Ostpreußen-Warte, Folge 09 vom September 1955

Ostpreußen-Warte

Folge 09 vom September 1955

 

Seite 1   Starlinger beeinflusst Weltpolitik

Bundeskanzler Adenauer von „Grenzen der Sowjetmacht“ stark beeindruckt

Foto: Allensteiner Ordensschloß (Zum Kreistreffen der Allensteiner in Gelsenkirchen)

Die bevorstehende Moskau-Reise des Bundeskanzlers steht im Mittelpunkt des allgemeinen politischen Geschehens. In diesem Zusammenhang gewinnt das Buch des früheren Königsberger Universitätsprofessor Dr. Wilhelm Starlinger: „Grenzen der Sowjetmacht“, das vor einigen Monaten vom Göttinger Arbeitskreis im Holzner-Verlag herausgegeben wurde, erhebliche Bedeutung. Dieses Werk ist inzwischen zu dem wichtigsten politischen Buch des Jahres geworden. So schreibt der Bonner Berichterstatter der „Chicago Sun-Times“ In einem umfassenden Bericht, den die amerikanische Zeitung dieser Tage an hervorragender Stelle veröffentlichte, dass dieses Buch in besonderer Weise die Weltpolitik beeinflusst habe. Die Ausführungen Prof. Starlingers, der in dem Buche die Ergebnisse von Gesprächen mit ehemaligen sowjetischen Funktionären und Militärs zusammenfasste, mit denen er in sowjetischen Regimelagern zusammentraf, hätten, so schreibt der Berichterstatter, Bundeskanzler Dr. Adenauer sehr beeindruckt. Es habe somit den Anschein, dass Starlinger also durch Adenauer auch die amerikanische Außenpolitik beeinflusst hat. Er habe nämlich den Inhalt des Buches auch mit dem amerikanischen Außenminister eingehend erörtert.

 

Starlinger, der 1947 in Königsberg zu 10 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und erst im vergangenen Jahre entlassen wurde, kennt trotzdem kein russenfeindliches Ressentiment, er schildert die Wahrheit, wie sie ihm erschien.

 

Mit freundlicher Genehmigung des Holzner - Verlages beginnen wir in dieser Ausgabe mit der Veröffentlichung des Kernstückes „Erfahrungen — Meinungen — Gedanken (1945 - 1954)“ aus diesem aufsehenerregenden Werk:

 

Der Berichterstatter hat in den vorausgehenden Abschnitten den Standort und die Quellen dargelegt, von dem aus er seine Beobachtungen gemacht und aus welchen er seine Erfahrung gesammelt hat. Er will nun versuchen, dieselben in ihren Ergebnissen zusammenzufassen und daraus ein Bild der Begegnungen und Berührungen zu formen, die sich ihm in neun Jahren anboten. Ob dieses Bild, das sich vor allem in zahllosen Gesprächen mit klugen, gebildeten und erfahrenen Männern der anderen Seite langsam, aber immer klarer formte, richtig ist, wird die Zukunft lehren. Der Berichterstatter kann es nur schildern, wie es sich ihm darstellte und wie er es sehen lernte.

 

1.             Das Menschentum

Der Berichterstatter bekennt sich zur Überzeugung, dass allein das Menschentum am Anfang wie Ende jedes geschichtlichen Geschehens steht. Es formt aus einem Volk in seiner gegebenen Umwelt eine Nation. Die Nation macht dann Kultur und Zivilisation, Wissenschaft und Kunst, Politik und Wirtschaft, sie kämpft, siegt, unterliegt, aber sie unterliegt erst dann, wenn das Menschentum, das sie trägt, abstirbt. So lange es lebt, lebt es nach dem Gesetz, nach dem es angetreten ist, und hört auf den Erbruf seiner Seele, der es in all seinen Trieben und Strebungen führt. Wer dieses Gesetz der Seele als Idee hinter der Erscheinung nicht kennt und seine biologische Substanz nicht begreift, kann auch den Rahmen, innerhalb dessen eine Nation sich entfaltet und immer wieder handeln wird, nicht erkennen.

 

Im sowjetischen Raum lebt heute nach amtlichem Sprachgebrauch der sowjetische Mensch. Dieser sowjetische Mensch ist das offizielle Subjekt wie Objekt des amtlich so benannten und manipulierten sowjetischen Patriotismus. Dieser wird gekennzeichnet als ein Produkt aus nationaler Kultur im Geiste des proletarischen Internationalismus. Diese Definition ist ein Musterbeispiel der Logik des dialektischen Materialismus.

 

Nun, dieser sowjetische Mensch existiert nicht. Was existiert, ist eine Unzahl von Völkern, Völkerschaften, Volkssplittern und eine kleinste Zahl erst in Ausprägung befindlicher Nationen, aber nur eine einzige wirkliche, ihrer selbst völlig bewusst gewordene und geformte Großnation —das Großrussentum. Sein biologisches, militärisches, kulturelles, wirtschaftliches und nicht zuletzt geopolitisches Übergewicht ist so groß, dass ihm die absolute Führung nicht nur als proklamierter Anspruch, sondern als unbedingte Wirklichkeit zukommt. Und dieses wird so bleiben, solange der in zunehmender Integration befindliche Riesenraum nicht von außen her in Frage gestellt wird. Von innen her wird eine Gefährdung dieses Primats trotz aller immer wieder aufkommenden partikularen Emotionen und Diversionen niemals geschehen. Daran werden weder ukrainische Wildheit noch grusinische List, weder baltischer Trotz noch turkmenische Geduld etwas ändern. Daran werden auch innerpolitische Systemstörungen oder wirtschaftliche Bedrohungen nichts ändern. Selbst eine von außen kommende und erfolgreiche militärische Intervention könnte nur eine vorübergehende Änderung bewirken und würde eine Episode bleiben. Denn nach dem Abzug der okkupierenden Macht wird das Großnissentum früher oder später den ihm zugehörigen geopolitischen Großraum wieder unter seiner Führung vereinen. Jede Politik, die diesen Lebensgrundsatz des nachbarlichen Riesenraumes nicht begreift, wird daran scheitern.

 

Zurzeit unterwandert und überwandert dieses Großnissentum den ganzen Raum der Union in vielfältigster, aber systematischer, halb unbewusster, halb bewusster Weise. Es allein formt und führt alle derzeitigen Handlungsinstrumente der Macht: Partei, Armee, Staat. Jede andere Nation kann auf den politischen, wirtschaftlichen und selbst kulturellen Gesamtvorgang der Entwicklung nur insofern Einfluss nehmen, als sie — nach großrussischer Auswahl! — Einzelpersonen abstellt, die aber — gewollt oder ungewollt — wieder nur in großrussischer Prägung und Tendierung ihrerseits Einfluss gewinnen können. Diesem Vorgang konnte sich selbst Stalin nicht entziehen, als die größte Not der Bedrohung zur Integration aller Kräfte zwang. Dieser Vorgang wurde und wird nur äußerlich zu maskieren versucht, wenn in den unionalen und regionalen Körperschaften, insbesondere ihren sichtbaren Spitzen mit entsprechender Sorgfalt und Auswahl Männer im periodischen Turnus herausgestellt werden, die typische nicht russischnationale Namen tragen, typische und stereotype nationale Kulturreden halten, aber beim leisesten Versuch einer echten nichtrussischnationalen Sprache oder gar Betätigung sofort und für immer verschwinden.

 

Man kann zusammenfassen: Aller sogenannte Sowjetpatriotismus ist letzthin großrussischer Patriotismus, sein Träger ist das großrussische Menschentum, am Ende steht, wenn die Union des Vielvölkerstaates nicht entscheidend von außen her in Frage gestellt wird, der russisch nicht nur sprechende, sondern auch fühlende, denkende, handelnde einheitliche imperiale Großraum, nach dessen zureichender Ausformung dann wohl eine neue Geschichtsepoche beginnen mag, gemessen an welcher die ganze bisherige russische Geschichte nur Vorgeschichte darstellt, vielleicht zeitlich zu vergleichen dem, was im Abendland dem Verhältnis der Zeit vor zu der nach dem großer Karl entspricht.

 

Integrativer Vorgang

Es ist daher, solange dieser integrative Vorgang nicht von außen her unterbrochen oder gar in Frage gestellt wird (sofern dieses überhaupt möglich ist), politisch und geschichtlich gleichgültig, wie ein Ukrainer oder Weißrusse, ein Balte oder Grusinier ein Turkmene oder Kirgise als solcher fühlt, denkt oder handelt, bzw. handeln würde, wenn er es nach seinem Gesetze könnte, sondern wichtig ist allein, wer ist, wie fühlt, denkt und wird vermutlich handeln der Großraummensch großrussischer Prägung, der bei aller Nuancierung schon heute erstaunlich einheitlich ist, und nicht nur dem Fremden, sondern auch sich selbst so erscheint.

 

Dieses Menschentum hat, im Schnitt betrachtet, also unter verstehender Einkalkulierung der individuellen Plus-Minusvariation, typische und immer wieder aufscheinende Eigenschaften, die unabhängig vom Grade des jeweils vorhandenen, mehr oder minder geschulten, aber durchaus hohen Intellekts von seinem eigensten Seelentum geprägt erscheinen, jedenfalls von ihm nicht abgetrennt werden können und auf sein Handeln in jedem Falle bestimmend einwirken. Es sind dies Eigenschaften, die auf der einen Seite unter bestimmten integrierenden Bedingungen außerordentliche Leistungen bewerkstelligen können (man kann sie die positivierenden nennen), auf der andern Seite ebenfalls nur unter integrierenden Bedingungen in ihrer schädlichen Auswirkung überwunden oder wenigstens neutralisiert werden können (man kann sie die negativierenden nennen).

 

Wirkungen des Kollektiv

Die ersteren positivierenden Eigenschaften heißen: Tapferkeit bis zum leicht erzeugbaren Elan, Bedürfnislosigkeit und Leidensfähigkeit bis zur Sturheit, das sich abfinden können mit allem, was unabänderlich erscheint, die Gutmütigkeit und leichte Lenkbarkeit im nicht entflammten Zustande, das schnelle Vergessen erlittener Unbill, die leichte Entflammbarkeit für neue, vor allem das Herz ansprechende Ideen, nicht zuletzt die große Fähigkeit, zu improvisieren und sich auf eine neue Lage mit Erfolg einstellen zu können. Es ist klar, in welchem Maße diese Eigenschaften bei geschickter Ausnützung durch eine wissenschaftlich hierfür geschulte und kalt rechnende Führungsschicht im Kollektiv zu höchster Wirkung geführt werden können.

 

Die letzteren negativierenden Eigenschaften heißen: Unberechenbare Unbeständigkeit in allem und jedem, im Fühlen, Denken und Handeln, periodische Initiativlosigkeit und Faulheit bis zum totalen Extrem, die immer wieder aufbrechende, wie ungewollte, selbst kaum empfundene Unwahrhaftigkeit und Untreue gegenüber sich selbst wie gegen den andern, aus allem folgend ein unüberwindlicher Hang zur Plan- wie Disziplinlosigkeit, der durch Papierplanung und Befehlsgebärde zu maskieren versucht wird. Es ist wiederum klar, dass diese Eigenschaften die Entfaltung des individuellen russischen Menschen zu tiefer und weiter Wirksamkeit sehr erschweren, wenn sie nicht durch eine unbedingte Befehlsgewalt und ein zusammenfassendes Kollektiv, wenn schon nicht überwunden, so doch wenigstens einigermaßen neutralisiert werden können. Diese Eigenschaften sind dafür verantwortlich, dass der russische Mensch, wenn er allein auf sich gestellt, also in Freiheit und um der Sache selbst willen etwas tun oder gar leisten soll, so selten das erreicht, was er im gelenkten Kollektiv ohne Schwierigkeit vollbringt - dadurch vollbringt, dass die Aufhebung der persönlichen Freiheit und Verantwortung gelungen ist.

 

Und dieses geschah und geschieht durch die Einführung des totalen individuellen wie kollektiven Terrors als des entscheidenden Handlungsinstrumentes, mittels dessen der absolute Machtstaat, der Gossudar, gestern in petrinischer, heute in bolschewikischer Form, seine unabdingbare integrierende Funktion ausübt.

 

Wenn es dem Gossudar solcherweise gelingt, die positivierenden Eigenschaften seiner Untertanen zusammenzufassen und zusätzlich zu stärken, die negativierenden aber wenigstens zu paralysieren, wenn er es überdies zuwege bringt, diese Aufgabe zunehmend milder in der Form, wenn auch ohne Schwäche in der Sache, zu erfüllen — dann hat er ein Menschentum zur Verfügung, mit dem er noch viel mehr erreichen kann, als er bisher erreichen konnte, zumal wenn es einer hochgezüchteten Führung gelingt, sich stabil, permanent und zunehmend legitim zu verankern. Zum Glück für die Nachbarn ist dieses Streben bisher noch nie zur vollen Wirksamkeit gediehen, aber es wurde von jedem seiner selbst sicheren Gossudar neu aufgenommen und vorangetrieben. Was auch immer Großes in Russland geschah — allerdings immer unter welchen Opfern an Blut und Tränen —, gleichgültig ob durch den grausamen Iwan oder den großen Peter, durch die große Katharina oder den ersten Nikolai, durch Lenin oder Stalin — immer haben sie, die Machthaber im Mantel des Gosudars, mit gleichem Führungsanspruch und gleichen Mitteln gleiche Ziele am gleichen Menschentum angestrebt, und immer war der zeitliche Erfolg umso größer, je härter der Vollzug des Terrors und je vollkommener die Aufhebung der Freiheit gelang.

 

Russischer Großraum

Darum wird einerseits der östliche Koloss einem biologisch noch nicht erstorbenen und seiner Seele noch bewussten Abendland immer nur vorübergehend und beschränkt gefährlich werden können, darum wird anderseits ein russisch geprägter imperialer Großraum niemals in Freiheit errichtet und erhalten werden können. Darum auch tritt dieser Großraum immer wieder und sofort in eine entscheidende Gefährdung seines Bestandes, wenn eine von innen her kommende Bedrohung der integrierenden und neutralisierenden Führungsmacht des Gossudars mit einem von außen her kommenden Druck zusammenfällt, wie es zurzeit geschieht und noch für einige Jahre Geltung haben wird. Die heutige Sowjetunion ist ein Raum ohne Volk, auf mehr als 20 Millionen Quadratkilometern wohnten vor dem Kriege (nach glaubwürdiger Schätzung) nicht mehr als 180 - 190 Millionen Menschen, sollen jetzt mehr als 220 Millionen wohnen. Die Kriegsverluste werden amtlich mit etwa 18 Millionen angegeben. Nach dem Kriege hat man eine Volkszählung durchgeführt, das Ergebnis soll so unerwartet gewesen sein, dass man jedenfalls seine Veröffentlichung zunächst nicht wagte, den Leiter der Wahlaktion (im ministerialen Rang) der Sabotage zieh und erschoss. Der derzeitige Geburtenzuschuss soll nach Malenkow im Jahr drei Millionen betragen, über die Sterblichkeit wurde nicht gesprochen, es blieb unklar, ob die angezogenen Millionen als Geburtlichkeit oder Geburtenüberschuss aufzufassen sind. Setzt man die gebrachten Zahlen zueinander in Beziehung, kommt man auf eine heutige Gesamtbevölkerung, die wesentlich unter 220 Millionen liegen muss.

 

In diesem Zusammenhang möchte der Berichterstatter zitieren, was ihm erfahrene Gewährsmänner, frühere Mitarbeiter im Apparat des ZK und alte Parteigenossen, immer wieder sagten: „Glauben Sie keiner Zahl, die publiziert wird, es ist jede falsch oder richtig, wie es der jeweils nötigen Manipulation entspricht“. Und andere Gesprächspartner — Chefkonstrukteure und Werksführer, Wirtschaftsdirektoren und Nationalökonomen haben dasselbe Urteil bei jeder Gelegenheit wiederholt und mit unzähligen Beispielen bekräftigt. Sie sagten: „Grundsätzlich ist bei uns alles, was Zahlen angeht, eine einzige Manipulation zum Zwecke der Mystifikation, deren Handhabung eine Wissenschaft für sich bildet“. Und dasselbe hat jeder Arbeiter wie Buchhalter innerhalb wie außerhalb des Lagers täglich erlebt und, soweit möglich, selbst praktiziert, gleichgültig ob es um die Normerfüllung der Arbeitsbrigade, des Werkbetriebs oder des Staatsplans ging. Geistreich-verbitterte Köpfe haben dem Berichterstatter gesagt: „Hätten wir nicht die Korrumpierung und Manipulierung jeden Planes, im kleinen wie im großen, zur höchsten Kunst und Wissenschaft ausgebildet, hätten wir keinen Plan auch nur einigermaßen durchgeführt, nur die organisierende Kraft unserer Korruption und Manipulation ermöglicht einigermaßen die Überwindung der planhaften Desorganisierung“. — Der Berichterstatter hat diese Zitate in diesem Zusammenhang auch deshalb gebracht, um die Möglichkeit einer Überwindung der legalen Desorganisation durch die illegale Improvisation als im Weltbild des russischen Menschentums nicht nur berechtigt, sondern notwendig hinzustellen.

 

Drohende Stagnation der Bevölkerung

Diese Gefahr der drohenden Stagnation der Bevölkerung in einem relativen Vakuum des zugehörigen Raumes ist tödlich, nicht gegenüber dem Westen, aber gegenüber dem Osten und seinem ungeheuren, von Jahr zu Jahr zunehmenden biologischen Druck. Daher entstand und wird von Jahr zu Jahr verstärkt die propagandistische Aufrüstung des gesamten Partei- und Staatsapparates im Kampf gegen die abnehmende biologische Sicherung: die Wiederherstellung und zunehmende Betonung der Familien- und Ehemoral, die Herausstellung des Kinderreichtums als leuchtenden Beispiels der tätigen Vaterlandsliebe, die zunehmende Erschwerung der Ehescheidung, der aufnehmende Mutterschutz, die Prämiierung und Ordensehrung der kinderreichen Mutter, die „Heldenmutter“, nicht zuletzt das Verbot und die strenge Bestrafung der künstlichen Abtreibung. Man kann kaum eine Zeitung aufschlagen und kein Buch lesen, wo nicht auf diese Fragen Bezug genommen, ihre vordringliche Wichtigkeit betont, ihre Förderung durch Partei und Staat gefordert wird.

 

Aber diese Maßnahmen der Propaganda und Gesetzregelung werden zu spät kommen, selbst wenn es ihnen gelänge, die Nachwirkung der früheren entgegengesetzten Propaganda und Gesetzgebung (von der systematischen Zerstörung der Ehe und Familie bis zur staatlichen Abtreibungsklinik) zu neutralisieren. Denn inzwischen haben sich soziologische Umschichtungen und Entwicklungen angebahnt, welche in ihrer zunehmenden Auswirkung von keiner Propaganda und Gesetzgebung aufgehalten werden können und in ihrer Gesamtwirkung den jetzt noch bestehenden Geburtenüberschuss rasch verkleinern müssen.

 

Rasende Verstädterung

Die wichtigsten dieser Einflüsse sind folgende: 1. Die rasende Verstädterung in den Millionengrenze schon überschritten haben oder mit Besorgnis hinwies, obwohl das rasche Anwachsen der Riesenstädte (mit Wolkenkratzern ohne Raumnot) noch vor wenigen Jahren geradezu als Symbol der progressiven Zivilisation galt, welche Amerika überholen müsse. Moskau hat heute amtlich etwa 6 - 7 Millionen Einwohner, in Wirklichkeit wesentlich mehr, doch kennt niemand die wirkliche Zahl. Daneben wachsen Dutzende von Städten hoch. Diese Massenansammlung in den Großstädten, bei völlig unzureichendem Wohnraum, gefährdet aber nicht nur die Ehe und Familie und macht kinderreiche Familien praktisch unmöglich, sondern sie ist zudem vergesellschaftet mit einer Dissoziation der Geschlechter (nicht so sehr infolge der jahrelangen Unterbringung der jüngeren Generation in „Allgemeinwohnstätten") als infolge einer zahlenmäßig bei weitem überwiegenden Landflucht gerade des Mannes und seiner komplementären Massierung in den Großstädten.

 

Man kann dies gut erkennen, wenn man die Bildaufnahmen der täglichen Meetings aller Sparten in den Zeitungen der großen Städte, der Provinz und des Landes miteinander vergleicht. Man kann auf diesen Massenbildern mehrere hundert Menschen gut ausmachen. In den Großstädten dominiert der Mann, vor allem der jüngeren Generation, in den mittleren und vor allem kleineren Städten tritt der Mann zunehmend zurück, in den Kolchosen wird der Mann bereits einzeln zählbar, man kann ohne Übertreibung sagen, dass auf vielen Bildern einem Mann mehr als 100 Frauen zahlenmäßig entsprechen. — Den gleichen Eindruck vermittelt die seltene Korrespondenz der Kolchosenfrauen an ihre Männer ins Lager: „Nun haben wir fast nur mehr Alte, Kranke und Kinder, wir Frauen müssen alles alleine schaffen“. Wie viele solche und ähnliche Aussprüche hat der Berichterstatter in den letzten Jahren gehört und gelesen.

 

An zweiter Stelle steht der zerstörende Verschleiß der Frau als Frau durch totalen Arbeitseinsatz bei gleicher Normforderung. Und 3. die Kinder vieler Millionen Soldaten fallen für Jahre, die von Millionen Verurteilter für viele Jahre oder für immer aus. — Nicht zuletzt muss auch zwar die verbotene und bestrafte, aber immer weitere Kreise erfassende Abtreibung in Betracht gezogen werden.

 

Der Menschenbedarf steigt, der Riesenraum wird nicht kleiner, er wird aber auch nicht voller und auf dem Lande immer leerer!

 

2.Die geistige Grundhaltung des großrussisch geprägten heutigen Sowjetmenschen

 

Will man über diese Frage sprechen, muss man zunächst klarmachen, von wem man spricht. Ohne zu sehr zu schematisieren, wird man drei große Gruppen unterscheiden dürfen:

 

1. die sogenannte schaffende Intelligenz —- und man kann ihr zurechnen überdies den mittleren und höheren Funktionär der Partei und des Staates, den Offizier der Wehrmacht und der Tscheka (MGB, MWD), den qualifizierten Facharbeiter und den leitenden Funktionär der Kolchosen und insbesondere MTS (Maschinen, Traktorenstationen).

 

2. Das frühere Bauerntum, soweit es noch nicht endgültig kolchosiert-fallachisiert wurde.

3. Die graue Masse des hin und hergeschobenen Termitentums.

 

Russisches Menschentum

Es ist verständlich, dass man beim letzteren eine lebendige, bewegende seelisch-geistige Grundhaltung überhaupt nicht feststellen kann. Wohl kann erwartet werden, dass mit einer langsam fortschreitenden Hebung seines Lebensstandards auch bei ihm Lebenswünsche erwachen, die über das Primitive hinausgehen, zunächst aber und wohl noch für eine geraume Zeit wird dieses Menschentum allein beherrscht vom einfachen Kampf ums nackte Dasein und den daraus ableitbaren Forderungen. Diese betreffen die tägliche Sicherung eines einigermaßen ausreichenden Quantums an Kartoffeln und Kohl, wenn möglich Brot und Machorka, im Idealfall Wodka, dazu eine ebenfalls nur einigermaßen ausreichende Sicherung vor Kälte in Kleidung und primitivster Wohnunterkunft. Mehr kann dieses Menschentum zurzeit weder erwarten noch erreichen, ja kaum wünschen, für Politik interessiert es sich nicht, weil es niemanden mehr glaubt. Religiöse Bedürfnisse (und nur mehr unter den Älteren) beschränken sich auf gelegentliche dunkle Emotionen und äußerliche Formalien. Gefühlsbewegungen echter Prägung scheinen nur in Bezug auf Familie und nächste Freundschaft auf. — Wird aber dieses Menschentum richtig psychologisch angefasst, seiner Lethargie (und sei es nur für Stunden oder Tage) entrissen, durch Aussicht auf individuellen Zusatzlohn angereizt (und hierfür genügen Wodka und — Lob!), dann wird auch dieses Menschentum im Ernstfalle der Gefährdung des von ihm gehassten Systems sich nicht gegen dieses wenden, sondern bei richtiger Emotionierung in jedem Falle „richtig funktionieren“, d. h. noch mehr arbeiten, noch mehr leiden, gegebenenfalls auch tapfer kämpfen. Niemals wird es sich daher dem System Gefährlich erweisen, solange es in dessen intakter Lenkung bleibt, und immer wird es einer von außen kommenden Propaganda misstrauisch gegenüberstehen solange die eigene autoritativ unangefochten ist. (Fortsetzung folgt)

 

 

 

Seite 1   17000 in einem Monat

Der Strom der Deutschen, die aus dem sowjetisch besetzten Mitteldeutschland nach Westdeutschland fliehen, hält unvermindert an und ist besonders in den letzten Wochen erheblich angestiegen. Allein im Monat August flohen 17 000 Personen aus der Sowjetzone nach dem Westen.

 

 

Seite 2   Deutsche und Polen / Von Wolfgang Höpker

Deutsche und Polen trennt vieles. Aber zwischen beiden Völkern besteht heute zugleich eine Interessengemeinschaft, die den Ausgangspunkt zu einer echten Wende des deutsch-polnischen Verhältnisses abgeben könnte. Nicht nur Deutschland, auch Polen hat den zweiten Weltkrieg verloren — indem es zum Sowjetpolen, zum Satelliten des Rätestaates wurde. Wie beide Völker den Krieg verloren haben, so ist beiden die Aufgabe gestellt, den Frieden zu gewinnen.

 

Die Erinnerung an das, was unter nationalsozialistischer Besetzung in Polen geschah, ist eine schwere Hypothek. Die Erinnerung an das, was 1944/1945 den zehn Millionen deutschen Bewohnern der heute polnisch verwalteten Gebiete widerfuhr, wiegt um nichts leichter. Hier wurde für Verbrechen nicht an den Verbrechern, sondern an Millionen von Unschuldigen Rache genommen. Allein die Erkenntnis, dass niemals Verbrechen durch neue Verbrechen gesühnt werden können, sollte genügen, um die Sinnlosigkeit gegenseitigen Aufrechnens zu begreifen. Die Kette des Bösen muss einmal abreißen, und das ist nur durch einen energischen Strich unter die alten Rechnungen zwischen beiden Völkern möglich. Es muss ein neuer Anfang gemacht werden, die Zukunft und nicht die Vergangenheit sollte für ein deutsch-polnisches Gespräch bestimmend sein.

 

Ein deutsch-polnisches Gespräch also! Wo aber ist der Partner auf polnischer Seite? Was seit Jahr und Tag zwischen Pankow und Warschau an Fäden gesponnen wurde, hat mit einem deutsch-polnischen Gespräch wenig, ja gar nichts zu tun. Übereinkommen zwischen sowjetdeutschen und sowjetpolnischen Funktionären mögen einen gewissen Wert für  das Ostblock-Konzept haben, es bleiben deshalb doch nur Absprachen zwischen Filialleitern der gleichen Zentrale. Mögen sie sich tausendfach gegenseitig beteuern, dass die derzeitige Demarkationslinie eine „Friedensgrenze“ sei und somit Ewigkeitscharakter habe — dass die Oder-Neiße-Linie eine Grenze des Unfriedens ist, lässt sich damit nicht wegretuschieren. Ein wirkliches, also ein wirklichkeitsnahes deutsch-polnisches Gespräch bedarf als unerlässlicher Bestandteil einer Klärung der Grenzfrage. Womit nicht gesagt sein soll, dass diese Klärung am Anfang eines solchen Gesprächs stehen müsste. Notwendig ist vorerst nur die beiderseitige Einsicht, dass ein deutsch-polnischer Ausgleich nicht durch Deutschlands Verzicht auf ein Viertel seines Staatsbodens erkauft werden kann.

 

Angeeifert durch Moskaus Einladung an den Bundeskanzler würde heute auch Warschau nicht ungern mit Bonn ins Gespräch kommen. Bleibt es bei dem Zusatz, dass die Vorbedingung dafür die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie auch durch Westdeutschland sei, so wäre es sinnlos, dieses Projekt überhaupt aufzugreifen. In Übereinstimmung mit der Magna Charta der Heimatvertriebenen hat Dr. Adenauer deutlich genug erklärt, dass eine Änderung der deutschen Ostgrenze durch Gewalt außer Diskussion stehe und dass eine völkerrechtlich verbindliche Regelung erst durch einen Friedensvertrag erfolgen könne. So gering unsere Erwartungen sind, dies wäre immerhin eine Basis, wenigstens zu Teilgesprächen mit Warschau über Einzelprobleme zu kommen. So fugenlos auch das heutige „Volkspolen" mit der Sowjetpolitik verklammert zu sein scheint, es wäre nicht wertlos, in unmittelbarem Kontakt mit Warschau die deutsch-polnische Position abzustecken. Wir sollten nicht der Suggestion der Sowjetpropaganda erliegen, dass der Ostblock ein Monolith, ein einziger Steinblock sei. Es lohnte sehr wohl, die Stimmung einzelnen Satelliten-Regime und erst recht die der einzelnen Völker direkt zu erkunden.

 

Der andere Weg zu einem deutsch-polnischen Gespräch ist der über die Exilpolen. Nirgends sonst hat Emigrantenpolitik geschichtlich eine solche Rolle gespielt wie für das durch vier Teilungen zerrissene und seiner staatlichen Selbständigkeit beraubte polnische Volk. So auch heute, da hunderttausende Polen den Weg in die sowjetisch beherrschte Heimat nicht mehr zurückfanden und nun von der Fremde, vor allem von England und den USA aus, den Anspruch erheben, das eigentliche, das freie Polen zu vertreten. Was aus den Kreisen der Exilpolen bisher an Proklamationen zu uns drang, klingt allerdings wenig ermutigend. Es klingt, sagen wir es offen, entmutigend. Wollte man danach die Aussichten eines deutschpolnischen Gesprächs bewerten, so wäre es vergebliche Liebesmühe, nach einer gemeinsamen Plattform zu suchen.

 

Vorerst überwiegen hier imperialistische Traumbilder, welche die europäische Landkarte um ein Großpolen bereichern wollen, das von Stettin bis an die rumänische Grenze, wenn nicht bis ans Schwarze Meer reicht. Man fordert nicht nur die Rückgabe der von Russland annektierten Ostgebiete der einstigen polnischen Republik. Gleichzeitig verkrampft man sich darauf, dass die „Oder-Neiße-Linie“ „Polens natürliche Westgrenze“ sei. Es ist die alte polnische Devise des Alles oder Nichts, des Sowohl-Als-auch, die hier wieder wie nur zu oft in der polnischen Geschichte zur Flucht aus der Wirklichkeit in das Abenteuer verführt. Der .Begriff „Deutschland“ ist in dieser Traumwelt nahezu ausgeklammert. Man begnügt sich mit der Beschwörung des Konzepts von 1919, indem man eine „Großmacht Polen“ als Bollwerk empfiehlt sowohl gegen den russischen Drang nach Westen wie gegen den deutschen Drang nach Osten. Und man merkt nicht, dass man sich damit wieder zwischen alle Stühle gesetzt hat.

 

Freilich, es gibt neuerdings auch hier Stimmen der Einsicht — einzelne Schwalben, die noch keinen Sommer machen, die aber doch hoffen lassen. Die in München verlegte Monatsschrift „Der europäische Osten“, kann in ihrem jüngsten Heft einige Exilpolen vorweisen, die mit ungewohntem Mut den Bannkreis des Wunschdenkens durchbrechen.

