DM Folge 1 - 21.

 

Kommentar zum LAG, FG. WAG und ASpG von Harmening (Loseblattsammlung). Verlag C. H. Beck, München und Berlin, 180,-- DM, Folge 1 - 13.

 

Kommentar zum FG und zu den Vorschriften des LAG über die Berücksichtigung und Feststellung von Schäden von Dr. Schaefer — Verlag A. Sutter, Essen, ca. 95,-- DM.

 

Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Textausgabe C. H. Beck 1958, München und Berlin. 6,50 DM.

 

Kommentar von Dr. Straßmann — Nitsche. Verlag C. H. Beck, München und Berlin. 11,50 DM.

 

Bundesversorgungsgesetz (BVG). Textausgabe mit DV und Verw.-Vorschriften (Loseblatt). Verlag C. H. Beck, 1 Ordner 10,80 DM.

 

Handkommentar mit Verfahrensrecht Pelzer (Loseblatt). 2 Ordner, Stand Jan. 1957, 19,50 DM.

 

Häftlingshilfegesetz. Textausgabe mit DV C. H. Beck. 2,40 DM.

 

Kommentar von Ratza. Verlag Der Heimkehrer, Göppingen. 1,80 DM.

 

Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz mit Bundesversorgungsgesetz Textausgabe C H. Beck. 8,10 DM.

 

Kommentar von Dr. Hübner, Verlag Fr. Vahlen, Berlin und Frankfurt a. M. 8,50 DM.

 

Heimkehrer-Recht. HkG, KgfEG, HHC, mit DV und Hinweisen von Dr. Draeger. Verlag Fr. Vahlen, Berlin und Frankfurt. 18,50 DM.

 

Das Bundesgesetz zu Artikel 131 GG. Textausgabe mit DV und Verw.-Vorschriften, herausgegeben vom Allgemeinen Beamtenschutzbund e. V., Bad Godesberg, Moltkestraße 24. 3,20 DM.

 

Das Bundesbeamtengesetz mit Beamtenrechtsrahmengesetz, Bundespolizeibeamtengesetz und Bundeslaufbahn-VO mit allen DV, herausgegeben vom Allgemeinen Beamtenschutzbund e. V., Bad Godesberg, Moltkestraße 24. 3,-- DM.

 

Kommentar zum G 131 von Dr. Anders, Verlag Kohlhammer. 27,-- DM.

 

Kriegsfolgengesetz. Kommentar (Loseblatt) von Feaux de la Croix im Kohlhammer-Verlag. 4,-- DM.

 

Das Zweite Wohnungsbaugesetz. Textausgabe, Kommentar von Dr. Fischer-Dieskau (Loseblatt), Verlagsgesellschaft R. Müller, Köln — Braunsfeld. 29,-- DM.

 

Sozialversicherungsgesetze. Angestellten-Rentenversicherung mit Handkommentar von Eckert (Loseblatt), C. H. Beck. 16,50 DM

 

Rentenversicherung der Arbeiter mit Handkommentar von Eckert (Loseblatt), Verlag C. H. Beck. 14,-- DM.

 

Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten — Kommentar von Dr. Jantz und Dr. Zweng, W. Kohlhammer Verlag. 33,-- DM.

 

Kommentar zur Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherungs-Neuregelung von Dr. R. Hoernigk, Verlag Kommentator, Frankfurt a. M. (Loseblatt). 19,80 DM.

 

Der Fachberater für Vertriebene, Flüchtlinge, Kriegsgeschädigte. Herausgeber: Der Bundesminister für Vertriebene. Verlag: Asgard Verlag, Bad Godesberg, Wiedemannstraße 28, erscheint monatlich, Bezugspreis vierteljährlich 4,50 DM.

 

Rundschau für den Lastenausgleich. Verlag H. H. Nölke GmbH., Hamburg 20, Heyerstraße 40. Die Zeltschrift erscheint zweimal monatlich. Bezugspreis 9,90 DM im Quartal.

 

Zeitschrift für den Lastenausgleich. Verlag Otto Schwartz & Co., Göttingen, Annastraße 7, Bezugspreis vierteljährig 9,-- DM. Der Sozialberater. Verlag: „Der Sozialberater, Zeitschriftenverlag Christiane Heinke, Bleidenstadt/Taunus, Gartenfeldstraße 16. Bezugspreis vierteljährlich 6,-- DM.

 

Zeitschrift für Sozialreform. Verlag Chmielorz GmbH., Wiesbaden, Herrnmühlgasse 11 A, erscheint monatlich, Bezugspreis vierteljährlich 28,50 DM.

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamurg, Osdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Aus Farienen, Kreis Ortelsburg, werden Helga Lendzian, geboren am 19. Januar 1938 und Annemarie Lendzian, geboren am 21. Februar 1936, gesucht von ihrer Mutter Erna Weiser, verwitwete Lendzian. Beide Kinder gingen am 29. Januar 1945 am Nachmittag bei einem Bombenangriff in Bischofstein, Kreis Rössel, verloren. Helga hat als besonderes Merkmal eine Narbe von der Unterlippe bis zum Kinn.

 

Aus Gerdauen, ehemalige Erich Kochstraße 18, wird Joachim Kreutz, geboren am 27. September 1939, gesucht von seinem Vater Karl Kreutz, geboren am 30. April 1910. Die letzte Nachricht war von 1945 von der Flucht nach dem Westen.

 

Aus Grauschinen, Kreis Preußisch Eylau wird Wolfhardt Schirrmacher, geboren am 15. März 1943, gesucht von seinem Vater Kurt Schirrmacher, geboren am 15. Augst 1904 und von seinem Großvater Hermann Biermann. Wolfhardt Schirrmacher und seine Mutter Frieda Schirrmacher, geborene Biermann, gingen im Februar 1945 auf der Flucht von Heiligenbeil nach Pillau auf dem Haff verloren.

 

Aus Groß-Schöndamerau, Kreis Ortelsburg, wird Heinz Gloddek, geboren am 26. August 1941, gesucht von seinem Vater Otto Gloddek. Der Junge soll sich 1945 nach der Trennung von seiner Mutter mit der Großmutter, Frau Luise Kowallik, geboren am 2. Januar 1890, im Samland aufgehalten haben.

 

Aus Grünau, Kreis Elchniederung, wird Udo Brusberg, geboren am 20. Januar 1942, gesucht von seinem Vater Fritz Brusberg. Der Junge kam nach dem Tod der Mutter 1946 in ein Waisenhaus in Tilsit, Ostpreußen. Er soll dort erkrankt sein.

 

Aus Königsberg-Schönfließ, Reichsbahnsiedlung, wird Sybille Seeger, geboren 1942 in Königsberg, gesucht von Frau Steinke, geboren am 28. Juni 1910 in Königsberg. Sybille Seeger befand sich mit ihrer Mutter, Emmy Seeger, und ihren Geschwistern Eva Marie Seeger und Detlef Seeger im Juli 1947 in Lindenberg, Kreis Insterburg, Ostpreußen.

 

Aus Königsberg-Ratshof, Fischhauserstraße 9, werden Irene Habicht, geboren am 26. August 1942, Gerd Habicht, geboren am 5. März 1941, Sabine Habicht, geboren 1939, alle in Königsberg Preußen geboren, gesucht von ihrer Großmutter Meta Habicht, geborene Roemer, geboren am 24. Mai 1878 in Tilsit und von Willi Wenger, geboren am 3. Mai 1921. Die Kinder Habicht sind im März 1945 mit einem Schiff aus Königsberg, Preußen geflüchtet.

 

Aus Löwenstein, Kreis Gerdauen, wird Josef Dieter Jansen, geboren am 26. Januar 1944 in München-Gladbach, gesucht von seiner Pflegemutter Margarete Langersdorf. Der Knabe flüchtete mit seiner Pflegemutter etwa Mitte März 1945 von Löwenstein aus in Richtung Gotenhafen, um mit dem Schiff nach Westdeutschland zu kommen. Etwa 3 Kilometer vor Neustadt, Westpreußen wurde Josef Dieter Jansen von seiner Pflegemutter getrennt.

 

Aus Landsberg, Kreis Preußisch Eylau, Bahnhofstraße 242, wird Ulrich Günther Hassel, geboren am 9. September 1942 in Landsberg, Ostpreußen, gesucht von seiner Mutter Margot Hassel, geborene Rehaag, geboren am 19. September 1912. Der Knabe der sich selbst „Ulli“ nannte, wurde am 28. März 1945 abends auf der Flucht in Danzig, Langgartenstraße von der Mutter getrennt. Eine unbekannte junge Frau nahm sich seinerzeit des Kindes an. Bekleidet war der Knabe mit einer hellblauen, handgestrickten Mütze, einem dunkelblauen Mantel, blau-roten Berchtesgadener Jäckchen, 2 Pullover, einer dunkelblauen Strickhose rot behäkelt, mit Knebelknöpfen. In der Manteltasche hatte er einen rosa Wollschal. Unter den Pullovern trug er um den Hals eine Pappkarte mit seinem Namen, Geburtstag, Heimatanschrift und dem Namen seiner Mutter.

 

Aus Kuttenhof, Kreis Tilsit-Ragnit, wird Marianne Reintraut Link-Bieber, geboren am 16. Oktober 1942 in Kuttenhof, gesucht von ihrer Mutter Herta Bieber, geboren am 23. September 1922 in Ostmoor, Kreis Tilsit-Ragnit. Mutter und Kind sowie die Großmutter Auguste Böhm, geboren am 5. Juni 1864, befanden sich am 12. Februar 1945 in Kuttenhof aus auf der Flucht. Sie kamen mit der Bahn bis Heiligenbeil, Ostpreußen. Es musste der Bahnsteig geräumt werden, weil ein Lazarettzug einlief. Die Kindesmutter, die das Gepäck fortschaffte, gab das Kind der Großmutter in Obhut. Als die Mutter zu der betreffenden Stelle zurückkam, war die Großmutter mit dem Kind nicht mehr da. Marianne Reintraut Link hat blaue Augen, blondes Haar und als besonderes Merkmal am linken Bein eine kleine Brandnarbe.

 

Aus Medenau, Kreis Samland, werden die Geschwister Ursula Frey, geboren am 21. Juni 1939, Waltraut Frey, geboren am 13. Oktober 1940 und Erhard Frey, geboren am 25. Januar 1942, gesucht von ihrer Mutter Gertrud Frey. Die drei Kinder waren nach der Gefangennahme ihrer Mutter noch mit Frau Hildegard Wenk und Frau Kuhlmann aus Medenau, Kreis Samland zusammen.

 

Aus Mohrungen, Veitstraße 4, wird Peter Dreyer, geboren am 7. Dezember 1942, gesucht von seiner Mutter Gertraud Dreyer, geboren am 17. Dezember 1913 in Löbau, Westpreußen. Anfang Februar 1945 befand sich der Junge mit seinem Großvater Herrn Hoffmann, auf der Flucht. Beide kamen bis Steegen-Stutthof bei Danzig, Westpreußen und bestiegen dort einen Omnibus. Ein fremder Herr nahm sich des Jungen an, da sich der Großvater nicht wohl fühlte. Wer war der Herr, der sich des Kindes Peter Dreyer, geboren am 7. Dezember 1942, annahm?

 

Aus Osterode, Friedrichstraße, Nähe des Bahnhofs, wird Burgi Kalinna, geboren etwa 1942/1943, gesucht von Erich Neumann, geboren am 30. Juni 1910. Zusammen mit dem Kind wird auch die Mutter, Irmgard Kalinna, vermisst. Die Großeltern des Kindes hießen Schwarz. Der Großvater soll bei der Reichsbahn in Osterode, Ostpreußen tätig gewesen sein.

 

Aus Suwalki, Südostpreußen, ehemalige Adolf Hitlerstraße 20, wird Eduard Reif, geboren etwa 1940, gesucht von seinem Onkel Heinz Bartuschat.

 

Aus Stadtwald, Kreis Sensburg wird Horst Werner Szcepaniak, geboren am 31. Dezember 1939, gesucht von seiner Mutter Elisabeth Szcepaniak. Der Junge war im April 1945 mit seiner Mutter und seiner Schwester auf der Insel Hela. Beim Besteigen eines Schiffes wurde er von einem Verbindungsseil am Kopf getroffen. Ein Matrose setzte ihn dann in das Schiffsinnere. Es kann möglich sein, dass das Schiff auf Rügen anlegte.

 

Aus Tölteninken, Kreis Wehlau, werden Roswitha Pokall, geboren am 5. Mai 1943 und Siegfried Pokall, geboren am 5. August 1937, gesucht von ihrem Vater Erwin Pokall und ihrer Schwester Edeltraut Pokall, geboren am 13. Februar 1935.

 

Aus Tummuscheiten, Kreis Tilsit-Ragnit werden die Geschwister: Inge Rasstutes, geboren am 13. Oktober 1940 und Renate Rasstutes, geboren am 25. September 1939 in Tummuscheiten, gesucht von ihrer Großmutter Luise Isanofski, geboren am 27. November 1900 in Labiau, Ostpreußen. Die Mutter der Kinder wird auch noch gesucht. Die letzte Nachricht war vom Januar 1945 aus Spittehnen bei Bartenstein, Ostpreußen.

 

Aus der Heil- und Pflegeanstalt Angerburg wird Rosemarie Jakschewski, geboren am 18. März 1940 gesucht von ihrem Vater Fritz Jakschewski, geboren am 21. Januar 1913. Die Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Angerburg wurden im November 1944 nach Kortau, Kreis Allenstein, verlegt. Von dort erhielt die Mutter die letzte Nachricht über das Kind am 4. Dezember 1944.

 

Aus Bartelshöfen, Kreis Labiau, wird Karl-Heinz Riechert, geboren am 26. Januar 1943 in Tilsit, gesucht von Anneliese Kurth, geborene Riechert, geboren am 29. Juli 1925.

 

Aus Bergau, Kreis Samland wird Inge Schenk, geboren am 29. Januar 1943 in Königsberg, gesucht von ihrer Mutter Gertrud Schenk, geborene Wichmann, geboren am 10. April 1920. Inge Schenk befand sich in Begleitung ihrer Großmutter, Frau Anna Wichmann, geborene Wagner, geboren am 9. Oktober 1878. Die letzte Nachricht war vom 16. Februar 1945 aus Imten, Kreis Wehlaz.

 

Aus Bitterfelde, Kreis Labiau, werden Lothar Hinz, geboren am 10. Januar 1943 und Margot Hinz, geboren am 27. Juni 1937, gesucht von ihrem Vater Ewald Hinz, geboren am 28. September 1901.

 

Aus Buchhof, Kreis Insterburg, bei der Großmutter Frau Auguste Knitsch, wird Dorothea Knitsch, geboren am 9. Oktober 1943 in Insterburg, gesucht von ihrer Mutter Ursula Paul, geborene Knitsch.

 

Aus Bukowitz, Kreis Mohrungen, wird Elfriede Jöhnke, geboren am 12. Februar 1937 in Moditten, gesucht von Auguste Radke, geborene Jöhnke, geboren am 12. September 1888.

 

Aus Eydtkuhnen, Kreis Stallupönen, ehemalige Hermann Göringstraße 2, wird Heinz-Günther Berger, geboren am 6. Februar 1938, gesucht von seiner Schwester Liesbeth Kerzinger, geborene Gennrich, geboren am 7. November 1924.

 

Aus Ihlnicken, Kreis Samland, wird Manfred Lau, geboren 1943, gesucht von seiner Tante Helene Mensch, geborene Karschau, geboren am 4. Juni 1904. Die Mutter Charlotte Lau, geborene Karschau, geboren am 21. Oktober 1908, sowie die ältere Schwester Helga Lau, geboren 1934, werden auch noch gesucht. Ferner werden noch zwei Kinder Lau gesucht, jedoch sind deren Vornamen und Geburtsdaten nicht bekannt. Die letzte Nachricht der Gesuchten kam im Januar 1943 aus Ihlnicken.

 

Aus Königsberg, Bozener-Straße 29/31, wird Dietrich Hinz, geboren am 24. Oktober 1941, gesucht von Herta Hellmert, geborene Neumann. Die letzte Nachricht kam im September 1945 aus Neukuhren.

 

Aus Königsberg, Brandenburger-Straße 11, wird Dora Voss, geboren am 1. Mai 1938 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Walter Voss. Die letzte Nachricht von Dora Voss kam im April 1947 aus Litauen.

 

Aus Königsberg-Juditten, Frischbierweg 13, wird Eckhardt Kloth, geboren im März 1942 in Königsberg, gesucht von seiner Tante Erna Hinz, geborene Zahlmann. Bei dem Kinde befand sich die Großmutter Frau Maria Kloth. Vermutlich wollte diese mit Eckhardt Anfang 1945 nach Berlin flüchten. Der Vater des Knaben, der bei der Reichsbahn in Königsberg tätig war, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Köslienen, Kreis Allenstein, bei den Pflegeeltern Ehlert oder Ebers, wird Rotraud Wittke, geboren am 21. Januar 1943 in Allenstein, gesucht von ihrer Mutter Martha Wittke.

 

Aus Kuppenwiese, Kreis Angerapp, wird Brigitte Bahlo, geboren am 13. April 1942, gesucht von ihrem Vater Max Bahlo. Im April 1945 erkrankte Brigitte Bahlo an Typhus und wurde in das Krankenhaus n Preußisch Holland eingeliefert. Am 20. Juni 1945 soll sie dann in ein Altersheim in der Nähe von Preußisch Holland überwiesen worden sein.

 

Aus Parzelischken, Kreis Heydekrug, wird Karl-Heinz Gulbinski, geboren 1933 in Parzelischken, gesucht von seinem Vater Adam Gulbinski, geboren am 1. August 1904.

 

Aus Neu-Boguschin 14, Kreis Plöhnen, wird Blondine Klammer, geboren 1939 in Neu-Boguschin, gesucht von ihrem Bruder Wilhelm Klammer, geboren am 19. September 1925 in Sesmin. Die Eltern, Gottfried Klammer, geboren 1884, und Emma Klammer, geboren etwa 1894, sowie die älteren Geschwister Alfred Klammer und Amalie Klammer, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Urbansdorf, Kreis Goldap, wird Manfred Gallinat, geboren 1942 in Urbansdorf, gesucht von seinem Vater Franz Gallinat, geboren 1898 in Reutersdorf. Die Mutter Frieda Gallinat, geboren 1909, und der ältere Bruder, Günther Gallinat, geboren 1932, werden ebenfalls noch gesucht. Die letzte Nachricht war vom November 1944 aus der Nähe von Seeburg, Ostpreußen.

 

Aus Osterode, Tierberger Straße, werden Edith Stetzkowski, geboren am 1. Dezember 1940 und Horst Stetzkowski, geboren am 4. Januar 1938, gesucht von ihrem Vater Oskar Stetzkowski, geboren am 10. Dezember 1904. – Die Mutter Emma Stetzkowski, geboren am 26. Juni 1936, Heinz Stetzkowski, geboren am 4. Juli 1933 und Hildegard Stetzkowski, geboren am 7. März 1931, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Winniki, Kreis Plönen, werden die Geschwister Edwin Zinn, geboren am 2. September 1944, Adolf Zinn, geboren 1941. Die Zwillinge Julius Zinn und Johanna Zinn, geboren am 29. November 1936, gesucht von ihrem Vater Julius Zinn.

 

Seite 9   Immer gegenwärtig ist die Heimat.

Vor ein paar Jahren durften wir aus Westberlin noch in die „Zone" fahren. Wir waren auf Rügen gewesen und saßen im D-Zug von Stralsund. Die einzelnen Abteile des Zuges waren mit Lautsprechern ausgestattet aus denen abwechselnd Musik und die üblichen Propagandaphrasen ertönten, ob man sie hören wollte oder nicht. Laut Ansage näherte sich der Zug Greifswald, der alten kleinen Universitätsstadt. Wie hielten Ausschau am Zugfenster und sahen die Türme aufwachsen und davor die Wiesen mit den weidenden Herden. Vor mehr als 125 Jahren schuf Caspar David Friedrich sein Bild „Wiesen vor Greifswald“ und heute wie damals liegt Greifswald inmitten seiner Wiesen. Es hat sich kaum etwas geändert. In meiner Erinnerung tauchte eine andere verwandte Landschaft auf andere Wiesen und Rinderherden und spielende Pferde. Hinter ihnen erhoben sich die Türme von Elbing aus der weiten Niederung. Wo ich jetzt Caspar David Friedrichs „Wiesen vor Greifswald" sehe, ist mir seitdem auch die Heimat nahe.

 

Von Hannover fuhr der Zug gen Göttingen. Da entdeckte ich mit meiner kleinen Tochter ein Storchenpaar auf einer Wiese. Die ersten Störche waren es für mich seit Jahren. Ich erzählte der Tochter, auf wie vielen Scheunendächern daheim die Störche ihre Nester hatten und dass sie nicht wegzudenken waren von den Bauernhöfen, denen sie Glück bringen sollten. Vom „Storchenfang" habe ich berichtet: „Vor dem Kriege waren die Störche in England am Aussterben. Bei uns gab es damals immerhin noch so viel, dass man in einem Jahr von zwei oder drei Jungen in einem Nest, je eins wegnehmen, und nach England „umsiedeln" konnte. Dort mögen die Nachkommen noch jetzt munter klappern“.

 

Wer an der Ostsee zu Hause ist, den zieht es zur Ostsee hin, und wenn es auch nur die Lübecker Bucht ist, wo sich ein Ort an den anderen reiht. Wohl fehlten die unendliche Wasserfläche der Danziger Bucht und die Einsamkeit der Frischen Nehrung, aber da hängen Fischernetze zum Trocknen. Der Rauch der Fischräucherei zieht durch den Abend. Wir atmen ihn tief ein und träumen …. Hin und wieder gibt es auch Räucherflundern, richtige Ostseeflundern wie einst in Kahlberg, wenn sie auch rar geworden sind in der Ostsee seit dem Kriege, wie uns ein Fischer erzählt.

 

In Lübeck am Traveufer liegt tatsächlich die „Flora" unter Dampf, der weiße Dampfer der Reederei Zedler, mit dem wir so oft von Elbing den Fluss hinunter über das Haff zur Nehrung gefahren sind. Zwischen Lübeck und Travemünde pendelt die „Flora" jetzt, und wir brauchen nur an Bord zu gehen.

 

Überhaupt Lübeck! Wo wir auf den Spuren der Hanse wandern, da sind wir der Heimat nahe. Das gilt auch für Rostock, Wismar und Stralsund. Diese Städte mögen unsere Landsleute, die in der „Zone" leben, oft an die Heimat erinnern. Mich zieht es, nach Flandern zu fahren und Flanderns Türme zu erleben, die sich wie der große Turm von St. Marien in Danzig gen Himmel recken. Ich möchte Flanderns Glockenspiele hören, die über die Ebene erklingen wie Danzigs Glockenspiel von St. Katharinen, das jetzt von St. Marien in Lübeck ertönt. Die Reise nach Flandern, das wäre ein ganz klein wenig auch eine Reise nach Hause, in den weiten niederdeutschen Raum. Vorläufig aber lese ich an langen Winterabenden in des Flamen Timmermanns Büchern, und wenn er seinen Beginenhof schildert, dann bin ich im Hof des Heilig-Geist-Hospitals in Elbing, und die alten Weiblein nicken mir freundlich zu, die dort wohnten.

 

Am Deutschen Eck zu Koblenz stand einst eine Niederlassung des Deutschen Ritterordens. Es ist ein langer Weg von Rhein und Mosel bis zur Weichsel und Nogat aber die jungen Söhne aus den Burgen im Westen des alten Reiches sind ihn gezogen, um vereint mit der Ritterschaft Europas im fernen Heidenlande das Kreuz aufzupflanzen. Es lohnt sich für uns, diesen Wegen einmal nachzugehen.

 

Burg Eltz an der Mosel ist eine richtige deutsche Märchenburg hinter tiefen Schluchten und hohen Felsen, mitten im Wald versteckt mit steilen Mauern, mit Türmen und Türmchen und vielen Erkern. Eins ist in das andere gebaut und verschachtelt, und dennoch ist alles eine Einheit, wie aus dem Felsen herausgewachsen und oft mit ihm verschmolzen. Dornröschen hätte hier wohnen können oder der Froschkönig mit dem Prinzesslein Doch auch harte Zeiten hat die Burg gesehen. Waffen an den Wänden des Rittersaales, sogar Frauenwaffen, erzählen davon.

 

Das ist die Welt, aus der die Ritter des Ordens stammten, und welch andere Welt waren die Burgen des Ostens die festen „Häuser" des Deutschen Ritterordens. Militärische Zweckbauten waren sie, Festung, Kloster, Verwaltungsgebäude und Wirtschaftsgebäude zugleich und dennoch von ausgeprägter Eigenart und Schönheit ein Stein gewordenes Symbol beherrschter Kraft.

 

Fast tausend Jahre alt sind die Augen, die uns aus der mit getriebenem Goldblech belegten Mariengestalt, der „Goldenen Madonna", des Essener Münsterschatzes anschauen. Wir stehen davor und versinken in eine längst verflossene Zeit. Wir sinnen und wissen auf einmal: Die „Goldene Madonna", starr blickend, gemahnt uns an die Maria an der Mauer der Marienburg, an das große Mosaikbild der Mutter Gottes, die mit gleichen Augen durch die Jahrhunderte über das gesegnete Land an Weichsel und Nogat sah.

 

Im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe befindet sich ein Silberreliquar mit dem Ritter Sa. Georg von Bernt Notke aus dem Besitz der St. Georgs-Bruderschaft zu Elbing. Die Sammlung Philipp Reemtsma in Hamburg besitzt einen vergoldeten Silberpokal der Elbinger St. Georgs-Bruderschaft, und auch im Dahlemer Museum in Berlin können wir ein Silberreliquar mit dem Heiligen Georg aus Elbing sehen. Elbing hieß in der Welt der Hanse die „kleine Stadt", aber auch die "reiche Stadt", und es gab viele Künstler im mittelalterlichen Elbing, Baumeister, Maler, Bildschnitzer, Goldschmiede u. a. Die reichen kunstverständigen Bürger der Stadt erwarben viele Kunstwerke aus dem ganzen Raum der Hanse. Von Elbings Schätzen aus jener Zeit ist heute wenn auch weit verstreut, noch mancherlei erhalten.

 

In Berlin steht vor dem Charlottenburger Schloss das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten von dem aus Danzig stammenden Bildhauer Andreas Schlüter. Es ist auch dieses ein Sinnbild unserer Zeit, dass jenes Standbild, vertrieben von der Langen Brücke im östlichen Teil der Stadt, nun an einen anderen Ort verpflanzt werden musste. Es steht jetzt dort mehr denn je vorher als ein Denkmal deutschen Selbstbehauptungswillens.

 

Der Turm des Berliner Rathauses in der Königsstraße, jetzt auch im Osten der Stadt gelegen, ist ein Abbild des Thorner Rathausturmes , wie das Rathaus in Thorn über die Grenzen des deutschen Ostens hinaus so oft als Vorbild gedient hat.

 

„Es gibt dreierlei Menschen, gute, schlechte und Albinger" steht auf einem Elbinger Notgeldschein aus der Zeit nach dem 1. Weltkrieg. Ja, die Menschen aus der Heimat! Wie Heimatluft weht es uns an, wenn wir plötzlich irgendwo heimatliche Laute hören. Immer seltener zwar geschieht es, aber doch dann und wann. Wenn die Großeltern zu Besuch kommen oder die gute alte Tante, dann erzählen sie, wie es war, als sie klein waren. Nicht nur die Kinder, auch die Großen hören zu, was sie berichten vom Land „Es war einmal".

 

Der Bäckermeister Hubrecht in Göttingen backt die alten guten Elbinger „Butterplatz". Auch das ist ein Genuss. Wieder einmal in die frischen „Platz", dick mit guter Butter bestrichen, zu beißen, ein Genuss wie die Thorner Katharinchen und das Danziger Goldwasser, Stobbes, Machandel und Königsberger Marzipan.

 

Wir hatten in diesem Jahr sogar in Berlin einen harten Winter. Die Havel und Seen trugen eine dicke Eisdecke. Wie ich nun eines Tages über das schneebedeckte Eis des Grunewaldsees stapfte, da stehen eine Menge Berliner um eine Wuhne. Ein Vater erklärt gerade seinem Sprößling sehr ernsthaft: „Das Loch ist in das Eis geschlagen, damit die Fische Luft bekommen“. Ich denke an die Wuhnen auf dem Eis des Frischen Haffs und an die harte Eisfischerei in bitterster Kälte. In Gedanken sehe ich die Fischer das Netz unter dem Eise von einem Loch zum anderen stoßen und ziehen.

 

Manchmal wohl wanderten meine Gedanken zum Haff: vor der sonnenüberglänzten Fläche des Bodensees und vor dem Blütenmeer zur Zeit der Kirschblüte in Werder, aber doch war alles anders daheim, östlicher, nördlicher, klarer und irgendwie unberührter.

 

Sonnenwendfeuer brennen alljährlich auch an der Havel. Wie ein Gespensterschiff sah ich einmal ein weißes Segel, lautlos von den Flammen beschienen, dicht am Ufer vorbeigleiten. Wohl glitten zu Hause die Segel durch laue Sommernächte. Die Sonnenwendfeuer aber leuchteten wie ein Kranz die ganze Nehrung entlang am Strande der Ostsee von Pillau bis hinter Zoppot, rund um die Danziger Bucht.

 

Ja, ist das alles nun sentimental? Sentimental zu sein, lässt schon der Alltag nicht zu, der uns zwingt, mit beiden Füßen fest auf der Erde zu bleiben und unseren Mann zu stehen. Die offenen Augen im Alltag aber lassen die Heimat immer wieder gegenwärtig sein, die versunkene und dennoch in uns so lebendige Welt. Bernhard Heister.

 

Seite 9   Federzeichnung Lotte Heister.

 

Seite 9   Überall stoßen wir auf Heimaterinnerungen

Man braucht nicht immer gleich die bekannte Ostpreußenhütte in den Salzburger Alpen zu besuchen, um durch die dort vorhandenen Heimatandenken an Ostpreußen erinnert zu wurden. Nein, auch an anderen Orten kann es vorkommen, dass das Bild unserer unvergessenen Heimat ganz plötzlich vor uns wieder aufersteht, wenn wir nur im Urlaub mit offenen Augen um uns schauen.

 

So erging es uns im letzten Sommer im schönen Tirol, wo wir im abgeschiedenen Sellraintal, im kleinen Kirchdorf Gries, Unterkunft gefunden hatten. Nach alter Gewohnheit suchte ich dort eines Tages den Friedhof auf, dessen bäuerisch-bunte Grabkreuze allein schon denen auf ostpreußischen Dorfkirchhöfen sehr ähneln. Dann aber stand ich vor den Ehrentafeln für die Gefallenen des Weltkrieges, die auf schlichtem Stein Namen, Todestag und letzte Ruhestätte enthielten, und las voll Bewegung ostpreußische bzw. ostdeutsche Ortsnamen:

 

Joseph Kapferer, gestorben 13.02.1945 Läse/Ostpreußen

Max Haider, gestorben 25.04.1945 Pillau/Ostpreußen

Franz Haider, gestorben 14.02.1945 Posen

 

Drei weitere hatten vor Leningrad, am Ladogasee und an der Eismeerfront ihr Grab gefunden.

 

Gewiss, die weit auseinanderliegenden Kriegsschauplätze brachten es mit sich, dass auch die Gebirgler nun weit ab von ihrer Heimat beigesetzt wurden. Und doch fühlt man sich als Ostpreuße sonderbar ergriffen, dass von insgesamt 9 Gefallenen dieses kleinen Dörfchens allein zwei Söhne unserer Heimat sind. Fäden, die sich von hier hinüberziehen zu unserer unvergesslichen Ostseeküste.

 

Ein anderes Erinnerungszeichen wieder, das uns dort in den Alpen entgegentrat, gehört der Pflanzenwelt an. Mancher wird sich noch jener auf anspruchslosem Heideboden wachsenden kleinen Strohblume erinnern, die wir als Kinder unter dem Namen „Katzenpfötchen" sehr schätzten. Sie war von blassgelber bis orangeroter Farbe und ließ sich so schön zu Immortellenkränzen verarbeiten. Auch als kleiner Strauß winterüber daheim aufbewahrt, erinnerte sie uns an schöne Sommertage an See und Palve.

 

Nun, wir haben sie lange nicht mehr pflücken können und uns vielleicht nur manchmal noch wehmütig an sie erinnert. Ist es da nicht wie ein Gruß der fernen Heimat, wenn sie uns hier im Gebirge plötzlich unerwartet gegenüberstehen. Zwar nicht mehr im gelben, sondern nur im schlichtgrauen Gewande, das manchmal auch schöne rote Farbtöne zeigt, — aber doch dasselbe Katzenpfötchen, das uns einst daheim als Kinder erfreute. Und wieder winden wir einen Immortellenkranz wie einst, — diesmal aber für unsere gute alte Mutter Ostpreußen und ihre gefallenen Söhne. Dr. R. P.

 

Seite 9   Vor 150 Jahren in Königsberg. (V)

Wir lesen im Jahrgang 1808 der Kgl. Preußischen Staats-Krieges- und Friedens-Zeitungen in Nro 44 vom 2ten Juni 1808:

„Avertissement: Das hiesige Ostpr. Hebammen-Institut ist nunmehr wiederum eingerichtet und mit den gehörigen Mitteln versehen, die etatsmäßige Anzahl schwangerer Personen aufzunehmen und gehörig zu verpflegen. Personen, die solcher Unterstützung bedürfen, können sich daher bey dem Director Dr. Hirsch zur Aufnahme melden.

Königsberg, 28. May 1808. Kgl. Ostpr. Hebammen Institut" ¹)

 

In Nro 46 vom 9ten Juni 1808:

„Neue Bücher: Faust, eine Tragödie von Goethe ²). Geb. 5 fl. Göbbels u. Unzer“.

„Warnungs-Anzeige: Eine Einwohnerin des Dorfes Komainen, Amtes Mehlsack, und deren beide Töchter sind, da selbige giftige Pilzen, welche sie für Morcheln angesehen, gesammelt, zubereitet und genossen hatten, gleich nach deren Genuss plötzlich verstorben. Dies Unglück konnte sie umso leichter treffen, als sie schwer als giftig zu erkennen sind ... Jedoch sind im Allgemeinen diejenigen Schwämme, welche schwarzblau, grün oder bunt aussehen, fauligt riechen, schneller wachsen und faulen, einen hohen Stil haben, im Kochen hart werden, klebrigt und zähe und im Geschmack scharf und ätzend sind, als giftige Pilze anzusehen, gegen deren Genuss das Publicum hiemit gewarnet wird ³).

Königsberg d. 27. May 1808. Kgl. Ostpr. Kriegs- u. Domainen Kammer".

 

In Nro 47 vom 13ten Juny 1808:

„Reglement über die zu Abhaltung alles Handels und Verkehrs mit England und Schweden in Absicht auf die Controlle der ein- und ausgehenden Handels-Waren zu beobachtenden Grundsätze“. (Die langen Ausführungen beziehen sich auf Napoleons Continentalsperre.)

„(LS) Auf Sr. Kgl. Maj. allergnädigsten Special-Befehl. Stein. Goltz.

 

In Nro 48. Königsberg vom 16ten Juny 1808:

Bücheranzeigen: „Schillers Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande, fortges. v. Curths. 2ter Bd. 3 fl. 15 gr. Auf Schrbpap. 6 fl. 15 gr“.

„Reichardt ) Der Jäger mit Begleitg. d. Guitarre 18 gr. Göbbels u. Unzer".

 

In Nro 49 vom 20ten Juny 1808:

„Neue Bücher: Kraus L. J. ) Staatswirthschaft. Nach dessen Tode herausgegeben von H. v. Auerswald ) 1 u. 2 t. Theil. Schreibp. 8 fl. Drckpp. 6 fl.

 

Neue Kupferstiche: Alexander I. Kaiser von Russland verehrt die Überreste Friedrichs des Großen u. nimmt von König Friedrich Wilhelm III. u. der Königin Louise Abschied von Potsdam, den 4. Nov. 1805, gemalt von F. Catel ), gest. v. F. W. Meyer, 21 fl. Friedrich Nicolovius“.

 

„Anzeige. Dass am nächstfolgenden Donnerstag als dem 23ten d. M. unsrer Benefice-Vorstellung: Hermann von Unna oder die heimlichen Richter, Schauspiel in 5 Aufzügen, die Musik der Chöre v. Abte Vogler, aufgeführt wird, zeigen wir hiermit pflichtschuldigst an u. laden zugleich jeden unserer Gönner aus E. verehrungswürdigem Publicum bittend ein. Gosler. Bütner. Schauspieler“.

 

In Nro 51 vom 27ten Juny 1808:

Unter den politischen Nachrichten, mit denen die Zeitungsnummern jedes Mal beginnen, wird unter „Paris vom 4. Juni" ein literarisches Werk über die wissenschaftlichen Früchte der Napoleonischen Ägyptenexpedition besprochen.

 

„Zu Danzig soll ein Theil der schönen Linden-Allee vor dem Olivaer Thore, welcher während der Belagerung umgehauen wurde, wieder hergestellt werden. Man hat durch eine Subscription (zu welcher der Gouverneur Rapp ) u. Commandant Menard mit beigetragen) so viel zusammengebracht, dass die 328 fehlenden Bäume ersetzt werden können". )

 

„Zum Besten der im Herzogthum Warschau ¹⁰) brodlos gewordenen Staats-Diener" werden bei Göbbels u. Unzer Schriften verkauft.

 

In Nro 52 vom 30ten Juny 1808:

In der Beilage zeigt ein Herr Chambeau, wohnhaft Kneiph. Kirchenplatz, den Unterrichtsplan einer französischen Schule an, deren Schulgeld „praenumerando 4 Rthlr. Cour, beträgt zuzügl. Holz- u. Einschreibegeld“. Ein zustimmendes Schreiben des Königs wird abgedruckt. H. M. Mühlpfordt)

 

¹) Wurde 1810 in die Geburtshilfl. Universität umgewandelt.

²) Der Erstdruck des 1806 auf Schillers Antreiben abgeschlossenen 1. Teiles.

³) Von der gütigen Helvellasäure der Morcheln wusste man damals noch nichts.

) Joh. Friedr. Reichardt, geb.  25.11.1752 in Kgb., gestorben 27.06.1814 in Giebichenstein. Seit 1792 nicht mehr Hofkapellmeister in Berlin.

) Christian Jacob Kraus, geboren 27.07.1733 in Osterode, gestorben 25.08.1807 in Königsberg, seit 1780 Professor der Kameralwissenschaft an der Albertina.

) Hans v. Auerswald, ältester der drei Söhne des Oberpräsidenten Hans Jacob v. Auerswald, geboren 09.10.1792 in Faulen, Krs. Rosenberg. Preuß. Generalmajor. Abg. d. Nat.-Versammlung. Ermordet 18.09.1848 in Frankfurt a. M.

 ) Franz Catel, geboren 1778 in Berlin, gestorben 1856.

) Jean Graf Rapp, Elsäßer, Napoleonischer General, Gouverneur des 1. Freistaates Danzig 1772 bis 1821.

) Beim Ausbruch des Weltkrieges sollte diese 1770 angelegte berühmte vierreihige „Große Allee" umgehauen werden. Nur mit Mühe konnte sie von dem damaligen Danziger Oberbürgermeister davor bewahrt werden.

¹⁰) Die einstigen preuß. Provinzen Südpreußen, in der zweiten polnischen Teilung 1793, und Neu-Ostpreußen mit Warschau, in der dritten polnischen Teilung 1795 erworben, gingen 1807 verloren.

 

Seite 10   Wald und See – seine Welt. Walter von Sanden-Guja zum 70. Geburtstag am 18. Juni 1958. Mit Foto.

Es kann in den letzten zwanziger oder Anfang der dreißiger Jahre gewesen sein, als ich von einem befreundeten ostpreußischen Pfarrer zu einem Wochenende mit anderen Schriftstellern in sein ländliches Pfarrhaus eingeladen wurde. Gern folgte ich dem Rufe. Es wurden sehr anregende Stunden. Und es war mir eine besondere Freude, Walter von Sanden dort kennenzulernen. Eine wahrhaft merkwürdige Begegnung! Denn bald schon waren wir uns menschlich so nahe gekommen, dass wir uns wie alte Freunde fühlten.

 

Obwohl er, der begüterte Landedelmann, Edelmann im wahrsten und schönsten Sinne des Wortes, und ich, der Sohn eines kleinen Beamten, aus ganz verschiedenen sozialen Ebenen kamen, stimmten wir in weltanschaulicher, vor allem auch in religiöser Hinsicht, vielfach so überein, dass es uns fast wie ein Wunder erschien. Doch dies Rätsel klärte sich, astrologisch betrachtet, sogleich, als sich herausstellte, dass wir beide fast zur gleichen Stunde geboren waren!