 

So der Publizist Julius Mieroszewski, wenn er feststellt, dass im Atomzeitalter, die historische Konjunktur für die kleinen und mittleren Völker ihre Grenze erreicht hat. Wenn er Befreiungskrieg und Unabhängigkeitsromantik „Legenden“ nennt — Ausdrucksformen jenes Wunderglaubens, wie man ihn in den Emigrantenzirkeln unbeirrt kultiviert. Wenn er dem Nationalismus die föderative Idee entgegenstellt, um dann wie folgt fortzufahren: „Ohne Rücksicht auf gefühlsmäßige Reaktionen müssen wir als sicher annehmen, dass das Fundament eines jeden Föderativplanes in Ostmitteleuropa die völlige Verständigung zwischen Polen und Deutschland sein muss. Das ist das ,A', von dem alles angefangen werden muss. Nur Dichter und Literaten aus Emigrantenklubs für Föderation können sich einbilden, dass Polen in der Frage einer Föderation in Osteuropa irgendeine Initiative ergreifen kann, wenn es in einem permanenten „Kriege“ mit Russland und im Streit mit Deutschland liegt. Der polnisch-deutsche Streit lastet wie ein Felsblock über dem ganzen Föderationsplan. Er lässt sich weder umgehen noch wegwischen. Man muss ihn lösen“.

 

Die unverbindliche Privatmeinung eines einzelnen Exilpolens? Nun, auch ein Gespräch zwischen Organisationen, so etwa zwischen deutschen Landsmannschaften und polnischen Emigranten-Verbänden, braucht erst einmal die Initiative einzelner. Hier wäre ein solcher Ansatzpunkt. Der deutsch-polnischen Problematik ist weder mit der restaurativen Parole noch mit bloßem Revisionismus beizukommen. Für ein Denken in national-staatlichen Kategorien sehen sich die Dinge in der Tat ausweglos an. Der Sprung nach vorn, der hier getan werden muss, verlangt nach neuen, nach gemeinsamen Lösungen. Ob „Föderation“, ob „Kondominium“, ob nur ein Nebeneinander oder ein Miteinander — über alle diese Möglichkeiten ließe sich streiten, fruchtbar streiten. Aber es muss einmal der Anfang gemacht, mit einem Gespräch begonnen werden. (Aus: „Die Welt“)

 

 

Seite 2   USA-Polen zur Oder-Neiße-Frage

Gegen die Erklärung der Bundesregierung, dass vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der SU die Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Linie zum Ausdruck gebracht werde, fordert die in Amerika erscheinende exilpolitische Zeitung „Nowy Swiat“ alle polnischen Organisationen in der Welt auf, „gegen die Untergrabung des Status quo der polnischen Westgrenze“ aufzutreten.

 

 

Seite 2   Neue Zwangsoptionen

Seitens der Warschauer Regierung wird in Kürze eine neue Optionsaktion in den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten eingeleitet werden. Betroffen werden unter den gegen ihren Willen zurückgebliebenen Deutschen vornehmlich solche, denen von polnischen Behörden schriftlich ihre „ungeklärte“ Staatsangehörigkeit bestätigt wurde. Sie werden jetzt erneut aufgefordert werden, für Polen zu optieren. Weitere Maßnahmen sind für die sogenannte „deutschsprachige Minderheit“ vorgesehen.

 

Die zahlenmäßige Stärke dieser „Minderheit“ wurde bisher von polnischen Dienststellen mit 17 000 bis 90 000, neuerdings aber vom Warschauer Außenministerium mit 150 000 (!) angegeben. Man wird also versuchen, größere Teile der „deutschsprachigen Minderheit“ zur Aufgabe ihrer deutschen Staatsangehörigkeit zu bewegen.

 

 

Seite 3   Ortelsburg – Paradies für Jäger, Angler und Wasserwanderer. Erinnerungen an unsere Heimatstadt in Galnden.

Foto: Der kleine Haussee

Foto: Betriebsausflug der Rathausangehörigen nach dem schönen Niedersee

Foto: Das bekannte Heimatmuseum in der Jägerstadt Ortelsburg war das Ziel vieler Masurenfreunde. Aufn.: Armgardt

Jedes Jahrestreffen eines ostpreußischen Heimatkreises soll die ehemaligen Kreisangehörigen zusammenführen zu einem gemeinsamen Erleben der alten unvergessenen und unvergessbaren ostpreußischen Heimat, soll das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und den Willen zur einstigen Rückkehr. Es soll diejenigen widerlegen, die da behaupten „Ach, alle Heimatvertriebenen, die in der Bundesrepublik schon eine neue Existenz gefunden haben als Beamte, Angestellte, Handwerker, Bauern oder in einem sonstigen freien Beruf denken ja nicht mehr daran, diese neubegründete Existenz aufzugeben und gegen eine vielleicht letzten Endes doch unsichere Zukunft in der alten Heimat einzutauschen“. Es soll auch diejenigen widerlegen, die davon sprechen, dass unsere Kinder schon derart im bundesrepublikanischen Raum verwurzelt sind, dass ihnen die Polonisierung, Verrussung, ja Asiatisierung der Heimat ihrer Väter höchst gleichgültig sei.

 

Dem ist nicht so, dem wird niemals so sein, und wenn einer vielleicht wankelmütig in seinem Entschluss zu einer Rückkehr in die Heimat geworden sein sollte, dann ist ein solches Jahrestreffen dazu da, ihm ins Gewissen zu reden, ihn an seine Pflichten gegenüber dem unveräußerlichen Erbe der Ahnen zu erinnern. Jedes Jahrestreffen muss eine von der ganzen Welt beachtete, nicht zu übersehende und übergehende Demonstration für unseren Anspruch auf unsere ostpreußische Heimat werden.

 

Wir wollen stolz sein darauf, wenn unsere Landsleute und wir uns durch eigenen Fleiß und Tüchtigkeit in der Bundesrepublik eine Existenz geschaffen haben für uns und unsere Familie, wir wollen stolz sein, wenn uns dieser Fleiß und diese Tüchtigkeit von den „Einheimischen“ bescheinigt wird, aber wir wollen nie dabei vergessen, dass all' dies nur Rüstzeug ist zur Rückkehr in die Heimat.

 

Und wir wollen nie vergessen, dass wir stolz sein können auf unsere Heimat. Vor mir liegt ein bebilderter Prospekt, herausgegeben vom damaligen Bürgermeisteramt Ortelsburg. Lasst uns ihn ein wenig näher betrachten und in ihm blättern.

 

Schon das Titelbild offenbart in einer Luftaufnahme die Weite der Masurischen Seen und Wälder. Aufgedruckt ist in Strichmanier das berühmte Bild Heinrich des Falkners als Symbol für die von unseren Graf Yorkschen Jägern betriebene Falknerei. Eingedruckt ist dann noch das altvertraute Wappen unserer Heimatstadt: der springende rote Hirsch auf grünem Boden und silbernen Grund mit den drei grünen „Ortelsburger Kiefern“. Wir betrachten den Stadtplan, aus dem uns blau unsere geliebten Großer und kleiner Haussee entgegenleuchten. Wir wandern vom Bahnhof aus die Post- und Kaiserstraße entlang bis zur evangelischen Kirche, in der so viele unserer Ahnen getauft und getraut worden sind, dem Worte des Pfarrers gelauscht und das heilige Abendmahl empfangen haben, und dem neuen Rathaus, dem wohl damals schönsten und modernsten Rathaus im ganzen deutschen Osten. Wir bummeln durch die Königsberger Straße und um den Kleinen Haussee herum, an der Jugendherberge vorbei und an der Katholischen Kirche, vielen Ortelsburgern in heiliger Erinnerung an Taufe, Kommunion und Vermählung, zum Masurischen Holzhaus. Durch die Ernst-May-Straße geht es zurück zur Bismarckstraße, wo wir am Abstimmungsdenkmal vorbeikommen, dem Wahrzeichen der Treue der Ortelsburger Bevölkerung zum Deutschen Reich am 11. Juli 1920. Wir schauen den silbernen Gleisbändern der Eisenbahnstrecken nach Allenstein, Willenberg, Johannisburg und Bischofsburg nach und träumen die Erinnerung zurück, an die Spaziergänge, die wir am Heldenfriedhof und an dem Falkenhof vorbei zum Sportplatz und Waldbad im Stadtwald unternommen haben. Ortelsburg gehört zu jenen ostpreußischen Städten, die das Schicksal einer fast völligen Zerstörung mehr als einmal im Laufe der Jahrhunderte haben erleiden müssen, weil nun einmal Grenzland immer Kampfland ist, zuletzt im ersten Weltkrieg. Doch die Patenschaft von Wien und Berlin ermöglichte es, die Stadt nach modernen und großzügigen Gesichtspunkten wieder aufzubauen, wie wir unsere Heimatstadt noch in Erinnerung haben.

 

Wir blättern weiter. Das bekannte Bild vom vorgeschichtlichen Gräberfeld in Malswöwen ist ein heute gerade sehr wichtiges Dokument, dass auch Masuren die Urheimat nordgermanischer Stämme gewesen ist, auf die Polen niemals Anspruch erheben kann. Ein weiteres Foto bringt die Ansicht vom Kreisheimatmuseum, das in den Resten der alten Ortelsburg untergebracht war. Dazu den Text, den wir alle in der Schule auswendig gelernt haben „Ortelsburg, eine südostpreußische Grenz- und Kreisstadt mit 13 400 Einwohnern (Das Militär nicht mitgezählt), erhielt seinen Namen nach dem Ordenskomtur von Elbing, Ortulf von Trier (1349 - 1371), der gegen 1350 auf der Landenge zwischen Großen und Kleinem Haussee eine Befestigung (Ortulfsburg) errichten ließ. Von der einst so stolzen Ortulfsburg sind heute nur noch bescheidene Reste vorhanden“.

 

Aus den Beständen des Heimatmuseums ist das alte Standbild aus der Kirche von Gr.-Schöndamerau wiedergegeben, einen Apostel darstellend, eine holzgeschnitzte Figur mitteldeutscher Spätgotik. Ein Bild von 1914 zerstörten Ortelsburg ist ein tröstlicher Beweis dafür, dass alles Zerstörte wieder aufgebaut werden kann. Auch wir werden uns unser Ortelsburg nach unserer Rückkehr in die Heimat schöner denn je aufbauen. Genau so schön wie die Ansicht von den modernen Häuserblocks in der Innenstadt. Von dem Holzreichtum der Ortelsburger Umgegend kündet das Foto vom Sägewerk Anders. Als vorbildliche Gaststätte haben wir noch das Schützenhaus im Stadtwald in bester Erinnerung, in dem wir so viele und schöne Feste erlebt haben. Mit einem fast ganzseitigen Foto vom Großen Haussee in Sonnenuntergangsstimmung leitet der Prospekt zu dem über, was Ortelsburg in erster Linie war, das Paradies für Jäger, Angler und Wasserwanderer. Der eigentümliche Reiz eines solchen Sonnenunterganges war auch für uns immer wieder ein neues Erlebnis. Mehrere Seiten werden der Falknerei gewidmet. Mit der Ansicht der Jägerkaserne Graf York beginnt es, um uns dann weiter den geräumigen Falkenhof mit seinen zahlreichen Gehegen für die Edelfalken und Jagdhabichte sehen zu lassen. Wir werden mit der Arbeit des Falkners des aneinander gewöhnen von Mensch und Vogel bekannt gemacht und können noch in der Erinnerung den stolzen, völlig zahmen Kaiser.

 

Den Angler werden die prächtigen Bilder von adler „Sturm“ bewundern,

 

den masurischen Seen und den Fischern bei Ausübung ihres Berufes interessieren, wie den Wasserwanderer die idyllisch gelegenen Rast- und Zeltplätze, die man einzeln aufsuchte, um die Schönheit der Natur für sich allein zu genießen, nicht im Massenbetrieb des Campings.

 

Abschließend wird der Betrachter dieses Prospekts noch einmal daran gemahnt, dass Grenzland Kampfland ist, durch die Aufnahmen von den Heldenfriedhöfen in Ortelsburg, Orlau und das Grabmal bei Lahna.

 

 

Seite 3   Heimattreffen der Ortelsburger in Hann.-Münden am 3./4. September

Das diesjährige große Heimattreffen der Ortelsburger findet am 3. und 4. September in der Patenstadt Hann.-Münden statt. Patenstadt und Patenkreis Hann.-Münden haben Vorsorge getroffen, allen Ortelsburgern den Aufenthalt in Hann.-Münden so angenehm wie möglich zu machen.

 

Im Rahmen des Heimattreffens erfolgt auch die Patenschaftsübernahme der Hindenburgschule Ortelsburg, der Ortulfschule Ortelsburg und der Mittelschule Passenheim durch die Schulen in Hann. Münden. Auch ein Treffen der Ortelsburger Jäger findet statt, wie wir bereits berichteten. Ein Treffen der Lehrerschaft Ist ebenfalls vorgesehen.

 

Das Programm sieht im Einzelnen vor: Sonnabend, den 03.09.: 20 Uhr Begrüßungsabend im Lokal Andreesberg mit zwei Heimatvorträgen. Sonntag, den 04.09.: 8.15 Uhr Sitzung des Kreisausschusses und Beirates im Sitzungssaal des Rathauses. 10 Uhr: Gottesdienste der evangelischen und katholischen Kirchen; 11.15 Uhr Platzkonzert auf dem Marktplatz. 12 Uhr Feierstunde auf dem Marktplatz. Anschließend Kranzniederlegung am Ehrenmal. 13.30 Uhr gemeinsames Essen im Lokal Andreesberg. Anschließend gemütliches Zusammensein mit Darbietungen

 

 

Seite 3  Bundestreffen der Memelländer in Mannheim

Mannheim ist seit 1953 die Patenstadt der ostpreußischen Kreise Memel-Stadt, Memelland, Heydekrug und Pogegen. Diese 4 Kreise wurden nach dem 1. Weltkrieg auf Grund des Versailler Vertrages von Deutschland abgetrennt und gingen unter dem Namen „Memelgebiet“ (Memelland) in die Geschichte ein. Zugleich mit diesem Bundestreffen wird auch der „Tag der Heimat“ in Mannheim begangen. Heimatvertriebene und Heimatverbliebene werden gemeinsam dem Heimatgedanken dienen. Es ist ein umfangreiches Programm vorgesehen, das wir hiermit wiedergeben: Am 24. September, 17 Uhr Vertretertag im Städt. Rosengarten, um 20 Uhr geselliges Beisammensein mit musikalischen Darbietungen im Bierkeller des Rosengartens, veranstaltet von der Memellandgruppe Mannheim. Am 25. September, 11 Uhr Festvorstellung im Musensaal des Rosengartens mit Ansprachen von Oberregierungs- und Schulrat a. D. Richard Meyer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer, Bürgermeister Trumpfheller, Mannheim und Bundestagsabgeordneter Dr. Gille, Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, die von musikalischen Darbietungen umrahmt werden. Um 13 Uhr findet im Weinzimmer des Rosengartens ein Empfang der Stadt Mannheim für den Vorstand und den Vertretertag der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer statt. Von 14.30 Uhr bis 17 Uhr werden Heimatfilme und Lichtbilder im Mozartsaal des Rosengartens gezeigt. In der gleichen Zeit ist Gelegenheit zu Stadtrundfahrten, Abfahrt Rosengarten. Ab 17 Uhr ist dann ein geselliges Beisammensein im Bierkeller des Rosengartens.

 

In der Wandelhalle des Rosengartens zeigt das Städt. Archiv eine Memelland-Ausstellung und im Rückgebäude des Zeughauses, C5, zeigt die Städt. Kunsthalle eine Ausstellung „Maler in Nidden“.

 

Es wird mit einem großen Besuch gerechnet. Quartiermeldungen sind an das Memellandbüro, Rathaus, E 5, zu richten (Sammelquartiere 2,-- DM, Privat- und einfache Hotelzimmer bis 6,-- DM). Tagungsbüro und Zimmernachweis ist ab Sonnabend, den 24.09. um 14 Uhr im Rosengarten geöffnet.

 

Auskünfte, Suchanfragen usw. sind an die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer, (23) Oldenburg i. O., Cloppenburgerstr. 302 b, unter Beilage von Rückporto, zu richten.

 

 

Seite 3   Hochmeistergedenkstein bei Tannenberg.  

Auf dem „Streitplatze“ bei Tannenberg, dort, wo Hochmeister Ulrich von Jungingen am 15. Juli 1410 fiel und das Ordensbanner in den Staub sank, wurde schon zwei Jahre nach der Schlacht eine Marienkapelle errichtet. Der Bischof Johannes Reimann von Pomesanien, in dessen Diözese das Schlachtfeld lag, hat sie am 12. März 1413 eingeweiht. Der Nachfolger Ulrichs, Hochmeister Heinrich von Plauen, hat diese Kapelle errichten lassen zum Seelenheil aller derer „dy do geslagin wordin, von beydin teylin yn dem stryte“.

 

„Im Königsberger Staatsarchiv befand sich eine Ablassbulle des Papstes Johann XXIII. vom 6. Oktober 1415, worin dieser Kirchenfürst die Schlacht bei Tannenberg-Grünfelde in einer für die katholischen Polen, die ja mit heidnischen Tartaren verbündet waren, wenig schmeichelhaften Weise als „einen erstaunlichen und schauderhaften Kampf“ bezeichnet, „der von Ungläubigen auf Anstachelung des bösen Feindes des Menschengeschlechts gegen die Christgläubigen“ geführt worden ist.

 

Als im Jahre 1414 der Kampf mit den Polen von neuem ausbrach, verwüsteten die römisch-katholischen Polen auch diese Marienkapelle. Sie wurde später wieder als Wallfahrtskapelle mit Probstwohnung aufgebaut, geriet aber zur Zeit der Reformation, als der Ordensstaat ein brandenburgisches Herzogtum wurde, in Verfall. Aus den Ruinen der Fundamente (einen Plan der ganzen Anlage besaß das Kaiser Wilhelm-Gymnasiums zu Osterode, dessen Prof. Dr. Schnippel die Geschichte der Kapelle erforscht hat) ist festgestellt worden, dass das Hauptgebäude ungefähr 50 m lang und 10 m breit war, die Grundmauern 1 ½ m stark. In der Nähe der Kapelle waren die Massengräber der Gefallenen.

 

Auf dem Trümmerhügel der Kapelle wurde eine schlichte Gedenkstätte geschaffen. Das ganze Kapellengebäude, gehörig zum Gute Ludwigsdorf, war mit einem Drahtzaun eingefriedigt und von einer Tannenpflanzung umkränzt. Eine kleine Tannenallee, auf der Stätte des ehemaligen Innenraumes der verschwundenen Kapelle angelegt, führte zum Hochmeister-Gedenkstein.

 

Der Gedenkstein — ob er heute noch so steht, ist unbekannt, war an der ehemaligen, nach Osten gewendeten, Altarseite errichtet, wie die ganze Anlage entstanden auf Anregung des weiland Landrats des Kreises Osterode, von Brandt, des späteren Polizeipräsidenten von Königsberg und Landeshauptmanns der Provinz Ostpreußen, ehemaligen Besitzers des Rittergutes Tannenberg. Die Provinzial Denkmalsschutzkommission hatte im Herbst 1901 die Einrichtung des Gedenksteins beschlossen. Diese historische Erinnerungsstätte mit ihren dunklen Tannen, mit ihrem ernsten, grünenden Leben auf den Ruinen, inmitten des stillen Gefildes, das fern vom Lärm des Tages lag, wirkte in ihrer Schlichtheit ergreifend.

 

Die Provinzialverwaltung Ostpreußens hatte einen auf dem Wege zwischen Ludwigsdorf und Grünfelde in einem Wäldchen liegenden großen Granitblock heranschaffen lassen, der im Volkmunde der Königs- oder Jagielostein hieß, weil der Polenkönig nach der Schlacht auf diesem Steine gesessen haben soll. Der Granitstein, von einem Königsberger Steinmetzen bearbeitet und aufgerichtet, wog 200 Zentner, hatte eine Höhe von 2 ½ m und einen mittleren Umfang von 4 ½ m. Auf der nach Westen gerichteten Vorderseite war die Inschrift eingemeißelt:

 

„Im Kampf für deutsches Wesen, deutsches Recht, starb hier der Hochmeister Ulrich von Jungingen am 15. Juli 1410 den Heldentod“. Hermann Bink

 

 

Seite 4   Sommer Abschied. Von Olga Klitsch

Es ist, als ob der Sommer singt

sein letztes, allerschönstes Lied.

Der Wälder Rauschen dunkler klingt

als sonst. Durch blaue Ferne zieht

wie Spinnwebseide wunderbar

der Sommerfäden Silberhaar.

 

Sanft übergoldet ringsumher

doch tief in mir pocht's' dumpf und schwer:

strahlt leuchtend noch der Berge Saum,

vorbei auch dieses Sommers Traum . . .

Ach, meine Seele wandert weit,

ist heimkehrkrank schon lange Zeit.

 

Der Sommer singt sein schönstes Lied,

sein Abschiedslied. — Wo weilest du?

Ein heimlich Läuten leise zieht

durch Feld und Flur.

Es bringt zur Ruh

was selig einst geliebt, geloht . . .

Blüht allem neues Morgenrot?

 

 

Seite 4   Einst am Lötzener Pennal …

Nicht allein die Landschaft, in der wir geboren und erwachsen sind, sondern doch auch der große Kreis jener Menschen, zu dem wir von Kindesbeinen auf in vertraute und innigste Beziehungen gerieten; die Eltern, die Verwandten, die Nachbarn und die Freunde wie auch . . . nicht zu vergessen! . . . die Lehrer, die uns zu brauchbaren Mitgliedern der großen Gesellschaft Mensch zu formen versuchten. Was uns die Eltern allein nicht beizubringen vermochten, all das in uns hineinzulegen blieb nun mal den Lehrern vorbehalten. Wieweit sich deren Wirksamkeit an uns und in uns auswirkte, mag dahingestellt bleiben; festgestellt sei nur, dass sie sich in unserer Erinnerung an ein schöneres Einst, nämlich an unsere Kindheit und Jugend, eine breite Basis schufen. Deshalb sei in dieser Plauderei über heimatliches Erleben mal auch ihrer gedacht.

 

 Im Jahr 1906 kam ich von außerhalb her an das humanistische Gymnasium der Kreis- und Festungsstadt Lötzen am Löwentinsee. Bei meinem ersten Eintreffen in ihr erschien sie mir — obwohl sie damals kaum mehr als sechstausend Seelen umfasste — als ein imposantes Gepräge von Zivilisation und Kultur; denn sie besaß bereits einiges, dessen sich mein kleineres Vaterstädtchen am Rande der Johannisburger Heide noch nicht rühmen konnte, nämlich Kanalisation und Gasbeleuchtung, einen Bahnhof mit mehreren Schienensträngen und . . . nun ja, auch das Gymnasium. An diesem wirkten in jenem Jahr unter dem schlanken, schneidigen, spitzbärtigen Direx Professor Dr. Wiesenthal als Professoren die Herren Erdmann, Klang und Stumpf (der alsbald in den wohlverdienten Ruhestand gelangte), als Oberlehrer — der Titel Studienrat kam erst nach dem 1. Weltkrieg auf — die Herren Krüger und Springfeld und als Lehrer die Herren Hoffmann, Jonas und Prophet. Es sei hier gleich noch vermerkt, dass ich Springfeld, Prophet und Jonas nur zwei oder drei Jahre hindurch genoss, weil die beiden ersteren gleichfalls pensioniert wurden, letzterer aber an das Lycker Pennal überging.

 

Ziemlich zur gleichen Zeit erhielt unser „Lehrkörper“ eine Bereicherung durch die Oberlehrer

Haugwitz, Dziubiella und Fligge, die dann noch lang über den ersten Weltkrieg hinaus am Lötzener Gymnasium lehrten. Dziubiella (wir nannten ihn kurz Dziubi) war der Muse der Dichtkunst eng liiert und gab in der Folge einige Bändchen eigener Lyrik heraus, deren eines den Titel „Blumen im Strauß“ trug.

 

Ich hielt soeben einen Spitznamen fest, der eigentlich nur eine Namensabkürzung ist. Aus Takt und Pietät (es lebt von all den erwähnten Herren wohl kein einziger mehr) möchte ich von den Ulknamen, die wir den meisten anderen Herren zugedacht hatten, lediglich die nettesten erwähnen, so denjenigen des prächtigen und ungemein beliebten Professors Erdmann, der nach Wiesenthals Berufung an eine größere Lehranstalt Direx wurde, und den Ulknamen des ebenso trefflichen Menschen Krüger, der 1914 als Reserveoffizier einer Feldartilleriebatterie an der Ostfront fiel. Sie lauteten „Puster“ und „Spatz“.

 

Man frage mich nicht, wie sie zu diesen Spitznamen gelangten, denn solche pflegen nicht immer ihre Träger irgendwie zu charakterisieren, sondern sind oft lediglich das Produkt einer komischen Verquickung. (Am Rande bemerkt: einer der Spitznamen wurde mir gleich am ersten Tage meines Sextanerjahres zum Verhängnis. Ich sprach unseren damaligen Oberlehrer für Naturkunde versehentlich mit seinem Ulknamen an und bezog dafür eine Tachtel, die von kräftigsten Eltern war.)

 

Am Lötzener Pennal gab es — wie es derzeit an höheren Lehranstalten üblich war — auch Klassenmützen. Die Tuchfarbe hielt sich von Sexta bis Prima in dem gleichen leuchtenden Ziegelrot. Unterschiedlich waren nur die Umrandungsstreifen, die sich in besonderen Zusammenstellungen von Silber und Blau hielten.

 

Der Erkenntnis der alten Römer „mens sana in corpore sano“ entsprechend, wurden auch bei uns Turnen und Sport ganz bewusst gepflegt. Unser Turnlehrer war Hoffmann, und zu Höhepunkten turnerischen Lebens gestalteten sich die alljährlichen Turnfeste, zu denen sich die Eltern und weiterer Anhang der Schüler auf dem geschmückten Schulhof einzufinden pflegten. Für die Spitzenkönner gab es Kränze aus Eichenlaub und für die zweite Garnitur Eichenzweige zu erringen.

 

Im sportlichen Bereich brachten wir es im ersten Jahrzehnt dieses Säkulums zu einer Fußballmannschaft, die gegen Gymnasialmannschaften anderer Städte spielte und einige Jahre hindurch als unschlagbar galt. Als wir dann zum ersten Mal „Prügel“ bezogen, knickten uns Kummer und so etwas wie sportliche Scham glattweg um. Bedauerlicherweise mussten wir in der Folge noch häufig Niederlagen einstecken.

 

Die ideale Lage der Stadt zwischen Löwentin - und Mauersee und die direkte oder indirekte Verbindung dieser Seen mit anderen Gewässern der ausgedehnten masurischen Seenkette bestimmte natürlich einen Auf- und Ausbau des Wassersports. Hierbei machte sich Oberlehrer Krüger (Spatz), ein passionierter Segler, entscheidende Verdienste. Er brachte Spenden zum Ankauf von Sportbooten zusammen, begründete den Lötzener Gymnasialruderverein und gestaltete ihn zu einer Einrichtung, die bald aus dem Lötzener Pennälerdasein einfach nicht wegzudenken war. Nachdem die „Crews“ der Zweier, der Vierer und der Achter hinreichend trainiert waren, gab es selbstverständlich auch Bootsregatten. In den Ferienzeiten — vor allem in den langen Sommerferien — zogen Crews und Boote zu großen, wochenlangen Fahrten aus, über den Löwentin zu den Talter Gewässern und dem riesigen Spirdingsee und aus ihm weiter in dessen Nebenseen hinein, in den schmalen, malerischen Beldahn und von diesem bis zum Niedersee (um nur die längsten Strecken zu erwähnen).

 

Unternehmungsfreudige Oberlehrer gesellten sich oft den Mannschaften bei und gelangten so in Fahrtabenteuern und beim Zelten in ersprießlichen näheren Kontakt zu ihren Schutzanbefohlenen. Landeten sie alle bei kleinen Städten und Dörfern an, in denen andere Mitschüler beheimatet waren, so wurde ihnen von deren Eltern ein so herzlicher wie nahrhafter Empfang bereitet. Auch davon gab es „zu singen und zu sagen“, sobald die Ferien vorüber waren und das nächste Aufsatzthema lautete: „Was wir auf Ferienfahrt erlebten . . .“

 

Fragt man heute mal mich alten Mann: „Würdest du noch einmal zur Schule gehen wollen?“ ... so heißt meine Antwort kurz und bündig „nein“. Fasst man aber die Frage so: „Gesetzt den Fall, dass du noch mal jung würdest und zur Schule müsstest ...wo wolltest du dann am liebsten zur Penne gehen“. . . . dann hieße meinen Antwort unweigerlich: „In dem schönen alten Lötzen am Löwentinsee und . . . nun ja . . . auch dann, wenn es um das Lehrerkollegium so bestellt wäre wie einst, als ich mir die Sextanermütze auf den Querkopf drückte“. G. S.

 

 

Seite 4   Erntedank. Von Frieda Strauß

Ich stehe an der alten Kirche

Und schaue weit über den Strom.

Über mir wallet und woget

Der Glocken eherner Ton.

Lehne in Träume versunken

Mein Haupt an den harten Stein.

Es zieht der Strom der Klänge

mich in das Klingen hinein.

Aus kommenden Saaten steiget

Der Wälder dunkeler Saum

Rotgolden flammen die Blätter

An Buchen und Ahornbaum.

Rings dampfet aus den Schollen

Des Nebels herbstliches Tor,

Aufbrauset der Sang der Orgel

Mitreißend der Betenden Chor.

Wir danken Dir Herr für den Segen,

Den Deine Hand wieder uns bot,

Für Sonne und Tau und Regen

Und für unser tägliches Brot.

 

 

Seite 4   Eilne Handvoll „Bucht“ / Von Berta Gross

Mittwoch und Sonnabend waren Markttage in unserem Städtchen. An diesen Tagen kauften die städtischen Hausfrauen Butter, Eier, Geflügel, Obst usw. von den Bauersfrauen der umliegenden Dörfer, die ihre Erzeugnisse auf dem Wochenmarkt anboten. In aller Frühe fuhren die Klapperwagen durch die Straßen der Stadt zum Markt. Die „Ferkelwagen“ waren immer als erste da. Sie fuhren am Rande des Marktplatzes auf und waren bald von Kauflustigen umringt. Diese prüften zuerst an allen Wagen Güte und Preis der Ferkel, ehe sie sich, mehr oder weniger schnell, zum Kauf entschlossen. Waren die Ferkel knapp, so ging der Kauf schnell vonstatten, war das Angebot größer, so ließ man sich Zeit und handelte am Preise ab. Durchdringendes Quietschen der Tierchen schallte über den Markt, wenn sie am Hinterbein aus dem Käfig gezogen, in den vom Käufer bereitgehaltenen Sack gesteckt wurden. Eine Handvoll „Bucht“ wurde schnell noch aus dem Käfig genommen und auch in den Sack getan, damit die Tierchen sich nicht bangten, d. h. sich besser an den neuen Stall gewöhnten.

 

Inzwischen waren auch die Bauersfrauen mit ihren Körben erschienen und packten an langen Tischen ihre Waren aus. Selbst in den letzten Jahren, als der größte Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse genossenschaftlich angekauft und verkauft wurde, gingen die Markttage nicht ein. Es gab immer noch Bauersfrauen, die Butter, Eier und Geflügel lieber auf dem Markt verkauften, als sie in der Verkaufsstelle ablieferten. Bot doch der Markttag die beste Gelegenheit, in die Stadt zu kommen und sei es nur um die „Frindschaft“ d. h. die Verwandtschaft zu treffen. Der Begriff der „Frindschaft“ war dabei nicht so eng begrenzt. Es spielte keine Rolle, ob man nahe oder weitläufig verwandt war. Man begrüßte „Unkel, Tante und Kusäng“. Wenn die Ware umgesetzt war, wurden die nötigen Einkäufe in den Läden gemacht.