 

Wir sind uns bis heute innerlich nahe geblieben. Zweimal, war ich auf den Gütern v. Sandens in KI. Guja und Launingken zu Gast, wo ich seine ebenso lebensstarke wie feingeistige Frau als liebevolle Gastgeberin, aber auch als hochbegabte Künstlerin, Malerin und Bildhauerin erlebte. Märchenhaft schöne Tage waren es. Man war nur zur Mittagszeit an das Haus gebunden. Der Tag gehörte Wald und See. Und so wurde mir in jenen frohbeschwingten Wanderstunden eine Reihe meiner ersten Masurengedichte geschenkt. — An den Abenden saß man in besinnlichem Gespräch und bei guter Musik beisammen, in einer Harmonie der Geister und Seelen, wie man sie heute, wo alles rein menschliche mehr und mehr zerstört und atomisiert erscheint, nur noch in seltenen Sternstunden erlebt.

 

Walter v. Sandens später erscheinende Bücher konnten unsere Verbindung nur noch vertiefen. Auch ihm wurde die Natur und ihr Leben und Weben in Pflanzen und Tieren zur Offenbarung des Göttlichen im Spiegelbild der eigenen, ehrfurchtsvollen Seele. Und diese kosmische Verbundenheit erklärt — neben der tiefen Naturkenntnis und -erkenntnis — wohl am ehesten das Geheimnis der magischen Wirkungskraft all dieser mit dem Herzblut des Weltliebenden geschriebenen Bücher: sie erweisen in unserer seelenentleerten, rationalistisch erkrankten und verkrampften Zeit, dass es — ihr zum Trost — eine Quelle gibt, die unerschöpflich noch offen steht im Rasen der Menschheit.

 

Man muss den Menschen v. Sanden in seiner Heimat erlebt haben, in seiner täglichen Arbeit in Feld und Wald und vor allem auf seinem geliebten Gujasee, um dies ganz zu begreifen. Seine Gutsarbeiter standen zu ihm und seiner Frau in einem wunderbaren, wahrhaft väterlich-mütterlichen Vertrauensverhältnis. Im gleichen Verhältnis standen die beiden Eheleute zu der gottbeseelten Natur. Sie waren trotz ihrer hohen sozialen Stellung einfache, natürliche, tiefgläubige Menschen geblieben; aber ihr Herz war so weit wie die Welt!

 

Walter v. Sanden liebt die Natur nicht nur im Leuchten des Himmels und der Sonne. Kein Wetter, kein Sturm, kein Regen und Gewitter konnten ihn von seiner Arbeit und seinen Beobachtungen abhalten. Ob er im See seine Netze stellte, ob er über ihm, von einem Baume herunter, mit seinem selbstgefertigten Wurfspeer auf der Rappenjagd war, ob er in sommerlicher Schwüle, nackt und schweißbedeckt, in seiner engen Beobachtungshütte auf dem See hockte, ob er bis zu den Knien im herbstkühlen Wasser stand oder ob er im Schnee und hei härtestem Frost seine Tiere belauschte — immer geschah es in der innigen Freude an allem Lebendigen. Oft verließ er das Haus bereits mitten in schwarzer Nacht, um schon vor Tau und Tag auf dem See zu sein und die Tiere nicht zu vergrämen. Nie nahm er Rücksicht auf sich selbst und sein Wohlbefinden. Immer war es ein opfervoller Einsatz für sein Werk. Dies Werk war ihm seit je innere Berufung und Dienst an der Heimat.

 

Alle Bücher Walter v. Sandens: „Guja, Leben am See der Vögel", „Der See der sieben Inseln". „Am See der Zwergrohrdommel", „Alles um eine Maus", „Ingo, die Geschichte eines Fischotters", „Der große Binsensee", „Wo mir die Welt am schönsten schien", „Die Zugvögel" und „Das gute Land", in dem v. Sanden seiner Mutter ein Herzensdenkmal setzte, — alle seine Bücher sind Beispiele einer, man kann fast sagen: mystischen Verschwisterung eines Menschen mit dem Schöpfer und seiner Schöpfung.

 

Dabei sieht v. Sanden durchaus nicht nur die tausendfältige Schönheit dieser Schöpfung. Er sieht auch den ewigen erbitterten Kampf darin und die schwere Not der Geschöpfe. Er erlebt, die ganze Tragik in der schmerzvollen Spannung zwischen Leben und Tod. Doch auch Not und Tod der Kreatur sind ihm etwas Naturgegebenes, Naturbedingtes, also ein Gottgewolltes. Selbst die Raubvögel sind es ihm. Und nur, wenn sie überhandnehmen, ist er für die Vernichtung. Dabei weiß er das Liebesleben der Geschöpfe, die Aufzucht der Jungen ebenso wirklichkeitsnah und anschaulich zu schildern, wie den erregenden, blutigen Kampf der nahrungssuchenden Tiere. Auch dieser Todeskampf bringt ihn nicht von seinem Glauben ab, dass die Schöpfung, bis ins Letzte hinein, tief sinnvoll ist. Und nur der Krieg der Menschen untereinander ist ihm ein höllischer Wahnsinn, weil Kriege nicht lebensnotwendig sind wie die Nahrungssuche der Tiere, weil sie vielmehr aus gemeiner Machtgier entfesselt werden.

 

„Wirst du wieder schreiben können?" fragt seine Frau, die bei der furchtbaren Flucht auf ihren Rädern oft dem Erliegen nahe war, als die beiden eines Nachts in Havelberg Hand in Hand in ihr Notquartier gehen. Und er fragt zurück: „Und du? ..." — Doch ein „Ja!" war bei der Wundheit und Hoffnungsleere der Herzen damals unmöglich.

 

Heute aber sehen wir eine herrliche Ernte der beiden, wenn wir die stattliche Reihe der Bücher v. Sandens, seine wunderbaren, mit Künstleraugen erschauten Lichtbilder darin und, nicht zuletzt, die innigen Tier- und Pflanzenzeichnungen und die zauberhaft farbigen Aquarelle Edith v. Sandens betrachten. Bis in die Fibern erregt sind wir oft bei den lebendigen, trotz der Einfachheit der Sprache immer wieder fesselnden Schilderungen des vielgestaltigen Lebens in der weiten Natur. Gibt es ein Tier, eine Pflanze, die v. Sanden nicht bis in die letzten Wesensregungen und Bedingungen kennt? All das erhält in diesen Büchern Gesicht. Und dies erleben wir nicht nur in Werken, die noch die alte Heimat ihm schenkte, sondern auch in den neuesten Büchern. — Wir überhören aber auch nicht die leise Wehmut, die sich oft bis zur brennenden Sehnsucht steigert, wenn v. Sanden an die entrissene Heimat zurückdenkt, die uns Vertriebenen allen unersetzbar bleibt.

 

Und so begreifen wir, wie viel innere Not auch beim Schaffen dieser beiden Menschen schmerzvoll überwunden werden musste, wenn wir Edith v. Sandens Verse lesen:

 

Ich möchte nach Hause wandern

in einem Bettlergewand

auf stillen und einsamen Straßen,

von niemand erkannt.

Und ob auch die Füße bluten,

die Kräfte langsam vergehn —

ich wollte wandern und wandern,

bis ich die Heimat gesehn!

Und wenn meinen Händen entglitte

zuletzt auch der Bettlerstab —

nur Glück wärs für meine Seele:

Ich fand — in der Heimat — mein Grab.

 

Dass Walter v. Sanden, der, gelegentlich wie seine Frau, auch selber solche volksliedhaften Verse schreibt, in diesen Tagen der ostpreußische Kulturpreis verliehen wurde, das ist uns allen eine herzliche Mitfreude. Nichts bringt ja dem schöpferischen Menschen einen solchen Zustrom von Kraft wie Dank und Anerkennung derer, für die er sein Leben lang ruhelos schaffte! Und nun wollen wir dem innerlich sehr jung gebliebenen Siebziger noch viele Jahre so fruchtreichen Schaffens wünschen!

Fritz Kudnig

 

Seite 10   Gottsucher und Dichter. Fritz Kudnig zum 70. Geburtstag am 17. Juni 1958.

Foto: Federzeichnung von Klaus Wrage.

Wenn es richtig ist, was Theodor Haecker in seinem „Virgil, Vater des Abendlandes" am Beispiel dieses großen Dichters der Zeitenwende darlegt: dass Natur (eingeschlossen die irdische Liebe) und die Erfahrung des Ewigen (und der göttlichen Liebe) die Grundthemen der Lyrik aller Zeiten sind, so hat Fritz Kudnig in seinem nicht umfangreichen, doch in jeder Zeile innigen und charaktervollen Schaffen diese wesentlichen lyrischen Motive auf seine Weise, für seinen heimatlichen Bereich und in der religiösen Bewältigung der Erschütterungen und der — tief gesehenen — Leiden seiner Zeit beachtlich abgewandelt.

 

Seine Weise — das ist die Weise eines Poeten, den es nicht in die Weite drängt, um möglichst viel Weltaußenheit zu erfahren und sie in seine Innenwelt hineinzuziehen, der vielmehr seine Innenheit als eine Welt sieht, in der Menschenschicksal und Kosmos sich spiegeln und die mit solcher Erfülltheit auf Gott gerichtet ist. Trotz des mystischen Elements in seinem Wesen und Schaffen, zu dem er sich mit einer feinfühligen Studie über Meister Eckehart bekennt, lassen sich Kudnigs Gedichte und Prosa nicht allein aus der Mystik herleiten. Wenn er sich an Lao-Tses Wort hält: „Ohne hinauszugehen, kannst du die Menschen kennen", so liegt darin durchaus auch eine Tendenz zum Realen hin. Sie zeigt sich deutlich in seinem Lebensgang und in seiner praktischen Lebensphilosophie, in der er gleichsam die Nutzanwendung mystischer Gottinnigkeit auf das alltägliche Zusammenleben der Menschen und auf die Ordnung der verworrenen Welt mit schlichter, scheinbar naiver Logik und in volkstümlicher Sprache fassbar zu machen versucht. Das ist der Reiz seiner bisher nur auszugsweise veröffentlichten Aphorismen über „Leben und Schicksal".

 

„Preußischer Ordnungssinn" ist Kudnig angeboren, er hat ihn ins Innere gewendet. Er wuchs in geordneten Verhältnissen eines kleinbürgerlichen Königsberger Elternhauses auf; in einer Erzählung seines Büchleins „Herz in der Heimat" (Elchland-Verlag, Göttingen) finden wir dessen harmonisch-strenge Atmosphäre trefflich skizziert und die vergeblichen Ansätze des Jungen wider den Stachel zu lösen, oder die kläglich scheiternden Experimente seiner Phantasie mit Humor geschildert. Überhaupt enthält dieses Büchlein im Grunde alles Wissenswerte über Kudnigs innere Entwicklung und die Festigung seines seelischen Verhältnisses zur Heimat. Mit überraschender Laune und Lockerheit erzählt er sowohl den jugendlichen Aufbruch in die Freiheit schöpferischen Erkennens von Mensch und Landschaft auf einer „romantischen Nehrungsfahrt" als auch die stille und glückliche Versöhnung eines Menschen, dem Wald und See wesentlich und existenztragend sind, mit dem nüchternen Beruf eines preußischen Gerichtsaktuars. Kudnig hat als Dichter eine Lebensform gewählt, die an die des Richters Storm, des Staatsschreibers Keller oder des Schulrats Stifter erinnert. Schwer musste ihn das Schicksal der Vertreibung aus dieser Bauhütte seines Wesens und ihrer landschaftlichen Umwelt treffen, die ihm zur Innenwelt geworden war. Er hat die Tragödie seiner Heimat tief und schmerzlich erlitten und ist daran noch wieder gereift. Davon zeugen die innigen — nicht oberflächlich anklägerischen — Klagen und die im tieferen Sinne dokumentarischen Bilder seiner Gedichte „Flucht und Einkehr", die der alte Königsberger Verlag Gräfe und Unzer, jetzt München, zu seinem 70. Geburtstag herausbringt. Schleswig-Holstein, die Heimat seiner Frau, wurde ihm, soweit das möglich war, zur anderen Heimat und erwies ihn nicht nur durch die Aufnahme in den Eutiner Dichterkreis die gebührende Schätzung.

 

Sein innerst heimatlicher Bereich aber bleibt Ostpreußen, und mehr noch als die Städte Memel und Königsberg, in denen er wirkte, die Kurische Nehrung und das Land Masuren. Davon zeugen die beiden in den letzten Jahren bei Gräfe und Unzer in ansprechender Gewandung neu erschienenen Gedichtbücher „Das Wunder am Meer" und „Land der tausend Seen". Die Großartigkeit der Natur in der Landschaft der hohen Dünen an der brandenden See wie auch der gewaltigen Wälder und der großen, stillen Seen hat Kudnig von Jugend an ergriffen und zum lyrischen Ausdruck gedrängt. Diese Landschaftsgedichte sind eine eigentümliche Mischung von zarter, filigranhaft sorgfältiger Zeichnung, von verhaltener Musikalität — die nicht wenige Komponisten zu Vertonungen bewogen hat — und von kraftvoller Bukolik, namentlich in der Verbindung von Natur- und Liebesgedicht. Überhaupt geben die Gedichte nicht nur das anschauliche und lebendig bewegte Bild der Natur (Meer, Haff, Düne, Kiefern, See, Lichtung, Hirsch und Elch) in den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten, in Sonne und Sturm, sondern wie bei den alten Bukolikern lebt in und mit der Natur der Mensch und das, was er in die Landschaft gestellt, mit ihr verwoben hat, in Bildern von Katen, Dörfern, Wirtshäusern, Fischerkähnen, Dampfern, Segelflugzeugen, Herden und Friedhöfen, die zu Symbolen werden.

 

Schon in diesen symbolhaften Bildern klingt das Religiöse an: die liebende Betrachtung der irdischen Bilder, das Erfüllt- und Ergriffensein von ihnen (in das auch das Leid um Vergänglichkeit, Zerstörung, Vergeblichkeit, Entseelung, und Sinnentleerung einbegriffen sind) wird wesentlich erst durch die Wahrnehmung des Glanzes von Gott, der über ihnen liegt und in ihnen ist. Dies ist deutlich der Weg Fritz Kudnigs zu seinen religiösen Gedichten in den Bändchen „Gottes Lautenspiel" und „Seliges Gotteslied". Sie wollen in ganz schlichtem, demütigem, mitunter aus Ehrfurcht schier unbeholfenem Ausdruck aus der Schau in die geheimnisvollen Hintergründe der Erscheinungen zu einer neuen, unkonventionell, einer frommen Vernunft zugänglichen Schau Gottes hinlenken. Auch auf diesem Wege zu einer neuen inneren Heimat bleibt der nun Siebzigjährige dem Gesetz seines Wesens treu, wie er es einmal in einem gleichnishaften Selbstbildnis gekennzeichnet hat:

 

„War nicht die Kiefer stets mein Ebenbild?

Karg war mein Brot und karg mein Lebensraum;

Drum wuchs ich knorrig wie ein Kiefernbaum.

Und alles, was im Leben ich geschafft,

Sog, wie die Kiefer, aus dem Kampfe Kraft“.

Christian Jenssen

 

Seite 10   Das Regiment im Hause. Hochzeitsbräuche in Ostpreußen und anderswo.

Der Zug zur Selbstbehauptung ist jedem Sterblichen in die Wiege gelegt worden. Im späteren Leben erwächst daraus mitunter ein Machtgelüst, das sich oft besonders verhängnisvoll in der Ehe auswirkt. Aber trotz allem greift gerade die Frau zu gerne nach dem Phantom des Regiments in der Ehe und, wie noch lebendige Hochzeitsbräuche lehren, sucht dieses vermeintliche, zweifelhafte Glück bei Eingehung der Ehe magisch zu erzwingen.

 

Mannigfach sind die Mittel, die noch heute die Braut und die Neugetraute anwenden, um sich ein für allemal die Führung in der neuen Lebensgemeinschaft anzueignen. Vor dem Kirchgang soll sich die Braut durch den Bräutigam den linken Schuh anschnallen lassen; so erhält sie die Herrschaft im Hause. Auf dem Wege zum Altar muss sich die Braut heimlich von ihrem Verlobten Geld geben lassen, dann wird sie über die Börse ihres späteren Mannes stets nach eigenem Ermessen schalten und walten können. Herr im Hause wird der von den Verlobten, der beim Glockengeläut den ersten Schritt über die Kirchenschwelle setzt oder den Fuß vor dem Altar um ein weniges vorstreckt.

 

Das Regiment in der Ehe ist der jungen Frau sicher, wenn sie vor dem Altar den Rockschoß ihres Zukünftigen bekniet (Ostpreußen); sie braucht auch nur heimlich den Unterrock auf seinen Frackschoß zu legen, während beide durch den Pfarrer zusammengegeben werden. Wenn die Braut in diesem Zeitpunkt ihren Verlobten auf den rechten Fuß tritt, hat sie das Spiel gewonnen; der Mann muss ihr zeitlebens Untertan sein (Ostpreußen). Denselben Erfolg verspricht sich manche Braut für den Fall, dass es ihr gelingt, den Angetrauten nach Aufstehen am Altar um sich rechts herumzuführen (Ostpreußen). Oft genug entsteht dabei ein seltsames wenig weihevolles Gezerre. Damit die Braut später die Oberhand fürs Leben erhält, achtet manche darauf, dass beim Ringwechseln ihre Hand oben zu liegen kommt (Ostpreußen); bringt sie dies zuwege, dann wird sie auch in der Wirtschaft immer das erste Wort zu sprechen haben. Ferner greift die Frau, um ihrem Herrschaftsgelüste Erfolg zu sichern, manchmal zu pflanzlichen Mitteln. Sie trägt Fünffingerkraut während der Trauung im Schuh oder verbirgt heimlich vor dem Kirchgang Senf und Dill im Unterrock, klopft dreimal während der Ansprache des Pfarrers gegen die Rocktasche und spricht im Stillen die Worte:

 

„Ich habe Senf und Dill,

Mann, wenn ich rede,

Schweigst du still".

 

Nach der Trauung braucht die junge Frau nur unter die Türe des neuen Heims zu treten und, die beiden Füße gegen die Pfosten stemmend, für sich zu sprechen: „Ich stehe oben und unten an, ich bin der Herr und nicht der Mann". Die Herrschaft im Hause ist ihr sicher. Von dem Geldstück, dass manche Braut während der Trauung im Schuh trägt, um später nie Geldmangel zu haben, kauft sie einen feinen Schnaps, den der junge Ehemann austrinken muss. So bekommt sie künftig alles in ihre Macht (Ostpreußen). Auch soll sich die junge Frau zeitlich vor ihrem Mann ins Bett legen und sich von ihm ein Glas Wasser reichen lassen, dann wird sie „Meister". Der gleiche Erfolg wird ihr beschieden sein, wenn sie den ersten Löffel der Morgensuppe genießt.

 

So bieten sich der Braut und der Neugetrauten mancherlei Möglichkeiten, durch die sie für die künftige Ehe die Herrschaft erlangen können. Schlägt das angewendete Mittel fehl, dann durfte sich ein solches Versagen gewiss nicht zum Schaden des Zusammenlebens von Mann und Frau auswirken: „Denn durch Dienen allein gelangt sie endlich zum Herrschen, zu der verdienten Gewalt, die doch ihr im Hause gehört" (Goethe, Hermann und Dorothea). Dir. Dr. Wilhelm Gaerte

 

Seite 10   Ausstellung junger ostdeutscher Künstler.

Einer Einladung des Museums der Stadt Braunschweig folgend, zeigt die Künstlergilde im Spätsommer in Braunschweig eine Ausstellung der bedeutendsten jungen aus dem Osten stammenden Künstler. Die Ausstellung soll in weitere Städte wandern und u. a. im Spendhaus in Reutlingen gezeigt werden. Eine Reihe von Nachwuchskünstlern aus dem Osten, so der Bildhauer Herbert Hajek, die Maler Friedrich Sieber, Franz Gaudnek, Winfried Gaul und Peter Grau haben in den letzten Monaten in mehreren Ausstellungen in London, Italien und Paris beachtliche Erfolge erzielen können.

 

Seite 11   Die Stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Das Mädchen von Königsberg. Erzählung von Rudolf Naujok.

Ich lernte sie im Februar 1945 kennen als die alte Krönungs- und Königsstadt schon eingeschlossen war und die russischen Granaten wahllos in die Straßen hineinpreschten. Zwar habe ich mich ihr nicht vorgestellt, die Zeiten waren weit jenseits aller gesellschaftlichen Bezirke und trugen die dumpfe Atmosphäre eines Weltunterganges. Aber ich habe sie doch gesehen und bei ihrer hilfreichen Tätigkeit beobachten können, und das alles war so schön und erhebend, dass ich es bis heute nicht vergessen habe.