 

Inzwischen hatten auch die Männer ihre geschäftlichen Angelegenheiten erledigt und fanden sich in den „Gaststuben“ der Kaufleute zusammen. Hier tauschten sie ihre Meinungen über die jeweiligen Vorkommnisse in ihrer Wirtschaft, über Viehpreise usw. aus. Dabei wurde ein kräftiger Trunk genehmigt. Je nach der Jahreszeit trank man kühles Bier oder steifen Grog. Korn und Bärenfang schmeckten bei Hitze und Kälte gleich gut.

 

Es war nicht Sitte bei uns, dass die Frauen sich zu den Männern an die Tische setzten. Sie saßen abseits zusammen und tranken ein Likörchen oder süßen Wein. Sie zeigten sich gegenseitig ihre Einkäufe und behielten ihre Männer im Auge, darüber wachend, dass diese sich nicht zu sehr die Nase begossen. Gegen Mittag lösten sie ihre Eheherren mit mehr oder weniger Nachdruck aus deren gemütlichem Kreis, um den Heimweg anzutreten. War die Arbeit in der Landwirtschaft in ein ruhiges Stadium getreten oder war sehr schlechtes Wetter, so brauchte man sich mit dem nach

Hause fahren nicht so sehr zu beeilen. Dann nahm man was zum „Verbeißen“ und bestellte noch manche Lage, ehe man aufbrach.

 

 

Seite 4   Kulturelle Nachrichten

„Die Barrings“ auf der Leinwand.

Einer der bekanntesten deutschen Familienromane wird jetzt verfilmt: „Die Barrings“ von Simson. Die Schilderung von Niedergang eines ostpreußischen Gutes, hervorgerufen durch die Verschwendungssucht einer Frau, wird damit auf der Leinwand zum Leben erweckt. Die Roxy-Filmgesellschaft (München) hat soeben in Göttingen die Atelierarbeiten aufgenommen. Die Außenaufnahmen sollen in Kürze im Raume der Reiterstadt Verden folgen. U. a. werden Pferdekoppeln mit bis zu 50 Warmblütern für die Dreharbeiten benötigt. Die Trakehner unserer ostpreußischen Heimat können leider nicht als vierbeinige Akteure bei diesem Film mitwirken. Nach dem Verlust Trakehnens im Jahre 1945 ist Hannover heute das größte geschlossene Pferdehochzuchtgebiet des Kontinents. Verden, die über tausendjährige Reiterstadt an der Aller, gilt als Metropole dieses Raumes. Hier erhoffen die Filmleute der Roxy-GmbH die benötigten Pferdekoppeln in der gewünschten Größe zu finden. Wo die Dreharbeiten genau abrollen, steht noch nicht endgültig fest. In die engere Wahl kommen die an der Weser gelegenen Marschweiden des pferdezüchtenden Verdener Landrats Ratje Niebuhr in Nedddernhude (Kreis Verden) sowie Koppeln bei Dorfmark (Kreis Fallingbostel) und Kl. Häuslingen (Kreis Fallingbostel). In diesem Gebiet wurde vor zwei Jahren auch der Film „Meines Vaters Pferde“ nach dem gleichnamigen Roman von Clemens Laar größtenteils fertiggestellt. Die Außenaufnahmen für „Die Barrings“, einen Schwarz-Weiß-Film, sollen im September anlaufen. Unter den Darstellern sind bekannte Namen des deutschen Films: Dieter Borsche (Fried Barring), Nadja Tiller, Sonja Sutter und u. a. Lil Dagover. L. B.

 

 

Kant-Porträt wiedergefunden

Das berühmte Porträt des Königsberger Philosophen Immanuel Kant von Döpner aus dem Jahre 1791, das seit 1934 verschwunden war, ist nach einer Mitteilung des Göttinger Arbeitskreises ostdeutscher Wissenschaftler kürzlich wieder aufgetaucht und inzwischen sichergestellt worden. Das Porträt gehörte der Königsberger Johannis-Loge. Vor einigen Wochen wurde es von amerikanischer Seite der Bayrischen Staatsgemäldesammlung zum Kauf angeboten. Nachdem der Göttinger Arbeitskreis und die Gesellschaft der Freunde Kants (jetzt Göttingen, früher Königsberg) davon Kenntnis erhalten und die 1947 in Berlin restituierte Königsberger Loge informiert hatten, machte die Loge ihr Eigentumsrecht auf das Porträt geltend und erwirkte eine einstweilige richterliche Verfügung, durch die das Gemälde in München zunächst sichergestellt worden ist.

 

 

David Luschnat. Zum 60. Geburtstag am 13. September 1955.

David Luschnat entstammt dem evangelischen Pfarrhause zu Insterburg, dem auch der Nibelungen-Jordan entstammte. In seiner Lyrik verrät er deutlich den Einfluss dieser Geburt und Erziehung. Er ist ein Künstler von ausgesprochener Physiognomie und ein Charakterkopf. Seine modern-religiöse, philosophische Gedanken- und Reflexionsdichtung, grüblerisch ringend, wuchtig und gehaltvoll, spiegelt in den mannigfachen Variationen die alte Tragik wider von den alten Gegensätzen zwischen Geist und Materie, von Seele und Leib und die Probleme von Leben, Tod und Unsterblichkeit, Seelenräusche und Hingerissenheiten von der Welt der ewigen Wandlungen und Wiedergeburt zur Befreiung von Todesangst und Grauen, schöne Gedanken über das Thema „Tod wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“, alles getragen von gläubiger Inbrunst, Selbstgewissheit, rauschen an dem Leser vorüber. Der stark symbolische Geist und Charakter der Kunst David Luschnats und ihr gleichnisweises Wesen, wie es besonders in dem Buche „Abenteuer um Gott“ in den Gleichnisreden von der Unwirklichkeit des Staates, die der Dichter ebenso nachdrücklich wie die Unwirklichkeit des Todes verkündigt, die lehrreichen Ziele des Dichters finden ihr Gegengewicht in der phantasiereichen, lebendigen Bildersprache und der sinnlichen Anschaulichkeit, im Rhythmus und der Melodie der Sprache, in der ganzen formalen Gestaltung. Die lyrischen Bände Luschnats sind betitelt „Kristall der Ewigkeit“, „Die Sonette der Ewigkeit“, „Aufbruch der Seele“ und „Sonette von Weg und Sinn“.

 

“Die Reise nach Insterburg“ nennt Luschnat sein kleines Erinnerungsbuch. Ein erlebnisoffener, klaräugiger und warmblütiger Mensch legt hier über Eindrücke und Erfahrungen Rechenschaft ab. Vom Willen zur Sachlichkeit diktiert, kann er doch seinen Hang zu lyrischer Subjektivität nicht verleugnen.

 

Luschnat lebt jetzt in einem Orte im Südosten Frankreichs. Paul Wittko

 

 

Seite 4   Duisburger Festspiele 1955 Stadt Duisburg.

„Das Duisburger Festspiel 1955“ herausgegeben vom Amt f. Wirtschaftsförderung und Stadtwerbung.

 

In einer vorzüglich ausgestatteten, auf Kunstdruckpapier gedruckten und mit vielen Fotos versehenen Broschüre legt die Stadt Duisburg noch einmal dar, aus welchen Motiven sie den Auftrag zu einem Festspiel anlässlich der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg an den Dramatiker Hans Rehberg erteilte, nämlich „der Würde des Jubiläumstages, der dramatischen Literatur und dem darstellenden Theater auf gute Weise zu dienen“. Wir, die wir haben dabei sein dürfen, können der Stadt Duisburg bestätigen, dass das edle Vorhaben voll und ganz erreicht worden ist, wenn auch über das Stück selbst die Kritik geteilter Meinung ist und Rehberg zweifellos besser daran getan hätte, anstatt von der reinen Legende der Gründung Königsbergs durch Ottokar, von dem bestimmt dramatisch noch viel effektvolleren Zusammengehen von Orden und lübischer Hanse auszugehen.

 

Für uns Heimatvertriebene aber ist es beglückend zu sehen, dass im gewissen Sinne auch wir die Gebenden waren, als diese 700-Jahrfeier vielen Duisburgern durch die Mitwirkung an diesem Festspiel ein innerlich bereicherndes Erlebnis wurde.

 

Und dann: Durch dieses Festspiel wurde die Idee geboren, auch in Duisburg ein ständiges Freilichttheater zu schaffen. Ein großer Gewinn für das kulturelle Leben dieser so lebendigen Stadt.

 

Dazu eine Anregung: Vielleicht entschließt man sich als Königsbergs Patenstadt, Stücke von ostdeutschen Autoren und Autorennachwuchs auf diese Bühne zu stellen. Wir kommen noch einmal ausführlich auf diese Anregung zurück. H. S.

 

 

Prof. Riebensahm und Prof. Espe.

Professor Dr.-lng. Paul Riebensahm vollendet am 7. September 1955 sein 75. Lebensjahr. In Königsberg als Sohn des Kaufmanns Gustav Riebensahm geboren, besuchte er dort das humanistische Gymnasium und studierte an der Berliner Technischen Hochschule. 1904 - 1912 war er Ingenieur bei der Maschinenfabrik Weise und Monski in Halle, bis 1921 war er Direktor der Fahrzeugfabrik in Eisenach. Dann war er Direktor bei der Motorengesellschaft Daimler und wurde 1922 ordentlicher Professor an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg. Jetzt lebt er in Berlin im Ruhestande. Er schrieb u. a. ein Werk über „Werkstoffprüfung“ und gibt die „Härterei-Technischen Mittellungen“ seit 1912 heraus.

 

Professor Dr. Hans Espe begeht am 8. September 1955 in Berlin-Hermsdorf seinen 70. Geburtstag. In Königsberg geboren, studierte er in Königsberg und Paris und wirkte von 1915 als Oberlehrer in Wilhelmshaven-Rüstringen und in Berlin, 1919 bis 1924 als Oberstudiendirektor in Rheinhausen am Niederrhein, 1924 bis 1933 als Landesschulrat in Bückeburg, 1933 bis 1945 als Realgymnasialdirektor in Danzig, 1945/1946 als Direktor des Pädagogischen Instituts in Erfurt, 1946 bis 1948 als Professor für Romanistik an der Universität Jena, 1946 bis 1950 als Kultur Attaché beim französischen Hohen Kommissar in Baden-Baden. Seitdem ist er Direktor des Wissenschaftlichen Landesprüfungsamtes in Berlin. Er schrieb u. a. über „Die Jugend und der neue Staat“, „Der Gedanke der Vereinigten Staaten Europas im deutschen Schrifttum“, über „Frank Thiess“ und über „Die Interjektionen im Altfranzösischen“.

 

 

Seite 5   Agnes Miegel und Ostpreußen

Inge Meidinger-Geise: „Agnes Miegel und Ostpreußen“, Beihefte zum Jahrbuch der Albertus-Universität Königsberg Pr. XI, herausgegeben vom Göttinger Arbeitskreis im Holzner-Verlag, Würzburg, 1955.

Durch vier Jahrhunderte seit ihrer Gründung 1544 war die Albertus-Universität Königsberg Pr. als eine der ältesten deutschen Universitäten eine Forschungsstätte, die in unabreissbarer Generationenfolge jährlich tausende von jungen Menschen aus aller Welt in ihren Bann zog, die ihre wissenschaftlichen Energien nach überallhin ausstrahlte und deren Name aus der Menschheitsgeschichte nicht fortzudenken ist. Männer, die der Welt Einmaliges und Unersetzbares geschenkt haben, haben an ihr gelehrt oder haben an ihr das geistige Rüstzeug empfangen, das sie dazu befähigte. Im Sinne des verstorbenen letzten Kurators der Alma Mater Albertina, Hoffmann, ist der Göttinger Arbeitskreis bemüht, dieses Wirken der ostpreußischen Landesuniversität nicht unterbrechen zu lassen, damit, wenn sie eines Tages wieder zu neuem Leben erwacht, kein Vakuum da ist, sondern organisch da angeknüpft werden kann, wo die Parzen ihren Lebensfaden abgeschnitten haben. Die wissenschaftliche Forschungsarbeit findet nicht nur in den Veröffentlichungen der Professoren und Dozenten ihren Niederschlag, sondern auch in den Dissertationen der Doktoranden der einzelnen Fakultäten. Ihre Drucklegung zu ermöglichen, ist umso zwingender, als gerade die heimatvertriebenen Doktoranden kaum die materiellen Möglichkeiten haben, sie nach der Promotion bewirken zu können. Eine solche Dissertation wird uns nun in Inge Meidinger-Geises „Agnes Miegel und Ostpreußen“ vorgelegt.

 

Es mag dahingestellt bleiben, ob es wissenschaftlich zu verantworten ist, das Lebens- und Wesenselement einer noch lebenden Dichterin zu analysieren. Der Kritiker an dem künstlerischen Wirken einer Zeit ist im höchsten Maße subjektiv, er kann es auch nur sein und - wenn er wirklich ehrlich ist - will er es auch nur sein. Der Wissenschaftler soll und muss aber etwas Allgemeingültiges auszusagen vermögen. Inge Meidinger-Geise weiß um diese Verpflichtung, wenn sie Sinn und Aufgabe ihrer Arbeit selbst dahin umreißt: „Sie bemüht sich nicht um voreilige Resultate, sie will am breiten Werkbeispiel, durch die Dichtung, die Deutung ostpreußischer Wesensart vertiefen. Sie will damit beitragen zum Verständnis dieser Wesensart“.

 

Damit ist die Herausgabe dieser Dissertation allein schon gerechtfertigt. Wenn die Verfasserin auf einen Ausspruch von Agnes Miegel verweist. Ich habe Niederdeutsche, Holländer, Elsässer und Salzburger unter meinen Vorfahren“, dann berührt sie den Kern ostpreußischen Wesens als die Agitation verschiedenster europäischer Elemente zu einer zukunftsträchtigen europäischen Synthese, die vom Preußentum unbewusst vorgeformt worden ist und gleichsam eine Vorlösung auf eine noch zu findend endgültige Gestalt darstellt. Es ist nicht zufällig, dass gerade die Heimatvertriebenen den Europa-Gedanken bejahen, als ein Mit- und Nebeneinander der Völker, nicht aber, wie es Frankreich tut, als Verewigung französischer Vorherrschaft.

 

Aber noch ein zweites ist Rechtfertigung für die Drucklegung dieser Schrift: die Feststellung, dass Wissenschaft Wissenschaft bleibt, auch wenn sie von einer verantwortungslosen Politik missbraucht worden ist. Das Schlagwort von „Blut und Boden“ ändert nichts an der Wissenschaftlichkeit jener literaturwissenschaftlichen Forschungsmethode, die den Dichter und sein Werk aus den Lebens- und Wesenselementen seines Volkes und seines Raumes zu begreifen versucht, wie es in einmaliger und unvergleichlicher Weise Josef Nadler „in seiner“ Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften getan hat. Wer in Ablehnung des oben zitierten Schlagwortes auch, wie Inge Meidinger-Geises es ausdrückt, äußerste Vorsicht gegenüber einer solchen wissenschaftlichen Forschungsmethode walten lässt, verstößt gegen das Ur- und Grundgesetz jeder wissenschaftlichen Arbeit, der Freiheit der wissenschaftlichen Forschung an sich.

 

Mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und Exaktheit wird das Werk Agnes Miegels, das, worauf die Verfasserin hinweist, als „charakteristische Seltenheit“ keinen Roman enthält, untersucht, dem Urgrund und den Quellen seiner Wesens- und Stilelemente nachgeforscht, so dass sich ein plastisches Bild dieser dichterischen Kraft enthüllt, das von „zwei auffällig ostdeutschen Wesensmerkmalen“ getragen ist: „Liebe zum dunkel Geheimnisvollen und gelassene Heiterkeit“. Die Arbeit Inge Meidinger-Geises ist ein wichtiger Baustein am Dom der Kenntnis und Erkenntnis Ostpreußens und seiner geistigen und seelischen Kräfte. Herbert Schlobies

 

 

Seite 5   Ostdeutsche Biographien

Götz von Selle: „Ostdeutsche Biographien“. 365 Lebensläufe in Kurzdarstellungen, herausgegeben vom Göttinger Arbeitskreis im Holzner-Verlag, Würzburg, 1955. 11,80 DM.

 

Im Kampf um unsere ostdeutsche Heimat ist es wichtig, der ganzen Welt den ungeheuren Reichtum gerade auch an geistigen und seelischen Werten immer wieder ins Gedächtnis zurückzurufen, den Sie zu allen Zeiten geschenkt und weitergegeben hat. Man braucht ja nur die Namen Kopernikus, Kant, Hamann und Herder anzuführen. Es ist daher ein besonderes Verdienst des Göttinger Arbeitskreises, Götz von Selles Bemühen gefördert zu haben, gleichsam in einem kurzgefassten Kompendium eine gestraffte Übersicht aller Namen zu geben, die unauslöslich verknüpft sind mit unserer Menschheitsgeschichte, Namen von Männern und Frauen, die sich um die Weiterentwicklung auf künstlerischem, wissenschaftlichem, wirtschaftlichem und technischem Gebiet eingesetzt haben. Wenn heute unsere ostdeutsche Heimat in jeder Beziehung brach liegt, dann ist das schon im Hinblick auf den Fortbestand Europas nicht zu verantworten, dass diese Quelle an geistigen und seelischen Energien durch die Austreibung des Elements, das allein oder wenigstens vorwiegend sie zum Sprudeln zu bringen vermag, verschüttet worden ist. Man sollte diese „Ostdeutschen Biographien“ in alle möglichen Sprachen übersetzen und sie allen verantwortlichen Politikern und Diplomaten in die Hand drücken, damit sie erkennen, dass gerade auch im Interesse einer geistigen und seelischen Fortentwicklung Europas und der übrigen Welt das Wiederdeutschwerden unserer ostdeutschen , Heimat eine zwingende und dringende Notwendigkeit ist.

 

Man wird es weiterhin begrüßen, wenn Götz von Selle und der Göttinger Arbeitskreis sich entschließen könnten, dieses Werk noch weiter auszubauen. Dabei ist es ein glücklicher Gedanke gewesen, ihm die Form eines Kalendariums zu geben. Presse und Rundfunk als wichtige Vermittler allen Wissenswertens ist damit ein wertvolles Nachschlagewerk in die Hand gedrückt. Aber auch alle, die für die Kulturarbeit der Landsmannschaften, besonders auf örtlicher Ebene verantwortlich sind, haben in diesem Buch eine ausgezeichnete Gedächtnisstütze.

 

 

Seite 5   „Land ohne Frieden“

Harald von Koenigswald „Land ohne Frieden, Potsdam 1945 – 1955“, Georg Büchner-Verlag, Darmstadt.

 

Zehn Jahre Austreibung. Zehn Jahre ohne Frieden — lediglich der Kriegszustand ist nach den verschiedensten Deklarationen beendet worden. In dem Hasten und Jagen unserer Tage, wem wird es noch so recht bewusst? Vielleicht den deutschen Volksgenossen hinter dem Eisernen Vorhang, den vielen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten, den „Kriegsverbrechern“, die im fernen Sibirien und an der Nordmeerküste ein qualvolles Dasein führen. Uns Menschen in der Bundesrepublik scheint es oft eine Angelegenheit, die viele nur noch am Rande berührt und von der sie oft auch gar nichts mehr wissen wollen, weil ihr oft zu auffälliges Wohlleben dann plötzlich zu einem unbequemen und unangenehmen Nachdenken Anlass gibt. Darum ist jedes Werk notwendig, das uns vor Augen führt, dass wir alle, auch diejenigen, die es heute schon längst vergessen haben, 1945 vor dem totalen Nichts standen, ja, dass auch die sogenannten „Einheimischen“, die nichts verloren hatten, in der Gefahr schwebten, unbarmherzig ausgerottet zu werden, wenn es allem nach Roosevelt und Stalin gegangen wäre. Zu den Werken, die gerade auch dies letztere Moment sehr klar und eindeutig unterstreichen, gehört das vom Verlag Georg Buchner besorgte und herausgegebene Werk von Harald von Koenigswald. Land ohne Frieden - Potsdam 1945 – 1955“. Darum sei auch an dieser Stelle Dank gesagt allen, die dies Werk ermöglicht und gefördert haben.

 

Harald von Koenigswald hat in diesem Werk die bekanntesten Autoren der einzelnen ostdeutschen Stämme und Landschaften zu Worte kommen lassen, um dem Leser diese einzelnen ostdeutschen Landschaften, ihr Wesen und das ihrer Menschen ihre geschichtliche Sendung und ihre kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung vor Augen zu führen, und er hat in diese Bekenntnisse des Erhabenen, des Schönen, des Tragischen und Leidvollen hineingestellt jenes Kapitel aus Churchills Memoiren, das sich mit Teheran, Yalta und Potsdam befasst, dieses vielleicht traurigste Kapitel in der Geschichte des Abendlandes, das in erschütternder Weise offenbart, wie die ganze Welt nur noch aus Hass und Rachegelüste und Vergeltungswahnsinn bestand und darüber die primitivsten Regeln der Vernunft außer Acht ließ.

 

Es ist in jüngster Zeit viel Aufhebens gewesen um eine Enthüllung, nach der in Teheran Trinksprüche darauf ausgebracht worden sind, dass bei einem siegreichen Ende 50 000 deutsche Generalstabsoffiziere „liquidiert“ werden sollten, um den Deutschen jede Möglichkeit eines Revanchekrieges zu nehmen. Als Churchill darüber empört gewesen sei, habe Roosevelt „gescherzt“, nicht 50 000, sondern nur 49 000. Da sei er, Churchill, hinausgegangen, schließlich sei ihm Stalin gefolgt und habe ihm „in gewinnendster" Weise zu verstehen gegeben, dass er nie daran gedacht hätte. Nun, heute weiß Churchill, dass auch darin Stalin ihn geblufft hat; der Tagesbefehl der sowjetischen Armee, nach der der russische Soldat keine Gnade kennt, wird ihn belehrt haben, dass es damals Stalin durchaus sehr ernst damit gewesen, wie es bitterer Ernst wurde mit dem entsetzlich qualvollen Schicksal der Millionen wehrloser Frauen. Mädchen, Kinder und Greise, die unter den unvorstellbarsten Martern zu Tode geschändet wurden. Wenn wir Heimatvertriebenen, deren nächste Angehörige davon betroffen wurden, in unserer „Charta der Heimatvertriebenen“ jedem Rache- und Revanchegedanken abgeschworen haben, so wollen wir doch in unserem Herzen diesen unschuldigen Opfern ein ewiges Mahnmal errichten und immer wieder der Welt vor Augen halten, dass aus Hass und Unrecht nie Segen erwächst.

 

Gerade für unsere Politik gegenüber der Sowjetunion ist es wichtig, dass Churchill feststellt, dass auch Stalin von der „Vorläufigkeit“ des Problems der Behandlung Deutschlands überzeugt gewesen ist und dass man stets von einem Deutschland des Jahres 1937 ausgegangen sei. Man kann auch nicht oft und laut genug betonen, dass Stalin gesagt habe „er wolle keine polnische Bevölkerung und verzichte gern auf Distrikte, die von Polen bewohnt seien“.

 

England und Amerika wünschten sich ein großes, starkes und unabhängiges Polen, aber sie sind selbst daran schuld, dass sie nicht den Hintersinn begriffen haben, der in Stalins Worten lag „Polen wird in der Tat ein großer Industriestaat werden“. Selbst Churchill hat in Verblendung — und hier erscheint er keineswegs als der große Diplomat, als der er immer hingestellt wird — das noch bekräftigt .Und ein mit Russland befreundeter“. Ein so mit Russland befreundeter, dass derselbe Churchill seine eigene politische Dummheit von Yalta mit den Worten eingestehen muss, „dass Sowjetrussland zu einer tödlichen Gefahr für die freie Welt geworden war, dass seinem Gewaltvormarsch unverzüglich eine Front entgegengestellt werden musste, dass diese Front so weit im Osten Europas zu errichten war, wie möglich“.

 

Willy Kramp, Agnes Miegel, R. G. Binding, Paul Fechter, August Winnig, Eugen Kalkschmidt, Ernst Wiechert, Walter von Samden, Konrad Weiß, Reinhold Schneider entfalten den ganzen Reichtum der ostpreußischen Landschaft und der ostpreußischen Seele vor uns. Herbert Schlobies

 

 

Seite 5   „Kritische Blätter“

Eine neue literarische Zeitschrift mit dem Titel „Kritische Blätter. Zur Literatur der Gegenwart“ erscheint ab 1. Oktober dieses Jahres im Bertelsmann Verlag, wie der Cheflektor des Verlages, Dr. Wolfgang Strauß, bekanntgab. Die Schriftleitung besorgt Dr. Rudolf Hartung. Das Blatt soll monatlich erscheinen und wird Rezensionen wesentlicher Bücher der schöngeistigen Literatur und Kritiken geisteswissenschaftlicher Neuerscheinungen bringen. Die Zeitschrift, deren Preis niedrig gehalten werden soll, wird neben dem normalen Verkauf auch den „Neuen Deutschen Heften“ des Bertelsmann Verlages beigefügt.

 

 

Goldmanns Taschenbücher

Die Taschenbücher spielen heute Im Buchhandel eine große Rolle. „Goldmanns Gelbe Taschenbücher“ sind dabei eine der interessantesten Reihen, denn neben moderner Literatur finden wir da auch Wichtiges aus der Vergangenheit. Jedermann kann hier für den niedrigen Preis von 1,90 DM Bücher von bleibendem Wert kaufen. Die neuesten Bände sind:

 

Ernst Schäfer, Das Fest der weißen Schleier.

Ernst Schäfer, über den Himalaja ins Land der Götter. Der Verfasser war Leiter der letzten deutschen Tibet-Expedition von 1938/1939. Er dürfte überhaupt einer der letzten Europäer gewesen sein, die das alte klassische Tibet erlebten. Im „Fest der weißen Schleier“ berichtet er vor allem von seinem Aufenthalt in Lhasa, der heiligen Stadt Tibets.

 

Albert Gervais, Malven auf weißer Seide.

Dies ist der zarte und anmutige Liebesroman einer schönen jungen Chinesin mit dem reizvollen Namen „Blütenhauch“. Der französische Arzt Gervais ist besonders durch sein Buch „Ein Arzt erlebt China“ bekannt geworden, und die deutschen Ausgaben seiner Bücher haben bereits 230 000 Auflage erreicht.

 

Alice Berend, Die Bräutigame der Babette Bomberlins.

Das berühmteste Buch der großen Humoristin und Erzählerin, die so treffend die deutsche Bürgerlichkeit um und nach der Jahrhundertwende zeichnete. Es ist ein Roman voll Lebensweisheit und feiner Ironie. Der Leser wird sich köstlich damit unterhalten, wie eine „Fabrikantengattin“ ihre Tochter standesgemäß verheiraten will. Übrigens wird dieser reizende Roman jetzt verfilmt.

 

Albéric Cahuet, Der Husar des Kaisers.

Ein Roman vom Leben und der Liebe eines Rebellen, des napoleonischen Obersten Pontcarral. Das Buch wurde bereits in verschiedene Sprachen übersetzt und hat auch als Film einen großen Erfolg gehabt.

 

Betty MacDonald, Einmal scheint die Sonne wieder.

Den humorvollen Roman „Das Ei und ich“ kennen die meisten Menschen. Hier ist das zweite Buch der berühmten Verfasserin. Es ist wieder ein heiterer Roman, in dem wir Betty voll robusten Misstrauens in einem Genesungsheim finden. Für sie gilt aber der Satz: „Einmal scheint die Sonne wieder!“

 

Fjodor Dostojewski. Russische Liebesgeschichten.

Drei der berühmtesten Erzählungen Dostojewskis sind hier vereinigt. Seelische Abgründigkeit, lyrische Zartheit liegen dicht neben fast groteskem Humor. Die Geschichten heißen: „Dis Sanfte“, „Die weißen Nächte“ und „Eine fremde Frau und der Mann unter dem Bett“.

 

Anton Tschechow, Heitere Erzählungen.

Hier finden wir den großen Meister der Novelle und den Schöpfer der modernen Form der „short story“. Der geniale Übersetzer Johannes von Keiten voll Witz und Satire zusammengestellt.

 

 

Seite 5   Holzner-Verlag Würzburg

Rhode: Die Ostgebiete des Deutschen Reiches 14,70 DM

 

Breyer: Das Deutsche Reich und Polen. 14,70 DM

 

Gause: Deutsch-slavische Schicksalsgemeinschaft (Abriss einer Geschichte Ostdeutschlands und seiner Nachbarländer). 12,80 DM

 

Götz von Selle: Ostdeutsche Biographien. 11,80 DM

 

Sammlungen: Schriftreihen des Göttinger Arbeitskreises über alle Lebensgebiete des deutschen Ostens, bisher erschienen 55 Titel im Preise von 80 Pf. Bis 1,80 DM

 

Deutsche Baukunst im Osten (Bildbände)

 

Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg i. Preußen bisher erschienen die Jahresbände 1 – 6. Beihefte zum Jahrbuch der Albertus-Universität bisher erschienen Band I – XIII der „Beihefte“

 

Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, Band I. 1955. 9,00 DM

 

 

Romane:

G. Papendick: Die Kantherkinder. Roman der Stadt Königsberg. 10,80 DM

 

Ruth Geede: Die Pflugschar (Ostpreußische Bauerngeschichten). 4,80 DM

 

Herbert von Böckmann: Pepita (Die Geschichte eines Trakehner Pferdes). 4,80 DM

 

 

Seite 6   Paul Fechter / Der Elbinger Meister. Der Dichter, Chronist, Kritiker und Rezensent wird 75 Jahre alt.

Dr. Paul Fechter begeht am 14. September 1955, seinen 75. Geburtstag in Berlin-Lichtenrade. Unter den Schreibenden der Gegenwart nimmt er eine Sonderstellung ein insofern, als er immer mit dem Leben Hand in Hand ging, den vollen Lebensgehalt des Tages auszuschöpfen weiß als einer der seit Jahrzehnten maßgeblichsten Wegbereiter auf dem Gebiet der Kunst- und Theaterbetrachtung. Er hat über den Expressionismus, über die Tragödie der Architektur nach dem ersten Weltkriege, über Pechstein, Barlach, Wedekind, Hauptmann, Agnes Miegel, Hamsun, Shaw, Möller, van den Bruck, mit dem er befreundet war, aufschlussreiche Schriften veröffentlicht. Über die deutsche Dichtung um 1930 hat er einen kurzen aufklärenden Überblick gegeben, dann aber in den umfassenden Werken, „Dichtung der Deutschen“ und Literaturgeschichte des deutschen Volkes“ kulturwertende Bücher ersten Ranges geschaffen in volkstümlich einleuchtender Form. Sehr fesselnd sind seine zwei Bände Begegnungen aus zwei Jahrzehnten mit Sterblichen und Unsterblichen. Besonders der erste Band. „Menschen und Zeiten“ erfreut sich seit mehreren Jahren großer Beliebtheit. Es sind überaus freundliche Plaudereien voll Humors und mehr oder minder fröhlichen, freien Federheldentumes. „Die große Zeit des deutschen Theaters“ hat er miterlebt, zuverlässig gewertet und geprüft. War er doch einer der führenden Berliner Theaterrezensenten. Durchwebt von anmutigen Gedanken und Gefühlen in gefälliger Form, sind alle diese Bücher, wertvoll die Stärke der Gesinnung und der ethische Gehalt.