 

Es handelt sich auch nicht um ein persönliches Wohlgefallen, so hübsch und blond sie aussah, sondern ich empfand sie in ihrer ganzen Art als eine echte junge Ostpreußin, als den Typus ostpreußischen Frauentums und darüber hinaus als einen Menschen, der mit Sicherheit und Würde das tat, was eine unsagbar dunkle Stunde verlangte.

 

Es geschah am Königsberger Bahnhof, diesem neuen großartigen Verkehrsmittelpunkt, von dem aus in normalen Zeiten die blitzenden Schienenstränge nach allen Seiten liefen, ein pulsierendes Leben verkündend. Niemand, der es nicht erlebt hat, weiß, wie es in jenen Tagen dort aussah. Leergefegt Hallen und Vorplatz, kein Zug rangierte und pfiff, kein Mensch näherte sich diesem ausgestorbenen Gebäude Schon ein leeres Haus wirkte erdrückend, ein verlassener Großstadtbahnhof, ganz und gar um seinen Sinn gebracht, kann einen fast in Schrecken versetzen. Nur die leise fallenden Schneeflocken, dieser trotz allem ungestörte und festliche ostpreußische Winter, konnte einen für Augenblicke, wenn man das Denken ausschaltete, etwas trösten.

 

Auf den Schienen standen noch einige Züge und abgehängte Wagen herum. Tausende von aufgerissenen Koffern, Körben und Paketen übersäten die Bahnsteige und erzählten von den harten Kämpfen, die sich hier um einen Platz im letzten Zug nach dem Reich abgespielt hatten. Dabei war dieser „letzte Zug" nur bis Braunsberg gekommen, weil die russischen Panzer schon bei Elbing standen.

 

Die Hallen und Kioske, in denen Zeitungen, Blumen und Konfitüren in normalen Zeiten ausgestellt waren, machten mit ihren zerschlagenen Fensterscheiben einen trostlosen Eindruck. Kopfschüttelnd ging man durch die einst so gepflegten Wartehallen, durch die Schalter- und Auskunftsräume, durch die Posträume und Verladestellen, kniehoch in Dreck und Zeitungspapier watend, und wurde das Gefühl, durch ein wahres Totenhaus zu wandeln, nicht los.

 

Wir lagen, eine kleine Soldatengruppe, am Nordflügel des Bahnhofes mit einem schweren Maschinengewehr, und nur, wenn der Beschuss etwas stärker wurde und offensichtlich dem Bahnhof galt, zogen wir uns etwas in die dicken Gewölbe des Gebäudes zurück, ebenso, wenn die Jabos, Ziele suchend, über uns hinwegbrausten. Im Allgemeinen war es stundenlang still.

 

Eines Tages stand, wie aus der Erde gewachsen, ein blondes Mädchen vor uns, und bat um Schutz vor ein paar sich streitenden Männern. Sie war etwa 25 Jahre alt.

 

„Wo denn?" fragte ich, denn es war ringsum alles leichenstill, und nur der Schnee rieselte. Ein Sanka kam von der Front gefahren und warf fünf tote Soldaten in Schneehemden einfach am Bahnhof ab. Das Mädchen wandte sich uns schaudernd zu, dann antwortete sie auf meine Frage: „Unten im Bahnhof".

„Wer ist denn da?"

„Da liegen Hunderte von Flüchtlingen, wissen Sie das nicht?"

Nein das wussten wir nicht, denn wir waren erst kurze Zeit hier. Wir hatten den Bahnhof für leer und ausgestorben gehalten, zumal die Leute wegen der Beschießung kaum die Keller verließen. Dieses junge Mädchen fühlte sich offenbar verantwortlich für die vielen Alten und Kranken, die dort lagen und die ihr schreckliches Schicksal völlig apathisch gemacht hatte, so dass sie sich zu keiner Tat mehr aufraffen konnten. Das Mädchen sah frisch und blühend aus und schien mit einer unglaublichen Sicherheit allen diesen Schrecknissen gewachsen zu sein.

 

Also los. Wir setzten uns den Stahlhelm auf ein Kamerad und ich, und folgten ihr. Sie führte uns eine Treppe hinab, die wir trotz ausgiebigen Herumschweifens in dem großen Gebäude noch gar nicht entdeckt hatten, und wir gelangten in weite Kellerräume, die offenbar das ganze Haus unterzogen.

 

Es war ein Gang in die Unterwelt, ein erschütternder Gang, besonders für mich, der ich als Ostpreuße alle diese Gesichter, die man sonst auf den Äckern, den Höfen und in den Werkstätten sah, so gut kannte. Gerade Landleute, fest in ihrem einfachen Sein verankert, sind, wenn sie ein so schreckliches Schicksal trifft, unglaublich hilflos und um ihr seelisches Gleichgewicht gebracht. Außerdem bestand diese bunt zusammengewürfelte Flüchtlingsgemeinschaft, vorwiegend aus den nördlichen Teilen der Provinz, fast ausschließlich aus Alten, Kranken und Kindern. Die Männer und selbst die Jungen waren in den Kampf geworfen worden.

 

Sie lagen auf Säcken, Decken und Betten an den nasskalten Mauern, jede Familie ängstlich um die geretteten Habseligkeiten in Koffern, Körben und Paketen geschart, müde, übernächtig, verzweifelt, und viele Augen starrten einen wegen der völligen Sinnlosigkeit dieses Dahinbrütens an mit der Frage: „Was soll das hier?" Wer konnte darauf eine Antwort geben?

 

Die Frauen und Männer lagen meist auf den Decken, schliefen, aßen, unterhielten sich leise und bedrückt, während die Kinder neben den Koffern herumsprangen und offenbar auch in dieser verfahrenen Lage noch Lust, zu einem Spiel hatten. In einer abseits gelegenen Ecke hatte man ein paar Männer und Frauen, die gestorben waren, hingelegt und mit einer Decke überdeckt. Einige Frauen bemühten sich an anderer Stelle um eine Gebärende. Hier und da schien einer den Verstand verloren zu haben, denn er pfiff vor sich hin oder stieß unartikulierte Schreie aus, die von den Wänden echohaft widerhallten.

 

Am unerträglichsten war die furchtbare Luft, und es lassen sich manche Szenen gar nicht schildern. Dunkel brannten elektrische Birnen und beleuchteten die Bilder, die sich hier so unerwartet und beklemmend boten. Es waren Bilder der Unterwelt.

 

Unerschüttert ging das Mädchen uns voran, und es fanden sich ein paar Jungen und Mädchen, die sich um sie sammelten und Anweisungen von ihr entgegennahmen. Ohne Zweifel, sie war der Schutzengel dieser „Katakomben", wie wir die unterirdischen Kellerräume des Bahnhofes bald nannten, sie verteilte die vorhandenen Lebensmittel, wusste für alles einen Rat, und das Erstaunlichste war, dass man ihr willig folgte.

 

Die beiden Soldaten, im Stahlhelm, die neben ihr herschritten, wurden von allen Seiten angestarrt, und ich freute mich, ihre Autorität auf diese Weise etwas unterstreichen zu können. Die Männer, um deretwillen sie uns gerufen hatte, waren Greise, die sich um den Platz in einer besonders sicher scheinenden Kellerecke gestritten hatten. Es gehörte wenig dazu, sie mit guten und ein wenig humorvollen Worten zu beruhigen. Dann gingen wir am anderen Ende des Bahnhofes wieder treppauf in eine hellere, freilich ebenso fragwürdige, gefährliche und zerstückelte Oberwelt, aber für den Augenblick doch wie erlöst und befreit.

 

In den nächsten Tagen kam das Mädchen oft zu uns, und wir richteten einen Patrouillendienst durch die Kellerräume ein, so dass wir am Vormittag und Nachmittag einmal mit ihr zusammen durch die Reihen der Flüchtlinge gingen und für Ordnung und Ruhe sorgten. Auch konnten wir die Toten fortschaffen und den Schwerkranken wenigstens einige Medikamente besorgen.

 

Das war aber alles blutwenig gegenüber dem, was das junge Mädchen aus eigener Kraft fertig brachte. Der Gauleiter war geflohen, der Kreisleiter meldete sich nicht mehr, von der Stadtverwaltung waren auch nur einige Dienststellen zu erreichen, aber das junge Mädchen wusste die Stellen, die helfen konnten, aufzuspüren. Entweder lief sie selbst in die Stadt oder telefonierte vom Bahnhof so unentwegt und energisch, dass plötzlich ein Lastauto mit Kartoffeln, Mehl, Brot Zucker und Wurstwaren vor dem Bahnhof fuhr und die lang entbehrten Vorräte abzuladen begann. Das Mädchen nahm sie in Empfang und ließ sie in einen Raum tragen, den sie abschließen konnte.

 

Auf den Gleisen standen einige halbzerschossene Speisewagen, und bald sah man träge den Rauch aus einem durch das Fenster gelegten Ofenrohr emporsteigen, was unsere kleine Soldatengruppe mit Freude begrüßte, denn die vielen Flüchtlinge hatten uns in ihrer Hilflosigkeit Sorgen gemacht, und überhaupt schien nun etwas von Ordnung und gewohntem Tageslauf hier einzuziehen.

 

Wenn die Russen nicht schossen — sie hatten Gott sei Dank ihre bestimmten Zeiten, die man bald kannte — kamen Mädchen und Knaben mit Tellern und Kochgeschirren auf die Bahnsteige gelaufen und empfingen hier ihr Mittagsmahl, das sie eifrig den alten und kranken Angehörigen in die „Katakomben" hinuntertrugen.

 

Muss noch gesagt werden, dass wir alle von dem Mädchen begeistert waren. Leider blieben wir zu kurze Zeit da, um das Weitere zu beobachten, und was aus den Flüchtlingen geworden ist, weiß ich nicht. Nachdem die 5. Panzerdivision den Weg nach Pillau noch einmal freigekämpft hatte, sind möglicherweise viele von ihnen davongekommen. Möge dazu auch das junge Mädchen gehört haben, denn so viel Schönheit, Jugend und menschliche Hilfsbereitschaft dem Feind in die Hände gefallen zu wissen, ist ein Gedanke, der einen auch heute noch, soviel Jahre nach jener dunklen Zeit, mit Schmerz erfüllen könnte.

 

Seite 11   In der Tucheler Heide. Von Franz Erdmann

Die weite Heide in Einsamkeit,

hell schimmernder See in der Ferne,

ein Purpurstreif, wo die Sonne versank,

und die ersten flimmernden Sterne.

 

Und nächtlich ein rauer, sausender Wind,

als atme er schwer nur im Schlummer,

als fühle eine bangende Seele in ihm

der Menschen Schmerzen und Kummer.

 

Wer weiß, ob die Wünsche der Menschen nicht hier

wie Vögel sich sammeln zum Zuge

und die Flügel prüfen und sturmfeste Kraft

noch einmal zu traumschwerem Fluge.

 

Wie viele ahnen, dass jäh sie im Sturz

hinab in den Todesstrom sinken,

Vergessen finden von Streit und Not

und im Tode Erlösung sich trinken.

 

Seite 11   Margareta Pschorn. Sommerabend.

Dämmerung über dem See,

träumerisch zirpen die Grillen,

über die Wellen, die stillen,

schimmert ein Segel wie Schnee.

 

Betäubenden, süßen Duft

hauchen die rankenden Rosen,

aber schon müde vom Kosen

ruhet und schlummert die Luft.

 

Schlummert auf Hügeln und Höhn

sanft, mit gefalteten Schwingen . .

Ruhe, so schwer zu erringen,

Ruhe, wie bist du so schön!

 

Seite 11   Foto: Lovis Corinth Selbstbildnis mit Spiegelbild

 

Seite 11   Klaus Pawlowski. Rosenwunder.

Er schenkte ihr zum Geburtstag drei Rosen. Die eine war tiefrot, die andere weiß mit feinen blassroten Streifen, und die dritte, ja, die dritte war gelb, ganz einfach gelb.

 

Die Blütenblätter der roten waren so fein gerippt, als wären sie mit der Graviernadel bearbeitet worden. Ihr Rot vertiefte sich aus den feinen Blattspitzen heraus dem Stiel entgegen zu einem schweren, trunkenen Purpur, das in den feinen Rippen fast schwarz wurde. Wenn sich ihr Kelch öffnete, schien die Rose ein einziger Duft zu sein, ein Duft, der so schwer war, so sonderbar beglückend und erregend und dabei so einmalig, dass man ihn nie vergaß.

 

Die zweite Rose sah aus, als züngelten winzige blassrote Flämmchen an ihrem weißen Kelch empor bis in die Spitze jedes Blütenblattes hinein. Und diese Blütenblätter schlossen sich so eng ineinander, als wären sie untrennbar zu jener weißen, reinen wunderbar und doch seltsam überflammten Glocke des Kelches verwachsen. Diese Rose barg einen seltsamen reinen Duft, zurückhaltend und scheu, und nur hin und wieder gab sie der Umwelt einen ganz kleinen, kaum wahrnehmbaren und doch für sie selbstverständlichen Hauch davon.

 

Und die dritte Rose?

Nun, sie war, wie gesagt, nur gelb und, zugegeben, recht klein und schmal, aber nicht hässlich, durchaus nicht. Ihre Blütenblätter kräuselten sich an den Spitzen zart nach außen und trugen einen tiefen, eigenen Duft in sich. Aber man musste schon sehr genau hinschauen, um diese feinen Schönheiten zu entdecken.

 

Das Mädchen freute sich sehr über das Geburtstagsgeschenk und betrachtete die drei Rosen voller Glück, denn sie hatte sie ja von Ihm bekommen.

 

„Diese Rosen sollen Sinnbilder unserer Verbundenheit sein", sagte der Mann. „Die rote Rose hier wird das Symbol unserer Liebe sein. Schau nur, wie tiefrot sie glüht, wie sie sich in ihrer Glut und in ihrem Duft aufzulösen droht. Ist sie nicht einmalig in ihrer Art, einmalig und glühend wie unsere Liebe?"

 

„Ja", sagte das Mädchen und schmiegte sich in seinen Arm.

„Und sieh", sagte der Mann, „die weiße mit den blass rot züngelnden Flammen ist das Symbol für unser nie versiegendes Glück. Sie trägt ihren Duft, der nur für sie da ist, tief in sich, so wie unser Glück einzig in uns seinen Grund und seine Deutung findet. Und schau, die Kelchblätter! Sie umfangen sich, als könnten sie sich nie mehr lösen, und sind dabei so rein und doch lebendig geflammt wie unser Glück“.

 

„Ja", sagte das Mädchen, „sie sind wunderschön und einmalig in ihrem Sosein, einmalig und wunderschön wie unsere Verbindung. Aber, Lieber, wozu noch die dritte? Sie ist doch eigentlich überflüssig?"

 

„Ja, weißt du", sagte der Mann, „aber man schenkt nicht zwei Rosen!"

„Aber wofür", sagte das Mädchen, „wofür sollte sie denn Symbol sein? Wir haben doch alles: Liebe und Glück. Ist das nicht genug. Und du, weißt du, sehr ansehnlich ist das kleine Röschen wirklich nicht im Gegensatz zu den anderen beiden“.

„Wart", sagte der Mann und dachte einen Augenblick nach, „ja ich hab's. Sie wird das Symbol für unser Vertrauen sein, unser gegenseitiges echtes Vertrauen“.

 

„Vertrauen? Na, gut, wenn du meinst", sagte das Mädchen, denn es wollte dem Mann nicht wehtun und streichelte voller Liebe die rote und die weiße Rose. Sie stellte die drei Rosen in eine hohe Vase und freute sich jeden Tag an ihrer Schönheit.

 

Nur fand das Mädchen, dass die kleine gelbe ganz und gar nicht zu den anderen beiden passe und recht überflüssig sei. Aber sie ließ es sich nicht anmerken.

 

Da, eines Morgens, lagen purpurrote Rosenblätter rings um die hohe Vase verstreut, und ein leerer Stengel ragte traurig neben der kleinen gelben und der weißen Rose empor. Und als das Mädchen bangen Herzens am Nachmittag noch einmal Wasser erneuern wollte, war auch die weiße am Ende ihrer Kraft und die ersten Blätter taumelten müde zur Erde.

 

Das war das Mädchen sehr, sehr unglücklich. Gerade diese beiden mussten zuerst verwelken, und die kleine gelbe Rose stand fest und treu wie ehedem.

 

Und das Mädchen sah sie sich zum ersten Mal richtig an, und da sah es etwas Merkwürdiges: Vom Stengel der kleinen gelben Rose, die er Vertrauen genannt hatte, wuchsen ganz feine rote Streifen in die Blütenblattspitzen empor.

Und die zart gerüschten Kanten waren ganz weiß geworden.

Da nahm das Mädchen nachdenklich die kleine gelbe Rose Vertrauen und stellte sie in einer schlanken wunderschönen Vase neben ihr Bett auf den Nachttisch.

 

Seite 12   Vom physischen zum metaphysischen Maler. Größte Werkschau Lovis Corinths seit 1926.

Es ist nicht ohne Bedeutung für die deutsche Kunstsituation, dass die größte Ausstellung des Lebenswerkes Lovis Corinths seit der Berliner Gedenkschau von 1926 und wohl noch um einiges über sie hinaus nicht in Berlin oder München gezeigt wird, sondern in Wolfsburg. Zwar hat dank der großzügigen Initiative von Generaldirektor Nordhoff die Volkswagenstadt in den letzten Jahren so manches bedeutende Kunstereignis beherbergt und ist somit der Krupp-Villa Hügel als neues Provinzzentrum zu den bisherigen Metropolen getreten; doch bleibt es zunächst ein sehr mutiges Experiment, auf einigermaßen jungfräulichem Boden das ausgebreitete Lebenswerk eines ungestümen Temperaments mit seinen Höhepunkten und auch manchen Gefällstationen vornehmlich den Angestellten und Arbeitern der Automobilindustrie zu zeigen. Zu ihnen gesellen sich, wie bei der glanzvollen Eröffnungsfeier, Museumsdirektoren, Kunstkritiker, Unternehmer und unternehmungslustige Globetrotter der Kunst, die sich aus dem einen oder anderen Grunde die umständliche Reise an die Zonengrenze leisten können.

 

Nur bis zum 15 Juni ist all die Herrlichkeit zu sehen, die Franz Resch vorbereitet und aufgebaut hat. Manches wird weiterwandern, vieles an die Leihgeber, vor allem in Übersee zurückgehen. In den westdeutschen Kunstzentren war diese Ausstellung, wie es heißt aus Kostengründen in dieser Repräsentation nicht möglich. Das macht uns umso nachdenklicher, wenn wir uns erinnern, das in diesen Tagen das Städtische Museum in Düsseldorf, dessen Kunstschule einst Weltruf genoss, seine wichtigsten Schätze vom Ehrenhof auslagern und der Gastfreundschaft der Villa Hügel anheimgeben muss, da eine Messe sich auf die sonst der Kunst vorbehaltenen Räume ausdehnt. Einmal mehr: uns fehlt das eigentliche Kunstzentrum. Berlin ist es noch nicht wieder und auch München hat seinen alten Rang noch nicht aufgenommen.

 

348 Werke umfasst die Wolfsburger Ausstellung zum hundertsten Geburtstag des großen Ostpreußen aus Tapiau. Davon sind 245 Ölbilder, ein wesentlicher Teil der 987 Werke, die das gewaltige Gesamtverzeichnis der Gemälde aufzählt, das soeben bei Bruckmann erschienen ist. Es sind die meisten Hauptwerke darunter, wenn man auch so berühmte Stücke wie das Porträt des Grafen Eduard von Keyserling aus dem übrigens sehr leihfreudigen München vermisst und sich einige deutsche Sammlungen verschlossen und dadurch, wie es bei der Eröffnung hieß, „Corinth gegenüber ein großes Unrecht getan haben". Es fehlen u. a. die Bilder der National-Galerie Berlin-Dahlem (Trojanisches Pferd, Inntal), der Bremer (Porträts Peter Hille und Grönvold), der Hamburger (Porträt Pastemak, Vor dem Bade) und der Karlsruher Kunsthalle, während sich das Ausland überreich beteiligt hat, auch mit sehr vielen Leihgebern. Vor allem aus Amerika, natürlich zumeist aus dem Besitz der Familie Corinth, aber auch aus dem Museum of Modern Art New York, sind köstliche Bilder gekommen. Vor der funkelnagelneuen „Mehrzweckhalle" am Rande der Volkswagenstadt am Waldhang wehen die Fahnen Großbritanniens, Belgiens, Hollands, Österreichs, Frankreichs, der Schweiz und Israels.