 

Die lebhafte Phantasie des Romanschriftstellers Fechter schafft mit Leichtigkeit Handlungen von stofflicher Spannung, die flott gestaltet werden. Scharfe Lichter seiner Charakterisierungskunst verleihen ihnen Anschauungsfülle. Es finden sich in seinen Romanen alle Vorzüge erlauchter Kleinkunst, dazu die erquickende Lebenslaune und gemüthafte Wärme eines Sorgenbrechers, eines auf Humor, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung bedachten, scharfblickenden Lebensbetrachters, der seelisches Unbefriedigt sein auch in schwerer Zeit ablehnt. Er hat in seinen Romanen „Die Kletterstange“ und „Der Ruck im Fahrstuhl“ die Inflationszeit launig geschildert und in einem anderen Roman die „Rückkehr zur Natur“, d. h. zum Natürlichen, zu seelischer Gesundung gepriesen. „Das wartende Land“ ist die Geschichte eines Jungen aus dem Handwerkerstand, prächtig in der Schilderung sommerlicher ostdeutscher Landschaft und besonders wohltuend in der Erfassung überwallender seelischer Empfindungen, dazu mit dem tiefen Humor gereifter Weisheit. Zu seinen liebenswürdigsten Büchern gehört „Der Herr Ober“, wohl die erste und einzige literarische Ehrenrettung zugunsten eines ebenso undankbaren wie dankenswerten, ebenso mühevollen wie misslichen Berufes. Dieser Herr Ober in einem vornehmen Berliner Weinrestaurant ist ein Mensch von zarter Gefühlsamkeit, schöner Menschlichkeit und Menschenkunde, der ratschlagende Vertraute seiner besten, wohlsituierten Stammgäste, wird selbst aber trotz vorgerückter Jahre als Ehemann in einen fragwürdigen Liebeshandel verstrickt, aus dem er nur mit Not und mit einem blauen Auge sich herauswindet. Hier erfreut besonders Fechters Erfahrenheit in Herz und Welt, hier zeigt sich Fechter wohl am Glücklichsten, als über seinen Stoff erhabener Schöpfer stiller Menschen und stiller Schicksale, freudig aus dem Reichtum seines Herzens seine Gabe darreichend. Sehr hübsch ist auch „Die Fahrt nach der Ahnfrau“, auf der der Held auf verzwicktem Wege die Eheliebste findet.

 

Die Hamburger Theaterfreunde erinnern sich gewiss noch des großen Erfolges Fechters bei der Uraufführung seiner köstlichen Komödie „Der Zauberer Gottes“ im Haus der Jugend in Altona. Fechter erschien da wirklich als ein Fechter, er focht da für ein freies, naturhaftes Christentum, gegen orthodoxe Dogmatik. Sein Zauberer Gottes ist ein noch halb heidnischer evangelischer Pfarrer im Masurischen, ein Mann voller starker und klarer reformatorischer Gedanken über religiöse Lebensanschauungen, doch freilich von arg beschränkten wissenschaftlichen Kenntnissen. Dieser Pfarrer Pogarzelski hat tatsächlich im 18 Jahrhundert in einem Dorfe des Kreises Angerburg sechs Jahrzehnte hindurch segensreich gewirkt und ist, im Gegensatz zu Fechters Darstellung, unangefochten gestorben.

 

Schließlich hat Fechter auch die sehr verdienstvollen Bücher „Norddeutsche Backsteingotik“, „Zwischen Haff und Weichsel“ und das reich bebilderte Buch „Deutscher Osten“ geschaffen.

 

Dr. Fechter kann an seinem 75. Geburtstage auf ein meist wohl in Heiterkeit und Anmut zugebrachtes überaus reiches Lebenswerk zurückblicken, das als weit über den Tag hinaus fruchtbar und ergötzlich sich erweist. Paul Wittko

 

 

Seite 6   Martin Borrmann zum 60. Geburtstag, am 10. September 1955

Die Sehnsucht, nach dem, was hinter dem Alltag liegt, ist früh in Martin Borrmann, dem sensiblen Ostpreußen, gewesen, Dramen umflatterten den Sekundaner und Primaner des Friedrichs-Kollegium zu Königsberg, das er von Rössel, seiner Vaterstadt, aus besuchte. Doch das Verlangen nach einem Beruf drängte, nach dem Studium in Königsberg, Berlin, Bonn und München, zur Schauspielkunst und Musik. Ein seltsames Instrument wollte er bauen: Klavier, Harmonium und Orgel vereinend, mit dem er in erträumten Konzerten Tausende zu entzücken hoffte. Doch Träume zerflattern im Lebenswind. Statt Musik, hörte er einige Semester Medizin. Aber auch sie sollte nicht eine dauernde Station sein. Unter ruhig scheinender Oberfläche flackerte die alte Sehnsucht. Novellen entstanden, „Venus mit dem Orgelspieler“ und „Die Misshandlung“, in der Glut der Jungmannsjahre geformt. Bilder ferner und fremder Länder stellten sich unvermutet vor ihm ein. 1923 bildete sich erstmalig die Idee: Reisen, Südsee! Und in kurzen Monaten wurde die Idee Wirklichkeit. Unterstützt von der „Frankfurter Zeitung“ konnte Borrmann seine langersehnte Südseereise antreten. Ihren geistigen Niederschlag fand diese Reise in seinem Buch „Sunda", einer groß angelegten künstlerischen Landschafts- und Reisebeschreibung, einem Werke, das in seiner farbigen Vielgestaltigkeit, seiner Reife und elementaren Erlebniskraft Befriedigung ihm gab.

 

Gerundet durch das Schauen und Erleben von vielfacher Fremdheit ward der Zarte ein Starker. — In Königsberg wurde er Dramaturg am Neuen Schauspielhause. Er freute sich über seine Heimkehr. Denn das Beste vom Reisen ist doch sie, die Rückkehr zur Heimat, für Jeden Ostpreußen! Aber die Heimat wurde ihm entrissen! Nun schrieb er aus treuer Anhänglichkeit an die Heimat das Buch „Ostpreußen“. Er lebt nun in Berlin-Wilmersdorf. Paul Wittko

 

 

Seite 6   Eine Brücke zum deutschen Osten. H. O. Holzner-Verlag, Würzburg.

An den Ergebnissen des letzten Krieges können wir vor der Hand nichts ändern. Wir können nur im Bewusstsein unseres Volkes lebendig halten, was heute aus seinem täglich greifbaren Leben ausgeschlossen ist. Die gegenwärtige Grenze im Osten ist eine politische Realität, sie darf aber nie zu einer nationalen Gegebenheit werden. Nicht um die Pflege sentimentaler Erinnerungen geht es, sondern darum, dass unser Volk seine einzigartige Mittlerstellung zwischen Ost und West, zwischen romanisch-germanischem Wesen einerseits und slawischem Wesen andererseits nicht für alle Zukunft verliert, weil es seine Fähigkeiten atrophierte und das Erbe an Erfahrung und Leistung verkommen ließ; vielleicht wissen Ost wie West die Mittlerfähigkeiten noch einmal zu schätzen und zu danken. Der seelisch-geistige Reichtum des deutschen Ostens muss  fruchtbar gemacht werden, es gilt zu verhindern, dass alle aus Landschaft und Völkerbegegnung im Osten entwickelten Möglichkeiten deutscher Art abhandenkommen, und damit das deutsche Volk eine Verarmung erleidet, die allen derzeitigen materiellen Verlust weit übersteigen würde.

 

Grundlegende Arbeit in solchem Sinne leistet seit Jahren das kürzlich in Würzburg ansässig gewordene Verlagshaus Holzner. An der Ostgrenze, in Tilsit, wurde dieser Verlag 1926 gegründet, übernahm später das Erbe des Hauses Plates in Riga und fand zeitweilig neue Heimat in Kitzingen. Was die bereits sehr umfangreich gewordene Arbeit dieses Verlagshauses auszeichnet, ist eine große Konzeption der Aufgaben: Es gilt nicht die Pflege partikulärer Traditionen um ihres mehr oder minder bedeutenden Eigenwertes willen, sondern eine Zusammenschau dieser Vielfalt im Rahmen umfassender Wesensdeutung und Wertbewahrung des gesamten Raumes germanisch-slawischer Begegnung in ihrer Auseinandersetzung, Verflechtung und gegenseitiger Befruchtung. Die Bedeutsamkeit solchen Unternehmens hat Holzner zum Verleger der führenden Vereinigungen ehemals ostdeutscher Wissenschaftler gemacht, des „Göttinger Arbeitskreises“ und des Marburger „Herder-Instituts“, vor allem mit umfangreichen Schriftenreihen zu Einzelfragen der politischen und kulturellen Geschichte des deutschen Ostens. Daneben stehen Nachschlagewerke, Bildbände, Monographien ostdeutscher Städte, neuerdings in abermaliger Erweiterung des Verlagsschaffens auch Belletristik aus der Feder ostdeutscher Autoren. Die Tatsache, dass H. O. Holzner selbst gar nicht aus dem Osten stammt, unterstreicht seine Überzeugung, dass die Auseinandersetzung mit dem ostdeutschen Erbe und seine Auswertung nicht achselzuckend den „erinnerungssüchtigen“ Ostdeutschen überlassen werden darf, sondern bewusste Aufgabe des ganzen deutschen Volkes sein muss. Nicht auf Erweckung nationalistischer Wunschträume kann eine derartige Absicht zielen, sondern auf Erschließung gründlichen, auf sachlicher Kenntnis beruhenden Verständnisses für das eigene wie fremde Volkstum. Erst aus Kenntnis und Würdigung fremder Eigenart klärt sich der Blick für das eigene Wesen, und nur aus solcher Klarheit ist eine feste Position ohne chauvinistische Verengung und ohne haltlose Unterwürfigkeit zu gewinnen; jene feste Gesinnungsmitte, die wir unserem Volke wünschen. Hans Mark

 

 

Seite 6   Foto: Walter Schettler

 

 

Seite 6   Walter von der Laak / Zum 75. Geburtstag des Heimatdichters.

Das Sich-behaupten-wollen, das sich durchsetzen, das optimistische Ja zum Leben, diese ostpreußischen Charakter- und Wesenszüge sind so recht im unserem Königsberger Heimat dichter Walter Scheffler verkörpert, der am 15. September 1955 in vollster Arbeits- und Schaffenskraft seinen 75. Geburtstag in der Hohnerkampsiedlung bei Hamburg begehen kann. Das Schöne zu sehen, in einer Umwelt die man als „finster“ bezeichnen möchte im landläufiger Sinne, lernt der Junge offenbar in einem Elternhaus, das trotz aller Ärmlichkeit eine schöne, sonnige Jugend voll Harmonie bereitet. Es lehrt ihn auch, sein bitteres Schicksal zu meistern, das ihn nach einem Sturz beim Schlittschuhlaufen zu völliger Taubheit und Genickstarre verurteilt. Er, der Lehrer werden sollte, wird Buchbinder, um einen eigenen wenn auch kärglichen Verdienst zu haben, aber seine Mission, seinen Mitmenschen von der Schönheit und der Geschichte seiner Vaterstadt Königsberg zu künden, wird ihm immer mehr offenbar. Es treibt ihn zur Feder zu greifen und die ganze Fülle dessen, was seine Sprache an Ausdrucksmöglichkeiten für das Heimaterleben hat, vor uns auszubreiten.

 

Ihm geht es nicht um die äußere Anerkennung, die er mit 44 Jahren erlangt hat und die es ihm gestattet, sich ganz seiner literarischen Lebensaufgabe widmen zu können, es geht ihm immer wieder darum, alle Bezirke dieses Königsbergs in der Umfassenheit ihrer geistig seelischen Bereiche zu durchmessen und auszuschreiten. Er erlebt und begreift das historische Wachsen dieses aus drei zuerst selbständigen Gemeinwesen bestehenden Landeszentrums von der Deutschordenszeit her über Kant bis in die jüngste Gegenwart, wenn er in seinem Gedicht „Fischbrücke“ aussagt:

 

„Wie hart hier die Welten aneinanderstoßen

Verträumt vom Domplatz gehst Du wenig Schritte

da stehst Du aufgeschreckt in Alltags Mitte,

und Dich umhallt des lauten Marktes Tosen“.

 

Wir brauchen nur den im Kant-Jahr 1924 vom Verlag Gräfe und Unzer herausgebrachten Band „Mein Königsberg, Spaziergänge in Sonetten und Liedern“ zur Hand zu nehmen, um reich beschenkt zu werden durch die Zucht und Ausgefeiltheit der Sprache, die Strenge und Rhythmik, die je nach dem Inhalt wechselt, und die immer wieder neue Schau des geliebten Sujets. Wie weich und zart — man wird an Möricke und Lenau erinnert — klingt es in der Sonette „Schöner Abend in der Stadt“:

 

„Schöner Abend kommt vom Osten her,

will hinüber nach dem nahen Meer,

wo er seine schönsten Wolken hat;

wird im Schweben seine blauen, breiten,

weichen, wiesenduft'gen Flügel spreiten,

wohlig schläfernd über Strom und Stadt“.

 

Anders dagegen, gleichsam das Wesen dieser Deutschordensritterstadt offenbarend, das straffe Skandieren in „Im Schloßhof“:

 

„Breithin zu Füßen der trutzenden Hügelburgwehre,

schimmernde Arme gen Osten und Westen gespannt,

bietend und bergend die Schätze der Fluren und Meere,

steht meine Stadt deutsche Ostwacht vor Wäldern und Strand“.

 

Die geistige und sittliche Sendung Königsberg durch Kant lässt diese Strophe in dem Gedicht „Kants Tod“ entstehen:

 

„Sein Denken weltenwirkend weiterschwang

Er war ihr Sohn, durch ihn aus ihren Mauern

ein neuer Wille in die Menschheit drang“.

 

So erleben wir in Schefflers Werk unser Königsberg in historischer Schau wie im Gegenwärtigen, vor 1939. Wie wandelbar und vielfältig ist das Antlitz dieser Stadt, wenn man im Winter durch ihre Straßen pilgert oder im April, an einem Pfingstabend oder in einer Sommernacht, wie vielgesichtig ist diese Stadt am Hafen, ihrem Herzen und Lebensnerv, im Blutgericht oder in den vielen stillen Gassen, am Schlossteich oder an der Steindammer Kirche und am Dom.

 

Indem wir dem Verlag Gräfe und Unzer Dank sagen für die Neuauflage des Büchleins „Mein Königsberg“ anlässlich der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg und des 75. Geburtstags „Walter von der Laak“, das mit sehr viel Liebe und Achtung vor dem Dichter ausgestattet ist, soll den Beschluss machen das Gedicht „Sommerabend am Schloss“:

 

„Die Dämmerung schleicht sich in das Steingefilde,

am Grund das Ameisenkrabbeln schlummert ein,

der Dächer Gipfel segnet Abendschein,

der Türme Stämme stehn in Spätrotmilde.

 

Der Altstadt Lärmen sich zum Lallen stillte —

Dann mag ich gern am alten Kirchplatz sein

still unter Linden und Kastanienreihn,

vor mir das Schloss, das graue, grünumhüllte.

 

Da sitzen Liebende und Tagesmüde;

Ein Plaudern raunt, vom Kantberg kreischt ein Rad –

Ein Wehn vom Osten trägt den Ruch der Felder,

Heuduft von Pregelwiesen in die Stadt —

Und nun lauscht alles still dem Schlossturmliede:

Paul Gerhardt singt „Nun ruhen alle Wälder …“

Herbert Schlobies

 

 

Seite 7   „Hoppegarten des Westens“

In Gelsenkirchen Horst befindet sich eine Galopprennbahn, die in Westdeutschland der „Hoppegarten des Westens“ genannt wird. Der nächste Renntag ist Mittwoch, der 21. September. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltung steht die „Hörster Meile“ ein Ausgleich II mit 5000 DM dotiert.

 

Die Rennbahn ist von Gelsenkirchen mit der Omnibuslinie 83 zu erreichen.

 

 

Seite 7   Elevenzeit in Ostpreußen, von Dr. Erwin Friz.

Eintönig rollte der Königsberger Nachtschnellzug durch das weite Land nach Osten. Wie in einem bösen Traum sah man beim Aufschrecken aus unruhigem Schlaf die fremdsprachigen Stationsnamen im sogenannten polnischen „Korridor“. Richtig wach wurde ich erst, als der Zug über die riesige Dirschauer Weichselbrücke donnerte. Nach einer kurzen Strecke durch das fruchtbare Danziger Niederungsgebiet musste nun bald die Grenze der Mutterheimat Ostpreußen erreicht sein, die ich bisher nur von zauberhaften Ferienbesuchen bei den Großeltern kannte und die nun für lange Jahre, vielleicht für das ganze Leben meine Wahlheimat werden sollte. Da tauchte auch schon in der Morgendämmerung am Horizont ihr großes, ehrwürdiges Denkmal, die Marienburg auf. Und jetzt lag sie im Morgenlicht vor uns drüben über der Nogat, die gewaltige Hochburg des Ritterordens, das königlichste Bauwerk Deutschlands, die feste Burg im Osten, das hinreißende Symbol ostdeutscher Geschichte und Gegenwartsaufgabe. Nach kurzem Besuch in Königsberg ging es weiter nach Süden, wo ich im Kreis Rastenburg meine landwirtschaftliche Elevenzeit verbringen sollte. Voll Spannung verließ ich in Rößel die Kleinbahn. Da wartete schon ein kleiner Kutschwagen mit zwei feurigen Rappen. Schnell war ich eingestiegen und mein Gepäck verstaut, und munter zogen die Pferde an, einem neuen, unbekannten Leben entgegen. Nach langer Fahrt durch das schöne seenreiche Hügelland, auf der uns die übermütigen Rappwallache Olaf und Peter beinahe leinenfangend in den Graben geworfen hätten, erreichten wir über Landwege das hochgelegene kleine Masurendorf Spieglowken, und bald rollte der Wagen durch einen tannenumsäumten Rasenvorplatz vor das benachbarte Gutshaus.

 

Das einsame, nur 360 Morgen große Gut Adl. Spieglowken, das ohne Chausseeverbindung an der Grenze der Kreise Rastenburg und Sensburg liegend früher nur als Waldvorwerk bewirtschaftet worden war, gehörte dem in der ganzen Umgebung bekannten und von weither aufgesuchten Arzt Sanitätsrat Dr. Teichmüller, der auch das hübsche Gutshaus erbaut hatte. Die Felder und weiten Weidekoppeln grenzten auf der einen Seite an das große Waldgebiet des Korschener und Langheimer Forstes, auf der andern Seite hatte man von der durch einen Gedenkstein ausgezeichneten Hindenburghöhe einen herrlichen Blick nach Norden in die Weite des östlichen Ermlandes. Gleich am nächsten Tag — es war, was niemand dort wusste, mein neunzehnter Geburtstag — begann meine praktische Lehrzeit mit Miststreuen und Holzhacken, und stolz schlief ich am ersten Abend mit Blasen an den ungeübten Händen ein. Und nun begann eine wunderbare Entdeckerreise in das bis dahin kaum bekannte Gebiet meines landwirtschaftlichen Berufes, besonders reizvoll durch die Großzügigkeit und Urtümlichkeit, mit der das abgelegene kleine ostpreußische Gut umgetrieben wurde.

 

Am liebsten wurden mir die Pferde. Mit der Zeit lernte man Reiten wie ein Cowboy, und manchmal musste man sich ohne Sattel auf ein Pferd schwingen und den aus einem Weidegarten ausgebrochenen Fohlen nachjagen. Wie schön war es, ein Gespann am langen Wagen vierspännig vom Sattel aus zu fahren und mit der langen Peitsche zu knallen. Das erhebende Gefühl, als man so zum ersten Male sicher den vollen Erntewagen heimgebracht hatte, lässt sich kaum beschreiben. Eine weniger interessante Lehrlingsbeschäftigung war es natürlich, einen ganzen kalten Wintertag lang acht Pferde um den großen Göpel zu treiben, mit dem die Dreschmaschine angetrieben wurde. Das größte Glück war, allein ausreiten zu können, etwa zum Trakehner Hengst nach Bothau am Gehlandsee, durch die einzig herrliche Birkenallee, die wir „Böcklin-Allee“ nannten, oder sonntags nach dem benachbarten Langheimer Vorwerk Spiegels an den schönen Kerstinsee, wohin wir auch oft zum Baden fuhren, oder sogar nach Heiligelinde mit seiner für Ostpreußen einzigartigen Barock-Wallfahrtskirche an der Grenze von Ermland und Masuren. In sehr lebendiger Erinnerung sind mir auch die weiten Kutsch- und Schlittenfahrten, vor allem zu Patientenbesuchen in einsamen Masurendörfern. Im Winter hatte ich unsere Fohlen zu betreuen, die so anhänglich wurden, dass man sie beim täglichen Auslauf mit einem Pfiff in den Stall zurücklocken konnte.

 

Ebenso schön war es, wochenlang hinter den zwei schweren schwarzbunten Ochsen den Pflug zu führen, sonst die Arbeit des weißhaarigen schieläugigen Konewski, der vom lebenslangen Pflügen schon ganz schief ging und seine Tiere mit masurischem „Etsch“, „Xeran“ und „Bischkobü“ zu regieren pflegte. Die fremde masurische Sprache eines Teils unsrer Landarbeiter und Kätner machte mir zuerst große Schwierigkeiten, aber bald stellte ich fest, dass die Masurendörfer ebenso deutsch gesinnt waren wie die benachbarten Platt sprechenden Ortschaften, und dass für einen Masuren das Schimpfwort „Pollack“ die ehrenrührigste Beleidigung war. Das größte Leben auf dem Hof herrschte zur Zeit der Heu- und Roggenernte, wozu aus der ganzen Nachbarschaft die Bauernburschen und -marjellen helfen kamen. Der Roggen wurde damals noch ganz mit der Sense gemäht, und es war ein eindrucksvolles Bild, wenn Schnitter hinter Schnitter, jeder begleitet von seiner Binderin, durchs hohe Roggenfeld schritt. Das war eine anstrengende Arbeit, bei der mitzuhelfen uns Eleven nicht leicht gemacht wurde. Wenn man nicht durchhielt und der Hintermann einen überholend „ausmähte“, musste man eine Flasche Schnaps spendieren.

 

Mir passierte dies nur einmal, dann biss ich die Zähne zusammen und stand voll Stolz durch. Doppelt genoss man dann das gute Vesper, das einem aufs Feld gebracht wurde. Im Sommer wurde auch im eigenen Torfbruch mit Akkordarbeitern der notwendige Wintertorf gemacht, die landarbeitsarmen Zeiten füllten Arbeit im Wald und die Beseitigung der vielen Steine, an denen die Felder dort im Endmoränengebiet reich waren. Jedes Jahr wurden große Findlinge herausgegraben, primitiv gebohrt und mit Schwarzpulver gesprengt, das Steinmaterial dann im Winter zu Chausseebauten in der Gegend gefahren, wobei auf den schlechten Landwegen manchmal Rad und Deichsel brachen. Auch waren oft die Hohlwege so mit Schnee verstiemt, dass wir sie freischaufeln mussten.

 

Da freute man sich auf die langen ostpreußischen Winterabende in dem Gutshaus voller Kultur und im gemütlichen Familienkreis. Neben uns drei Eleven waren Tochter und Sohn in gleichem Alter, und so ging es immer recht fröhlich zu, mit viel Spiel, Spaß und Musik. Auch stand mir die reiche Bücherei zur Verfügung, und manche Bücher, wie Hamsuns „Segen der Erde“, haben sich mir damals unauslöschlich eingeprägt. Dr. Teichmüller, der mit bewundernswerter Pflichtauffassung seinem Doppelberuf als Arzt und Landwirt nachging, nahm sich wie ein Vater meiner Ausbildung an und interessierte mich auch gleich für die theoretischen Seiten unseres Berufes.

 

An sommerlichen Sonn-, Feier- und Urlaubstagen benutzte ich jede Gelegenheit, mit dem Fahrrad die engere und weitere Umgegend zu durchstreifen und meine neue Heimat kennenzulernen. Eine Pfingstfahrt durch die Fliederblüte des masurischen Landes, rings um den herrlich einsamen Niedersee, wo man Kraniche und Fischadler beobachten konnte, und durch die großartige Weite der Johannisburger Heide weckte meine Liebe zu diesem kostbaren Teil deutscher Grenzheimat. Wie schön waren die wenig besuchten Seen und Wälder um Sensburg und Sorquitten. Und überall in der Umgebung, in Rastenburg, Rößel, Seehesten, ja fast in jedem Dorf standen als wuchtige Zeichen der deutschen Geschichte dieses umkämpften Grenzlandes die roten gotischen Backsteinkirchen und -Burgen der Ordenszeit.

 

Wenn auch heute diese ganze deutsche Welt Ostpreußens versunken ist wie die Sagenstadt Vineta, von der nur manchmal begnadete Ohren die Glocken aus der Tiefe läuten hören können, so leben in uns doch mit unzerstörter Frische und Lebendigkeit die reinen Erinnerungen, die uns zu unermüdlicher Treue zur ostdeutschen Heimat verpflichten.

 

 

Seite 7   Für September notiert.

Dem an anderer Stelle besprochenen Werk „Ostdeutsche Biographien“ entnehmen wir, dass folgende für das ostpreußische Kulturleben wichtige Daten zu nennen sind:

 

Am 2. September 1839 wird der bekannte Internist Bernhard Naunyn, Kind ostpreußischer Eltern geboren, der von 1872 - 1888 als Ordinarius für innere Medizin an der Albertina gewirkt und zusammen mit dem Chirurgen Schönborn den ostpreußischen Ärzteverein ins Leben gerufen hat.

 

Am 12. September 1776 wurde in Königsberg geboren und hat nach seiner Promotion in Edinburgh an der Albertina gewirkt der Mediziner William Motherby , der sich später fast ausschließlich der Landwirtschaft widmete. Er hat sich Verdienste um die Einführung der Kuhpockenimpfung erworben, begründete den Verein zur Förderung der ostpreußischen Landwirtschaft, tritt für den Genuss von Pferdefleisch ein und ehrt das Andenken Kants durch das „Bohnenmahl“ alljährlich am Geburtstage des großen Philosophen am 22. April. Heute wird diese Tradition in Göttingen fortgesetzt.

 

18. September 1936 Todestag des in Königsberg geborenen Literaturhistorikers Konrad Burdach. Es ist sein Verdienst, dass er den ostdeutschen Einfluss auf die Gesamtentwicklung der deutschen Geistesgeschichte in das hellste Licht rückte.

 

Der 18. September 1934 ist der Todestag des ostpreußischen Dichters Alfred Brust, vielleicht der ostpreußischste Dichter unter den Ostpreußen. Dehmel hat von ihm gesagt, dass er versucht habe, die Anschauungen Luthers mit denen Dostojewskis zu verbinden.

 

Am 20. September 1781 starb in Königsberg als Oberpräsident Joh.. Friedrich von Domhardt, der als Domänenrat in Gumbinnen, das Gestüt Trakehnen begründete. Durch seine vorbildliche Organisation schuf er dessen Weltruf. Der 26. September 1872 ist der Geburtstag des „Baumeisters der Marienburg“, des Oberbaurats und Provinzialkonservators für Ost- und Westpreußen Bernhard Schmid, 1942 Honorarprofessor an der Philosophischen Fakultät der Albertina, nachdem ihm dieselbe Fakultät bereits 1924 den Dr. h. c. verliehen hatte.

 

Der 28. September 1858 ist der Geburtstag des in Tilsit geborenen Vorgeschichtlers Gustav Kossinnas (wenn ich nicht irre, schrieb er sich Gustaf), dessen Arbeiten unendlich wichtig sind in unserem Kampf um unsere ostdeutsche Heimat, weil sie in nicht zu widerlegender Weise den ostdeutschen Raum als die Urheimat der Germanen klargestellt haben.

 

Gleichfalls an diesem Tage, aber bereits 1740 wurde in Goldap geboren der später so bekannte Buchhändler und Verleger Joh. Friedrich Hartknoch, der die Schriften von Kant, Hamann, Herder, Klinger und Knigge herausbrachte. Schließlich ist am gleichen Tage, nur im Jahre 1853, in Neidenburg der bekannte „Berliner“ Komponist Walter Kollo geboren, mit bürgerlichem Namen Kollodziezski. Seine Schlager „Das war in Schöneberg im Monat Mai“ oder „Immer an der Wand lang“ kannte und kennt heute noch jedes Kind.

 

 

Seite 8   10 Jahre Ostpreußische Landsmannschaft in Flensburg. Bundestagsabgeordneter Rehs: „Das Beispiel der Flensburger Ostpreußen verpflichtet!“

Foto: Schulrat a. D. Babbel, Flensburg, der Gründer der ersten ostpreußischen Landsmannschaft im Jahre 1945.

Foto: Der Ostpreußischen/Pommern-Chor stand mit seinen Liedbeiträgen am 10. Geburtstag der Flensburger Ostpreußischen Landsmannschaft im Mittelpunkt der Feierstunde.

In einer würdigen Feierstunde im Flensburger „Deutschen Haus“ gedachten am 7. August 1955 Heimatvertriebene und Einheimische des „Tages der deutschen Heimat“. Die Veranstaltung, die vom Kreisverband der vertriebenen Deutschen getragen wurde, war von der Landsmannschaft Ostpreußen besonders ausgestaltet worden. Galt es doch, ein besonderes Jubiläum zu feiern: Flensburgs Ostpreußen gründeten vor 10 Jahren in Flensburg die erste Ostpreußische Landsmannschaft des- Bundesgebietes. So hatte sich eine besonders große Zahl von Ehrengästen zu der Feierstunde versammelt. Zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft aus Stadt und Land bekundeten in erfreulicher Stärke ihre Verbundenheit mit den Vertriebenen und insbesondere hier mit Flensburgs Ostpreußen.

 

Nach einem Orgelvorspiel (Günther Dreßler) begrüßte KvD-Vorsitzender Dr. Kob, selbst Königsberger und 2. Vorsitzender der Landsmannschaft, die Versammelten und gedachte der Toten und derer, die heute noch — 10 Jahre nach der Kapitulation — in Kriegsgefangenschaft leben müssen. Ein von Frau Kursch verfasster Prolog, der weit mehr als Tagesdichtung auszusagen wusste, wurde von Fräulein Pichler schlicht eindrucksvoll vorgetragen. Der Ostpreußen-Pommernchor unter Herrn Riedel und die Singgemeinschaft Danzig-Schlesien unter Herrn Zieseler sangen Heimatlieder, und das gemeinsam gesungene Schleswig-Holsteinlied und das Deutschlandlied umrahmten weiterhin das gesprochene Wort, mit dem Schulrat a. D. Babbel als Vorsitzender des Geburtstagskindes, der Flensburger Ostpreußen, den Anfang machte.