 

Verglichen mit der 75 Titel umfassenden Auswahl, die wir in Berlin sahen, ist das Schwergewicht gleichmäßig auf den ganzen Lebensgang verteilt und bewusst auch das Problematische in Corinths Entwicklung gezeigt. Und wir halten das für richtig so. Ähnlich wie bei dem doch nur einmal möglichen Zusammentragen der Oeuvres von Rembrandt, Nolde oder Kokoschka ist es doch sehr lehrreich, auch die Tiefen und Untiefen, die Ab- und Irrwege eines genialen Werks zu zeigen, für die Kritiker wie die Kunstfreunde und erst recht für die Künstler gleichermaßen aufschlussreich, tröstlich und anspornend. In die Freude, dies alles sehen zu können, mischt sich die Trauer um die verschleuderten, verschollenen oder vernichteten Bilder aus der Zeit der „Entarteten Kunst" oder des deutschen Zusammenbruchs, so das berühmte und umstrittene Altarwerk für die Kapelle des Heimatortes Tapiau.

 

Auf das sehr reiche grafische Werk, etwa die die künstlerischen Jahresringe der Selbstporträts begleitenden Radierungen, ist in Wolfsburg verzichtet worden, doch gibt es hier eine Reihe schöner Aquarelle und Zeichnungen, zumeist Landschaften, Selbstbildnisse und das reizvolle 22 Blatt zählende „Große Alphabet" (Bleistift).

 

Die Ausstellung ist sehr gut gehängt. Die Räume sind abwechselnd rot, grün, drapp, beige und ocker ausgeschlagen. Man hat den Bildern und den Zuschauern Platz gelassen. Die Lichtverhältnisse sind sehr gut.

 

Man kann sich des Verdachtes nicht erwehren, dass es auch im Corinthjahr nicht ohne eine gewisse Rivalität zwischen den westdeutschen Kunstmetropolen ging, zumal bei Entstehung und Auswahl in Wolfsburg die Münchener Komponente stark ist, nicht zuletzt durch den Direktor der Städtischen Galerie, Dr. Hans Konrad Röthel, der mit Frau Charlotte Berend-Corinth auch den großen Oeuvre-Katalog herausgegeben hat und ihr bei der Eröffnung huldigte, als der treuen Lebensgefährtin des Malers. Er unterstrich auch, was wir angesichts der Berliner Ausstellung schon bestätigten, dass das späte Werk, das dem Tode abgerungen, neben das Alterswerk Rembrandts zu stellen ist, dass Corinth immer mehr ins Bewusstsein der Zeitgenossen als einer der größten Maler des Jahrhunderts rückt und dass — um mit Wilhelm Hausenstein zu sprechen — nach dem Schlaganfall von 1911 „aus dem physischen Maler ein metaphysischer" geworden ist.

 

Geht man immer wieder durch die Säle, so tut sich immer deutlicher auf: hier ist wirklich Leben und Malen eins. Die Unmittelbarkeit ist stark und überwältigend, bisweilen sogar peinlich, wo es sich um Stoffe handelt, die in der Zeit mit solcher Beteiligung des ganzen Menschen und solchem Realismus gar nicht zu bewältigen waren, mythologischen Themen oder vor allem solchen des Neuen Testaments. Doch gibt es auch da überzeugende und überwältigende Engagements, etwa der Ecce homo von 1925 aus dem Kunstmuseum Basel, oder das Große Martyrium von 1907.

 

Welch flammende Reihe der Stillleben durch alle Entwicklungsstufen, welche Bilder der Landschaft von Tapiau über Bordighera und Berlin zum Walchensee, welch üppige rubeneske Frauenakte und welche rüde bacchantische Szenen oder Darstellungen der Leidenschaft, so etwa „Kain" (siehe Wiedergabe Seite 11) oder „Totenklage". Da sind aber auch stille Genrebilder oder Interieurs aus dem Gefolge der Menzel, Trübner, Leibl. Aber aus den Selbstbildnissen sieht man, wie sehr Corinth immer intensiver mit Rembrandt umging. 1901 hat er sich wie ein vitalerer Lenbach mit Modell gemalt, ernst, wenn auch nicht so schwerblütig wie bereits als achtunddreißigjähriger mit Skelett (Städt. Galerie München). Im Rondell hängt der Höhepunkt der Ausstellung: die Reihe der erschütternden Zwiesprache mit dem Tod, die schonungslose Chronik des körperlichen Verfalls im reziproken Steigerungsprozess mit der Verinnerlichung und Verwesentlichung der künstlerischen Vervollkommnung. Da sind das erste Selbstbildnis, nach der Lähmung, 1912, und dann das letzte von 1925, gedoppelt im Spiegel. Es entstand in der Nachbarschalt des großen „Ecce homo". Wir werden es fürderhin im Kunstmuseum Zürich umso wissender ansehen müssen.

 

Corinths eigentlichste Meisterschaft, so will uns nach dieser Ausstellung scheinen, ist das Porträt, das ihn als sehr feinnervigen, sensiblen Chronisten der Zeit und ihrer Geister dokumentiert, als Sohn eines gefühlvollen und feinsinnigen Vaters, den er in dem noch ganz naturalistischen Frühwerk von 1883 mit Weinglas ebenso großartig festhielt wie in dem fünf Jahre später entstandenen skizzenhaften Porträt, ein Jahr vor dem Tode. Und dann die Galerie der großen Charakterbilder, die durch alle Stilphasen hindurch bis in die irrlichternde Auflösung des späten Expressionismus Corinthscher Prägung eine grandiose Steigerung erfahren: Neger „Othello", Freiherr von Gayling, Maler Karl Strathmann, Frau Halbe, Gerhart Hauptmann, Walter Leistikow, Alfred Kerr, Tilla Durieux, Max Slevogt, Frau Luther — dieses vibrierende Porträt des ausgehenden Wilhelminismus —, Hermann Struck, Dr. Schwarz, Julius Meier-Gräfe, Andreas Weißgerber, Herbert Eulenberg, Reichspräsident Ebert, Michael Grusemann und schließlich Georg Brandes, um nur einige wenige zu nennen, daneben die Doppelporträts, die Bilder der Gattin und das treffliche Gruppenbild der Logenbrüder, der berühmte Florian Geyer in der Verkörperung durch Rudolf Rittner.

 

Manche Stillleben und andere Ölbilder der letzten Jahre müssten die Tachisten von heute besonders verwandt ansprechen. Ist der Schritt zu einer expressiven Abstraktion so groß?

 

Die Ausstellung lehrt vor allem, dass Corinth bereits als Meister begonnen hat, dass der große Maler, trotz mancher Gewaltsamkeit und mancher Fragwürdigkeit in Stoff und Stil, mancher zu willkürlicher Verachtung der Form nicht nur der vitale, brutale „Kraftpinselmeier" war, vielmehr ein oft sehr lyrischer, melancholischer, spannungsreicher Mann, für den das Jahr 1911 mit seinem Todesschauer wohl Kerbe und Schwelle und Weg nach Innen war, aber nicht Bruch, nur stärkere Einkehr, Beherrschung des sonst seine Herrschaft immer mehr verlierenden Körpers zugunsten einer Aussage, für die sich das Leben nur noch im Malen vollzog. Das Persönlichste liegt bloß, es ist zum Allgemeingültigen geworden. Man wohnt dem Prozess einer Selbstwerdung durch Entäußerung alles Äußerlichen bei. Welche Wiederbegegnung muss es für die alte Frau Charlotte Berend-Corinth gewesen sein, die da aus New York gekommen war und scheu von alten Bekannten und Freunden mit dem „Damenbildnis mit Hut" von 1912 verglichen wurde, dem sie noch so ähnlich sah, die temperamentvolle, zierliche Frau, die da etwas müde und versonnen, doch sehr beteiligt im Saale saß. Und an den Wänden dieser „Furor teutonicus", dessen wir uns in solcher Form wahrhaft nicht zu schämen brauchen, je weltgültiger der Ostpreuße Corinth wird. Dr. Ernst Schremmer.

 

Seite 12   Ausstellung des Exilschrifttums.

Nachdem, geboren aus der Selbsthilfe der Schriftstellerverbände und der literarisch interessierten Kreise der osteuropäischen Exilgruppen in Stockholm, Helsinki und bei der Frankfurter Buchmesse 1957 vielbeachtete Ausstellungen des zeitgenössischen Exilschrifttums in den Originalsprachen und in Übertragungen veranstaltet worden waren, hat das Exilzentrum des PEN-Clubs in London erstmalig eine umfassende Ausstellung zusammengestellt, die einen Überblick über die Gegenwrt wie über die große Exildichtung aller Zeiten vermittelt.

 

Ein Teil dieser Auswahl soll auch in Deutschland gezeigt werden. Gedacht ist an Stuttgart – im Zusammenhang mit der „Eßlinger Begegnung“ – und an München, wo als Ergebnis der von der Künstlergilde veranstalteten Tagung der Exilschriftsteller in Darmstadt ein Zweig des PEN-Zentrums im Exil für Deutschland ins Leben gerufen werden soll

 

Ferner wurde vereinbart, diese Kollektion auch bei der Generalversammlung der AER/WAR (Europäische und Weltforschungsgruppe für Flüchtlingsfragen), die vom 17. Bis zum 20. September in Baden bei Wien stattfindet und Kulturfragen als Hauptthema hat, zu zeigen. Ein Sonderheft des dreisprachigen offiziellen Organs der AER/WAR („Integration“) wird diesen Fragen gewidmet sein.

 

Seite 12   Agnes-Miegel-Film geplant.

Der ostpreußische Regisseur Bernhard Redetzki (Eßlingen), der durch die Farbkulturfilme „Persien“, „Ägypten“ und „Japan lächelt wieder“ sich einen internationalen Namen gemacht hat, bereitet einen Kulturfilm vor, in dessen Mittelpunkt die Dichterin Agnes Miegel stehen soll.

 

Seite 12   Sonderstempel Lovis Corinth, mit Abbildung.

Anlässlich der Lovis-Corinth-Gedächtnisausstellung der Volkswagenstadt Wolfsburg verwendet das dortige Postamt bis einschl. 13. Juni (Ende der Ausstellung), den nebenstehenden Sonderstempel. Dieser Hinweis dürfte vor allem, die Ostpreußen unter den Philatelisten interessieren.

 

Seite 12   Bacchanal der Farben. Zum 100. Geburtstag von Lovis Corinth am 21. Juni 1958.

Lovis Corinth, 1858 als Gerbersohn in Tapiau in Ostpreußen geboren, hat, wie Franz Hals und Rubens, mit denen er verglichen wird, immer wieder sich selbst porträtiert. Gleichgültig, ob er sich als gepanzerter Bannerträger, das grobschlächtige Gesicht in seltsamen Kontrast zu der gleißenden Ritterrüstung, oder neben einem Skelett postiert darstellt, ob als gröhlender Bacchus oder in seinem letzten, von Todesahnung umspielten Selbstbildnis, das wir hier wiedergeben — immer gibt er etwas seiner dionysischen Existenz, seiner ungeteilten Urwüchsigkeit preis. Da besteht eine seltene Einheit von Mensch und Werk, das ganz elementar, ganz ohne geistige Distanz momentaner Ausfluss eigenen Wesens und Fühlens ist.

 

Als 1911 nach einem Schlaganfall des Malers die gelähmte Hand den Pinsel kaum mehr zu halten vermag, begann der eigentliche, auch geistige Kampf dieses kraftvollen Kämpen, den seine Münchener Zeitgenossen gern den „Fleischergesellen" nannten. Damals schon war er der große Maler, dessen kühner, farbstrotzender, leidenschaftlich akzentuierender Strich alles auf die Leinwand warf, was seinem Auge malenswert erschien: Gesichter, Blumen, Landschaften, formenschwellende Akte, Tiere, Früchte. Der sich ins Expressive wendende Altersstil Corinths bringt eine letzte Steigerung seiner Farbenlust. Sie ist der Triumph seiner über Leiden siegenden Vitalität, ist alles Licht der Erde, die sich im Auge des Todgeweihten spiegelt.

 

Wenige Wochen vor seinem Tode, der ihn nach fruchtbaren Berliner Jahren in Zandvoort in Holland ereilt, vollendet er sein Selbstporträt mit Spiegelbild. Es ist, vielleicht vorausgeahnt, der Abschied des Künstlers in zweierlei Gestalt: in der vom Siechtum ausgehöhlten und gezeichneten des Vordergrundes, und in seinem vom Leben abgewandten und von ihm nie erreichten Spiegelbild. Diese Hintergründigkeit, an Corinth seither unbekannt, reißt in typischer Selbstironie den Vorhang zurück, den sonst der Tod erst lüftet, und hinter dem steh das Geheimnis auch des diesseitigsten Lebens verbirgt. Dr. U. B.

 

Seite 12   Charlotte Behrend-Corinth. Mein Leben mit Lovis Corinth.

Als ich ihn kennenlernte, die Schülerin den Lehrer, war das natürliche Verhältnis der Ehrerbietung vorhanden. Als sich, umworben von ihm, die Liebe einfand, war sie umhüllt vom Mantel der Ehrfurcht, trotz aller Dinge. Die Liebe ging bis zum Grund meines flatterhaften Herzens. Und trotz der ganzen Skala der Liebe blieb die Demut. Ohne Frage weiß ich heute, dass diese Beziehung zwischen Mann und Frau die beste ist. Lerne wirklich dich ganz verlieren in der Liebe, gib dich auf und aus, spare nicht, sei nicht schlau, vertraue, baue mit am gemeinsamen Werk! ... Ich besinne mich, dass ich nach meiner Erfahrung keinen andern Mann kennengelernt habe, bei dem dieses kindliche Vertrauen angebracht gewesen wäre. Und so mag auch mein Lebensweg nur für mich so gewesen sein, wie er war, und für keine andere. Denn ich habe nicht irgendeinen Mann geliebt, ich habe Corinth geliebt.

 

Als wir beide im Jahre 1905 in Corinths Heimat in Ostpreußen (Tapiau) waren, zeigte er mir sein Geburtshaus und alle die Stätten, wo er seine Kinderzeit verlebt hatte; so wusste ich aus seinem Kinderleben ungezählte Dinge; auch später aus anderen Situationen, und das Unglaubliche war, dass er so kindlich geblieben war, dass man ihn um den Finger wickeln konnte, wenn man den rechten Ton traf. Ich habe daher in gewissem Sinn einen Einfluss auf ihn gehabt, weil ich ihm mit Scherz, Ironie und tieferer Bedeutung antworten konnte; oft voll beißender Ironie, was er ungemein liebte, und weshalb ich ihm, wenn ich so sagen darf, interessant blieb“. „Diese Betrachtungen sind keine Lobredereien, jetzt, wo er tot ist; nein, es ist wahr, dass ich ihn zu jeder Zeit so erkannt hatte. Er hat jede Arbeit ernst genommen, er hat zu jeder Zeit jedem sein Wort gehalten. Es kann kein Mensch aufstehen und sagen ‚Mir nicht“. Das will was heißen, in einer solchen Karriere. Es kann auch kein Mensch aufstehen und sagen: „Mich hat er geschädigt, beseitigt‘. Und das will was heißen, es so weit zu bringen, nur aus sich allein heraus, ohne heimlichen Mord an irgendwem. Früher dachte ich, der Grad des Fleißes ist der Grad des Talentes, und die großen Künstler sind fleißig, weil das Talent sie treibt. Aber bei Corinth habe ich gesehen, dass auch eine täglich sich selbst überwindende Charakterstärke notwendig ist, um sein Ziel zu erreichen. Das Leben mit ihm war nicht immer leicht, denn er hatte trotz der zartesten Empfindungen auch fürchterliche Härten in sich; aber sie entsprangen dem harten Ernst, den er dem Leben gegenüber hatte, nicht einem Mangel an Empfindung.

 

Das ist der ‚brutale' Corinth. Ein zarteres Herz hat kaum gepocht als das seine, das weiß ich immer mehr. Aber etwas anderes war es, was die Leute und auch mich manchmal kränkte: er war sehr ehrlich und er sprach Dinge seelenruhig aus, wenn er sie für wahr hielt, die andere nicht mehr gern wissen wollten. Corinths stärkste Eigenschaften waren Güte und Schamhaftigkeit. Nie habe ich — außer bei guten Kindern — eine solche Schamhaftigkeit wahrgenommen. Wie vornehm war er vor allen alltäglichen Situationen. Wie empfindlich gegen alle leiblichen Bedürfnisse. Nie hätte er indezent handeln können. Weiß wohl, dass die Leute antworten werden: Aber er ist doch so verletzend derb sinnlich in seiner Malerei! Wie einfältig! Er war wie die Natur, ehrlich und einfach, aber angewidert von allem, über dem auch nur ein Hauch von Gemeinem lag.

 

Allmählich reife ich zu der Erkenntnis, wie vollkommen Gott den Charakter von Corinth geschaffen hat. Und zwar meine ich damit nicht etwa, fehlerfrei geschaffen, und bin nicht etwa gewillt, nachträglich einen Engel aus ihm zu machen. Aber die Schwächen, die er hatte, das waren reine Schwächen, Torheiten, nichts Minderwertiges. Manchmal hart und für die Umgebung schwer erträglich, aber immer wahr! Und daher wollte ich von der Vollkommenheit seines Charakters sprechen. Ich begreife es immer bewusster, dass der letzte Grad von menschlicher Größe in Wahrheit und Einfachheit liegt. Die Einfachheit ist Gottesglanz. Sie schmückt sich nicht mehr mit dem Glanz und dem Schimmer dessen, was auf der Erde Gewicht haben könnte.

 

Als er nach seiner schweren Erkrankung sich zum Leben wieder zurückfand, gehemmt durch das Gebot des Arztes, dem Wein für immer Valet zu sagen, wurde es ihm zuerst außerordentlich schwer, sich zu überwinden, aber er überwand sich. Von der Erkrankung verblieb ihm die linke Hand schwerfällig in ihren Bewegungen, obwohl er sie alle auszuführen imstande war. Er hat dieser Behinderung niemals Erwähnung getan — er hat einfach seine Arbeit wieder aufgenommen. Mag ja sein, dass die Erkrankung seinen Gram verstärkt hat, die Ursache war sie nicht. Er war nicht melancholisch geworden, weil seine Hand schwer geworden war und sein Leben nicht mehr so wild sein durfte. Nein, er war so geworden, weil alles in ihm ausgereift war, und so auch dieser stärkste Zug in ihm, der zur Melancholie, ja zur Verzweiflung am menschlichen Dasein. Eine tiefe Trauer lebte von jeher in ihm, Fluch des Genies. Corinth war nie auch nur eine Spur gelähmt. Er behielt vom Schlaganfall 1912 eine etwas schwerfällige linke Hand zurück. Bis zum letzten Bild (das riesengroße ,Ecce Homo' ist von Ostern 1925) malte er im Stehen und hielt in der linken Hand die Palette. Diese linke Hand war unbeholfen in kleinen Bewegungen, wie Tuben aufdrehen, den Kragenknopf durchziehen, dennoch aber hatte er keinerlei persönliche Bedienung nötig. Nur ab und zu ein wenig unsere Hilfe für diese kleinen Verrichtungen.

 

Sein Gang hatte nach dem Anfall auf dem linken Fuß, wenn er ermüdet war, das typische Nachschleifen, aber weder war er gelähmt noch schwach. Als Beispiel zu nennen wäre, dass er noch im letzten Sommer wie alljährlich, seine kleine, aber gar nicht so leichte Bergpartie hier in Urfeld in Begleitung von Thomas machte. Niemals wurden ihm beim Malen Pinsel ‚angebunden', wie mich neulich jemand gefühlvoll neugierig fragte, niemals machte er sich jemals irgendeine Erleichterung.

 

Er lief umher, die Tuben aus dem Kasten zu holen, um sie auszudrücken; er hielt die schweren Kupferplatten in der linken Hand, während die rechte Hand gravierte.

 

Ich verstand erst gestern, an meinem Hochzeitstage, als ich dort am Grabe saß, dass eine unendliche Güte über Corinths Tod gewaltet hat: ohne Kampf ist er dahingegangen. Am Tage vor dem Tode, Donnerstagnachmittag, saß ich an seinem Bett. Plötzlich fühlte ich, wie er sein Auge mit ungeheurer Schärfe und unentrinnbarer Festigkeit auf das meine richtete. Ganz klein und dunkel stand die Pupille in dem klaren Blau des Auges.

 

Der Blick war so durchbohrend, ich entsetzte mich — mit äußerster Anstrengung sagte ich: „Schau auf dein Aquarell, Lovischen, wie schön es aussieht“. Er lenkte den Blick von mir zum Bilde, zu dem Aquarell der „Häuser von Amsterdam". Er blickte mit vollem ernstem Blick unverwandt auf das Bild, dann verschleierte sich der Blick. Er wurde müde, er schloss die Augen und öffnete sie niemals wieder. Der Abschied von mir und von seiner Kunst war es gewesen.

Aus Charlotte Behrend-Corinth „Mein Leben mit Lovis Corinth“. Paul List Verlag, München.

 

Seite 13   Wir blättern in neuen Büchern.

ES WAR EIN LAND. Volksbuch vom deutschen Osten. Hrsgg. von Harald von Koenigswald. BechtleVerlag, Eßlingen. 320 Seiten. Ln. DM 14,50.

Ein schöner, geschmackvoll ausgestatteter Band, das sei vorweg gesagt. Wer ihn besitzt, wird ihn immer wieder gern zur Hand nehmen und darin blättern. In Art einer Anthologie sind hier Berichte und Erzählungen, Gedichte und Balladen zusammengestellt; die Auswahl verrät eine kundige Hand. Stehen im ersten Teil die Landschaften des deutschen Ostens im Vordergrund, so im zweiten Teil Zeugnisse ostdeutscher Dichter, die die trauliche Enge des begrenzten Heimatraumes ins Gemeingültige heben, schließlich findet im dritten Teil das Schicksal der Vertreibung mit zwölf Einzelbeiträgen seine Gestaltung. In die Texte eingestreut sind Graphiken und Holzschnitte namhafter ostdeutscher Künstler. Der Untertitel verspricht nicht zu viel: ein Volksbuch vom deutschen Osten! —ch

 

OSTDEUTSCHE DICHTER ERZAHLEN AUS IHRER HEIMAT. Hirschgraben-Lesereihe, Reihe 1, Band 8. Hirschgraben-Verlag, Frankfurt. 64 S., DM 1,--

Die Auswahl für dieses begrüßenswerte, für den Schulgebrauch bestimmte Bändchen traf Rolf Heerdt. Es enthält Proben aus dem Werk schlesischer, ostpreußischer und baltischer Dichter. Im Anhang finden wir biographische Notizen über die zu Worte kommenden Autoren. Die Lektüre kann Jungen und Mädchen ab 13 Jahren empfohlen werden. vT

 

Gertrud Fussenegger: DAS VERSCHÜTTETE ANTLITZ. Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart. 343 S., Ln, DM 15,80.

Gewiss, es gibt andere Grenzlandromane. Aber wer weiß denn, ob es der Autorin darum ging, allein einen Grenzlandroman zu schreiben, das Nebeneinander zweier Völker zu zeichnen, schwarz und weiß; denn wo sich zwei Völker aneinander stoßen, entstehen Spannungen, und das Ergebnis ist dann meist ein Bild: nie gut, nie böse. Das ist verständlich, denn man muss sich behaupten, man ist in Abwehr. In diesem Buch aber geht es um mehr: hier geht es um den Menschen. Und der Held der Handlung ist belastet mit dem Erbteil zweier Völker, eines slawischen Vaters und einer deutschen Mutter. Das allein unterscheidet dieses Werk schon von der Grenzlandliteratur herkömmlicher Art, wenigstens der letzten fünfzig Jahre. Die Gestalt des Zeman ist echt, ist aus dem Leben gegriffen (das Leben störte sich nie an literarischen Wunschbildern). Er hat es nicht einfach, seinen Weg zu gehen; er steht zwischen Vater und Mutter, und dieser Widerstreit begleitet ihn durch sein ganzes Leben. Schon als Knabe wird er allein durch sein Dasein schuldig, und bei allen künftigen Begegnungen muss er erleben, wie sich um ihn fast ohne sein Zutun der Zerfall ausbreitet, wie sich sein Drang, zu helfen (er wird Arzt), in Unheil verkehrt. So tastet er sich durch Irrtum und Selbstzerstörung vorwärts, bis der Mann aus seiner tiefsten Erniedrigung hervortritt und die einzige unbefleckte Art der Liebe wahrmacht, dem Feind Gutes zu tun, den Widersacher ins Leben zurückführt. — Gertrud Fussenegger ist eine Erzählerin von ursprünglicher Kraft und Sprachfülle. Sie ist eine Dichterin, die der Wirklichkeit gewachsen ist, die sie beschreibt. Sie zeigt keine rosige Welt, sie hat den Mut, in die Dunkelheit einzudringen und noch am Fremdesten des Menschen teilzunehmen; aber sie zeigt, dass die Ordnung der wahren Liebe über alles irdische Verhängnis triumphiert. —ch

 

W. Wolfram von Wolmar: EIN REQUIEM FÜR PREUSSEN. Musterschmidt-Verlag, Göttingen. 77 S., engl. Brosch. DM 4,80

W. Wolfram v. Wolmar versucht in dieser Schrift, die, einer vorurteilslosen Geschichtsforschung gewiss nicht standhaltende Behauptung zu entkräften. Preußen sei seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in ganz Deutschland gewesen. Mit dieser Behauptung haben ja bekanntlich die Siegermächte nach dem zweiten Weltkrieg jenes Kontrollratsgesetz eingeleitet, durch das im Jahre 1947 der Staat Preußen für aufgelöst erklärt wurde. In seinen Ausführungen bezieht sich der Verfasser zum großen Teil auf Werke bekannter deutscher und ausländischer Historiker. Die Schrift stellt einen wertvollen Diskussionsbeitrag dar.

 

Seite 13   Die Vertreibung der Sudetendeutschen.

Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mittel-Europa, Band IV/1 (XIII, 337 S.) und Band IV/2 (XVI, 813 S.). Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei. Bearbeitet von Theodor Schieder. Hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, 1958. Preis für beide Bände DM 20,--.

 

Band IV der „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen" behandelt die Vertreibung der deutschen Bevölkerung der Sudetenländer und der Slowakei. Eine Auswahl von 137 Berichten, in denen Vertriebene verschiedener sozialer Schichten aus den Landschaften und Städten von Böhmen, Mähren, Schlesien und den deutschen Streusiedlungen in der Slowakei ihre Erlebnisse schildern, dokumentiert am Erleben der persönlich Betroffenen die Ereignisse, die in den einzelnen Phasen des Geschehens den Gesamtvorgang der Vertreibung ausmachen. Der Ablauf der einzelnen Phasen, der Evakuierung aus den kriegsgefährdeten Gebieten und der Flucht vor der Roten Armee, des Einmarsches der Alliierten Armeen in Böhmen und Mähren-Schlesien, der Zerstörung der Lebensgrundlagen der deutschen Bevölkerung in der wiederbegründeten Tschechoslowakischen Republik bis zu ihrer im Frühsommer 1945 begonnenen Austreibung und der Ausweisungsaktionen nach der Potsdamer Konferenz geht aus den Berichten der Sudetendeutschen hervor.

 

Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei, der zahlenmäßig stärksten Gruppe der Deutschen außerhalb der Reichsgrenzen von 1937, bildet nach dem entsprechenden Vorgang in den Gebieten des Deutschen Reiches östlich der Oder und Neiße den zweiten politischen Schwerpunkt der Austreibungspolitik nach dem II. Weltkrieg. Der großen politischen Bedeutung dieser Ereignisse wurde auch in der Einleitenden Darstellung Rechnung getragen. Insbesondere sei auf die Untersuchungen über die diplomatische Vorbereitung der Austreibung durch die tschechoslowakischen Exilpolitiker, über die systematische Zerstörung der Lebensgrundlagen der deutschen Bevölkerung in der CSR und über die bei der Vertreibung angewandten Methoden hingewiesen. Neben der Auswertung der Erlebnisberichte wurden verschiedene, z. T. noch

nicht veröffentlichte Aktenbestände und die internationale, vor allem angelsächsische, aber auch tschechische Literatur in einer Fülle von Belegen und Nachweisen zur Darstellung herangezogen.

 

Seite 13   Ein Tagebuch aus Prag 1945 – 1946. Aufzeichnungen von Margarete Schell.

2. Beiheft der „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa", in Verbindung mit Werner Conze, Adolf Diestelkamp (verstorben), Rudolf Laun, Peter Rassow und Hans Rothfels, bearbeitet von Theodor Schieder, hrsg. vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, Bonn. 279 S., DM 8,50.

 

Das 2. Beiheft der „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa" ergänzt die Erlebnisberichte des IV. Bandes — Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei — durch Tagebuchaufzeichnungen der Schauspielerin und Rundfunksprecherin Margarete Schell vom Ausbruch des tschechischen Aufstandes Anfang Mai 1945 bis zur Ausweisung der Verfasserin im März 1946 über die Internierung der deutschen Einwohner. Die Aufzeichnungen aus dem persönlichen Erlebnisbereich der Verfasserin spiegeln die Leiden ungezählter vom gleichen Schicksal betroffener Sudetendeutscher wider. Was die vielen rückblickend verfassten Erlebnisberichte anderer sudetendeutscher Internierter in dieser eindringlichen Unmittelbarkeit nicht zu geben vermögen, das macht hier das über einen längeren Zeitraum zusammenhängend berichtende Tagebuch deutlich. Es zeigt, welcher Not und welchen Leiden der Internierte als einzelner und in der Gemeinschaft ausgesetzt war, wie er durch die quälende Ungewissheit über das Ende dieses erzwungenen Daseins in notdürftig eingerichteten Barackenlagern zermürbt wurde, andererseits aber durch die menschliche Begegnung und Hilfsbereitschaft in einer von Hass und Vergeltung erfüllten Zeit die Hoffnung auf eine Besserung der Verhältnisse und auf die Freiheit nicht verlor. In der Schilderung werden Menschen sichtbar, die unter willkürlicher Gewalt leiden, die dieser Gewalt dienen oder sich gegen sie auflehnen. Damit ist das Tagebuch ein wichtiges Dokument für eine Zeit, in der der Einzelne oft nur als ohnmächtiges Opfer erscheint.

 

Rest der Seite 13 Buchvorstellungen

 

Seite 14   Preußen - eine politische Aufgabe der Gegenwart. Hans Joachim Schoeps weist einen Weg / Ein Beitrag zu seiner jüngsten Schrift „Konservative Erneuerung"

Preußen — dieser geächtete Begriff, sein ebenso lange geschmähter wie missverstandener Inhalt, seine bis heute geleugnete Gültigkeit, sind abermals Gegenstand der neuesten Schrift von Hans Joachim Schoeps. Die mutige Arbeit des bekannten Historikers ist alles andere als eine selbstgenügsame historische Studie. Sie ist Besinnung, Bekenntnis und politisches Programm in einem Ausmaß, das ergreift und herausfordert.

 

Schoeps „Konservative Erneuerung" spricht nicht nur in den politischen Raum, sie ist selbst ein Politikum. Dass sie es bewusst sein will, selbst da noch, wo das Seziermesser des Soziologen mit dem Mut zur Unpopularität den Krankheitsherd der politischen Schlafkrankheit, nämlich den wirtschaftswunderlichen Massenwohlstand, freilegt oder das ebenso unpopuläre Problem der notwendigen Elitenbildung anschneidet.

 

Schoeps ist bar jeden Zynismus, der ihn isolieren würde. Er spricht nicht wie Nietzsche vom „grünen Weideglück der Menge", aber er lässt dennoch keinen Zweifel, dass das bundesrepublikanische Wohlleben im Verein mit den nivellierenden Wirkungen der Massendemokratie nicht nur die Gegenwartswirkung des Entschlummerns der politischen Energien und des nationalen Gewissens ausgelöst hat, sondern auch erschreckende Gefahrenherde für die Zukunft in sich birgt.

 

Rhetorische Fragen stellt der Verfasser nicht. Er versucht vielmehr, den historischen Menschen im Leser anzusprechen und in sein Bewusstsein zu heben, was untergründig Bestand seiner politischen Erfahrung und Existenz ist. Durch diese Bewusstmachung gelingt es ihm, das fatalistische Gefühl unerfüllbarer Sehnsucht aufzufüllen und auf das geistige Erbe des preußischen Sozialismus rückblickend Ausblicke zu eröffnen, die gangbare politische Wege in die Zukunft sichtbar machen.

 

Es spricht für den entwickelten politischen Instinkt des Verfassers, dass es ihm gelingt, den seines Standortes in der atomisierten Massengesellschaft verlustig gegangenen Leser anzusprechen und ihn aufzurütteln, indem er die Wirkungskraft und Gültigkeit der in uns angelegten preußischen Ethik aufweist und schließlich die Aufgabe der Mitverantwortung und Mitgestaltung fast unausweichlich stellt.

 

Schoeps entwickelt das Bild unserer Gegenwart aus der Vergangenheit: Die politischen Parteienschicksale in Deutschland und die Vorausahnungen klarsichtiger Politiker des 19. Jahrhunderts — Schoeps nennt sie die „Regenpfeifer" —, die das Massenzeitalter in seinen Umrissen bereits profilierten und ihm zu begegnen versuchten.

 

Diese Versuche eines „konservativen Sozialismus" beschreibt der Verfasser mit den Gedankengängen von Männern wie Rodbertus Jagetzow, Lorenz von Stein, Viktor Aimè Huber und besonders Hermann Wagener, sowie den Kreis um die „Berliner Revue". Die Berührung mit Ferdinand Lasalle, die Bemühungen des Hofpredigers Adolf Stöcker, des Frhr. von Fechenbach, des Pfarrers Friedrich Naumann, nach dem ersten Weltkrieg des Unterstaatssekretärs Wichard von Möllendorf und schließlich der Männer des 20. Juli 1944 werden ausführlich geschildert und verleihen dem Programm einer „konservativen Erneuerung" im Sinne des preußischen Sozialismus die geistige Tradition, ohne die geschichtsbestimmende Bestimmungen nicht denkbar sind.

 

Nach Schoeps hat unter Otto von Bismarck und unter des Einflusses seines zeitweiligen Wirklichen Geheimen Oberregierungsrates Wagener die Möglichkeit zur Lösung der sozialen Frage sichtbar bestanden. Die Kluft zwischen Regierenden und Regierten zu schließen, der Masse des Volkes Staat und Vaterland lieb und weit zu machen, Auflösung der Identität des Schicksals von Staatsführung und herrschender Klasse und Errichtung eines sozialen Königtums stellen summarisch die Leitsätze Wageners dar, denen sich Bismarck lange Zeit nicht verschlossen hat, ja, wie die Bismarck’sche Sozialgesetzgebung beweist, sogar anfänglich gefolgt ist.

 

Nur der Sozialismus von Gottes Gnaden, erklärte Wagener, könne den drohenden sozialen

Belagerungszustand verhindern. Und das Königtum habe eine Zukunft nur dann, wenn es sich „auf seinen ursprünglichen Beruf besinnt, der Schirmherr der Schwachen, der König der Bettler und der Vater der Masse des Volkes zu sein".

 

Die Kant‘sche Ethik nimmt das Zentrum der preußischen Sozialvorstellung ein. Die Pflicht, nicht die Freiheit, ist das Ferment der Nation im preußischen Sinne. Nicht nur Adel verpflichtet, sondern auch Bildung verpflichtet, Besitz verpflichtet, Macht verpflichtet. Die Pflicht, Gerechtigkeit zu wirken, eint Königtum und ärmsten Staatsbürger — nicht das Recht des Einzelnen gegenüber dem Staat, unbeschränkte individuelle Freiheit auszuleben und zu genießen. So etwa lässt sich der Inhalt des Programms umreißen, den Schoeps mit seiner „konservativen Erneuerung" aufstellt.

 

Es gibt wenig Autoritäten in Deutschland, die ein solches Programm ohne Verdächtigung und Diskriminierung aufstellen können. Der Historiker Schoeps, vom Nationalsozialismus verfolgt, genießt dieses Vertrauen ohne Argwohn.

 

Schoeps ist Preuße, weil Preußentum sich niemals auf völkische Zugehörigkeit stützen konnte, sondern immer nur eine besondere Haltung und ein geistiges Bekenntnis war. So bekennt er selbst: „Vom Preußentum geprägte Menschen zeigen gegen die Verlockungen des Zivilisationskomforts eine größere Widerstandsfähigkeit. Sie werden einfach nicht davon fasziniert, denn Preußentum und Wirtschaftswunder — das passt schlecht zusammen. Der preußische oder noch allgemeiner der ostdeutsche Mensch trägt immer die Weite der Landschaft mit sich, aus der er herkommt, seine Antriebe und Instinkte wurden dort geformt. Denn in einer Welt, in der Einfachheit und Kargheit nicht als Mängel, sondern als Werte empfunden worden sind, hat man für hemmungslose Bedarfsdeckung und Bedarfsausweitung wenig Sinn. Die gerade dadurch bewirkte Aushöhlung der seelischen Substanz und die sich so ergebende Sinnentleerung des Lebens überhaupt könnte an den Preußen auf eine Sperrbarriere treffen, hinter der der innere Widerstand beginnt“.

 

Dies und die Ausführungen des verstorbenen Bundestagspräsidenten Hermann Ehlers in seiner Reichsgründungsrede 1953 über die Mission Preußens als Nachbar des Ostens und die politische Gleichstellung Preußens mit den anderen Bundesländern verdeutlicht das Aufgerufensein einer Gesinnung zu einer neuen politischen Aufgabe. Ehlers sagte: „Wie die Geschichte auch laufen mag, wir werden auch das preußische Selbstbestimmungsrecht so ernst zu nehmen haben, dass darüber ausschließlich vorbehalten bleiben muss, in welcher staatlichen Form sie leben wollen. Niemand kann ihnen diese Entscheidung abnehmen, keiner darf sie ihnen, aus welchen Gründen auch immer, präjudizieren. Die einzigen legitimen Richter über das preußische Land um Magdeburg und in der Mark, in Pommern, Schlesien und Preußen sind die Menschen, die ein Recht auf die Heimat haben“.

 

Das Buch von Hans Joachim Schoeps will nicht nur gelesen sein, sondern gehört werden.

Herbert Taege

Hans Joachim Schoeps: „Konservative Erneuerung. Ideen zur deutschen Politik". Ernst Klett Verlag, Stuttgart. 152 Seiten, Kart. DM 6,80.

 

Seite 14   Schuld und Verheißung.

Unter dem Titel „Schuld und Verheißung deutschpolnischer Nachbarschaft" hat der Ostkirchenausschuss in Hannover eine kleine Schrift herausgegeben, die den Bericht einer Tagung enthält. Über diese Tagung, die unter dem gleichen Motto stand und vom 7. bis 9. Oktober vorigen Jahres in Hameln stattfand, berichteten wir in Nr. 43/57 unserer VdL-Informationen.

 

Nach der Schilderung der deutsch-polnischen Nachbarschaft im Lauf der Geschichte wird das Bild vom Deutschen im polnischen Schrifttum aufgezeigt, um sodann zur Frage der deutsch-polnischen Verständigung überzugehen und in einer Zusammenfassung des Ganzen auszumünden.

 

Die Gedanken der notwendigen Aussöhnung und Verständigung mit dem polnischen Volk und die möglichen Folgen derselben sind so in die Augen fallend und treffend ausgeführt, dass diesem Buch nur weiteste Verbreitung gewünscht werden kann. Man wird geneigt sein, die erhobene Forderung, nämlich Studium der polnischen Geschichte und Literatur und Erlernung der polnischen Sprache als notwendige Maßnahmen und Vorbedingung auf deutscher Seite anzuerkennen.

(Verlag „Unser Weg", Ulm-Donau; 64 S., broschiert)

 

DER KREIS OSTERODE (Ostpreußen) Daten zur Geschichte seiner Ortschaften. Von Ernst Hartmann. Holzner-Verlag, Würzburg. 656 S., DM 28,--.

Als Band 10 der Ostdeutschen Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis erschien jetzt dieses Werk über den Kreis Osterode.

 

Der ostpreußische Kreis Osterode im südwestlichen Grenzgebiet der Provinz gehört zu den ältesten Teilen des Landes. Von der Ordenszeit bis zur Gegenwart ist die Komturei Osterode Stätte historisch bedeutsamer Ereignisse gewesen, von denen die Schlacht bei Tannenberg am bekanntesten wurde. Ernst Hartmann hat in fast dreißigjähriger Quellenarbeit ein umfassendes Material zur Entwicklungsgeschichte der Ortschaften und Höfe des Kreises gesammelt, in dem sich das geschichtliche Leben in seinen Traditionen und Wechselfällen durch die Jahrhunderte hindurch spiegelt.

 

Für Besiedlungs-, Rechts-, Agrargeschichte, aber auch für Volkstumsforschung und Genealogie bietet das Werk wertvolle Unterlagen. In chronologischer Reihenfolge werden zu den einzelnen Ortschaften in Zitat- oder Regestform die archivalischen Angaben aufgeführt.