 

Schulrat Babbel sprach von dem Beginn der landsmannschaftlichen Arbeit vor 10 Jahren. „Unsere Heimatliebe und unser Preußentum“, sagte er, „haben uns damals den Weg zum Zusammenschluss gewiesen, als wir unstet und flüchtig waren. Wenn wir hier ohne Heimat heimatlich wurden, so muss man dies nach dem furchtbaren Erleben als deutsches Wunder bezeichnen“. Der Ostpreußenvorsitzende erinnerte daran, dass dank der vorbildlichen Unterstützung der Stadt beim Engländer damals trotz Koalitionsverbots in Flensburg der erste Flüchtlingsausschuss gebildet wurde, aus dem dann die Ostpreußen als erste Landsmannschaft der Bundesrepublik den Weg zum landsmannschaftlichen Zusammenschluss fanden. Nach einem sehr herzlichen Dank an die Stadt für diesen Einsatz und die Bemühungen um die Eingliederung sprach Schulrat Babbel von der Arbeit der Landsmannschaft. Insbesondere hat hier eine starke Frauen-Abteilung mit liebender Hand bei Kranken und Schwachen viel Segen stiften dürfen. Eine Kasse für Sterbefälle hat manche Hilfe gegeben. Eine würdige Kultstätte für alle, die im Osten ruhen, wurde errichtet. Ein beim 5-jährigen Bestehen geschaffenes Banner zeigt die stolzen Farben Preußens. Es bekennt sich so ausdrücklich mit allen Ostpreußen zum alten Preußentum mit allen seinen hervorragend bewährten Eigenschaften, die trotz der formellen Beseitigung Preußens durch ein Kontrollratsgesetz niemals auszulöschen seien. Der Sprecher nannte seine Landsmannschaft eine lebendige Gemeinschaft, „die bestehen wird, bis das Weltgewissen erwacht und uns die Heimat wiedergibt“. Schulrat Babbel dankte allen seinen Mitarbeitern in dieser Gemeinschaft und richtete an die Bundesregierung folgenden Appell:

 

„Wir wehren uns dagegen, dass man unter Wiedervereinigung heute im amtlichen Sprachgebrauch nur die Vereinigung mit der sowjetischen Besatzungszone zu verstehen scheint. Wir erwarten, dass die Bundesregierung sich nunmehr betätigt als Sachverwalter des deutschen Ostens, denn es ist Zeit, dass Deutschland sich zu sich selbst bekennt!“

 

Der Ostpreußenvorsitzende beendete seine mit anhaltendem Beifall aufgenommene Rede mit dem Geburtstagswunsch: „Es werde bald gespannt ein einzig Zelt ob allem deutschen Land!“ Das Lied vom „Land der dunklen Wälder“ unterstrich das starke Bekenntnis zu einer wahrhaft gesamtdeutschen Heimat.

 

Stadtpräsident Thomas Andresen überbrachte in seiner Ansprache die Grüße und Glückwünsche der Stadt und stattete der Landsmannschaft Ostpreußen den Dank für die geleistete Arbeit ab. Die stets unermüdliche, hilfsbereite und wegweisende Arbeit des Vorsitzenden, „des lieben Ratskollegen Babbel“, erfuhr dabei eine hervorragende Würdigung.

 

Kreispräsident Jensen-Ausacker überbrachte die herzlichen Grüße des Landkreises.

 

Als Festredner sprach MdB Rechtsanwalt Rehs, Kiel, ebenfalls Ostpreuße und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der vertriebenen Deutschen. Er umriss einleitend den Begriff Nation und sagte, dass eine übernationale Organisation die Nation nicht ersetzen könne, sondern diese voraussetze. „Wir können deshalb nicht Europa wollen, ohne auch ein ganzes Deutschland als Nation zu wollen“, sagte er. „Sollte es denkbar sein, dass dieses Lebensgesetz für das größte Volk in der Mitte Europas nicht Geltung hat? Damals sind sich die anderen Völker dieses Gesetzes nicht bewusst geworden. Der Geist von Potsdam ist nicht der Geist einer besseren Welt, sondern ein Ungeist. Wer die Freiheit der anderen Nationen angreift, vernichtet auch die Freiheit der eigenen Nation. Die westlichen Völker haben mit Potsdam eine ungeheure Verantwortung auf sich gelegt und die Grundlagen für die ungeheure Macht des Bolschewismus und den Kalten Krieg geschaffen. Obwohl Groß-Britannien und Amerika die Atlantik-Charta 1941 unterzeichneten, haben sie in Potsdam der Vereinbarung zugestimmt, dass 16 Millionen — so viel Einwohner wie Schweden, Norwegen und Dänemark zusammen haben — aus ihrer Heimat vertrieben wurden“.

 

Der Redner umriss dann den Begriff Heimat und sagte: „Den Menschen von seiner Heimat trennen heißt, auch ein Verbrechen an der göttlichen Ordnung begehen“. Der Bundestagsabgeordnete sagte von der 500 Jahre bestehenden Grenze Ostpreußens, dass sie nach der portugiesischen Ostgrenze die älteste Staatsgrenze überhaupt sei. Mit der 1948 geschlossenen Genfer Konvention gegen den Völkermord seien die Beschlüsse von Potsdam gerichtet. „Nun ist es ihre Sache, dieses Urteil zu vollziehen“, sagte Rehs, „unsere Sache ist es, diese Revision zu fordern. Auch die Übergabe von 500000 Höfen in polnisches Privateigentum kann nichts daran ändern. Wir erklären, dass wir gegen diese polnische Verfügung über unser Land Einspruch erheben und diese Maßnahmen für uns nichtig sind. In der Charta der Vertriebenen haben wir der Rache, Vergeltung und Gewaltlösungen feierlich abgesagt. Wir bieten diese Hand, aber man darf dies nicht mit Unentschlossenheit verwechseln“.

 

Der Redner stellt dann fest, dass die Vertriebenen heute mit ihren Forderungen in der Welt nicht mehr allein stehen. Das deutsche Schicksal sei nicht teilbar, da die Ströme des Blutes zusammenführten und sich niemand aus dieser Verflechtung heraushalten könne. Rehs richtete in diesem Zusammenhang eine ernste Mahnung an alle die Vertriebenen, die sich heute noch nicht zu ihrer Heimat bekennen. Er sagte dazu: „Wenn der Landkreis Flensburg z. B. die Patenschaft für den Kreis Johannisburg übernimmt, dann kann es für die Vertriebenen kein Hindernis mehr geben, sich zu ihren Landsmannschaften zu bekennen. Wenn das für uns alle — auch im öffentlichen Dienst — als politische Ehrenfunktion gelten wird, dann bin ich sicher, dass sich auch die Geschichte uns eines Tages wieder zuwenden wird“.

 

Von der Regierung verlangte der Redner, sich als Treuhänder der deutschen Wiedervereinigung zu fühlen. Die Staatsmänner müssten es aussprechen, dass es keine Zukunft gibt ohne unseren deutschen Osten und, dass die Rückkehr der deutschen Ostgebiete in den deutschen Staatsverband das dringendste Anliegen aller Deutschen ist. „Wir Vertriebenen haben in einem Maße die Bundesrepublik mitgebaut, dass wir damit auch unsere Mitbewohner im Westen für unsere heimatpolitische Aufgabe verpflichteten“, sagte Rehs. Das Beispiel der Flensburger Ostpreußen vor 10 Jahren sollte uns verpflichten, die anderen aufzurütteln, bis auch beim Letzten — wie der Bürgermeister von Berlin es kürzlich ausdrückte — „der Wecker geklingelt hat“.

 

Vor der Festrede hatte noch Schlesier-Vorsitzender Sander, auch einer der ersten Pioniere in der Flensburger Vertriebenenarbeit, für alle anderen Landsmannschaften deren Glückwünsche dem Ostpreußen-Vorsitzenden übermittelt und des langjährigen gemeinsamen Ringens gedacht. Er überreichte gleichzeitig einen Wimpel mit dem „Berliner Bären“ von den Berlin-Brandenburgern als jüngstem Mitglied der Flensburger Landsmannschaften.

 

Frau Hiller sprach unter Überreichung eines Wimpels der ostpreußischen Frauengruppe dem Vorsitzenden Babbel den besonderen Dank für die hervorragende Zusammenarbeit in den 10 Jahren aus. Diese erst hätte alle Erfolge in der Betreuung gestattet.

 

Der Abend des Jubiläums gehörte dem Frohsinn und der guten Laune. Der NWDR leistete hierzu einen allseitig dankbarst anerkannten hervorragenden Beitrag. Das umfangreiche Programm fand die gebührende Resonanz bei den Besuchern, die anschließend bis in die späten Nachtstunden bei Tanz und froher Unterhaltung beisammen waren. Eine von der Flensburger Geschäftswelt reichlich beschickte Jubiläumstombola soll dabei nicht unerwähnt bleiben. v. Horn.

 

 

Seite 8   Weitere Patenschaften

In Syke übernahm am 27. August 1955 der Landkreis Grafschaft Hoya die Patenschaft für Wehlau. Im Kreisheimatmuseum wurde ein Wehlau-Zimmer mit viel Geschmack eingerichtet, das die Erinnerung an ein Stück ostpreußischer Erde und damit das Bekenntnis zum deutschen Osten lebendig erhalten soll.

 

Am 28. August wurde vom Landkreis Grafschaft Bentheim (Emsland) die Patenschaft über den ostpreußischen Heimatkreis Elchniedernng übernommen. Damit wurde die Verbundenheit eines nordwestlichen Kreises mit einem der nordöstlichsten Kreise des Vaterlandes bekundet.

 

 

Seite 8   Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.) Gotenstraße 33.

 

Zum Geburtstage allen im September Geborenen herzlichste Glückwünsche und ein kräftig „Gut Heil!“ Ganz besonders gilt dies zum

 

20. Geburtstag, am 15.09.1955 für Dieter Dobberstein (Posen),

 

zum 50. Geburtstag,

am 15.09.1955 für Hilda Blielschau (Elbing),

 

am 26.09.1955  für Olga Ewert-Schwiderski,

 

am 30.09.1955  für Rudi Joost (Elbing),

 

zum 60. Geburtstag

am 10.09.1955 für Arthur Friedrich (Gumbinnen),

 

zum 75. Geburtstag

am 17.09.1955 für Ernst Mey (Marienburg) und

 

zum 81. Geburtstag

am 19.09.1955 für Hermann Geisendorf (Elbing).

 

Zum Wiedersehenstreffen 1956 haben bisher nur wenige auf die Fragen in Nr. 7 der Ostpreußen-Warte geantwortet. Alle aber mit nur einer Ausnahme, wünschen ein selbständiges Treffen ohne Anlehnung an eine Veranstaltung des Deutschen Turnerbundes oder an ein Landsmannschaftliches Treffen. Als Treffpunkt wurde die Flüchtlingsstadt Espelkamp-Mittwald (Kreis Lübbecke - Westf.) vorgeschlagen, wo günstige Voraussetzungen für ein gutes Gelingen gegeben zu sein scheinen. Weitere Stellungnahmen werden erbeten auch unter Berücksichtigung dieses sehr beachtlichen Vorschlages.

 

Die Ortsgruppe Berlin des KMTV 1842 feierte auf ihrer vierteljährlichen Zusammenkunft am 13.08.1955 ihren wackeren Betreuer Eduard Grigoleit, der am 1. August sein 70. Lebensjahr vollendete.

 

Turnschwestern und Turnbrüder aus West- und Ostberlin, oft auch aus den nahe gelegenen Orten der Sowjetzone suchen und finden bei diesen regelmäßigen Zusammenkünften immer wieder Entspannung und Freude und schöpfen neue Kraft aus den alten Freundschaften. Ihr Mittelpunkt ist Eduard Grigoleit, der trotz vielseitiger Arbeit für den TV Berlin-Lichterfelde und trotz schwerer persönlicher Arbeitsbelastung andrer Art viele Jahrzehnte seinem ostpreußischen Heimatverein die Treue gehalten hat, aus der in Liebe zum Turnertum die praktische Tat für den Zusammenhalt der heimatvertriebenen Turner gewachsen ist. Die Turnerfamilie dankt ihm dafür auf das herzlichste und wünscht ihm nochmals alles, alles Gute für das nächste Lebensjahrzehnt. Onkel Wilhelm

 

 

Seite 8   Kreistreffen im September/Oktober

Am 3./4 . September 1955: Kreis Orteisburg in Hann. Münden.

 

Am 4. September 1955: Kreis Insterburg-Stadt und -Land in Krefeld, Stadtwaldhaus; Kreis Neidenburg in Hamburg-Stellingen, Stellinger Park;

 

Kreis Goldap in Altenessen, Turnhalle der Zeche Helene, Twentmannstraße;

 

Kreis Gumbinnen in Hamburg-Nienstedten, Elbschloßbrauerei;

 

Kreis Osterode in Kiel, Lokal Eichhof, Eichhofstraße.

 

Am 11. September 1955: Treffen der Seestadt Pillau in Eckernförde.

 

Am 18. September 1955 : Kreis Angerburg in Siegburg im „Lindenhof“.

 

Am 25. September 1955: Kreis Mohrungen in der Patenstadt Gießen.

 

Am 2. Oktober 1955: Kreis Ebenrode in Hannover-Limmerbrunnen;

 

Kreis Johannisberg in Dortmund, Reinoldi-Gaststätten;

 

Kreis Tilsit-Stadt in Düsseldorf, Union-Betriebe. Witselstraße 33/43,

 

 

Seite 8   Am „Tag der Deutschen" in Berlin. Kundgebungen des VdL und BLV für Einheit Deutschlands und für das Recht auf Heimat.

Der vom Verband der Landsmannschaften und vom Berliner Landesverband der Vertriebenen gemeinsam geplante „Tag der Deutschen“ findet am 10. und 11. September 1955 in Berlin statt. Die Kundgebungen werden eine Willensäußerung und ein Bekenntnis für die Wiederherstellung der deutschen Einheit und für die Verwirklichung des Rechtes fHeimat sein.

 

Als ersten Höhepunkt sieht das Programm der Veranstaltungen eine Tagung der Delegierten sämtlicher Landsmannschaften und der westdeutschen Landtage vor. Der Berliner Senat wird ebenfalls durch eine Abordnung vertreten sein. Es nehmen außerdem deutsche und ausländische Ehrengäste daran teil. Die Tagung findet am Nachmittag des 10. September 1955 um 15 Uhr im Titania-Palast statt.

 

Im Mittelpunkt der Veranstaltungen steht die Großkundgebung am Sonntag, dem 11. September 1955, in der Waldbühne (am Olympia-Stadion). Auf ihr wird auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Dr. Suhr, sprechen.

 

Im Programm sind ferner vorgesehen: Ein Presseempfang des VdL und BLV am 9. September um 13 Uhr, ferner ein Empfang der westdeutschen Landtagsdelegierten und sämtlicher landsmannschaftlicher Abordnungen im Casino am Funkturm am 11. September nach der Großkundgebung in der Waldbühne, Gottesdienste und kulturelle Rahmenveranstaltungen.

 

Um dem „Tag der Deutschen“ eine nachhaltige und bleibende Wirkung zu geben, wird am Abend des 10. September auf dem Reichskanzlerplatz ein Mahnmal in feierlicher Form seiner Bestimmung übergeben werden. Das Mahnmal, ein monumentaler Steinwürfel, trägt eine Flammenschale und die Inschrift „Freiheit — Recht — Friede“. Eine weitere Inschrift besagt, dass die am Abend des 10. September entzündete Flamme brennen wird, bis die deutsche Einheit und das Recht auf Heimat ihre Erfüllung gefunden haben. Der künstlerische Entwurf des Mahnmals wurde von dem Bamberger Bildhauer Diesener angefertigt, die technische Durchführung liegt in Händen von Prof. Effenberger, Berlin. Die zuständigen Berliner Behörden haben die Aufstellung des Mahnmals genehmigt und dankenswerterweise ihre Mithilfe zugesagt. Das Anzünden der Flamme und die damit verbundenen Feierlichkeiten am Abend des 10. September auf dem Reichskanzlerplatz werden durch einen Sternmarsch mit Fackeln eingeleitet.

 

Der „Tag der Deutschen“ soll der abschließende Höhepunkt der von den Landsmannschaften im Bundesgebiet veranstalteten Heimatkundgebungen aus Anlass der vor zehn Jahren erfolgten Vertreibung sein. Er wird über den Rahmen der landsmannschaftlichen Bekundungen hinaus das gemeinsame Bekenntnis der Heimatvertriebenen und Einheimischen zur deutschen Einheit zum Ausdruck bringen.

 

 

Seite 8   Landsmannschaft in Itzehoe

Am Sonntag, dem 21. August 1955 machte die Itzehoer Landsmannschaft Ost- und Westpreußen zusammen mit ihrem „Gemischten Chor“ in 4 großen Omnibussen ihren diesjährigen Sommerausflug. Im 10. Jahre nach der Vertreibung zog es die Ost- und Westpreußen Itzehoes besonders stark an die Ostsee, um über die Wasser nach Osten schauend das Heimatland mit der Seele zu suchen.

 

Bei herrlichem Sonnenwetter, das so recht zu besinnlichem Schauen an den Gestaden des Baltischen Meeres in Grömitz einlud, verlebten die Männer und Frauen aus dem Nordosten unseres deutschen Vaterlandes einige schöne Stunden. Blickte man vom Grömitzer Seesteg den Strand entlang, so stiegen Bilder der Samländischen Steilküste auf und alles freute sich, wie einst in den Ostseebädern Rauschen, Cranz, Zoppot und anderen den herrlichen weißen Sand durch die Finger rieseln zu lassen.

 

Bei dem Wirt des früheren Zoppoter Strandhotels aß man zu Mittag und fühlte sich wie zu Hause, da dieser Landsmann in Grömitz auch wieder ein Strandhotel bewirtschaftet. Jung und Alt genoss dann in vollen Zügen das bei dem herrlichen Wetter in beinahe unvorstellbarem Maße rege Badeleben von Grömitz. Und dann ging es am Nachmittag nach Eutin und Malente in die wunderschöne ostholsteinische Schweiz. Die Fünf - Seen - Fahrt von Gremsmühlen nach der Fegetasche bei Plön ließ wieder ein Stück Heimat lebendig werden. Die bewaldeten Seeufer ließen Bilder der heimatlichen Landschaften Masurens aufsteigen. Beim Auftauchen von Inseln glaubte man auf dem Niedersee in Masuren zu sein.

 

Über Plön – Ascheberg – Neumünster ging die Fahrt dann nach Quarntedt, wo sie in dem Gasthaus „Zur deutschen Eiche“ ihren fröhlichen Ausklang fand.

 

 

Seite 9   Die „Vierbrüdersäule“ bei Königsberg.

Foto: Die Vierbrüdersäule

Als beliebter Ausflugsort der Bürger von Königsberg galt der „Vierbrüderkrug“, westlich der Stadt in einem ausgedehnten Waldbezirk, der Kaporner Heide, gelegen. Er führt seinen Namen nach der in seiner Nähe stehenden „Vierbrüdersäule“, die 1898 in Beton errichtet, früher aus einem hölzernen Stamm mit vier Köpfen bestand. Diese Säule wurde im Laufe der Zeit Anlass zu den verschiedensten Deutungsversuchen; Gelehrsamkeit der Wissenschaft und Phantasie des Volkes haben gleicherweise sich daran versucht. Die geläufigste von allen Fassungen war folgende: Vier Brüder des Deutschen Ordens seien an dieser Stelle im Kampf gegen die alten Preußen gefallen; ihnen zu Ehren stehe die „Vierbrüdersäule“. Man glaubte für diese Ansicht historische Beweise erbringen zu können. Noch andere geschichtliche Ereignisse wurden mit dem Gegenstand verknüpft. Das Volk umrankte die Säule mit Märchenmotiven. Es lohnt sich nicht, auf alle einschlägigen Deutungen näher einzugehen; der Spekulation entsprungen, haben sie Wert nur für den Sagen- und Märchenforscher, ihr grundsuchender Charakter liegt zu sehr auf der Hand.

 

Welche Bedeutung kommt der „Vierbrüdersäule“ in Wirklichkeit zu? Zunächst kann festgestellt werden, dass unser Gesichtspfahl nicht einzigartig in Ostpreußen dastand. Im Jahre 1930 konnte der Verfasser einen ähnlichen für das „Ostpreußische Landesmuseum“ (Prussia-Museum) sichern. Er fand sich als Wegweiser an einem Kreuzweg bei Kipitten, Kreis Friedland. Am obersten Endstück trug der Pfahl vier flach geschnitzte Gesichtsmasken, von denen jede in einen der Wege schaute. Ein anderer gleichgeformter Pfahl derselben Bestimmung stand nach mündlicher Mitteilung ehemals an einer Wegekreuzung mitten in der Marschallsheide, einem großen Waldgebiet des Kreises Darkehnen, „der holterne Christoph“ genannt. Ein dritter eingesichtiger Pfahl, der sich ebenfalls im Landesmuseum befand, hatte ursprünglich dazu gedient, eine Gemeindetafel zu tragen.

 

Wir dürfen annehmen, dass solche Gesichtspfähle einst in reicher Anzahl über die Provinz Ostpreußen verstreut waren. Von Bedeutung für unsere Frage ist die Feststellung, dass für zwei von den in letzter Zeit noch vorhanden gewesenen Pfählen die Zweckbestimmung als Wegweiser sichergestellt ist. Aus diesem Grunde die „Vierbrüdersäule“ demselben Kreise zuzuweisen, liegt gewiss nahe. Nicht allein ihre Vierköpfigkeit, sondern auch ihr Standort an einer Wegkreuzung sprechen dafür. Es schneiden sich nämlich beim Vierbrüderkrug der Landweg Königsberg-Fischhausen und ein von Wargen nordwärts führender Weg.

 

Die älteste Form der Säule ist uns bildlich nicht überliefert. Erst 1673 wird berichtet, dass der Pfahl oben vier ringsum nach auswärtsragende Äste habe, deren Enden je ein behelmter Kopf ansitze. Der Pfahl wies die Jahreszahl 1620 und allerhand Buchstaben auf, die wohl von vorbeiziehenden Wegefahrern herstammten. Dieser älteste Pfahl, der, wie überliefert, auf einem Kreuzweg stehe, ist 1692 durch einen gleichförmigen ersetzt worden (siehe Bild). Die Gesichter schauten nicht nach außen, sondern über die Säule in der Mitte hinweg in die Richtung der Wege.

Wir haben es hier nicht mit einem Wegweiser im eigentlichen Sinn des Wortes zu tun; eines solchen bedurfte der Verkehr damals nicht. Solche kopfverzierten Säulen, die an die nordgermanischen Hochsitzpfeiler mit dem Bilde Thoms erinnern, waren vielmehr aus volkstümlichen Glaubensvorstellungen geflossen, die mit dem Kreuzweg in Verbindung standen. In manchen noch lebenden Gebräuchen haben diese Anschauungen ihren Niederschlag gefunden. Allgemein gilt der Kreuzweg als Versammlungsort der Geister von Verstorbenen und der Hexen. Um sich vor deren bösem Wirken und schädigenden Nachstellungen zu schützen, hat man an diesen unheimlichen Orten Schutzpfähle aufgestellt und diese mit Gesichtsmasken als wirksamen Abwehrmitteln versehen.

 

Bezeichnend für die vierköpfige Säule als Schutzzeichen ist vielleicht auch die Benennung des gleichgeformten Pfahles in der Marschallsheide: „des holternen Christoph“. Dieser Name steht wohl mit dem einst weit verbreiteten Volksglauben in Verbindung, dass derjenige, der das Bild des Heiligen, des ausgesprochenen Reisepatrons, andächtig betrachtet habe, tagsüber vor dem Tode gesichert sei.

 

Die Vierbrüdersäule hatte an der Stelle, wo sie stand, einen Vorläufer gehabt, „Das große Kreuz“. Es wird für das 15. Jahrhundert bezeugt. Wie der vierköpfige Pfahl ist auch dieses Kreuz keine Einzelerscheinung. Man kannte dieses Heilssymbol auch anderswo an Wegscheiden und Wegekreuzungen. Es sollte dem Lebenden und dem Toten den Heimweg zeigen und sie vor den bösen Geistern schützen. Schon Burchard von Worms (um 1000) erwähnt Kreuze, die an Wegegabelungen standen und mit denen mancher abergläubische Brauch verbunden war. Das Kreuz in der Kaporner Heide, der Vorläufer der „Vierbrüdersäule“, dürfte danach keinen andern Sinn gehabt haben als den, Wanderer und Fahrer an der gefahrdrohenden Stelle vor allem Übel zu bewahren. Und dieselbe Bedeutung hatte die Säule mit den Gesichtern, die das Kreuz in der Barockzeit ablöste. Dr. W. Gaerte, Landesmuseumsdirektor a. D.

 

 

Seite 9   Das Regiment v. Brünneck

(Ein Abschnitt aus der Geschichte um das Jahr 1800 des 1. ostpreußischen Inf.-Regimentes).

Der Wohlstand hatte im Allgemeinen zu- und der Wert des Geldes abgenommen. Dies bewog den König, durch ein Edikt vom 25. Januar 1799 das Traktament der wirklich Dienst tuenden Unteroffiziere und Soldaten um ein Geringes zu verbessern. Für die Offiziere war eine solche wohltätige Maßregel wegen des Kostenpunktes nicht möglich. Sie behielten ihr geringes Traktament und waren im Allgemeinen auf das Leben unter sich angewiesen. Bei dem Regiment v. Brünneck waren zwar viele Offiziere, besonders unter den Kurländern, welche eine Zulage von Hause bezogen; die Mehrzahl hatte jedoch nichts als ihr Traktament. Gewöhnlich waren 30 Dienstjahre nötig, um eine Kompagnie zu erlangen; bei diesem Ziele angelangt, begann das Abzahlen der bis dahin gemachten Schulden.

 

So drückend auch die finanzielle Lage der Offiziere sein mochte, so hatte sie doch einen großen Vorteil, indem sie das kameradschaftliche Verhältnis so innig bewirkte, wie vielleicht sonst im Frieden nie. Einer half dem andern. Ein guter, anständiger Ton herrschte im Regiment v. Brünneck, wozu die vielen gebildeten Offiziere und die geselligen Verhältnisse in der großen Stadt wesentlich beitrugen. Es ist bekannt, dass in der Behausung des Chefs Vorlesungen stattfanden, die sogar nachgeschrieben wurden. Es existiert noch im Regimentsarchiv ein von einem Offizier ausgearbeiteter Vortrag über physische Geographie, gehalten vom historisch-philosophischen Standpunkt und mit eigenhändigen Korrekturen versehen von dem Weltweisen Kant. Von dem Herzog von Holstein und dem Gouverneur, General v. Brünneck, wurde dieser gelehrte Mann gewöhnlich am Sonntag zur Tafel gebeten; er nahm eine solche Einladung später allein unter der Bedingung an, dass nur jüngere Offiziere — wahrscheinlich, weil er auf diese noch mehr zu wirken hoffte — dazu gezogen würden. Es war also viel guter Trieb da, der ohne die überraschende Katastrophe von 1806 vielleicht noch bessere Früchte getragen hätte“.

 

Damalige preußische Offiziere und der Weltweise Kant, das erscheint, nach den sonstigen Vorstellungen von der Zeit, so merkwürdig, dass es der Erwähnung wert war.

 

 

Seite 9   Das Ende des Hufenoberlyzeums. Aus der soeben erschienenen Geschichte der alten Schule.

 ... Das Schuljahr 1944/1945 begann unter ungünstigen Auspizien. Mitten in den Ferien war des Nachts ein Lazarett in die Schule eingezogen, hatte sämtliche Räume beschlagnahmt, Bänke und bewegliches und unbewegliches Inventar auf dem Hofe aufgeschichtet, Lehrmittel und Akten im Chemiezimmer und im Archiv aufgehäuft; selbst das Direktorzimmer war beschlagnahmt und wurde erst auf dringende Vorstellungen nach Wochen freigegeben. Die Verhandlungen mit dem das Feldlazarett leitenden Arzt verliefen zunächst recht unerfreulich. Den Schulgartenteich wollte er zuschütten lassen, „der Mücken wegen“, und war auch durch den Hinweis auf die darin angesetzten wissenschaftlichen Versuche und auf das Vorhandensein zahlreicher Salamander, Teichmuscheln u. a., die alle Mückenlarven restlos vernichteten, von diesem Plan nicht abzubringen. Aber als zur Sprache kam, dass der Teich auch für den Fall eines Bombenangriffs als Löschteich in Frage käme, fiel er schnell um. Jetzt genügte ihm nicht der Steg: Die Turngeräte waren gut genug, zersägt zur Erweiterung der Schöpfmöglichkeiten beizutragen.

 

Zuerst mussten die Bänke und Utensilien in Sicherheit gebracht werden, indem sie in zwei gemieteten Räumen der Altstädtischen Jubiläumshalle untergestellt wurden. (Diese „Sicherheit“ erwies sich als trügerisch, da bald danach, bei dem Terrorangriff Ende August, der ganze Stadtteil und mit ihm unsere Möbel ein Raub der Flammen wurden.) Angesichts der durch die zunehmenden militärischen Belegungen wachsenden Raumnot mussten die Königsberger Schulen zusammenrücken, und es war recht günstig, dass die Klassen der Oberstufe bis 1. November restlos im Kriegseinsatz blieben, von dem die 8. Klassen dann direkt in den Reichsarbeitsdienst einberufen wurden, während von allen anderen Klassen ein großer Teil der Schülerinnen mit den Eltern in Orte Ostpreußens oder des Reichs verzogen waren, so daß zunächst alle Parallelklassen zu je einer Klasse zusammengezogen werden konnten. Unsere Schule teilte sich mit der Körteschule in die wenigen dieser Schule verbliebenen Räume derart, dass die Klassen zunächst am Nachmittag wenigstens ihren wissenschaftlichen Unterricht fast vollständig erhalten konnten und daneben noch einigen Unterricht in den Leibesübungen hatten. Bei der starken Zusammenlegung der Klassen waren die Lehrkräfte nicht vollbeschäftigt, und es konnten daher Lehrkräfte an die neuerrichteten Ausweichschulen in Rauschen und Cranz abgegeben werden. Es war auch ohne schädigenden Einfluss, dass die Ersatzlehrkraft Herr Dr. Loehrke bereits während der Ferien ausgeschieden war, um Unterricht an einer Oberschule in Celle zu übernehmen. Auch Prof. Dr. Steinecke musste der Schule fernbleiben. Er musste einen längeren Kuraufenthalt nach Baden-Baden antreten (bis 08.01.1945), von dem er dann auf Antrag an eine Oberschule nach Bückeburg abgeordnet wurde.

 

Die Freude, den Unterricht doch noch ordnungsmäßig eingeleitet zu haben, — er begann

planmäßig am 18. August 1944, — war von kurzer Dauer. Führte der Terrorangriff vom 28. August, dem Maraunenhof und das Viertel Königsstraße - Roßgarten zum Opfer fielen, zu verstärkter freiwilliger Evakuierung, so hörte mit dem furchtbaren Terrorangriff vom 31. August jeder Unterricht automatisch auf. Das ganze Weichbild der Stadt mit der Mehrzahl der Vorstädte wurde restlos in Trümmer gelegt. Mit Mühe konnte der Direktor, der gerade in der Körteschule Brandwache hatte, die 6 Mädel der Brandwache aus der brennenden Schule durch Feuerstürme hindurch ins Freie retten. Die Mehrzahl der Familien war obdachlos und flüchtete nach außerhalb. Leidlich bewohnbar blieben nur wenige Vororte, nördlich des Pregels die Hufen, (auf denen unser Schulgebäude liegt) mit den dahinter liegenden Vororten Ratshof, Amalienau und Juditten, südlich des Pregels Ponarth mit dem Hauptbahnhof und seiner nächsten Umgebung. In 14 Tagen wurde zwischen den beiden Reststädten eine Verbindung durch das Trümmerfeld hergestellt. Durch Freilegung eines Straßenzuges wurde eine elektrische Bahnverbindung geschaffen, an die dann in den folgenden Monaten andere Reste von Stadtteilen und Vororten angeschlossen wurden. Erst allmählich fing das alte Leben zu pulsieren an, und noch lange Zeit konnte man erleben, wie die Berufstätigen des Abends mit Extrazügen der Samlandbahn und der Cranzer Bahn in die Strandbäder fuhren, um am nächsten Morgen zum Dienst zurückzukehren.