 

Dr. Gustav Großmann: VÄTER, LEHRT EURE KINDER VERDIENEN. Mit einem Vorwort von Ludwig Reiners. Ratio-Verlag Treu Großmann, München 13. 2. Auflage. 100 S., Ln. DM 9,80.

An sich eine triviale Überlegung: Wer nicht schwimmen kann, hat Angst vor dem Wasser. Und wer selbst schon in jungen Jahren anhand einiger materieller Schwimmübungen aus eigener Anschauung die Überzeugung gewonnen hat, dass er im Existenzkampf so leicht nicht untergehen kann, der gewinnt ein unschätzbares Sicherheitsgefühl, wie es ihm selbst ein dickes Bankkonto nicht geben kann. Das etwa ist die Grundidee, von der Großmann, der aus Ostpreußen stammende Autor des Buches, ausgeht. Er gibt eine Anzahl nicht erfundener Beispiele aus seiner umfassenden Beratungspraxis als Rationalisierungsfachmann und eine Fülle von Anregungen, wie man seine Kinder zu Lebenstüchtigkeit erziehen kann. Ausdrücklich verwehrt er sich dagegen, dass sein Erziehungsideal etwa der nur erfolgssüchtige Geldjobber wäre. Seine Erziehungsmethoden sollen frühzeitig die Fähigkeit vermitteln, selbständig die eigenen Begabungen zu verwerten, ohne dass dabei die natürliche Entfaltung des Kindeslebens beeinträchtigt wird.  

 

Seite 14   Von Walter Rathenau.

Zieht Preußen von Deutschland ab —

was bleibt? Ein verlängertes Österreich,

eine klerikale Republik: Der Rheinbund.

 

Seite 14   Stundenglas. Von Otto Michel.

Eilende Zeit, eilende Zeit,

fliehe nicht so schnell dahin:

Lenz vergeht, Sommer naht bald,

allzu rasch rauscht herbstlicher Wald.

 

Eilende Zeit, eilende Zeit,

dein flinker, ruhloser Schritt

lässt Tage verwehn,

lässt Nächte erstehn

und des morgens hurtigen Ritt.

 

Eilende Zeit, eilende Zeit:

Lebens Auf und Ab,

Kind wird Mann,

Mann wird Greis,

Rose blüht, welkt am Reis,

Zeit verschlingt Wieg und Grab.

 

Entnommen dem Bändchen STUNDENGLAS, Neue Gedichte von Otto Michel. Verlag Hermann Meister, Heidelberg (64 Seiten). Solange Menschen sein werden, wird es immer auch Dichter geben, die das Wunder Natur, die kleinen Dinge am Wege in immer neuen Liedern preisen werden, trotz Automation, Kernspaltung, Raketen- und Weltraumfahrt. Natürlich: die Sprache wird davon nicht unberührt bleiben — eine Fülle von Neuem wird sie weiten und reicher machen. Man wird Gedichte anders schreiben als vor fünfzig und hundert Jahren, ganz zwangsläufig. Gedicht — das ist Kristall gewordene Sprache, einen Gedanken, ein Bild umhüllend, zur gültigen Formel vereinfacht und zugleich erhöht. Der Wege dahin gibt es viele. Wohl einer der schwersten ist es, mit herkömmlichen Sprachmitteln das Gedicht zu wagen; denn die Schneide ist scharf zwischen echter und falscher Romantik, zwischen Sentimentalität und echtem Naturgefühl, zudem ist es ein heute recht unpopulärer, von den Vertretern der Avantgarde von oben herab und von der breiten Leserschicht etwas mitleidig belächelter Weg. Otto Michel wagt ihn dennoch, und er geht ihn mit einer gewissen Gefühlssicherheit. Manchmal wünschte man sich die Verse etwas herber, manches vielleicht ganz unausgesprochen, nur leicht anklingend. Es stehen solche Strophen daneben, die man als beste Lyrik unserer Zeit ansprechen darf. —ch

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (58)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Es will und will nich warm werden! Kaum steckt de Sonnche mal e bissche de Nas raus auße Wolken, rietz, is se auch all wieder weg. Vor dreißig Jahre schrieb de Auguste Oschkenat an ihre Elterchens in Enderweitschen per Kieselischken dem scheenen Vers:

 

Drum muss mit meine Sehnsucht ich

Nu anne Heizung hucken,

Das Herz es treimt vom Friehlingsglick,

Und meine Hacken jucken.

 

So is auch jetzt wieder, bloß statt die Heizung hat einer e altem, astmatischem, eisernen Ofen. Aber ich hab mir dem Friehling inne Stub geholt, und zwar in Gestalt von einem verklamten Maikäfer. Dem fand ich aufes Ofenrohr, wo iebrem Flur im Schornstein fiehrt. Wahrscheinlich hädd er gedacht, dass wir noch heizen, und wolld sich e bissche aufwärmen. Aber von wo soll einer Ausgangs Mai noch Kohlen oder Briketts nehmen? Bei uns is jedenfalls all vier Wochen de Kellereck wie blankgeleckt. Ich missd ihm erst orndlich warmpusten, ehr dass er sich besann, dass er kriechen kann. Und nu mach ich mit ihm de Närvenprob. Ich setz ihm aufes Kinn rauf und denn lass ich ihm iebre Nasenspitz aufe Stirn krabbeln. Das kitzelt ganz aasig, und wer das aushält, hat gute Närven. Meine sind nuscht mehr wert, bloß noch zum Wegschmeißen, hab ich festgestellt. Der Marsch iebre Lippen ging noch gerad so, aber wie er sich mit seine Vorderfieße anne Nasenspitz festhield und sich hochziehen wolld wie e Alpinist annes Seil, da war vorbei. Ich mussd prusten, und da fiel er runter. Zwölfmal hab ich dem Versuch wiederholt und denn hab ich es aufgegeben. Wodraus einer sieht, dass mein Närvenkostiem im Eimer is.

 

Ja, die Maikäfers! Hier giebt es ja man wenig, aber bei uns zu Haus waren so viele, dass einer se nich mehr zählen konnd. Und wenn es richtiges Maikäferjahr war, denn brauchsd abends bloß de Mitz aufhalten und denn war se voll. Ich besinn mir auf einem Abend, da huckd ich mit Emma, was meine Frau is — wir waren damals jung verfreit —, aufe Bank vor unser kleines Hausche. Unser Hundche, Fido hieß er, lag auf meine Fieße und schnarchd, im Stall grunzden behaglich unsere beide Pochels, de Hiehner schliefen, und der Kater kickd wie angenagelt immer auf ein Loch inne Stallwand, wo e Mausche rauskommen solid. Aber es kam nich. Es war drickend warm, ich machd einem Kartoffelkorb zurecht, und de Emma strickd an einem Sock und schiecherd de Maikäfers, wo ihr aus eins inne Haare flogen. Die kamen immer regimentsweis an, dass einer sich gar nich zerwehren konnd. Zuletzt war es einfach nich mehr auszuhalten, wir waren direkt von oben bis unten mit Maikäfers bepudert, und deshalb gingen wir schlafen.

 

Aber inne Schlafstub gab es e scheene Bescherung. Alles war voll Maikäfers, weil de Emma de Fenster aufgelassen hädd. Das burrd und brummd wie im entzweinen Radio, schichtweis lagen se ieberall rum und bei jedem Schritt knirrschd es untre Schlorren. Was nu? De Emma legd e Laken zusammen und schicherd ihnen durchem Fenster raus. Fuffzig flogen raus, aber hundert kamen zurick. Ich fegd se aufe Erd zusammen und trug drei Patscheimer voll raus. Aber wenn ich de Tier aufmachd, kamen frische Resärven von draußen. Es war e reine Sifong-Arbeit — Sisifus, sagt de Emma jetz, aber das is ja eingal — wir wussden wirklich nich mehr aus und ein. Der Kater war auch helfen gekommen, aber der haud die Maikäfers bloß immer fiere Freß. Nitzlicher war all der Fido, der fraß se einfach auf, bis er nich mehr konnd. Aber was er vertilgt hädd, war bloß e Tropfche aufem heißen Stein.

 

„Ob ich de Hiehner wecken geh?" fragd ich de Emma. Fuffzehn Hiehner und ein Hahn waren doch e gewaltige Verstärkung in unserm Kampf. Aber de Emma tippd sich bloß am Kopp, ja, so geradeaus war se all damals, und zerdrickd dabei einem Maikäfer, wo gerad auf ihre Stirn gelandet war.

 

Was sollden wir bloß machen? Zuletzt gaben wir es auf, pulden de Maikäfers auße Betten raus und hauden uns hin. Dass se ihr nich innes Gesicht rumkrochen, stilpt de Emma sich dem Opa seine Bienenhaub ieberm Kopp, und ich legd mir e großes rundes Sieb auße Kich aufes Gesicht. Bloß das nitzd nich viel, denn wo es nich fest auflag, und das war ieberall, krochen die Kräten einfach durch. De Emma war untre Haub e bissche besser geschitzt, aber se kriegd keine Luft. Und wie die Beester denn untre Zudeck krochen und uns anfingen anne Hacken und am Bauch zu kitzeln, da war unser Widerstand gebrochen und unsre Geduld zu End. Wir hoppsden auße Betten raus und flichteten aufe Lucht rauf. E paar Maikäfers hädden sich da auch verbiestert, aber mit die wurden wir einig. Zum Schlafen kamen wir aber nich mehr viel, denn inzwischen war de Nacht bald nun.

 

Dem andern Morgen waren die Maikäfers aller mied, und wir haben firchterliche Rache genommen. Körbeweis wurden se aufem Scheiterhaufen verbrannt, vorher ließ ich aber noch de Hiehner rein, und die haben sich ieberfressen, dass wir drei Tage nich fittern brauchden.

 

Und e Woch später war Pfingsten. Da ging es in unser Dorf immer hoch her. Kamswutschen war nämlich e beriehmter Ausflugsort. Jedem Sonntag kamen de Leite mitte Kleinbahn auße Stadt und machden Schkandahl, Preisschießen und Feierwerk. Bis innes Dorf waren anderthalb Kilometer vonne Bahn. Deshalb ließ der Gastwirt Rinnau se immer mit Leiterwagen abholen. Anne Leitern wurden Bretter zum Hucken angemacht, und de Menschen huckden so eng wie de Hiehner aufe Stang und polierden sich gegenseitig de Kniescheiben. Aber das war ihnen gerad scheen. Zu Pfingsten wurden de Wagen noch mit griene Birkenäste ausgeputzt.

 

Dem Erstfeiertag kamen se nu auch in Scharen an, dreimal missden die beide Leiterwagen fahren, und e großer Haufen ging noch zu Fuß. Der Garten und der Saal waren voll bis oben, und mancher missd drei Stunden auf e Tulpche plempriges Bier oder auf e Toppche Plurksche warten. Das war eingal, se amesierden sich ganz aasig und gingen de lange Trepp runter am Fluss baden. Se kreischden und juchden, wenn se die scheene Verschen in die „Liebesgänge" fanden: „Am scheensten geht sich hier zu zwein, doch eins davon muss weiblich sein". Spät abends wurden se denn zum letzten Zug hingefahren, aber die meisten waren all zu Fuß losgegangen. Dem Abend blieben aber noch so dreißig, virzig iebrig, die kriegden de Schlorren nich voll, aufgetakelte Mergellens, junge Herren mitte Kreissäg aufem Kopp, ältere Männer mit e dickem Broch und putzkedudlige Frauen innes beste Alter.

 

So um zwei Uhr morgens sagd mir der Rinnau, ich soll de Herrschaften nach Haus inne Stadt fahren, denn e Kleinbahn ging nich mehr, und zu Fuß war e bissche zu weit. Nu wurden se aller aufem Leiterwagen raufgepackt, und wer nicht mehr hucken konnd, wurd aufe Erd langgelegt, und die andre benutzten ihnen als Fußbank. Das merkden se gar nich, bloß e dicker Prömmel stöhnd immer mal zwischendurch, wenn ihm einer aufem Bauch trampeln tat. So fuhren wir in dem jungen Morgen hinaus. Es war e bissche hubbrig, aber se huckden ja aller so eng zusammen, das wärmd besser wie de Kruck im Bett. Der Wagen war aber ziemlich klabastrig, und de Räder waren verspakt. Im Fahrens heerd ich mit eins, dass das linke Vorderrad verdächtig knackd. Und ehr, dass ich noch ieberlegen konnd, was ich machen solld, war es auch all passiert: Das Rad brach zusammen, und die ganze Ladung Pfingstgäste kullerd durchenander. Das gab vleicht e Gequietsch, doller wie im Schweinestall! Keiner wussd nich mehr, wem sein Bein er aufe Schulter hädd und wem sein Hinterviertel innes Gesicht. Mir haud einer innes Kreiz, dass mir foorts de Uhr stehen blieb. Zum Glick war aber nuscht passieit, bloß der dicke Prömmel wurd mit eins nichtern, weil ihm einer aufes Gesicht trampeln und dabei zwei Zähne ausbrechen tat. Sein Böffke war ganz besaut, und er kickd verständnislos inne Gegend wie e gestochenes Kalb. Wir waren gerad inne Kattnuppis, wie es passierd, das war e Schlucht, wo der Weg durchfiehrd. An beide Seiten Gebisch, und da verkriemelden sich nur aller. Ich spannd aus und versprach, e neiem Wagen zu holen. Aber ich husd ihnen was, brachd de Pferd im Stall, ging zu Haus und haud mir hin. Se missen sich aber bei's Warten auf ihre Art ganz gut veramesiert haben, bis morgens de Kleinbahn kam, denn es gab drei Verlobungen und zwei Ehescheidungen, außerdem einem Prozess wegen Körperverletzung und vier Beleidigungsklagen, wie ich später rauskriegd. Und sowas zu Pfingsten!

Herzliche Heimatgrieße! Ihr Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   „Preußenschild" verliehen.

Die Landsmannschaft Ostpreußen hat ihre höchste Auszeichnung, den „Preußenschild", an drei hervorragende Persönlichkeiten verliehen, die sich um Ostpreußen besonders verdient gemacht haben. Die Auszeichnung erhielten Prof. Dr. Herbert Kraus, der Präsident des „Göttinger Arbeitskreises" ostdeutscher Wissenschaftler, und Prof. Dr. Hans Rothfels, Tübingen, die beide früher an der Albertus-Universität zu Königsberg gewirkt haben, sowie Fregattenkapitän a. D. Paul Hundertmark, der Mitbegründer des Heimatbundes Ostpreußen von 1920 und der Landsmannschaft Ostpreußen, deren Ältestenrat er angehört. In einer Ansprache vor dem Bundesvorstand der Landsmannschaft würdigte deren Sprecher, Dr. Alfred Gille, die Verdienste der neuen Inhaber des Preußenschildes um die Heimat Ostpreußen.

 

Seite 15   Der Reichsgedanke und die Völker. 2. Barsinghauser Gespräch der Ostdeutschen. Zusammen mit dem Bund vertriebener Deutscher (BVD), dem VLM (Landesverband Niedersachsen) und der Deutschen Jugend des Ostens veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft der Zerstreuten Evangelischen Ostkirchen vom 13. bis 15. Juni im Sportheim Barsinghausen bei Hannover ein zweites „Barsinghauser Gespräch" über das Gesamtthema „Der Reichsgedanke und die Völker". Während sich das erste vor einigen Monaten gehaltene Gespräch mit der Klärung des geistigen und politischen Standorts der Vertriebenen und Flüchtlinge befasste, will dieses zweite Gespräch die geistes- und kulturgeschichtlichen Voraussetzungen der heutigen Situation untersuchen. Referenten der Tagung sind Prof. Dr. Lemberg, Frankfurt („Erwachen der Völker und Völkerordnung"), Prof. Dr. Heinz Gollwitzer, Münster („Der Reichsgedanke in der Neuzeit — Tradition und Ideologie"), und Dr. Christ, Stuttgart („Die unbewältigte Vergangenheit — 1933/1945"). In Arbeitsgruppen werden die Themen dann eingehend weiter besprochen. Nach dem Hauptgottesdienst am Sonntag, dem 15. Juni, gibt Pastor Dr. Petersmann, Hannover, auf Grund der Arbeitsgruppen-Berichte eine Zusammenfassung der Tagungsergebnisse.

 

Seite 15   Gebühren für Sichtvermerke.

Für die Erteilung von Sichtvermerken zu Einreisen nach Polen und den von Polen verwalteten deutschen Ostgebieten erhebt die zuständige Militärmission Polens in Berlin(West) folgende Gebühren:

 

a) Eine Bearbeitungsgebühr von 7 DM, die mit Antragstellung fällig wird,

b) eine Gebühr von 24 DM bei Erteilung des Sichtvermerks.

 

Seite 15   Aus den Landsmannschaften.

Wilhelmshaven. Die letzte Monatsversammlung der LO gestaltete sich unter der bewährten Leitung des Vorsitzenden Dr. Zürcher zu einem schönen, gewiss für alle Teilnehmer unvergesslichen literarischen Abend, der dem fernen ‚Land der dunklen Wälder' gewidmet war. Perlen aus dem Werk von Agnes Miegel. Ernst Wiechert, Ottfried Graf Finckenstein, Fritz Kudnig, Walter Scheffler, G. Werner und vieler anderer ostpreußischer Dichter und Schriftsteller reihten sich aneinander zu einem unverwelklichen Kranz. Immer neue Bilder wurden geweckt: die herrliche Ostseesteilküste mit ihren schönen Seebädern, das Bernsteinwerk Palmnicken, Pillau, Kahlberg, die einmalig schöne und eigenartige Kurische Nehrung, Rossitten mit seiner Vogelwarte (mit einer Erzählung des ‚Vogelprofessors' Thienemann über seine Versuche mit Jungstörchen); Königsberg wurde wieder lebendig, das Oberland, wo die Schiffe über einen Berg fuhren, und dann Masuren: das düsterschöne Rudzanny mit der Königsinsel im Niedersee, der Kruttinafluss, wo man die flachen Schiffe durch den Urwald stakte'. Ernstes wechselte mit Heiterem, in allem aber zeigte sich, dass Ostpreußen seinen festen Platz in der deutschen Literatur hat und daher als geistiger Besitz niemals verloren gehen kann.

 

Viele Teilnehmer dieses Abends äußerten den Wunsch, recht bald wieder einen ähnlichen Abend folgen zu lassen.

 

Die nächste Veranstaltung ist ein bunter Johanni-Abend, zu dem die LO für den 21. Juni in Namkens Gasthof Rüstersiel einlädt.

 

Lübbecke i. W. Die Ortsgruppe der LO führte am 7. Mai ihre Hauptversammlung durch. In seinem Geschäftsbericht wies der Vorsitzende, Lm. Hardt, besonders auf die kulturellen Leistungen der Gruppe, vor allem der Jugendgruppe hin. Der Gründer und bisherige langjährige Vorsitzende Lm. Hardt wurde auch diesmal von der Versammlung einstimmig wiedergewählt. 2. Vorsitzender, Lm. Neuwald, Schatzmeister Frl. Schulz. Den Kulturausschuss bilden die Lmn. Goerke, Pieper und Morgenbesser, Leiterin der Jugendgruppe, Lmn. Dobroschke.

 

Seesen a. H. Wir weisen nochmals auf den am 15. Juni stattfindenden Ausflug zum Teutoburger Wald hin. Abfahrt 7 Uhr vom Stadthaus. Anmeldungen zum gemeinsamen Mittagessen in Detmold werden umgehend erbeten.

Der nächste Heimatabend findet am 5. Juli statt. Im Mittelpunkt wird ein Vortrag des Bezirksbeauftragten Staff, Salzgitter, mit dem Thema „Das geistige Antlitz des Ordenslandes" stehen.

Bornum a. H. Eine kleine Gruppe von Landsleuten aus Seesen gestaltete am 10. Mai im Gasthof Schlue unter Leitung von Obmann Papendick einen Heimatabend, der mit einer besinnlichen Stunde unter dem Motto ,Wir tragen die Heimat im Herzen' eingeleitet wurde. Ihr folgte eine offene Singstunde ‚Wir grüßen den Frühling'. Für den heiter-beschwingten Ausklang sorgten mit humoristischen Vorträgen und Gesangsduetten Lina Fahlke, W. Bläsner und W. Sander sowie die jungen Geschwister Ursula und Joachim Fleischmann. Der Vorsitzende der Ortsgruppe, Lm. Moritz, und Bürgermeister Schwarz, betonten in ihren Schlussworten, dass es in der heimatlich-familiären Atmosphäre dieses Abends wieder „wie zu Hause“ war.

 

Hof. „Die allgemeine politische Situation und unser Recht auf die Heimat" war das Thema, über das der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern der Ost- und Westpreußen, Dr. Thieler (München) im „Blauen Stern" vor zahlreich erschienenen Landsleuten sprach. In einem groß angelegten Referat ging der Redner zunächst auf die Entwicklung der Landsmannschaft ein und schilderte dann anschaulich und fesselnd die politische Aktivität der letzten Zeit. Dr. Thieler sagte, dass sich heute die Amerikaner des „Schurkenstreichs von Jalta und Potsdam" schämen. Fruchtbar für die Belange der Heimatvertriebenen habe sich die landsmannschaftliche Vertretung durch Dr. Salle ausgewirkt, dem es möglich war, vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus den Rechtsanspruch der Vertriebenen auf ihre Heimat darzulegen. In vorbildlicher Weise habe sich auch die Steuben-Gesellschaft für die Interessen der Heimat eingesetzt.

 

Mit großer Beachtung wurden auch die Ausführungen über die Wirtschaftskatastrophe in Polen aufgenommen. Dort seien viele Industriebetriebe wegen Mangels an Kohle stillgelegt worden, weil die Kohlen zur Beschaffung von Devisen ausgeführt werden. Die Not sei groß. Zu Beginn der Monatsversammlung hatte der erste Vorsitzende, Studienrat Paul Bergner, die nächsten Veranstaltungen bekanntgegeben. Ehrend gedacht wurde des kürzlich im 74. Lebensjahr verstorbenen Ehrensprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, des Freiherrn von Witzleben.

 

Frankfurt a. M. Mitglieder der Sterbegeldversicherung werden gebeten, ab sofort ihre Beiträge an den neugewählten zweiten Kassierer, Reinhold Sadowski, Ffm. Fechenheim, Leo-Gans-Straße 6a, Postscheckkonto: Ffm. 142 115, zu überweisen.

 

Heimatabend mit Herz und Gemüt.

Walsum. Über eine fröhliche Veranstaltung, die die Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen in Walsum unter Leitung ihres Vorsitzenden, Herrn Lehrer Witt, durchführte und bei der sie mit Dr. Alfred Lau einen „Großangriff auf Herz und Gemüt" der erschienenen Gäste unternahm, schrieb der „Duisburger General-Anzeiger" am 10. März 1958 u. a.:

„Viele hundert Besucher, die den Saal bis auf den letzten Platz füllten. Echter ostpreußischer Humor ist gemütlich und lebensbejahend. Ein wahres Feuerwerk solchen Humors aus der alten Heimat prasselte urplötzlich los. Man lernte in Dr. Lau einen Vortragskünstler von hohem Rang und herzerfrischender Urwüchsigkeit kennen. Zwei volle Stunden sorgte er für gediegene Unterhaltung und gute Laune, immer wieder von langanhaltendem, stürmischem Beifall unterbrochen. Wie dieser begnadete „Doktor humoris causa" viel Freude in den Alltag brachte, so weckte er andererseits bei vielen durch seine biedere Sprechweise und die Wiederbelebung ostpreußischer Städte, Dörfer, Sitten, Eigenarten und Originale bewusst traute Erinnerungen an die alte Heimat. Er wusste geschickt und amüsant in die zahllosen Vokabeln der ostpreußischen Sprache einzuführen und redete immer so, „wie ihm der Schnabel gewachsen war". Das war wirklich ostpreußischer Humor mit heimatlichem Zungenschlag.

 

Treffen der Elbinger Gymnasiasten

Vom 14. bis 16. Juni 1958 findet in Düsseldorf-Grafenberg in der Gaststätte „Zur Wolfsschlucht" das Treffen der ehemaligen Lehrer und Schüler des Elbinger Humanistischen Gymnasiums statt.

Anmeldungen oder Anfragen sind zu richten an: Verwaltungsdirektor Alfons Scharmer, Frankfurt/Main, Weckmarkt 4.

 

Haus des deutschen Ostens.

AACHEN. Für die rund 16 000 Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge, die im Raum Aachen leben, soll als heimisches Kulturzentrum ein „Haus des Deutschen Ostens" erstellt werden. Das Bauvorhaben wurde mit 500 000 DM veranschlagt, die Mittel müssen durch öffentliche Zuschüsse, aber auch durch Eigenleistung erbracht werden. Zurzeit läuft unter anderem ein Antrag auf Zuteilung aus dem Landesjugendplan, die Planung untersteht einem dafür ins Leben gerufenen Kuratorium. Spenden für das Bauvorhaben sollen von der Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer abzusetzen sein. Das Haus soll sämtlichen Landsmannschaften des Regierungsbezirkes sowie den Jugendgruppen für Veranstaltungen, Ausstellungen und Tagungen zur Verfügung stehen.

 

Schüler bastelten die Marienburg. Preußen lebt.

BARNSTORF. Schüler von der 5. bis zur 10. Klasse der Mittelschule bastelten in Arbeitsgruppen, die zwei Monate neben dem laufenden Werkunterricht tätig waren, ein Modell der Marienburg. Es wurde anlässlich der Ostdeutschen Woche in der Schule ausgestellt. Der Werkstoff, aus dem die sehr gute und fleißige Arbeit entstand, war Pappe von verbrauchten Zeichenblöcken, Zeichenkarton, sowie Sperrholz und Plakatfarbe. Mittelschullehrer Kurt Lhotzky, der als Ostpreußischer Pädagoge mehrere Jahre in Marienburg lebte, hat mit seinen Schülern diese schöne Nachbildung geschaffen.

 

Unsterbliche Heimat, wir grüßen dich!

Mit dieser Lesung wird der Verband der ostdeutschen Chöre im Regierungsbezirk Detmold am 7. Juni im Waldheim „Rütli" bei Bielefeld sein VI. Chorverbandstreffen begehen.

 

Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Das ganze Deutschland soll es sein!" Diesen Leitspruch hat der Verband der ostdeutschen Chöre bereits seit seiner Gründung auf sein Panier geschrieben!

 

Fünf Chorverbandstreffen sind bereits vorausgegangen, und zwar in Lage 1951, in Bielefeld 1952, in Herford 1953, in Lemgo 1954 und in Espelkamp-Mittwald 1956. Alle diese Veranstaltungen legten Zeugnis ab von der brennenden Liebe zur angestammten Heimat und bestätigten den unbeugsamen Willen, das heimatliche Kulturgut in Wort und Lied zu pflegen und zu erhalten und dieses Erbe unserer Väter unseren Kindern zu vermitteln. Zugleich bekundeten diese Veranstaltungen die echte Verbundenheit mit der einheimischen Bürgerschaft.

 

Ein großer Chorkonzert-Abend, an dem elf ostdeutsche Chöre und drei Gastchöre sowie ein Bläserchor und Volkstanzgruppen mitwirken, wird dem diesjährigen Chorverbandstreffen den Höhepunkt geben.

 

Seite 16   Familienanzeige

In heimatlicher Verbundenheit und alter Treue gedenkt aller lieben alten Bekannten von daheim mit vielen herzlichen Segenswünschen und lieben Grüßen Euere noch oft an Euch denkende Anna Ziegler (früher Angerapp, Lindenstraße.

 

Am 11. Mai 1958 verschied Herr Dr. Walter Franz, geb. 06.01.1893. Im Namen der Hinterbliebenen: Herta Franz, geb. Lucks.

 

Seite 16   Suchdienst

Gesucht werden:

Dorothea Toussaint, geb. Priedigkeit, geb. 15.02.1863, Neubeinuhnen, Kreis Angerapp, gesehen Frühjahr 1945 in Norkitten bei Insterburg.

 

Max Toussaint, geb. 09.01.1907, mit Familie, aus Gahlen, Kreis Angerapp.

 

Auguste Ulrich, geb. Toussaint, geb. 08.05.1899, mit Familie, aus Auerfluß, Kreis Angerapp.

 

Gerhard Ulrich, geb. 03.03.1930, Gärtnerlehrling in Gerdauen.

 

Erich Toussaint, geb. 14.03.1921, aus Auerfluß, Kreis Angerapp.

 

Elisabeth Thiel, verw. Kühn, aus Angerapp, Gartenstraße.

 

Meldungen an Frau Anna Toussaint, Hannover, Noltestraße 22.

 

Gesucht wird:

Herbert Groß, Jahrgang 1899, fr. wohnhaft Sensburg, Warschauer Straße 51 . Sein Vater hatte an diesem Platze eine Tischlerei mit Möbelgeschäft. Gesucht von seinem alten Schulkameraden Ernst Behrendt, Westheim/Schwab., Seb.-Kneipp-Str 14

 

Seite 16   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig – Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm (23) Oldenburg (Oldb) Gotenstraße 33

Herzliche Geburtstagsglückwünsche allen im Juni 1958 geborenen Turnschwestern und Turnbrüdern mit fröhlichem Gut Heil! Insbesondere beglückwünschen wir:

 

am 09.06.1958: Helmut Spendel (Zoppot), 30 Jahre,

am 16.06.1958: Brigitte Lompe (Lyck), 30 Jahre;

am 06.06.1958: Dora Bräkow (Zoppot),  40 Jahre;

am 10.06.1958: Charlotte Tornow-Hoffmann (Zoppot), 40 Jahre;

am 30.06.1958: Hans Zielinski (Insterburg und KTC Königsberg), 50 Jahre;

am 15.06.1958: Hedwig Meyer-Doepner (Marienburg/Wpr), 77 Jahre.

 

Das X. Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie in München während des Deutschen Turnfestes am 22. Juli 1958 (Dienstag) 20 Uhr im Münchener Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz ist nun greifbar nahegerückt. Anmeldungen zum Deutschen Turnfest können nur noch bis 15.06. angenommen werden; der Festbeitrag ist seit 01.05. auf 22,-- DM erhöht worden. Für die Festteilnehmer gebe ich bekannt:

 

1. Mein Quartier in München: Lehrlingsheim Adalbertstraße 86. Dort werde ich voraussichtlich ab 17.07. wohnen.

 

2. Die Quartierfrage für uns konnte durch das Entgegenkommen unserer Landsleute in München günstig geregelt werden. Bis Ende Juni wird wohl jeder Nachricht über seine Unterkunft erhalten. Die bestellten Stadtpläne werden bis dahin auch ausgeliefert sein.

 

3. Im Nachtrag zum Turnfahrtenbuch auf Seite 5 unten ist die mit dem Vorwort „Wichtig" eingeleitete Nachricht über Vorverlegung des Beginns von Turnfahrten zu streichen. Es bleibt bei der ursprünglich im Turnfahrtenbuch angegebenen Zeitbestimmung.

 

4. Bei der Heimfahrt von München auf Sonderzugkarte mit Ergänzungszuschlag in beliebigen Zügen hat die Bundesbahnverwaltung einem erneuten Antrag folgend nun doch eine einmalige Fahrtunterbrechung gestattet. Teilnahme an einer Turnfahrt nach dem Turnfest bleibt Bedingung.

 

5. Bei der von DTB veranstalteten Kundgebung der Heimatvertriebenen am 24.07. nachmittags (Donnerstag) und bei dem Alterstreffen am 25.07. nachmittags wollen wir möglichst geschlossen antreten. Zeit und Ort s. Festbuch.

 

6. Im Löwenbräukeller am Stiglmaierplatz wird während der Turnfestwoche für uns ein Treffbuch und das Anschriftenverzeichnis zur Einsicht ausliegen.

 

7. Ein besonderer Festbeitrag für unser Wiedersehenstreffen wird nicht erhoben. Jeder sollte aber unser Sonderfestabzeichen bestellen und in München als „Erkennungsmarke" tragen (Holzplakette mit Prägedruck 1,-- DM.

 

8. Außer dem Sonderabzeichen können bei mir bestellt werden: Festpostkarten (je Mappe mit 6 Stück 0,50 DM), Turnfahrtenbuch (einschließlich Porto 2,-- DM), IRO-Stadtplan von München mit Außenbezirken (2,50 DM). Am einfachsten ist die Bestellung auf Zahlkartenabschnitt mit Einsendung des Geldes auf Postscheckkonto Hannover 11 60 75 (Wilhelm Alm).

 

9. Über unsere Beteiligung am Festzuge Sonntag, den 27.07., als geschlossene Gruppe liegen so wenig Äußerungen vor, dass die Entscheidung darüber auf den 22.07. vertagt werden muss.

Wer sich noch zur Fahrt nach München entschließen will, teile es mir bitte so schnell wie möglich mit. Unser örtlicher Quartierausschuss wird immer noch zu helfen wissen. Onkel Wilhelm.

 

Seite 16   Kameradschaft Luftgau I

W. Gramsch, Celle, Waldweg 83

Unser Suchdienst:

Der ehem. Flieger-Hauptingenieur Fritz Plikkert, letzter Wohnort Königsberg/Pr., letzte Dienststelle Luftpark Riga, wird gesucht von Heinz Schwartz, ehem. Fl.-Hauptingenieur, Saarbrücken, Rubensstraße 40.

 

Wer kennt den Dipl.-Ing. Max Laskowski, ehem. bei der Baugruppe des Lgk I tätig gewesen (1937 -1939), und kann über seine damalige Tätigkeit und seine Dienststellung verbindliche Auskunft erteilen? Laskowski ist als Spätaussiedler aus Ostpreußen gekommen und besitzt keinerlei Personalpapiere über seinen beruflichen Werdegang und seine Tätigkeit. Insbesondere wird der damalige Chef der Baugruppe, Oberregierungsbaurat Natalis, in dieser Angelegenheit gesucht und um Bestätigung gebeten. Meldung direkt erbeten an: Dipl.-Ing. Max Laskowski, Kenzingen/Breisgau, Hauptstraße 244, Flüchtlingslager.

 

Der ehem. Regierungsbau-Inspektor Kurt Toussaint, wohnhaft in Lippstadt, Westerkötterstraße 62, sucht ehem. Angehörige der Bauleitung Dno und der 1. Luftwaffen-Auffang-Komp. Kraussen, welche über seine damalige Tätigkeit verbindliche Auskunft erteilen können.

 

Wer kann Auskunft erteilen über das Schicksal des ehem. Baumeisters der Lw bei der Bauleitung Dommelkeim/Samland, Max Meier, letzte Wohnung Königsberg/Pr., Hagenstraße 100, der zusammen mit den Kameraden Krieg, Kammer, Walter und Fuchs am 9. Februar 1945 in Gefangenschaft geriet. Auskunft erbittet Frau Helene Meier, Marbach/Neckar, Etzwiesenweg 9.

 

Wer verfügt über Luftbildaufnahmen von Stadt und Kreis Heiligenbeil? Mitteilungen erbeten an Reg. Baumeister a. D. Ernst Werning, Castrop-Rauxel 2, Schwarzer Weg 12.

 

Das für den 14. September in Göttingen angesetzte Treffen unserer Kameradschaft ist auf den 7. September vorverlegt worden. Hierzu ergehen noch nähere Einzelheiten. Es wird gebeten, allen Anfragen das Rückporto beizufügen.

 

Seite 16   Wir gratulieren!

Diamantene Hochzeit

Eheleute Franz Baltrusch und Elisabeth Baltrusch, aus Stombeck am Kurischen Haff am 23. Mai 1958 in Loxstedt, Kreis Bremerhaven. Zur Gratulation hatten sich sechs Kinder, 21 Enkel und 17 Urenkel eingefunden.

 

Seite 16   Gestütoberrentmeister R. Baller feiert die goldene Hochzeit.

Am 20. Mai 1958 begehen unsere Landsleute der Gestütoberrentmeister a. D. Richard Baller und seine Ehefrau Anna Baller, geborene Mühlbacher das schöne Fest der goldenen Hochzeit.

 

Der heute im 79. Lebensjahr stehende Pensionär ist in Insterburg geboren, wo er später auch seine Gattin kennenlernte und mit dieser vor 50 Jahren den Lebensbund schloss. Ein Sohn und eine Tochter sind der Ehe entsprossen. Seine militärische und zivile Laufbahn begann mit der aktiven Dienstzeit beim Ulanen-Regt. 12 und beim Stab der 2. Kav.-Brig. in Insterburg. Für den Zivildienst wurde er 1910 zur informatorischen Beschäftigung in den Verwaltungsdienst des fr. Königl. Hauptgestüts Georgenburg einberufen. Im ersten Weltkrieg war er von 1914 bis 1915 an der Front in Ostpreußen und Russland, musste aber krankheitshalber ausscheiden und nahm dann die Einberufung als Gestütrechnungsführer beim ehemaligen Kgl. Landgestüt Leubus i. Schles. an, wo er bis 1924 tätig war. Seine beantragte Versetzung brachte ihn wieder in seine ostpreußische Heimat zum ehemaligen Preuß. Landgestüt Georgenburg, wo er die Oberrentmeisterstelle übernahm und diese bis zur Auflösung 1946 innehatte. Mit der Flucht des Gestüts im Januar 1945 musste er die ostpreußische Heimat verlassen und erreichte das s. Zt. vorgeschriebene Endziel Celle, wo er dann nach fast 50 Dienstjahren in den wohlverdienten Ruhestand versetzt wurde. Sein vorbildlicher Charakter und die verbindende Art haben ihm in der langen Dienstzeit viele Freunde erworben, er wurde von seinen Vorgesetzten wie auch Untergebenen sehr geschätzt. Seinen Aufenthalt nahm er zunächst in Relliehausen, fand dann Gelegenheit, in Dassel a. Solling ein Eigenheim zu erstellen, wo er und seine Familie einen zufriedenen Lebensabend verbringen werden. Wenn auch der Gesundheitszustand des Jubilars zu wünschen übrig lässt, werden er und seine Gattin doch erfreut die Glückwünsche ihrer Kinder, Schwiegertochter und Enkel sowie der zahlreichen Verwandtschaft entgegennehmen können. Viele ehemalige Gestütangehörige und Bekannte aus nah und fern werden sich anschließen. O.M.

 

90. Geburtstag

Landwirt Gustav Fromberg, aus Ostpreußen am 16. Mai 1958 im Hehlentorstift in Celle. Der Jubilar ist noch sehr rüstig in körperlicher und geistiger Beziehung.

 

83. Geburtstag

Margarethe Weiß, Oberin i. R„ gebürtig aus Milchbude bei Tilsit, am 19. Juni 1958 im Altersheim Bethanien Volmarstein/Ruhr in geistiger und körperlicher Frische und immer in der Sehnsucht nach der geliebten Heimat.

 

Bertha Steffen aus Allenstein, Unterkirchenstraße 8, am 4. Juni 1958 in Berlin-Siemensstadt, Rieppelstraße 18. II., bei ihrer verwitweten Tochter Gertrud Le'Wrang. Sie ist noch so rüstig, dass sie bei dem im Januar 1958 stattgefundenen Ostpreußenabend des Heimatkreises Allenstein noch munter das Tanzbein schwang.

 

80. Geburtstag

Luise Schagarus aus Schloten, Kreis Tilsit-Ragnit am 17. Mai 1958 in Gaste Nr. 130, Kr. Osnabrück.

 

Franz Gudat aus Gumbinnen am 10. Mai 1958 in Barnstorf,  Kreis Diepholz.

 

79. Geburtstag

Wilhelm Kolander aus Allenstein, Joachimstraße 7, am 20. Juni 1958 in Berlin-Lichtenrade, Bayerische Straße 3.

 

70. Geburtstag

Helene Kausch aus Königsberg/Pr., Am Landgraben 16, am 23. Juni 1958 in Eckernförde, Prinzenstraße 69.

 

Juni-Geburtstagskinder in Flensburg

Karl Noffze aus Königsberg/Pr. am 2. Juni 1958, 70 Jahre, jetzt wohnhaft Schleswiger Straße 20;

 

Friedrich Feurig aus Pillau am 3. Juni 1958, 75 Jahre, jetzt wohnhaft Mürwiker Straße 33;

 

Ernestine Paulukuhn aus Seehausen, Kreis Ebenrode, am 9. Juni 1958, 88 Jahre, jetzt wohnhaft Bismarckstr. 48;

 

Friedrich Gross aus Allenburg, Kreis Wehlau, am 17. Juni 1958, 85 Jahre, jetzt wohnhaft Lager Weiche;

 

Auguste Kensbock aus Allenstein am 23. Juni 1958, 75 Jahre, jetzt wohnhaft Bergstraße 16;

 

August Kaspereit aus Trenk/Samland am 23. Juni 1958, 80 Jahre, jetzt wohnhaft Neißestraße;

 

Marie Tobias, aus Bartenstein am 28. Juni 1958, 75 Jahre, jetzt wohnhaft Flg-Weiche, Bahnstraße 33.

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