 

Da weitere Großangriffe ausblieben, und unter dem Einfluss des herannahenden Winters — die meisten Wohnungen in den Strandvillen waren nicht heizbar — trat eine gewisse Rückwanderung ein, obwohl die Behörden bemüht waren, diese auf andere Teile der Provinz abzuleiten. Von 667 Schülerinnen waren allmählich etwa 180 zurückgekehrt, deren Zahl im Laufe des Dezembers trotz ständigen Abflusses in Kinderlandverschickungslager, mehr noch nach außerhalb durch freiwillige Umquartierung, auf 240 wuchs. Die unterrichtliche Versorgung war außerordentlich schwer, da, was an Schulgebäuden mäßig brauchbar geblieben war, von Militär- oder Zivilbehörden beschlagnahmt wurde. Es gelang, indem zwei Bahnstationen entfernten Tannenwalde eine Auffangstelle in der Volksschule zu finden, in der uns drei Klassenräume freigegeben wurden. In diesen erhielten vom 20. Oktober ab von 8 Uhr morgens bis Einbruch der Dunkelheit nacheinander 8 Klassen ihren wissenschaftlichen Unterricht ziemlich lückenlos. (Die 7. und die 6. Klassen waren am 1. November vom Einsatz zurückgekehrt, während den im RAD verbleibenden Schülerinnen der 8. Klassen zu Ostern der Reifevermerk gegeben werden sollte.) Es war eine außerordentliche Anstrengung für Schülerinnen und Lehrer, namentlich als die Witterung unfreundlich wurde, in oft überfüllten Zügen mit der Vorortbahn hinauszufahren und nach dem Unterricht zu verschiedenen Zeiten zurückzukehren. Auch war es nicht ganz einfach, den Unterrichtsplan mit dem wechselnden Fahrplan der Züge in Einklang zu bringen. Zugverspätungen, besonders in den Abendstunden, wirkten ungünstig. Einmal fuhr der Zug weiter, ehe alle ausgestiegen waren, so dass 18 Kinder von der nächsten Station am Eisenbahndamm entlang zurückmarschieren mussten. Verschiedentlich kamen auf der Rückfahrt nicht alle mit, so ssn, bis sie von einem LKW mitgenommen wurden. Alles wurde getragen, bis es gelang, durch Vermittlung des Reichsverteidigungskommissars in unserem eigenen Schulgebäude 3 Räume freizubekommen, in denen dann nach Neujahr der Unterricht flott weitergeführt wurde.

 

Es wurde schon erwähnt, dass die Zahl der am Unterricht teilnehmenden Schülerinnen ständig wuchs, obwohl zwei Faktoren dem entgegenwirkten. Der eine war die Einrichtung der KLV-Lager. Dass diese sonst so segensreiche Einrichtung nicht gerade großen Erfolg hatte, hatte zwei Gründe: Einmal wurden die KLV-Lager zu spät und zweitens unzweckmäßig aufgezogen. Es sollten die Kinder der 1. bis 4. Klasse nach dem Erzgebirge gebracht werden. Anstatt aber die Klassen derselben Schule möglichst unter ihren den Kindern vertrauten Lehrkräften zu evakuieren, wurden die Kinder desselben Jahrgangs aller Oberschulen für Mädchen, bzw. für Jungen, so wie sie sich zeitlich gerade meldeten, unter fremden Lehrkräften zu neuen Einheiten zusammengefasst, die dann für sich lebten. Es erscheint verständlich, dass es den Eltern nicht leicht fiel, ihre Kleinen an einen völlig neuen Kreis abzugeben, und dass auch die besonders ausgewählten Lehrkräfte es nicht leicht hatten, von Anfang an jedes Kind richtig zu behandeln. Immerhin stellte unsere Schule noch den relativ größten Anteil an Schülerinnen für die KLV-Klassen, wenngleich dieser, an der Gesamtzahl gemessen, nicht so erheblich war. Größer war der Abfluss von Schülerinnen durch die freiwillige Selbstevakuierung nach dem Reich, aber auch der Provinz. So war der Schülerbestand einem starken Wechsel unterworfen, und es kostete große Mühe, den Konnex mit den Auswärtigen soweit aufrecht zu erhalten, dass von dem größten Teil wenigstens die Anschriften bekannt waren. Trotz dieses störenden Wechselns war aber der Unterrichtserfolg recht befriedigend, weil beide Teile, Lehrer und Schülerinnen, mit großer Arbeitsfreudigkeit ihren Pflichten nachgingen. Je ernster die Gefahr an den Grenzen der Provinz, umso größer war die Hingabe an die Aufgaben.

 

Da kam die Offensive vom 12. Januar 1945 mit ihren schlagartigen Erfolgen: Inster und Angerapp wurden von den Bolschewisten ohne Aufenthalt überschritten. Alle und Deime bildeten kein wesentliches Hindernis, ebenso wenig wie die Masurische Seenkette. Nun sahen auch die Sorglosen ein, wie berechtigt die Ratschläge gewesen waren, wenigstens die Kinder bis zu 14 Jahren zu evakuieren. Die Klassen leerten sich. Am 22. Januar waren nur noch 75 Prozent der Kinder erschienen, und diese Zahl wäre rasch auf die Hälfte und weniger gesunken. Da wurden am 22. Januar schlagartig alle noch unterrichtenden Schulen des Gaues geschlossen. Die Lehrkräfte der Königsberger Schulen sollten sich noch für öffentliche Arbeiten zur Verfügung halten, erhielten dann aber am 27. Januar Urlaub. Die Schule hatte aufgehört. -----

 

 

Seite 9   Landsleute bitte herhören!

Wir suchen, und wer berichtet:

 

St.-Insp. Kramm,

 

St.-O.-Insp. Kreß,

 

Paul Kurschat,

 

Angest. Krüger (St.-Amt 16),

 

St.-Insp, Kast, Vollz.-Sekr.

 

Otto Kluschke,

 

Vermess.Techn. Helmut Kaiser,

 

Oberinsp. d. Siechenhauses Emil Klöß,

 

Insp. der Fuhrgesellschaft Krieg,

 

St-O.-Sekr. Kirbach,

 

Flurbeleuchter Arthur Kibellus,

 

Schaffnerin Minna Klebsch,

 

Beleuchter Willi Klein XI,

 

Angest. Kandit (Fuhrges.),

 

St.-Amtm. Krüger,

 

St-Insp. Otto Kaiser,

 

Angest. August Kniest,

 

Alexander Karnat,

 

St.Insp. Klein,

 

Telefonist August Krause (Spark.),

 

Angest Bruno König,

 

Arbeiter Richard Krause,

 

Angest. Gerhard Kollmitz (St-Planungsamt),

 

Angest, Karlshofer (St.-Plan.-Amt),

 

Ober-Reg.Ratswitwe Ursel Krause,

 

Waldemar Knebel (KWS),

 

Kraftfahrer Oskar Korf,

 

Bruno Krause,

 

Kolonnenführer Franz Krause (Gaswerk),

 

Kassierer Bernhard Krauskopf,

 

Werkmeister Gustav Kreuzmann,

 

Frau Grete Kowalczik,

 

Künhast (Opernhaus),

 

Angest. Karl Klute,

 

Konrektorin Alice Kiehn,

 

die Angehörigen von Schlosser Julius Kluge (E-Werk),

 

Kraftfahrer Ernst Klaus,

 

Oberinsp. d. Fuhrges. Kahleck,

 

St.-Ob.-Bauinsp. Kerkmann,

 

Oberinsp. Heinrich Kelletat,

 

Krankenschw. Anni Klunkat,

 

Stud.-Rätin Elis. Kunze.

 

Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -Angestellten und -Arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1.

 

 

Seite 9   Nicht nach Königsberg

Die sowjetische Botschaft in Ost-Berlin hat mehreren Bewohnern der Sowjetzonenrepublik auf deren schriftliches Ersuchen mitgeteilt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Besuche der im sowjetischen Verwaltungsteil Ostpreußens verbliebenen bzw. festgehaltenen Familienangehörigen möglich seien. Die Botschaft erklärte sich jedoch bereit, formlose Anträge auf Familienzusammenführung an das sowjetische Außenministerium weiterzuleiten. Ähnliche Mitteilungen erhielten Bewohner der Sowjetzonenrepublik, deren Familienangehörige nach dem Krieg in den baltischen Staaten verblieben waren.

 

 

Seite 10   Menschen mit lübischem Recht gründeten die Stadt Königsberg

Hans Rothfels: 700 Jahre Königsberg – Rede bei der Gedenkfeier der Patenstadt Duisburg am 28. Mai 1955. Herausgegeben vom Gräfe und Unzer-Verlag, München, 1955, 2,-- DM

Wer das Glück hatte, im Rahmen der vielen Veranstaltungen anlässlich der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg in der Patenstadt Duisburg dem Festakt der Stadt Duisburg im Stadttheater beizuwohnen und damit auch die Festrede von Professor Dr. Hans Rothfelds zu erleben, der wünschte sich sofort, dass diese Rede im Druck erscheinen möge, damit sie stets nachgelesen werden kann und der Nachwelt als ein wichtiges Zeugnis wissenschaftlicher Bemühung um die Bedeutung der ostpreußischen Landeshauptstadt erhalten bleibt. Der Gräfe und Unzer-Verlag, jetzt München, früher die größte europäische Buchhandlung in Königsberg, hat sich das Verdienst erworben, die Drucklegung dieser Rede durchgeführt zu haben, ein Verdienst, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und dessen ganzes Gewicht man umso mehr erkennen wird, je mehr man durch die Zeit Abstand gewinnt von jenen Festtagen in Duisburg. In meinem „Brief an den Ostpreußen, der nicht dabei war" und meinem Bericht über die Festtage habe ich bereits darauf hingewiesen, dass es schon eines Historikers vom Range eines Rothfels bedurfte, um nicht nur die gleiche Höhe zu halten wie die der Rede von Oberbürgermeister Seeling, sondern, da doch bereits schon alles Wesentliche gesagt schien, Königsberg in einer völlig neuen Schau aufzuzeigen.

 

Wer diese Rede durch eine nochmalige Lektüre zum zweiten Mal erlebt — und es ist gewiss, dass er es von Zeit zu Zeit immer wieder tun wird, weil es ihn einfach dazu treibt — ist fasziniert von der Prägnanz des Ausdrucks, der es durch seine innere wie äußere Konzentration ermöglichte, innerhalb von etwa eineinhalb Stunden den Bereich von sieben Jahrhunderten abzuschreiten und zu durchmessen, dabei das Wesentliche heraushebend und aneinander reihend, dass sich dem Leser eine deutliche und einprägsame Ganzheit offenbart.

 

Dem Redner ging es, wie er es ausdrückt, darum, das Einmalige und Unwiederholbare und Unverlierbare, das Königsberg ausmacht, aufzuzeigen, nicht um eine rein historische Darstellung oder die Aufblendung von Anekdoten. Wenn heute die panslawistische Wissenschaft und Propaganda behauptet, dass die Sowjetunion oder Polen einen Anspruch auf Königsberg hätten, als eine Gründung durch den Böhmenkönig Ottokar, dann kann die Aussage Rothfels‘ nicht oft und laut genug aller Welt kund getan werden, dass schon lange vor der Gründung durch den Orden — nicht durch Ottokar — bereits 1242 — noch ehe der Orden das Samland betreten hatte — die Gründung der Stadt am Pregel als Handels- und Stapelplatz von der Kaufmannschaft der lübischen Hanse beschlossen worden war. Wenn der Ordenschronist aus „Höflichkeit“, Wie Rothfels feststellt, den Böhmenkönig als Gründer nennt, dann kann niemals an der lübischen Initiative zu dieser Gründung vorübergegangen werden. Denn es sind nicht Böhmen, die sich im Schutze der Burg ansiedeln, sondern Menschen mit ausgesprochen lübischen Namen.

 

Rothfels gibt auch den ganz einfachen Grund für dieses Zusammengenen von Orden und Hanse an: der Orden war auf die Transportschiffe der Hanse für Nachschub an Kriegern und Kriegsmaterial angewiesen, andererseits hatte die Hanse die Wichtigkeit des Vordringens des Ordens für die Ausweitung des eigenen Handels sehr frühzeitig erkannt.

 

Es ist schade, dass Hans Rehberg in seinem Festspiel sich nicht hat von Rothfels beraten lassen. Er hätte dann vielleicht nicht auf die Legende von der Gründung Königbergs durch Ottokar als Ausgangspunkt des dramatischen Geschehens zurückgegriffen, sondern vielleicht diese Gründung durch lübische Kaufleute herausgestellt und unterstrichen. Die völkerrechtliche, historische und sittliche Ungültigkeit eines sowjetischen und polnischen Anspruchs auf Königberg und Ostpreußen ergibt sich aus der weiteren Feststellung des Redners, die man im Hinblick auf gesamteuropäische Lösungen im ostdeutschen und osteuropäischen Raum nicht stark genug unterstreichen und hervorheben kann, dass an der Erschließung und planmäßigen Aufsiedlung dieses Raumes auch bekehrte Nichtdeutsche, Pruzzen, Litauer und Masuren ihren Anteil hatten und das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Königsberg ein „Sammelpunkt des kriegerischen europäischen Adels“ wurde. „Aus dem Reich, wie aus Dänemark und den Niederlanden, aus Frankreich, England und Schottland kamen im letzten Auslaufen der Kreuzzugsbewegung die Gäste, die Glaubenseifer und Abenteuerlust an die Grenzen des christlichen Abendlandes führte“. Auch diese Feststellung ist ein Hinweis, dass Preußen die Vorlösung einer endgültigen Form eines vereinigten Europas darstellt, die von vornherein sowjetische und polnische Ansprüche auf diesen Raum unmöglich macht.

 

Ein weiteres Merkmal der europäischen Mission Königbergs legt Rothfels bloß in der Ausleuchtung der Auswirkungen der Übernahme der Reformation durch Herzog Albrecht, die den Ring enger schloss zwischen Deutschen, Litauern und Masuren im Lande, bald auch evangelische Polen und die vom Herzog in Königsberg angesetzten holländischen Handwerker einbezog, die das Band der Gemeinsamkeit verstärkte mit den baltischen Deutschen, zu Letten und Esten hinüber und um die Ostsee herumgriff. So wurde Königsberg zu einem Glied, ja einem Vorort in der evangelischen Ökumene der nördlichen Völker“. Wie inhaltsschwer, wie zukunftsträchtig ist auch dieser Satz in der Rede von Rothfels. Man wünschte, dass diese Rede von allen verantwortlichen Männern der Welt gelesen würde und sie sehr ernsthaft gerade diese einführenden Sätze auf die ganze Gewichtigkeit ihres inneren Gehalts abwögen, um daraus die einzig mögliche Konsequenz der Rückgabe der ostdeutschen Gebiete an Deutschland zu ziehen.

 

Neben diese Europäisierung im politisch geographischen Raum stellt Rothfels die gleiche im Bereich des Geistig-Seelischen und Sozialen durch die Universität, die in gleicher Weise Hugenotten, Engländer, Schotten in ihren Bann zog wie Masuren, Litauer, Kurländer, Livländer und Estländer. Und es zeugt von dem Wissen um ein europäisches Zusammen- und Nebeneinanderleben, wenn an der Albertina im 18. Jahrhundert bereits ein litauisches und polnisches Seminar gegründet wurden.

 

Die Wirkung von Kant, Hamann und Herder werden von Rothfels selbstverständlich einbezogen in die Wesenheit Ostpreußens und Königsbergs, wobei auch hier die Ausstrahlung auf die „Kultur anderer Völker“ angedeutet wird. Natürlich steht die Steinsche Reform im Vordergrund, wie überhaupt Rothfels das Ende des 18. und den Beginn des 19. Jahrhunderts die „fruchtbarsten Jahre“ Königsbergs nennt, in denen ein Mann wie der Oberpräsident Theodor von Schön die Kantschen Prinzipien als ein „Programm der sittigenden Gemeinschaft zwischen den Nationalitäten“ auslegen konnte, indem er schreibt „Nur dadurch, dass man Ideen bei den Völkern ins Leben setzt, kann man Völker ketten“.

 

Was Rothfels in Bezug auf die Zeit nach 1918 zu sagen hatte, ist in meinem Festbericht ausführlich dargelegt, so dass es nicht hier wiederholt zu werden braucht. Doch muss der eine Satz ins Gedächtnis zurückgerufen werden „Es erwies sich, dass der Nationalstaat westeuropäischer Prägung nicht ohne weiteres auf den Ostraum anwendbar war. Mit Notwendigkeit führte das zu einem Neudurchdenken gesellschaftlicher, politischer und nationaler Lebensformen, zur Absage an Gleichförmigkeit, sei sie durch Gewalt oder durch den Druck des Mehrheitswillens zu bewirken, zur Bejahung des Durcheinanderwohnens von Völkern, zur Forderung föderativer Auflockerung und Verbindung, wobei gerade den anderssprachigen Volksgruppen eine wesentliche und positive Rolle zufallen sollte. Es ging bei diesen Gedankengängen, wie sie in Königsberg in Kreisen der Universität oder in der jungpreußischen Bewegung sehr lebendig waren, weniger um die Revision der Grenzen als um Revision der Gesinnungen“. Gerade diese Feststellung, dass innerhalb Königsbergs Mauern Ideen gedacht worden sind, die auch auf zukunftsträchtigen Neuordnung im ostdeutschen und osteuropäischen Raum gewidmet waren, begründet unsere Forderung nach einer Rückkehr Ostpreußens in den deutschen Reichsverband, um die europäische Mission Ostpreußens erfüllen zu können. Herbert Schlobies

 

 

Seite 10   Immanuel Kant uno Die Jo-Jos. Ein Studentenulk.

Wer es nicht mehr wissen sollte, dem sei es gesagt, dass Jo-Jos keine neckischen kleinen Mädchen waren, sondern ein Spielzeug für Jung und Alt, mit dem man sich bis zum Eintritt der Stupidität belustigen konnte. Es bestand aus knapp handtellergroßen, runden Holzscheiben, zwischen denen ein meterlanges Band befestigt war, vermittels dessen das Scheibenduo auf- und niedergehaspelt werden konnte. Irgendwer erfand es inmitten der zwanziger Jahre, und da es in seiner Art originell war, fand es eine so stürmische Verbreitung wie zuvor mal das Diabolo und späterhin das Kreuzworträtsel.

 

Nun werden Sie gewiss fragen: „Was hatte denn der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant mit solchen Kinkerlitzchenkram zu schaffen? Als dieses kuriose Spielzeug auf dem Markt erschien, gab es von Kant kaum noch ein Häufchen Staub!“

 

Nun ja, die Sache war die und der Umstand der: an einem schönen Sommermorgen gab es vor dem Kant-Denkmal bei der Albertina einen erheblichen Menschenauflauf, aus dem Gelächter aller Schattierungen bis zum Universitätsgebäude bzw. bis zur Buchhandlung von Graefe und Unzer und dem Café Bauer hinüberschallte. Kant war — wie jeder Königsberger sich erinnern wird — in der Pose des Dozierens im Steine festgehalten worden. Er hielt den rechten Arm nach vorn gestreckt und seinen rechten Zeigefinger vorgeschoben. An diesem Zeigefinger aber hing jetzt ein Band und an dem Bande das hölzerne Scheibenpaar eines Jo-Jos. Bei der Kopfhaltung, die das Denkmal aufwies, sah es genau so aus, als betrachte Kant das kuriose Ding und sinne darüber nach, wie es wohl geschehen könne, dass sich selbst ernstzunehmende Menschen mit solch einem Dingsda zu beschäftigen vermögen; und unter diesen Menschen gar solche, denen die „Kritik der reinen Vernunft“ zum Wissensbestandteil geworden war.

 

Es handelte sich bei der Sache um einen Studentenulk, der so ins Schwarze traf, dass sich selbst die Königsberger Zeitungen bildmäßig der erheiternden Angelegenheit annahmen.

 

 

Im Café Bauer

Fällt das Wort Albertina oder der Firmenname Graefe und Unzer, so denkt jeder Königsberger unweigerlich auch an das Café Bauer, und die ältere Generation erinnert sich dann an den ursprünglichen Zuschnitt dieses Cafés, also an jenes Gesicht, das es vor der Renovierung besaß. Da es dem Universitätsgebäude gegenüberlag, spielte in ihm damals als Gäste Studiker die Hauptrolle. Viele, viele von ihnen waren dort Stammgäste, und zu seinen ständigen Besuchern gehörten auch einige Zeitungsleute, zumal „Bauer“ zu den sogenannten Zeitungscafés zählte, in denen neben den namhaftesten Presseorganen des Reiches auch bedeutende ausländische Blätter ausgehängt waren. Die Presseleute — freie Journalisten und auch einige Redakteure — ließen sich gewöhnlich an einem der größeren Tische nieder, die zur Rechten des Haupteingangs zwischen schulterhohen hölzernen Trennungswänden standen. Man sah sie hier meisthin in den Vormittagsstunden, und wenn man sie nicht gewahrte, so fehlte praktisch etwas am Gesicht des Cafés.

 

Eine weitere Besuchergarnitur stellten ein paar Anhänger des Turfs, weil sie sich in den vorhandenen Sportjournalen über die neuesten Zuständlichkeiten auf den Rennplätzen informieren und nach eingehendem Studium der Vorschauen und Trainingsberichte zu aussichtsreichen Tins entschließen konnten. Während der Lektüre fiel wohl dann und wann der Blick durch das hohe, breite, aufziehbare Schaufenster zum Paradeplatz hinaus, auf den immer belebten Bürgersteig, auf die vorbeirasselnden Elektrischen, auf das Universitätsgebäude oder schrägweg nach rechts zu dem Portal des Opernhauses.

 

Die — meisthin jahrzehntelang im Café Bauer wirkenden Kellner wussten genau, was ihre Stammgäste zu genießen wünschten und brauchten daher bei vielen nicht erst nachzufragen. In ihrer ruhig-sicheren, stillen Art setzten sie den Kaffee, Tee oder das Bier, das Napoleonschnittchen oder die Fleischpastete vor und fragten bisweilen höflich nach dem Befinden des altbekannten Gastes. Kam der am Nachmittag und am Abend her, wenn die Musikkapelle bereits konzertierte, so wurde ihm oft eine Sonderehrung zuteil, indem die Kapelle ihr Spiel unterbrach und als Einlage mit dem Lieblingslied des Stammgastes aufwartete. Tja, das waren noch Zeiten! G. S.

 

 

Seite 10   Gemeinschaft ostdeutscher Leichtathleten

Im Anschluss an die Wettkämpfe der Traditionsgemeinschaft fand am Abend des 5. August im festlich geschmückten Saal der Frankfurter Rudervereinigung Germania ein Kameradschaftsabend statt. Mehr als 250 Aktive und Inaktive waren erschienen, die einen Abend in festlicher Hochstimmung erlebten.

 

Der Vorsitzende der Traditionsgemeinschaft, Dr. Schmidtke, umriss nach Ehrung der Toten des letzten Jahres die Ziele dieser aus Vereinsidealismus und Liebe zur Heimat entstandenen Gemeinschaft ostdeutscher Sportsleute. Mit dem Geloben steter Treue zur Heimat und dem gemeinsamen Gesang der dritten Strophe des Deutschlandliedes klang diese Rede aus.

 

Im Anschluss daran folgte die Ehrung der Sieger, für die eine große Zahl von Ehren- und Wanderpreisen, gestiftet aus dem Kreise der Traditionsgemeinschaft, zur Verfügung stand. Der Wanderpreis für den besten 1500-m-Läufer, gestiftet von der Pommerschen Landsmannschaft, fiel erstmalig an Schlesien. Die siegreichen Läufer des Stettiner Sportclubs in der 4X100-m Vereinsstaffel erhielten Ehrengaben vom Verlag der „Pommernbrief“. Der für den Sieger in der Traditions-Staffel ausgesetzte Wanderpreis, der auf eine Stiftung des Vorsitzenden des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Dr. Danz, zurückgeht, fiel an Ostpreußen.

 

Dr. Danz ergriff bei der Überreichung des Ehrenpreises selbst das Wort und wies auf die Gründung der Traditionsgemeinschaft vor zwei Jahren anlässlich der Deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Augsburg hin. Er unterstrich die glückliche Lösung der Verbindung dieses Jahrestreffens mit den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften und betonte, dass auch in Zukunft daran festgehalten werden soll. Der deutsche Sport bekennt sich zum deutschen Osten aber nur durch friedliche Mittel kann eine Wiedervereinigung in Freiheit angestrebt werden.

 

An sieben Mitglieder der Traditionsgemeinschaft verteilte daraufhin Dr. Danz den Ehrenbrief des Deutschen Leichtathletik-Verbandes an die Ostpreußen Erwin Blask und Willibald Geelhaar, die Pommern Lüttke, Max Amlong und Radloff, den Westpreußen Bruno Praetzel und den Schlesier Bernd Koschel.

 

 

Seite 10   Die besten Ostpreußen-Bücher. Neuer Katalog.

1.      Bildwerke

Königsberg. Ein Buch der Erinnerung mit 66 eindrucksvollen Bildern und wertvollen Beiträgen

Königsberger Autoren. Großformat. 126 S. Leinen 13,80 DM. Halbleinen 15,50 DM.

 

Ostpreußen. Unvergessene Heimat in 116 Bildern — Dokumentarbildband in Großformat. 160 S. Leinen 13,80 DM. Halbleder 18,50 DM.

 

Ostpreußische Gutshäuser. Bildwerk von Carl v. Lorck. 12,80 DM.

 

In der Heimat. Von Ernst Wiechert. 64 Fotos von Masuren. Ganzleinen 9,80 DM.

 

Königsberg in 144 Bildern. Ein Bildwerk von seltener Klarheit und Einmaligkeit. Kartoniert 6,80 DM. Leinen 9,50 DM.

 

Der Väter Land. Ein prachtvoller Bildband mit 86 ganzseitigen Aufnahmen aus Ost- und Westpreußen. Kupfertiefdruck. Kart. 6,80 DM; Geschenkausgabe in Leinen 9,30 DM.

 

Die Marienburg. Deutsche Baukunst. Band 1 - 48 ganzseitige und 22 halbseitige wertvolle Lichtbilder. 60 S. Text von Oberbaurat Prof. Schmid (verstorben), herausgegeben von Reg.-Baurat K. Hauke. Ganzleinen 16,80 DM.

 

Bildband Ost. Dokumente europäischer Leistungen in den Heimatgebieten der deutschen Vertriebenen. 104 S., 60 ganzseitige Künstlerfotos. In der Reihe „Deutsche Baukunst im Osten“, Göttinger Arbeitskreis. Holzner-Verlag. Preis 6,-- DM.

 

Das Heiligtum der Pferde. Binding. — Ein Denkmal für Ostpreußens weltbekannte Trakehner Pferde mit 69 Originalfotos. 104 S. Kunstdruckpapier. Ganzleinen 9,80 DM.

 

Ostpreußen – Westpreußen. Deutscher Osten mit vielen hervorragenden Fotos und Text. Halbleinen 4,25 DM.

 

Haff und Schilf. Bildbuch vom Kurischen Haff. Kartoniert 6,— DM.

 

Heimat Ostpreußen. 64 Fotos von Memel bis Danzig. Kart. 6 DM.

 

Ostpreußen. Von Willy Kramp. Bildband mit 64 ganzseitigen Originalfotos. 80 Seiten. Ganzleinen 7,80 DM.

 

Ostpreußen-Merianheft II. Lebens- und Schicksalstage aus der Welt der ostpreußischen Städte. 2,80 DM.

 

Deutschland. Mitteldeutschland und der Osten wie er war. Ein Bildwerk mit 136 Aufnahmen. 24 S. Text. Großformat 14,80 DM.

 

 

2.     Geschichte, Politik, Zeitgeschehen

Schlacht um Ostpreußen. Von F. Roßbach. 2,80 DM.

 

Aus der Geschichte Ostpreußens. Von Prof. Schumacher. Volkstümliche Darstellung m. vielen Abbildungen. 3,50 DM.

 

Geschichte der Stadt Königsberg. Von Dr. Franz. 1,50 DM.

 

Untergang der „Wilhelm Gustloff“. Aufsehenerregender Tatsachenbericht. Preis 3,65 DM.

 

Es begann an der Weichsel. Von Jürgen Thorwald. Volksausgabe 2,95 DM. Das Ende an der Elbe. 418 S. Ganzl. 14 DM, Volksausgabe 2,95 DM.

 

Königsberg 1945 – 1948. Erlebnisbericht v. Pfarrer Linck. Halbl. 3,50 DM.

 

Wenn die Dämme brechen. Von Dwinger. Der Untergang Ostpreußens. 610 S. Leinen 6,80 DM.

 

Preussenbrevier, von Selle. Die schöpferische Seite der staatspolitischen Idee Preußens. 105 S. Ganzl. 4,80 DM.

 

Ostdeutsche Biographien. Von von Selle. 365 Lebensbeschreibungen ostdeutscher Persönlichkeiten. Ganzl. 11,80 DM.

 

Dokumente der Menschlichkeit, herausgegeben vom Göttinger Arbeitskreis. 194 S., 5,80 DM.

 

Deutsch-Slawische Schicksalsgemeinschaft. Von F. Gause. Eine umfassende Schau der osteuropäischen Geschichte. 312 Selten. Ganzleinen 16,80 DM.

 

Ostdeutschland. Hand- und Nachschlagwerk. Halbl. 5.50 DM. kart. 4,50 DM.

 

Festung Königsberg. Von Clappier. Bericht über die letzten Tage Königsbergs. Ganzl. 10,80 DM.

… Bis an die Memel. 48 S., broschiert. 1,50 DM

 

Die Ostgebiete des Deutschen Reiches. Ein Buch von höchstem Wert mit 19 Kartenanlagen. 288 S., Ganzleinen 14,70 DM.

 

Das Deutsche Reich und Polen 1932 – 1937. Außenpolitik und Volkstumsfragen von Richard Breyer, herausgegeben vom Herder-Institut Marburg. 360 Seiten, Ganzleinen 14,70 DM.

 

Die Deutsche Volksgruppe in Polen 1934 – 1939. Beiheft zum Jahrbuch der Albertus-Universität. Von Theodor Bierschenk. 405 S., 15 DM.

 

Grenzen der Sowjetmacht. Von Prof. W. Starlinger. Das Buch des Jahres! Es gehört in die Hand jedes denkenden Menschen. 131 Seiten. 6,50 DM.

 

Kant und Königsberg. von Stavenhagen. Mit 10 Abbildungen, geb. 5,80 DM.

 

Von den Wanderdünen der Kurischen Nehrung. Mit 24 eindrucksvollen Bildern. 2 DM.

 

Auch in der Hölle bist Du da – Kühnapfel -  Erlebnisse einer Pfarrersfrau im besetzten Ostpreußen. 192 S., geb. 4,80 DM.

 

Das Deutsche Ordensland Preußen.  Von Heinrich von Treitschke - Neuerscheinung.

 

Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens. Von Prof. Dr. Hubatsch. Ganzl. 14,50 DM.

Im Banne der Ostsee. Mit 15 Kartenskizzen, kart. 1,50 DM.

 

Deutsches Geistesleben in Ostpreußen. Von von Götz von Selle. 1,80 DM.

 

Der Bernstein. Von Prof. K. Andreé. 1,80 DM

 

Südostpreußen und das Ruhrgebiet. Von Dr. Nadolny. Kart. 1,50 DM.

 

Liebes altes Königsberg. Erinnerungsbuch. Von Wilhelm Matull. Mit 13 Zeichnungen. Halbleinen 5,80 DM. 200 Seiten.

 

Deutscher Osten – Deutsche Heimat. 72 Seiten mit zahlreichen Abbildungen – Mann-Reihe – 1,90 DM

 

 

3.     Ostpreußischer Humor

Humor aus Ostpreußen. Anekdoten und lustige Geschichten. Ganzleinen, 112 S. — Ganzl. 4,80 DM, kartoniert 4 DM.

 

Die Entdeckung Ostpreußens. Von Robert Budzinski. Ganzleinen mit vielen Holzschnitten. 5,50 DM.

 

Starker Tobback. Von Wilhelm Reichermann. Auslese plattdütscher Spoaskes. 64 S., kart. 2 DM.

 

Schabbelbohnen – Plidder-Pladder. Von Dr. Alfred Lau. 2 Bände humoristischer Gedichte in ostpreußischer Mundart. Besonders geeignet zum Vortrag und Vorlesen an Heimatabenden. Jeder Band 44 S., kart. 2 DM.

 

Klps und Glumse. Aus Keenigsbarg und Ostpreißen, von Robert Johannes. Neue Auslese aus dem Deklamatorium des berühmten ostpreußischen Dialektrezitators. Band I u. II je 64 S., kart. je 2,50 DM.

 

 

4.     Romane, Erzählungen und Gedichtsammlungen

Schritte über die Schwelle. Von Charlotte Keyser. — Der erfolgreiche Tilsiter Kaufmannsroman. 480 Seiten. Ganzleinen 11,80 DM.

 

. . . Und dann wurde es hell. Von Charlotte Keyser. — Ein neues Buch der memelländischen Schriftstellerin. 280 S. Ganzleinen 8,50 DM.

 

Bi ons to hus. 22 memelländische-ostpreußische Lieder mit Noten von Charlotte Keyser. 48 S., kart. 4 DM.

 

Das Wunder am Meer. Von Fritz Kudnig. - Lied einer Landschaft. Gedichte von Haff, Meer u. Dünenland. Mit 8 Bildern dieser Landschaft. 48 S. kart. 2,80 DM, Leinen 4,25 DM.

 

Mein Königsberg. Von Walter Scheffler. — Spaziergänge in Sonetten und Liedern. Mit 8 Bildern von Königsberg auf Kunstdruckpapier. 48 S., kart. 2,80 DM, Leinen 4,25 DM.

 

Land voller Gnade. Von Günter Schwab. — Die Landschaft Ostpreußens, wie sie lebt und webt. Ein Buch von Wäldern, Wassern und Wildnis. 634 Seiten mit zahlr. Illustrationen. Ganzl. 12,50 DM.

 

Die Kanther-Kinder. Von Gertrud Papendick. — Roman einer Königsberger Kaufmannsfamilie. 522 Seiten. Ganzl. 10,80 DM.

 

Der Herr der Düne. Rudolf Naujok. — Ein Heimatroman. 240 Seiten. Halbleinen 6,80 DM.

 

 

Werke von Paul Fechter

Zwischen Haff und Weichsel. Jahre der Jugend zwischen Haff und Weichsel. Schilderungen mit großer Heimatliebe. 114 Seiten. Ganzl. 11 DM. / Deutscher Osten. 1 47 Bilder aus Ost- und Westpreußen mit 31 Seiten Text. Gebunden 2,20 DM. / Der Zauberer Gottes. Der große Bühnenerfolg. 2,20 DM.

 

Die Mutter. Von Finckenstein. Familienroman aus Westpreußen. Ganzl. 7.50 DM. / Schwanengesang. Roman einer vergangenen Zeit. 599 S. Ganzl. 11,80 DM. / Fünfkirchen. Roman aus Westpreußen. Ganzl. 7,60 DM.

 

Ost- und Westpreußische Sagen- Born von Schmauch. - 64 S. Halbl. 3,90 DM.

 

Die Barrings /Der Enkel. v. Simpson. Ostpreußischer Familienroman. Ganzleinen. Jeder Band 9,80 DM.

 

Agnes Miegel und Ostpreußen. Von Inge Meidinger-Geise. Beiheft zum Jahrbuch der Albertus-Universität. In neuer Sicht wird das Problem von Dichterpersönlichkeit und Stammesart an einer Dichtung erörtert, die trotz Ihrer Bindung an eine Landschaft in ihrer Bedeutung weit über diese Begrenzung hinausgeht. 226 S., 12 DM.

 

Ostpreußische Dorfgeschichten. Von Erminia von Olfers-Batocki. Halw. 3,90 DM.

 

Idyllen vom Baltischen Ufer. Ferdinand Gregorovius. 56 S. mit 4 Abb., kart. 1 DM.

 

Daheim am Strom. Rudolf Naujok — 37 Erzählungen aus der memelländischen Landschaft, 325 Seiten. Halbleinen 4,80 DM.

 

Ostpreußen erzählt. Ein Heimatbuch mit vielen Beiträgen bekannter Heimatdichter — 192 Seiten, 13 Zeichnungen, 11 Fotos u. Ostpreußenkarte. Halbleinen 6,85 DM.

 

Alles um eine Maus. Von von Sanden-Guja - Erlebnisse um den Fang einer Birkenmaus mit Originalfotos des Verfassers. 4,80 DM.

 

Am See der Zwergrohrdommel. Von von Sanden-Guja - Naturschilderungen des bekannten ostpreußischen Schriftstellers. 8 Fotos. 103 S., Ganzleinen 6,80 DM.

 

Der große Binnensee. Mit vielen Bildern und Worten hält auch In diesem Buch der Verfasser die Erinnerung an die Heimat wach. Ganzl. 11,80 DM.

 

 

Guja

v. Sanden-Guja — Das Leben am See der Vögel. Das bekannteste Heimatbuch des Dichters. 284 Seiten und 174 Fotos aus der Heimat. Ganzleinen 12 DM.

 

Ingo

v. Sanden-Guja. Die Geschichte eines Fischotters. 16 Bildtafeln. 5,80 DM.

 

Das Bilderbuch meiner Jugend. Hermann Sudermann — 389 S. Halbl. 6,80 DM. / Die Reise nach Tilsit. 2,20 DM. / Frau Sorge. Ln. 7,80 DM /Litauische Geschichten, Halbl. 6,80 DM / Der Katzensteg, 304 S. Halbleinen 6,80 DM. Volksausgabe 1,90 DM.

 

 

Seite 11   Elche, Enten, Wald und Wasser. Nehrungs-Erinnerungen von Lothar Mosler-Boehm.

Foto: Die Fischfrauen in Cranz. Aufn. M. Hinz

Der Herbst ist ins Land gezogen. Herbst Ist es nun auch im ostpreußischen Land, Herbst im Nehrungswald zwischen Cranz und Sarkau. Es schwebt ein eigenartiger Duft durch diesen Wald, der salzige Geruch der Ostsee, der Harzgeruch der Kiefern und der eigenartige Schilfozon des Kurischen Haffs.

 

Dieser liebliche Geruch steigt mir jetzt in die Nase, obwohl ich in einem holsteinischen Dorf am Schreibtisch sitze und durch das Fenster hinaus in die Landschaft schaue. Aber diese Landschaft fängt plötzlich an zu flimmern, sie verschwindet, die Gedanken gehen auf die große Reise, über die Zonengrenze, über den Oderstrom, über die Weichsel, und plötzlich stehe ich in Königsberg auf dem Nordbahnhof. Es ist ein herrlicher, sonniger Herbsttag. Bewaffnet mit Feldstecher und Knotenstock, den Jägerfilz ins Genick geschoben, so betreten wir, d. h. „Piefke“, der große Münsterländer und ich, die geräumige Bahnhofshalle. Wir besteigen die Cranz-Samlandbahn und der Zug trägt uns durch herbstliche Wälder und abgeerntete Felder, an Wiesen und Weiden, auf denen noch das schwarzbunte Vieh steht, vorbei. Auf einer großen Koppel galoppieren 15 bis 20 Einjährige umher. Die Pferde wollen sich noch tüchtig austoben, bevor die große weiße Jahreszeit kommt, denn nachher in den Stallungen der Guts- und Bauernhöfe ist es doch ziemlich eng.

 

Ostseebad Cranz, kein prunkvolles Westerland oder Zoppot, sondern eine Mischung zwischen Kurort und Fischerdorf, mit seinen prachtvollen Flundernfrauen, die so herrlich kaldreiern können. Aber jetzt ist es Herbst und der Bade- und Kurverkehr geht seinem Ende entgegen.

 

Wir wandern durch Cranz an der Oberförsterei vorbei und betreten den Wald, den Nehrungswald. Ein unübersichtlicher Mischbestand, Eichen, Birken und Buchen, Nadelholzschonungen, Farnlichtungen, sumpfige Gestrüppe, durchzogen von schwarzblinkenden Gräben, das ist das Reich des Königs der Nehrung, des Elches, und ihm gilt unser Besuch. Aber das ist leichter gesagt, als getan. Aber ich kenne den Tageseinstand einiger Elchtiere, auch ein Spießer war immer dabei. In einem Erlen- und Birkendickicht mit seinem sumpfigen, moorigen Untergrund liegt der Einstand. Bis auf hundert Meter pirschen wir uns heran und machen hinter einem Birkenholzstapel halt, dichter gehen wir nicht heran, denn wir wollen die Elche weder beunruhigen noch vergrämen, aber das starke Hensoldtglas holt sie alle deutlich heran: drei Stück Kahlwild sowie ein Spießer und ein Stangenachter. Hier sitzen sie nun friedlich in ihren Suhlen nebeneinander. Wenn ich daran denke, wie es hier im Nehrungswald vor sechs Wochen zuging während der Elchbrunft, damals glaubte man nachts in den afrikanischen Urwald versetzt. Das Rascheln, Knacken, das dumpfe Stöhnen und das helle Wiehern des Schauflers während des Beschlagens hörte sich unheimlich an.

 

Da stand ich in einer acht- bis zehnjährigen Kiefernschonung und um uns tobte die Elchbrunft. Meine Bekannten kamen aus Westdeutschland und hatten schon manche Hirschbrunft in Pommern und in den Alken miterlebt, aber eine Elchbrunft, die war ihnen neu. Die junge Frau stand neben mir und zitterte wie Espenlaub. Und dann kam etwas, was ich im Stillen befürchtet hatte: plötzlich teilten sich seitlich von uns die Kiefern und vor uns stand halbverdeckt ein Schaufler, ein alter prächtiger Bursche, tiefschwarz in der Decke. Das Weiße der Lichter leuchtete uns entgegen. Der Atem stand ihm vor dem Äser, denn es war schon ziemlich kühl. Da war es mit der Ruhe meiner Begleiterin zu Ende, ein gellender Schrei ein ohrenbetäubendes Krachen und Rauschen, als wenn eine Elefantenherde durch den Dschungel bricht und vorbei war der Spuk.

 

Leise traten wir den Rückweg auf die Waldschneise an, und machten uns auf den Weg zur Försterei.

 

Die Eichelhäher plärrten, ein Schoof Enten zog zum Haff herüber, ein Schmalreh zog vor mir über das Gestell und ein Fischreiher ruderte seinem, auf einer hohen Kiefer befindlichen Horst entgegen. Nach etwa zwanzig Minuten Wegezeit standen wir vor der Försterei. Da stand noch das alte Schild „Königl. preuß. Revierförsterei Grenz“. Hier wohnte der Betreuer und Beschützer dieses herrlichen Reviers, der Oberforstwart Hugo Seier mit seiner lieben Frau Emma.

 

Wie ich so am Tor stehe, wandert mein Blick über das Gehöft, zur Rechten das Stallgebände für die Kühe, das liebe Federvieh und für „Peter“, den Stolz des Försters, einen  prächtigen Trakehner Rappwallach, links die Scheune mit dem Storchennest auf dem First. Familie Rotbein war schon auf dem Wege nach dem sonnigen Süden. An die Scheune schließt sich Werkzeug- und Geräteschuppen und an der Querseite liegt das geräumige weiße Forsthaus mit dem roten Pfannendach, überschattet von einer hohen uralten Kastanie. Dahinter der große Garten. Das ganze Anliegen von drei Seiten von hohem Kiefernwald umstanden und als vierte Seite von der weiten Wasserfläche des Kurischen Haffs begrenzt.

 

Wie ich so träumend dastehe, kommt es heran mit Jiff und Jaff, die Hundemeute des Försters: „Tell“, der Deutsch-Drahthaar, „Nixe“, die Kurzhaardackelhündin, „Anka“, die Langhaardackelhündin und „Männe", der Rauhaardackel. Es gibt eine stürmische Begrüßung. Durch den Lärm tönt eine tiefe Stimme: „Was ist denn hier los?“ In der Haustür steht Förster Seier: eine mittelgroße, breitschultrige Gestalt in schmuckem grünen Rock, ein verwittertes Gesicht, graue Haare, eine kurze Tabakspfeife, aus der muntere Rauchwolken emporsteigen, alles in allem: das Bild eines echten Waldläufers.

 

„Ha, sie sind es, Waidmannsheil, Herr, M., sie kommen mir gerade recht, ich will ein paar Enten schießen und nun brauche ich einen tüchtigen Staaker für meinen Kahn, sie sind ja noch jung, grad der richtige Mann für mich“.

 

„Waidmannsheil, Herr Seier, selbstverständlich, wird gemacht, wann geht's denn los?“

 

„Nun man sachte mit die jungen Pferde, erst kommen sie man mal rein, Nehrungsluft macht hungrig“.

 

So betrete ich mit ihm sein gemütliches Arbeitszimmer. Mit uns ist „Anka“, die kleine Langhaardackelhündin ins Zimmer hineingerutscht und verschwindet eilig unter dem Schreibtisch. Dort liegt eine Dachsschwarte, der sie langsam aber sicher alle Borsten auszieht.

 

Am Fenster steht der große Schreibtisch, die Querwand nehmen der große Bücherschrank und der Gewehrschrank mit dem Drilling, den Doppelflinten, der Büchse mit dem Zielfernrohr, dem Hirschfänger, der Saufeder und den beiden Ferngläsern, ein. Die Wände schmücken viele Rehkronen, Geweihe, Elchschaufeln und Stangenelche, Keilerwaffen, dazwischen hängen einige Kunstdrucke und Bilder aus deutschen Wildbahnen und über der Tür ein ausgestopfter Birkhahn, ein Tannenhäher und ein Eichkater.

 

Die Frau Försterin kommt mit einem Tablett herein: selbstgebackenes Landbrot, selbst gemachte Butter, Schinken, ein Stück geräucherte Wurst und eine große Kanne heiße Vollmilch mit Bienenhonig. Ja, nun merke ich's selber, Nehrungsluft macht hungrig und ich lasse es mir schmecken. Nach dieser reichlichen Stärkung machen wir uns fertig, gehen die 50 Meter bis zum Haff hinunter, wo in einer kleinen Bucht der Kurenkahn liegt, allerdings ohne Mast und Segel. Wir fahren hinein in das Schilfmeer, am Bug Förster Seier, den schussbereiten Drilling im Arm, in der Mitte des Kahnes „Tell“, der Gebrauchshund, und am Heck stehe ich und staake mit einer langen Stange den Kahn langsam und vorsichtig durch das Schilf.

 

Da ... Wasserrauschen, Quack, Quack, Quack, da steigen sie auf. Peng, bricht der Schuss los, ein Plums, schon ist Tell über Bord. „Such verloren, mein Hund“. —

 

„So, schön, mein Hund, schön apport, mein Hund“. Da kommt er schon, im Fang einen Stockerpel. Ein Griff ins Halsband und hipp ist er wieder im Kahn. Er setzt sich. „Aus, so ist brav, mein Hund“, und der Erpel verschwindet vorne im Bug. Weiter geht unsere Fahrt. So fahren wir zwei Stunden durch das Schilf, drehen dann bei, und treten die Rückfahrt über das freie Wasser an. Zwölf Stockenten und zwei Knäckenten sind die Strecke. Als wir unterhalb der Försterei anlegen, ist es bereits dunkel.

 

Nach kurzer Imbisspause spannt Förster Seier seinen „Peter“ vor den leichten Jagdwagen und wir fahren durch den dunklen Herbstwald nach Cranz zurück, von dort bringt uns die Samlandbahn wieder in meine Heimatstadt Königsberg. Ein schöner Tag ist zu Ende, ein Tag in Gottes freier Natur mit ihren vielen herbstlichen Bildern und ihrer bunten Tierwelt, für mich eine Erinnerung, die mir niemand mehr nehmen kann.

 

Verloren die Heimat, verloren Hab und Gut, aber die Erinnerungen sind geblieben, als ein Stück Heimat in fremder Welt.

 

Was aber wurde aus unseren Elchen? Wo sind sie geblieben? Steht das ostpreußische Elchwild endgültig auf dem Aussterbeetat? Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass das ostpreußische Elchwild kurz vor dem Aussterben stand. Nach der Revolution 1848 lebten nur noch knapp ein Dutzend Elche im nordöstlichen Teil unserer Heimat. Von 1848 bis 1914 stieg der Bestand wieder bis auf 750 Stück an. Dieses Ansteigen des Bestandes verdankt der Elch in erster Linie sich selbst, denn es gibt in Deutschland wohl keine Wildart, die sich so schnell neuen Lebensbedingungen anpasst wie der Elch.  Aber schon fünf Jahre später sank der Bestand bis auf 120 Stück herab. Die Nachkriegsjahre des ersten Weltkrieges, benutzten viele Wilderer, um ihr schmutziges Handwerk in den Elchrevieren auszuüben. Damals war es der „Allgemeine Deutsche Jagdschutzverein“, der durch unermüdliche Arbeit und durch strenge Verordnungen, diesem schändlichen Treiben Einhalt gebot. Dann wurde durch das Inkrafttreten des Reichsjagdgesetzes, dem Elchwild weitgehend Schutz gewährt. Schließlich wurde die Elchniederung in das Reichsnaturschutzgebiet „Deutscher Elchwald“ umgewandelt. Damit war, so meinten wir, das stärkste und urigste Wild Deutschlands vor dem Untergange bewahrt geblieben.

 

Dann aber kam das Jahr 1945 und mit ihm das bittere Ende.

 

Hundertjährige Arbeit zu Schutz und Hege des Elchwildes ist vernichtet. Hundertjährige Arbeit eines geschulten und erfahrenen Berufsjäger- und Forstbeamtenpersonals ist zerschlagen. Männer der grünen Farbe haben sich dort in den Erlenbrüchen und Mooren einen Namen gemacht. Ich nenne nur Forstmeister Orlowski (aus Tawellningken), Oberforstmeister Hans Kramer und den leider so früh verstorbenen Forstmeister von Ibenhorst, Dr. Horst Siewert.

 

Die letzten Meldungen, noch während der Kampfhandlungen aus Ibenhorst, Tapiau, Sternberg, Bludau, aus dem Samland und von der Kurischen Nehrung waren erschütternd.

 

Durch Artilleriebeschuss, durch die Panzerschlacht im Raum Cranz-Labiau und durch die Winterschlacht auf den zugefrorenen Mooren der Elchniederung ist der Elchbestand (bei der letzten Zählung 1300 Stück stark) stark gelichtet worden. Einen Teil haben die Russen noch abgeschossen oder gefangen. So meldete die Presse im November 1948:

 

„Dem Zoologischen Garten von Leningrad sind die letzten beiden Elche aus Kaliningrad-Gebiet (Königsberg) zum Geschenk gemacht worden“. Beim Lesen dieser Notiz, verspürte ich einen bitteren Geschmack im Munde. Wir wollen aber hoffen und wünschen, dass ein paar unserer urigen Recken noch leben geblieben sind und auch die Zeit der Russenbesetzung überdauern werden, dann werden wir unserem Elchwild schon wieder auf die Läufe helfen. Denn zum Ostpreußenland, zu seinen Wäldern, seinen Seen, seinen Wanderdünen und Bernsteinküste gehört der Elch.

 

 

Seite 11   Oberregierungs- und Schulrat a. D. Richard Meyer 70 Jahre alt.

Der 1. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer in der Landsmannschaft Ostpreußen, Oberregierungs- und Schulrat a. D. Richard Meyer, jetzt in Oldenburg i. Oldbg., wurde am 1. September 1955 d. Js. 70 Jahre alt. Kampf und Arbeit füllten sein Leben aus. Nach dem ersten Weltkrieg finden wir ihn als Mittelschullehrer und Rektor in jenem Teil Ostpreußens, der durch den Versailler Vertrag von Deutschland abgetrennt werden sollte.

 

1920 wurde er Schulrat in Heydekrug. Die gewaltsame Abtrennung seiner Heimat, dem nunmehrigen „Memelgebiet“, stellt ihn vor politische Aufgaben, denen er sich nicht verschließen kann. Im Kampf um die deutschen Rechte und für die Erhaltung der deutschen Kultur steht er mit an vorderster Stelle. In jener Zeit hat er seine „Heimatkunde des Memelgebiets“ geschrieben, die Volksbücherei in Heydekrug geschaffen, sich für die Errichtung des Sudermann-Denkmals eingesetzt und ist auch an Kirchen- und Schulbauten maßgeblich beteiligt. Nach Inkrafttreten der Memelkonvention zieht er als führendes Mitglied der Memelländischen Volkspartei in den Landtag als Abgeordneter. Durch das große Vertrauen seiner Landsleute wird er zum Vizepräsidenten des Memelländischen Landtages gewählt, dem er 10 Jahre hindurch angehört. In dieser Eigenschaft ist er seit 1926 Beschwerdeführer der Memelländer bei den Signatarmächten der Memelkonvention. 16 Mal ist er in Genf, Paris und London, um gegen die Verletzungen der international garantierten Rechte der Memelländer durch die Litauer zu protestieren. Die Folgen für ihn sind, dass er 3 Mal seines Amtes als Schulrat (1923, 1927 und 1934) enthoben wird. Immer aber wird er wieder ins Amt zurückgerufen. Inzwischen war er Stadtschulrat von Memel geworden, war zugleich Leiter der Stadtbücherei und Dezernent des Stadttheaters. 1932 wurde er während des Wahlkampfes aus einer Wahlversammlung heraus verhaftet und wegen Spionage zu Gunsten Deutschlands angeklagt. 22 000 Unterschriften der memelländischen Bevölkerung, in zwei Tagen gesammelt, und das Eintreten verschiedener Ausländer (Engländer, Holländer und Amerikaner) bewirkten seine Freilassung. Aber 2 Jahre später, 1934, während er in Deutschland seinen Urlaub verlebte, wurde von den Litauern ein neuer Haftbefehl erlassen. Auf den dringenden Wunsch aller politischen Parteien des Memelgebiets blieb er in Königsberg, um von dort aus die Rechte der Memelländer besser vertreten zu können. Hierbei geriet er in Differenzen mit dem Gauleiter von Ostpreußen, der auch Haussuchungen bei ihm vornehmen ließ. Als der Gauleiter mit einer von ihm beantragten Verhaftung sich in Berlin nicht durchsetzen konnte, entzog er ihm das Asylrecht für Ostpreußen.

 

Meyer kam dann als Bezirksschulrat nach Berlin und 1941 an die Regierung in Danzig, wo er bis zum Zusammenbruch im Jahre 1944 als Oberregierungsrat und Schulrat tätig war. Im Februar des Jahres 1945 wurde er mit der Einrichtung einer Abwicklungsstelle für die Verwaltung Danzig-Westpreußen in Schwerin beauftragt, die durch die Besetzung Mecklenburgs durch die Russen ihr Ende fand. 3 schwere Jahre als Tiefbau- und Keller-Arbeiter folgten. 1949 kam er nach kurzem Aufenthalt im Landgebiet nach der Stadt Oldenburg, wo er sich sofort den Vertriebenen-Organisationen zur Verfügung stellte. Er war Vorsitzender des ZVD, wurde nach Gründung des BHE Kreis- und Bezirksvorsitzender. Von 1951 bis 1955 gehörte er als Abgeordneter und Vizepräsident dem Niedersächsischen Landtag an. 1952 wurde er in den Rat der Stadt Oldenburg gewählt und war zugleich bis zum Inkrafttreten der neuen Gemeindeordnung 1955 stellvertretender Oberbürgermeister. Vor kurzem wurde er nun auf Vorschlag der Bundesregierung in den Personalgutachterausschuss für die Streitkräfte berufen. Seit 1949 ist er 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer und arbeitet als solcher in der Landsmannschaft Ostpreußen mit.

 

Sein ganzes Leben war Kampf und Arbeit im Dienste der Allgemeinheit. Immer hatte er ein offenes Ohr für die Nöte seiner Mitmenschen und stets war er bemüht, zu raten und zu helfen. Ruhig und gemessen ist er, ohne seine Person zu schonen, für Recht und Freiheit eingetreten. Stets hat er eine saubere Politik getrieben. Wenn wir von seinem Holze viele hätten, uns wäre um die deutsche Zukunft nicht bange.

 

Unser Wunsch ist, dass ihm noch viele Jahre guter Gesundheit beschieden sein mögen.

 

 

Seite 11   Großes Memeltreffen in Hamburg am 16. Oktober 1955.

Schon bald nach dem Bundestreffen in Mannheim kommen die Memelländer (die Angehörigen der ostpreußischen Kreise Memel-Stadt, Memel-Land, Heydekrug und Pogegen) zu einem wichtigen Treffen am 16. Oktober d. Js. im Winterhuder Fährhaus in Hamburg zusammen. Auf diesem Treffen sollen die Kreisgemeinschaften der genannten Kreise gebildet werden, die eine demokratische Wahl ihrer Kreisvertreter ermöglichen sollen, die dem Vertretertag der Landsmannschaft Ostpreußen angehören.

 

Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer hat sich bereits mit dieser Angelegenheit befasst, und es wird sich auch der Vertretertag am 24. September in Mannheim damit beschäftigen. Die einzelnen Kreise kommen in getrennten Räumen um 11 Uhr zur Beschlussfassung zusammen. Es werden alle Landsleute zum Besuch dieser wichtigen Tagung aufgerufen. Schon jetzt bitten wir, sich nach tüchtigen geeigneten Landsleuten umzusehen, die für die Wahl als Bezirksvertrauensmänner (jeder für seinen Amtsbezirk) vorgeschlagen werden können. Die Entwürfe der Satzung und die Wahlordnung sind den Memellandgruppen zugegangen, werden dort durchgesprochen oder können eingesehen werden. Am Nachmittag treffen sich alle Landsleute um 14 Uhr zu einer kurzen Heimatgedenkstunde. Auskünfte und Anfragen sind mit Rückporto an die Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft der Memelländer, (23) Oldenburg/O., Cloppenburger Straße 302 b, zu richten.

 

 

Seite 12   Drei Anekdoten aus Ostpreußen.

Der Schwätzer.

Der alte Worgull war ein vorbildlicher Kutscher, der auf allen Gütern des Landkreises Insterburg nicht seinesgleichen fand. Schon sein Großvater hatte den Großvater seines Herrn gefahren. Seine Pferde hielt er glänzend und auf seine Verschwiegenheit war Verlass. Ebenso groß war aber auch seine Schweigsamkeit.

 

Eines Tages bekam der Sohn des Gutsherrn Besuch von einem Studienfreund, den Worgull von dem eine Stunde entfernten Bahnhof abholte. Als sie eine Viertelstunde gefahren waren, sagte der Studioses zu ihm: „Der Roggen steht aber gut“. Worgull nickte. Nach einer weiteren Viertelstunde kamen sie an einem großen Schlag Weizen vorbei. „Der Weizen auch“, sagte der Gast. Worgull nickte wieder. Als sie sich dem Gutshaus näherten, sah der Besucher auf der Weide die Remonten des Gutes, die ihn zu dem Ausruf veranlassten: „Die sind aber gut imstande“, und dann standen die Pferde, wie zu Erz erstarrt, vor der Freitreppe.

 

Als der alte Hundsdörfer nachher seinen Kutscher fragte, wie ihm denn der Besuch gefalle, sagte Worgull nur: „Ganz gut, Herr Rittmeister; er red‘t bloß e bißche viel“.

 

 

Der friedliebende Herr Oberneit

Oberneit fuhr mit seinem Freund Schneidereit, nach Pilkallen zum Pferdemarkt. Unterwegs stieg ein beiden unbekannter Fahrgast in das Abteil, der Oberneit freudestrahlend die Hand schüttelte, worauf sich folgendes Gespräch entspann:

 

Der Fremde zu Oberneit: „Schönen guten Tagchen, Herr Aschmoneit. Ich freu' mich, Sie wieder mal zu treffen. Wie ist denn das werte Befinden?“

 

Oberneit: „Na danke, gut“. „Und wie geht es dem lieben Frauchen?“ „Ich dank' schön, auch gut“. „Und den lieben Kinderchen?“ „Na, auch“. „Und was macht's Geschäft?“ „Na danke, ich bin zufrieden“.

 

Auf der nächsten Station verabschiedete sich der Fremde, Grüße für die ganze Familie auftragend. Schneidereit war der Unterhaltung mit wachsendem Erstaunen gefolgt und fragte den Freund, was denn eigentlich los wäre, er sei doch gar nicht verheiratet, habe kein Geschäft, und Aschmoneit hieße er schließlich doch wohl auch nicht. Darauf Oberneit: „Na, wozu sollt' ich streiten?“

 

 

Warum einfach, wenn es auch umständlich geht

Unser alter Latein-Lehrer Professor Dr. Stumm war der Typ des Gymnasialprofessors alter Schule — etwas ledern, aber äußerst gewissenhaft und gerecht, ausgezeichnet und geachtet in seinem Fach, aber auch etwas pedantisch und weltfremd, was uns mitunter Anlass zu stiller Heiterkeit war.

 

Wie bei allen jährlich wiederkehrenden Gelegenheiten hatte Peter — so nannten wir ihn wegen seines damals nicht so häufigen Vornamens — auch in der ersten Stunde des Schuljahres, wenn er eine neue Klasse über- oder neue Schüler in seine alte aufnahm, seinen stets gleichbleibenden Ritus. So pflegte er bei Schülern mit gleichen Familiennamen jeweils festzulegen, wie er sie aufrufen würde; und zwar hielt er es zur Abkürzung für zweckdienlich, z. B. die Brüder Alois und Bernhard Gerra „A. und B. Gerra“ zu nennen.

 

Einmal stellte es sich heraus, dass ein Zwillingsbrüderpaar Dominik vorhanden war. Peter fragte den ersten der Brüder, wie er mit Vornamen heiße. „Walter, Herr Professor“. „Dann werde ich Sie W. Dominik aufrufen; „und wie“, fragte er dem anderen, „heißen Sie mit Vornamen?“ „Werner, Herr Professor“. „Dann werde ich Sie W. Dominik nennen“ — wollte er sagen, aber schon mitten im Satz verbesserte er sich: „Nein. Das geht nicht. Sie, Walter, werde ich We - A. Dominik, und Sie, Werner, We - E. Dominik nennen“. Und das System war, unter stummem Grinsen der Unterprima, gerettet.

 

 

Seite 12   Sachen sind das!

Königsberg hat ein großes Musikfest. Namhafte Orchester und Solisten treten auf, jeder Tag ist ein großes Ereignis für die Musikfreunde der Stadt. In der Straßenbahn nach der Musikhalle treffen sich zwei Bekannte. Fragt der eine: „Nun fahren Sie auch zum Musikfest? — Darauf der andere seriöse Herr: „Nee, muss verzichten. Der Doktor hat mir ein paar Wochen das Trinken verboten“.

 

Ein jüngeres Quartett, dessen Ruhm in allen Großstädten rapid aufgestiegen ist, gastierte auch in Allenstein. Der  Musikkritiker der Ortszeitung war zu seinem Leidwesen verhindert, dem großen Ereignis beizuwohnen. Die Kritik, die sein Vertreter schrieb, bewahrt er sich noch heute auf. Da war unter anderen Lobpreisungen zu lesen; „Wir wünschen der kleinen tapferen Künstlerschar, dass es ihr durch ihren Fleiß und ihr Talent bald gelingen möge, sich zu vergrößern“.

 

 

Die lieben Tanten haben sich aufgemacht, um den Neffen, der in Königsberg studiert, zu besuchen. Die große Unternehmung der drei älteren Mädchen scheint aber unter einem ungemütlichen Stern zu stehen. Selbst der flotte und gewandte Student kann das schleppende Gespräch nicht beleben. Er beobachtet, wie die Tanten sich gegenseitig lauernd und missbilligend ansehen und oft verlegen niederblicken. Nicht nur die Stimmung, auch die Luft ist nicht gut. Er fragt deshalb: „Darf ich mal das Fenster öffnen? Der Ofen stinkt mal wieder schlimm“. Darauf Tante Metachen erleichtert: „Der Ofen! Da habt Ihr's, der Ofen!“

 

 

Als Väterchen Marchellek vom Feld heimkommt, ist die ganze Familie — und es ist eine zahlreiche Familie — um einen Brief versammelt. Post kommt selten zu Marchelleks. obgleich schon ein halbes Dutzend Kinder aus dem Haus sind und auf eigenen Füßen stehen  Man hat draußen so viel mit der neuen Umwelt und der neuen Arbeit zu tun — mein Himmel! An die alte Heimat denkt man zwar, aber schreiben — Väterchen Marchellek betrachtet den Brief eingehend und studiert lange daran. Mehrmals muss er mit dem Kopf schütteln, bis er zu seiner Frau sagen kann: „Was, unser Fritz ist Lehrer geworden? Und ich dachte immer, er wäre an den Masern gestorben“.

 

 

Seite 12   „Broada, loat so heröm goane!“ Anekdote vom ersten Preußenherzog Albrecht (Königsberg/Preußen 1525 – 1568)

Auf des Reformators Dr. Martin Luthers Rat hatte der letzte Ordenshochmeister in Ostpreußen, Albrecht von Brandenburg aus der fränkischen Hohenzollernlinie, 1525 den geistlichen Ordensstaat in ein weltliches Herzogtum umgewandelt und war der evangelischen Lehre beigetreten. Bereits zwei Jahre vorher, am 27. September 1523, hatte Johann Briesmann auf Veranlassung des Bischofs von Samland, Georg von Polenz, der zugleich Statthalter des Landes in Abwesenheit des Hochmeisters war, die erste evangelische Predigt im Dom zu Königsberg gehalten.

 

Bewundernd und überglücklich zugleich schrieb damals der Reformator — dessen ältester Sohn Hans und jüngste Tochter Margarete in Ostpreußen eine neue Heimat und segensreiche Wirkungsmöglichkeiten fanden — „Mit vollen Segeln eilt das Evangelium nach Preußen …“ Die Einführung der Reformation wurde für das kulturelle Leben in Ostpreußen dadurch ganz besonders segensvoll, dass Luther durch seine neue Lehre zugleich auch der Vater des ostpreußischen Schulwesens in den Kirchdörfern wurde.

 

In den abgelegenen und durch lange Kriegszeiten arg verwilderten Dörfern jedoch war die neue Erziehung ein sehr schweres Stück harter Geduldsarbeit. Aberglauben, tiefe Unwissenheit und sittliche Verwilderung erschwerten die neue Volkserziehung außerordentlich, so dass man recht oft zu sehr strengen, ja drastischen Maßregeln schreiten musste. Viele Urkunden beklagen, dass die Bauern während der Kirchzeit im Kruge sitzen, trinken und kegeln und beauftragen die Pfarrer und Lehnsherren, dagegen strenge einzuschreiten. Schließlich wurde die Versäumnis des sonntäglichen Kirchganges unter sehr harte Strafe gestellt, und die Canditter Kirchenrechnung von 1566 z. B. (Kr. Pr. Eylau) führt Strafgeld von etlichen Knechten auf, die am Himmelfahrtstag sich in der Stadt Landsberg (Ostpreußen) betrunken und die Kirche versäumt hatten.

 

Ergötzlich und kulturgeschichtlich aufschlussreich ist deshalb in diesem Zusammenhang die folgende Geschichte, welche die Schulchronik von Reddenau (Kreis Pr.-Eylau) aufbewahrt hat: Der Pfarrer von Reddenau beklagte sich beim Herzog Albrecht in Königsberg, dass die Männer gar nicht mehr die Kirche besuchten. Dem Herzog schien dies unglaublich, und er kam heimlich nach dem Rittergut Powarschen zu der damaligen Gutsfrau Dorothea von Tettau. Sonntags früh begab er sich nach Reddenau und ging in den — Krug. Hier fand er die Männer an langen Tischen sitzen und aus großen hölzernen Kannen das im Kruge gebraute Bier trinken. Der Herzog, den niemand kannte, nahm am obersten Ende des Tisches Platz. Die Zecher tranken sich fleißig zu, doch wenn der Humpen bis zum Herzog kam, sagte der letzte: „Broda, loat so heröm goane!“ (Bruder, lass so herumgehn!) und der Humpen ging rückwärts, wobei es hieß: „Drink wieda!“(Trink weiter!). ,

 

Als die Glocken läuteten, forderte der Herzog die Zecher auf, zur Kirche zu kommen. Diese aber sagten: „Wie hole hier biem Gevatter Körch! In der Kirche fand der Herzog nur elf Frauen, hörte eine sehr erbauliche Predigt und ging, ohne sich dem Pfarrer zu erkennen zu geben zurück und fand die ganze Gesellschaft noch bei derselben Beschäftigung. Nachdem diese noch mehrmals den Rundkreis getrunken hatten, riss ihm die Geduld und er versetzte seinem Nebenmann eine kräftige Ohrfeige mit den Worten: „Schlag weiter!“

 

Als sie nun über ihn herfallen wollten, ließ er den Mantel fallen und mit Schrecken erkannten sie den Landesherren. Dieser ließ sie nun so oft herumschlagen, als er sie trinken gesehen. Außerdem mussten noch jeder Zecher zehn Mark Strafgeld erlegen, wodurch der Grund zum Kirchenvermögen gelegt wurde! Paul Osten

 

 

Seite 12   Mantel in Duisburg vertauscht.

Bei der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg (Pr.) in Duisburg wurde am Pfingstsonntagnachmittag in der Konditorei und Café Ernst in Duisburg. Königstraße 66, mein fast neuer heller Nino Flex Herrenmantel mit Gürtel (ohne Futter) vertauscht. In den Taschen befanden sich ein Paar schweinslederne Handschuhe und eine Stab-Taschenlampe. Zurückgeblieben war am Abend ein Nino Flex Mantel (mit ausgeknöpftem Futter) ohne Gürtel. Wie mir der Inhaber des Cafés mitteilt, hat sich wegen des Mantels bisher niemand gemeldet. Mitteilungen erbeten an Franz Kausch, (24b) Rieseby, Kreis Eckernförde.

 

 

Seite 12   Aufem Bau. Von Dr. Lau.

„Herrjeses, Karl, wie siehst du aus?

So elend und so grau!“ —

„Ach weißt, es is e Peerzerei

Beim Weller aufem Bau!

Da kriegst zwölf Ziegel aufgepackt,

und denn von frieh bis spät

E lange, steile Leiter hoch,

Dass dir de Pust vergeht!

Musst jappsen wie es junger Hund,

Es is e schweres Brot!“ —

„Marachel dir man nich entzwei

Und racker dir nicht tot!

Vor allem iß dir orndlich satt 4

Und halt am Speck dir ran.

Wie lange machst du das nu all?“ —

„Ja —morgen fang ich an!“

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (26)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Diese Woch hab ich e Schock gekriegt, aber leider nich e Schock frische Eier, sondern einem innerlichen, wo ich mir gar nich von erholen kann. Ich hab inne Stadt e Tulpe Bier getrunken und dabei inne illustrierte Zeitung rumgeblättert. Und da stand zu lesen, dass wir in Deutschland 119 Minister haben, wo uns e Haufen Geld kosten. Das kleine Deutschland mit 119 Minister! In dem großen Amerika haben se noch nich emal halb so viel! Ieberhaupt giebt es aufe ganze Welt keinem Staat mit so viele Minister. Sagen Se, was tun die bloß aller? Die bauen! Die bauen Heiser mit alle Schikanen, wo se denn mit viele tausend Beamte drinhucken und fier unser Wohl sorgen. Ich find das direkt riehrend. Noch riehrender aber is es, dass die Heiser viele Millionen kosten. Fier dasselbe Geld hädden se konnd viele tausend Eigenheime bauen, und viele tausend Familien brauchden denn nich mehr in die Bunkers und Baracken zu hausen. Sehn Se, und das hat mir dem Schock gegeben, dass ich foorts noch e Tulpehe Bier trinken missd. Ordnung muss sein, und Ministers missen auch sein, aber zu was denn gleich so viele? Heiser müssen auch sein, wodrin wir verwaltet werden, aber zu was denn immer gleich so großkotzige? Se meinen vielleicht, wir haben ja Geld genug dazu? Wenn ich in mein Portmanneeh reinkick, denn wird mir bestimmt nich besser. Und wenn nu auch wieder de Milch e halbem Dittche teirer werden soll, dann nitzt mir das gar nuscht, dass der Herr Bundesernährungsminister meint, die große Masse der Arbeiterschaft ist in der Lage, fünf Pfennig mehr zu bezahlen. Dem Herrn Minister is es wahrscheinlich gar nich bekannt, dass es außer die

Arbeiterschaft auch noch andere Leite giebt, wo all lang am Daumen suckeln, weil die paar Dittchens Rente nich hin und nich her reichen. Es giebt Millionen Rentners in Deitschland, nich womeeglich bloß e paar hundert. Un wenn de Arbeiterschaft nich mehr mittem Lohn zurechtkommt, denn schmeißt se dem Krempel hin und streikt, bis se zwei Dittchens mehr fier e Stund kriegt. Denn is das in eine Stund all de Preiserheehung fier vier Liter Milch. Aber was sollen wir Dittche-Rentners tun? Wir schnallen dem Riemen noch e Lochche enger. So geht das nu all e paar Jahre, und allmählich haben wir all e Tallje gekriegt wie de Miß Universum. Dabei is gradzig die Milch das Wichtigste, was alte und kranke Leite brauchen. Nei, wirklich, wenn es nich so traurig wär, missd einer dem ganzen Tag dadrieber lachen. Und weil wir nu grad beis Lachen sind, muss ich Ihnen erzählen, wie es hier innes Dorf dem Bauer Ohnesorge gegangen is. Der heißt man so, denn Sorgen hat er auch, wenn auch nich wegen die fimf Pfennig fiere Milch. Seine greeßte Sorge is, wo er e tichtige Hausgehilfin herkriegen soll. Nach viele Bemiehungen hädd er vor drei Wochen endlich eine zergrabbelt. Se war man erst sechzehn alt, aber groß und kräftig. Bloß einem Fehler hädd se: Se war so schichtern und hädd gleich von Anfang an immer Heimweh. Vor Dussligkeit konnd se kaum auße Auge kicken. De Muttche hädd ihr hergebracht und dem Bauer gesagt, er soll ihr freindlich und ricksichtsvoll behandeln, denn se war noch niemals nich von Haus weg gewesen. De dritte Nacht hädd se all Besuch von einem jungen Kerdel aussens Dorf. Der war mitte Leiter bei ihr raufgeklettert. Aber der Bauer hädd es bemorken und die Leiter weggenommen und wolld ihm morgens frieh abpassen. Er kam aber zu spät, denn der Kerdel war einfach anne Wand runtergeklettert und hädd sich am wilden Wein festgehalten, bis de Strempels rissen und er mittem Rucks aufes Pflaster runter keiweld. Da lag er nu und brilld

jämmerlich, denn er hädd sich e Bein gebrochen. Wodraus einer wieder sieht, wie gefährlich es is, nachts bei junge Mädchens auf Besuch zu gehen. Nu liegt er immer noch innes Krankenhaus, und die schichterne Mergell wurd immer schichterner, aber wie denn keiner mehr raufgeklettert kam, um ihr zu treesten, da war se mit eins verschwunden. Aus lauter Heimweh hädd se alles mitgenommen, was nich angebunden war: Strimpfe vonne Frau Ohnesorge und Löffels und e Paar Schuhe und was weiß ich, was sich noch alles finden — oder — besser gesagt — nich mehr rinden wird. Ja, so is das mit das Heimweh und mit die Schichternheit. Ich bin ja auch e bißche schichtem, aber ich klau doch ni gleich Strimpfe und Löffels. Bloß wenn es anne Arbeit geht, is bei mir alle Schichternheit weg. Wie neilich e paar Tage scheenes Wetter war, da missd alles ran, was Beine hädd, dem Weizen und dem Hafer reinzubringen. Auch Grummet wurd zwischendurch all gemacht. Was meinen Se, wie ich da gehoppst bin und gewiehlt hab! Ohne mir war de ganze Ernte aufes Feld umgekommen. Ich hab mir dabei zwar de Hacken aufgescheiert und annes linke Knie hab ich e große Blutblas, weil mir e dussliges Pferd gegengetrampelt hat, aber ich treest mir mit das scheene Bewusstsein, das ich was fiere Volksernährung getan hab. Außerdem klimpern auch e paar Gulden in mein Portmanneh. Bloß ich weiß nich, ob ich die anmelden muss, dass se mir nich womeeglich wegen Steierhinterziehung belangen. De Emma sagt, ich bin verrickt, denn wenn ich das anmeld, wird es mir vonne Rente abgezogen. Einer weiß rein nich, was er machen soll. Manchmal is es wirklich sehr schwer, ehrlich zu bleiben. Sehn Se, de Zigeiners haben solche Sorgen nich. Frieher wurden se irgendwo festgesetzt und missden arbeiten, aber jetz strolchen se wieder rum. Vorgte Woch kam so e Weib auch bei uns rein. Schwarze, speckige Haare hädd se, e zerrissene Blus und große Löcher inne Hacken. Se hädd irgendwie ausbaldowert, dass ich mir bei die Feldarbeit de Hessen rujeniert hädd. Ich solld ihr drei Mark geben, denn wolld se de Blutblas und die aufgescheierte Hacken wieder ganz schnell gesund pusten! Aber ich hab ihr was gehust! De Emma is ja abergleibisch, und meind, wenn einer e Zigansche rausschmeißt, denn giebt das Unglick. Aber ich hab ihr doch gezeigt, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat, und hab ihr gesagt, se soll arbeiten gehen oder sich anderswo Dumme suchen. Das hat se denn auch gemacht und bei die Frau Bode e kranke Kuh „besprochen“. E halbe Stund hat se lateinische Spriche gemurmelt und de Kuh gut zugeredet. Aber mir scheint, de Kuh verstand kein Lateinisch nich. Se hat ihr dreidammlig angekickt und wolld und wolld nich gesund werden. De Zigansche kriegd drei Mark fier ihre Bemiehungen und wolld nach drei Tage nachsehen kommen. Denn hat es bestimmt geholfen, meind se. Se hat sich aber nich mehr sehen lassen. Nu is de Frau Bode de drei Mark los und die kranke Kuh auch. Denn inzwischen missd se zum Schlachter verkauft werden. Es war heechste Zeit, sagt der Viehhändler, sonst war das Fleisch verworfen. Er hat dabei natierlich e ganz scheenem Reibach gemacht. Wenn de Menschen nich so leichtgleibig wären, denn könnden de Spitzbuben bestimmt nich existieren, aber einer liest doch jedem Tag inne Zeitungen von die dollste Betriegereien, wo sogar sehr gebüldete Menschen drauf reinfallen. In die große Politik giebt es auch Spitzbuben genug, und wenn der Herr Bundeskanzler nu nach Moskau fliegt, denn soll er sich man sehr vorsehen. Denn die Wiedervereinigung is kein Fußballspiel, und wenn se in Genf gelächelt haben, denn weil noch keiner nich, ob es nich gegrinst war. Ich trau jedenfalls die Brieders nich iebern Weg. Wenn die all ein zu bestimmen hädden, denn kriegden wir unsre Heimat ieberhaupt nich mehr zu sehen. Jedenfalls kneif Ich sämtliche Daumen und große Zehen, dass es wenigstens e ganz kleines Schrittche vorwärtsgeht. Und der Herr Adenauer wird es mir bestimmt nich iebelnehmen, wenn ich ihm gewarnt hab, es is ja von mir gut gemeint. Inne große Politik hat immer der recht, der de Macht hat. Se sehn das ja jetzt wieder in Marokko. Da brennen de Franzosen de Dörfer runter und schlachten Greise, Frauen und Kinder ab, bloß weil die Leite sich gegne Gewalt der ab, bloß weil die Leite sich gegen Gewalt Franzosen zum Tod durchem Strang dafier verurteilen? Es kann einem direkt der Kaffee hochkommen, wenn einer sich so de Welt besieht. Aber wir wollen keine Rache nich und keine Feindschaft, wir wollen ja bloß erreichen, dass wir Gerechtigkeit finden. Was uns geheert, missen se uns zurickgeben, sonst giebt es keine Ruh und keinem Frieden nich in Europa. So hoffen wir weiter!

Herzliche Heimatgrieße von Ihrem alten Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

 

Seite 13   Suchdienst – Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens de Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a zu richten.

 

Gesucht werden:

 

Wilhelmine Sczesny, aus Babrosten, Kreis Johannisburg, für Erich Sczesny, geb. 11.10.1921 in Babrosten.

 

Johann Schikorra, aus Dippelsee, Kreis Lyck für Otto Schikorra, geb. 02.07.1917 in Dippelsee.

 

Friedrich Skriboleit, aus Dittersdorf, Post Schnellwalde über Saalfeld, Kreis Mohrungen, bei Familie Scherlach, für Helmut Skriboleit, geb. 13.06.1920 in Baletten.

 

Frau Müller, aus Freimarkt, Kreis Heilsberg, für Franz Müller, geb. 13.11.1911 in Rosenbeck.

 

Karl Sochowitzki, aus Greßgarten, Kreis Angerburg, für Karl Sochowitzki, geb. 16.10.1927 in Greßgarten.

 

Marta Swiercsynski, aus Grodek, für Alfons Swierczynskl, geb. 14.08.1913 in Jaselo-Schwetz.

Ida Schmoy. aus Gumbinnen, Goldaper Str. 74, für Karl Schmoy, geb. 20.08.1901 in Ballupönen.

 

Martha Sobottka, aus Insterburg, Memeler Straße 20, für Max Sobottka, geb. 10.09.1912 in Schwentainen.

 

Familie Skiba, aus Klein-Pötzdorf, Kreis Osterrode, für Walter Skiba, geb. 07.05.1925 in Klein Osterode.

 

Paul Reuter, aus Königsberg, An der alten Bastion 6, für Heinz Reuter, geb. 28.01.1922 in Königsberg.

 

Franz Slomienka, aus Königsberg, Steindammer Wall 23a, für Siegfried, Slomienka, geb. 19.04.1924 in Königsberg.

 

Olga Müller, aus Lindewiese, Kreis Waldau, für Gerhard Müller, geb. 04.10.1926 in Vaga (Jugoslawien).

 

Auguste Sobulewski, aus Lötzen, Wasserturmstraße 8, für Ernst Sobulewski, geb. 17.10.1923.

 

Amanda Slomzinski, aus Milchen, Kr. Lötzen, für Slomzinski, Ernst, geb. 4. 10. 1911 in Milken.

 

Edith Schnatzki, aus Mohrungen, Gartenstr. 11, für Erich Schnatzki, geb. 07.09.1910 in Pulfeik.

 

Maria Slodowski, aus Morainen, Kreis Stuhm, für Bernhard Slodowski, geb. 22.10.1906 in Morainen.

 

Familie Sochies, aus Ortelsburg, Ernst-May-Straße 31, für Hans Sochies, geb. 28.02.1915 in Ortelsburg.

 

Frau Schoek, aus Peyse (Samland), für Hermann Schoek, geb. 25.07.1899 in Groß-Kuhren.

 

Franz Meyer, aus Praschmitz, Horst-Wessel-Straße 3, für Ulrich Meyer, geb. 06.10.1924 in Königsberg.

 

Familie Skrowonski, aus Sauerbaum. Kreis Rössel, für Josef Skrowonski, geb. 06.12.1912 in Sauerbaum.

 

Familie Schlösser, aus Schweizertal, Kreis Gumbinnen, für Willi Fritz Schlösser, geb. 01.09.1925 in Trunweiden.

 

Maria Salewski, aus Selbongen. Kreis Sensburg, für Gustav Salewski, geb. 13.04.1906 in Lindenhof.

 

Minna Lubjuka, aus Siegetvochen. Kreis Goldao, für Günther Schlesies, Günther,geb. 23.11.1925 in Aust.

 

Gottlieb Slaby, aus Skomanten. Kreis Lyck, für Paul Slaby, geb. 02.02.1923 in Eckersdorf.

 

Marie Schittenhelm, aus Steffenswalde, Kreis Osterode, für Walter Schittenhelm, geb. 08.02.1919 in Steffenswalde.

 

Familie Stark, aus Wilken, Kreis Haslau, Kunzerstraße 5, für Johannes Stark, geb. 10.12.1906 in Niederhaslau.

 

Maria Schlenger, aus Zinten, Kreis Heiligenbeil, Siedlung II, Haus 15, für Gustav Schlenger, geb. 08.04.1899 in Zinten.

 

Hulda Renz, aus Garwolewo, Kreis Plöhnen, für Heinrich Renz, geb. 15.08.1910 in Garwolewo.

 

Lina Reinhardt, aus Großenkauze, Post Studhof bei Danzig, für Ernst Reinhardt, geb. 17.06.1921.

 

Julius Redant, aus Groß-Leukutz, Kreis Angerburg, für Otto Redant, geb. 13.07.1921 in Rosgullen.

 

 

Emma Rehrig, aus Königsberg, Regentenstr. 41, für Leo Rehrig, geb. 30.06.1901 in Bochum.

 

Berta Rapp, aus Neumühl bei Rehl, ehemalige Adolf-Hitler-Straße 3, für Karl Rapp, geb. 16.10.1902 in Sundheim.

 

Maria Reischies, aus Ober-Allkehmen, Post Goldschmiede, für Wilhelm Reischies, geb. 26.08.1926 in Kirschken.

 

Familie Reischieß, aus Palmburg, Kreis Samland, für Johann Reischieß, geb. 28.081892 in Janoschgöningen.

 

Emma Rautenberg, aus Rastenburg, für Horst, Rautenberg, geb. 29.12.1926 in Modgarben.

 

Arthur Reichardt, aus Soldohmen, für Kurt Reichardt, geb. 24.04.1921 in Soldohmen.

 

Janette Heß, ,aus Schwabeln. Kreis Schloßberg, für Ernst Reinhardt, geb. 19.06.1916 in Schameiten.

 

Familie Renner, aus Schwarzent, Kreis Hohenthal, für Hans Renner, geb. 01.07.1927 in Lauterwasser.

 

Lina Reffke, aus Wilkensdorfshof, Post Weißensee, Kreis Wehlau, für Kurt Reffke, geb. 14.10.1925 in Gumbinnen.

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste.

Wer kennt die Angehörigen? Nachrichten an die Auskunftsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestr. 7 a.

 

Gesucht werden aus:

 

der Gegend von Königsberg: die Angehörigen von Erich-August Arndt, geb. 09.02.1890;

 

der Gegend von Königsberg: die Angehörigen von Willi Barthel, geb. etwa 1905/1910, verh., Beruf: Schmied;

 

dem Kreis Preußisch-HolIand: die Angehörigen von Karl, Barthoff, geb. etwa 1914 vermutlich in Ostpreußen, verh., Beruf: Tischler;

 

der Gegend von Riga: die Angehörigen von Alex Becker oder Beck, geb. etwa 1906, verh., Beruf: Hausmeister;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Willy Abels, geb. unbekannt;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Adam, geb. 1902, Major der Schutzpolizei, Feldpostnummer 44 566;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: vermutlich Alois, Adis, geb. etwa 1920, Beruf: Landwirt;

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Allenstein, geb. etwa 1895 in Ostpreußen;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt, Balduschat, geb. etwa 1897/1902, Beruf: Förster, Hauptmann;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Gerhard Balzer, geb. etwa 1920, verh., Beruf: Angestellter, Unteroffizier;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Helmut Barkholz, geb. 1918 in Ostpreußen, ledig, Obermaat, bei der Feldpostnummer 11495.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Bartsch, Unteroffizier;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Georg Bauer, geb. etwa 1911/1912, verh.;

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Georg Bayer, geb. etwa 1918, verh., OT-Mann;

 

 

Seite 13   Eltern suchen ihre Kinder.

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg - Osdorf. Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939, Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Gesucht werden aus:

 

Angerburg, Krüppelheim: Ruth Rosenbaum, geb. 03.02.1936 in Königsberg, von ihrer Mutter: Gertrud Gier, verwitwete Rosenbaum, geb. 20.12.1900. Ruth wurde am 28.01.1945 nach Kortau bei Allenstein evakuiert.

 

Braunsberg, ehemaliges Kinderheim des Deutschen Roten Kreuzes: Anele Levickaite, geb. 05.10.1943, von ihrer Mutter: Agota Vilimas, geb. Levickaite. Das Kind wurde von der Mutter, als diese wegen einer Verwundung im Städtischen Krankenhaus in Braunsberg lag, getrennt. Anele, die damals etwa 1 ½ Jahre alt war, soll in einem Kinderheim des Deutschen Roten Kreuzes in Braunsberg Aufnahme gefunden haben.

 

Braunsberg, Scharnhorststr. 10: Heinz-Dieter Buick, geb. 15.04.1942, und Rosemarie Buick, geb. etwa 1943, von Evelyn Buick, Harry Buick und Georg Buick. Die Geschwister Buick kamen im März 1945 auf der Flucht zusammen bis nach Lüneburg. Auf dem Bahnhof wurden die Kinder getrennt, wobei Rosemarie in das Krankenhaus kam. Die anderen Kinder, darunter der gesuchte Heinz-Dieter Buick, wurden dann in einem Gasthaus untergebracht. Evelyn, Harry und Georg verließen das Gasthaus für kurze Zeit, seitdem fehlt von Heinz-Dieter und Rosemarie Buick jede Spur. Bekleidet war der gesuchte Junge seinerzeit mit einer kurzen Hose, langen Strümpfen, ohne Schuhe, einem dunklen Mantel und einer dunkelblauen Strickmütze mit einer Troddel.

 

Cranz, Kreis Samland, Graf-Kevserling-Str. 7: Hans-Jürgen Stiller, geb. 19.02.1937 in Altheide (Schlesien), von seiner Mutter: Elisabeth Stiller, geb. Donner, geb. 28.04.1903.

 

Doblienen, Kreis Elchniederung, Post Neufrost, bei Gustav Huhn: Elly Welsch, geb. 11.02.1940 in Heinrichswalde, von ihrer Großmutter: Anna Grams, geb. Welsch, geb. 19.02.1896.

 

Groß-Lindenau. Kreis Samland: Benno Hirth, geb. 1939, und Martin Hirth, geb. 1941 von ihrer Tante: Meta Haut, geb. 25.04.1913. Beide Kinder kamen auf der Flucht bis Herrmannshagen, Kreis Bartenstein, und sollen dann in das Waisenhaus Bartenstein gekommen sein. Spielgefährten der Kinder waren Georg Tempel und Paul Tempel. Es ist möglich, dass sich die Kinder an diese erinnern.

 

Heilsberg (Waisenhaus): Margot Monika Bloch, geb. 16.10.1942 in Biebern, Kreis Sensburg, von ihrer Mutter: Martha Bloch, geb. 24.08.1917 in Gollingen, Kreis Sensburg. Margot Monika Bloch soll 1945, als sie im Waisenhaus Heilsberg war, an Typhus erkrankt gewesen sein.

 

Heilsberg, Richthofenstraße 7: die Geschwister Lothar Fisahn, geb. 03.04.1935 in Braunsberg, Harald Fisahn, geb. 12.05.1937 in Göteborg und Wolf Fisahn, geb. 21.11.1940 in Heilsberg, von Alphons Fisahn, geb. 22.11.1905.

 

Jegothen, Kreis Heilsberg: Elwira Heinick, geb. 13.07.1938 in Workeim, von ihrem Vater: Bernhard Heinrick, geb. 01.03.1909.

 

Königsberg: Gert Burhke, geb. 07.09.1937 in Königsberg, von seinem Pflegevater: Gustav Todtenhaupt, geb. 25.05.1886.

 

Königsberg, Kleine Sandgasse 14: Ruth Hennig, geb. 16.11.1941 und Walter Hennig, geb. 15.12.1939, von Erich Hennig.

 

Königsberg, Nassergarten 21: Hannelore Müller, geb. 29.10.1938, von ihrer Mutter: Hildegard Lorentschk, geborene Rohde, geb. 29.10.1919.

 

Königsberg. Paradeplatz 16: Sigrun Kubitzki, geb. 10.03.1940 und Doris Kubitzki, geb. 16.02.1945, von ihrem Vater: Erich Kubitzki. Außerdem werden die Mutter, Gerda Kubitzki, geb. Skorzinski und die Tante, Else Sender, geb. Kubitzki, geb. 09. 03.1910, gesucht. Die Gesuchten sind auf der Flucht von Königsberg zwischen dem 15. und 17.03.1945 auf dem Fliegerhorst Rahmel, westlich von Gotenhafen, zuletzt gesehen worden. Sie hatten die Absicht, mit einer OT-Gruppe die Flucht über Gotenhafen nach dem Westen per Schiff fortzusetzen. Später wurde bekannt, dass eine Frau, Gerda Kubitzki, mit zwei Kindern im März 1945 mit einem kleinen Marinefahrzeug in Lübeck angelandet worden wäre.

 

Lapallen, Kreis Heydekrug: Else Karallus, geb. 01.03.1938 und Franz Karallus, geb. 07.03.1941, von David Karallus, geb. 26.11.1892.

 

Liekeim, Kreis Bartenstein: die Geschwister: Reinhard Link, geb. 12.04.1936 in Liekeim. Alfons Link, geb. 21.09.1938. Johannes Link, geb. 06.09.1940 und Annemarie Link, geb. 27.07.1944, von ihrer Großmutter: Anna Hennig, geb. Kühnapfel, geb. 21.11.1888.

 

Preußisch-Eylau, Walter-Fink-Str. 46: Manfred Herbert Radtke, geb. 09.11.1937 in Grünwalde, von seiner Großmutter: Elise Radtke, geb. Czilinski. Manfred ist im September 1947 nach Schaulen (Litauen) gegangen und im November 1947 dort noch gesehen worden.

 

 

Seite 13   „Gustav Drengwitz“ – Insterburg arbeitet wieder.

Karl Drengwitz setzt die Unternehmertradition des Vaters fort.

Unsere monatliche Betriebs-Reportage handelt aus Anlass des Jahreshaupttreffens der Insterburger am 3. und 4. September in der Patenstadt Krefeld von dem Chemischen Betrieb „Chemische Fabrik Gustav Drengwitz“, Opladen Rhld.

 

Wenn wir die Augen schließen und im Geiste durch unser liebes Insterburg wandern, kommen wir die Hindenburgstraße, gleichgültig ob herauf oder herunter, an die Kreuzung mit der Belowstraße, mit dem Café „Alt-Wien“ an der einen Ecke. Ihm gegenüber ein hohes Wohnhaus, das im Erdgeschoss die Büroräume der „Chemischen Fabrik Gustav Drengwitz“ beherbergt.

 

„Weit über 300 Menschen beschäftigte unser Unternehmen“ erzählt Fabrikant Karl Drengwitz, den unser h.sch.-Mitarbeiter neulich in Opladen im Rheinland an der Strecke Wuppertal-Köln besuchte. „Acht bis neun Millionen betrug der jährliche Umsatz. Und mancher, dessen Namen in Insterburg einen guten Klang hatte, war unserem Werk beruflich verbunden“.

 

Nun wir wissen, dass die Chemische Fabrik Drengwitz das vielleicht bedeutendste Werk Insterburgs war und dass seine Erzeugnisse weit über die Provinz hinaus beliebt und begehrt waren.

 

Umso erfreulicher ist es, dass auch Karl Drengwitz zu denen gehört, die wieder einen Betrieb aufgebaut haben, wobei ihm manche Enttäuschung nicht erspart geblieben ist.

 

Der vielleicht bitterste Tag seines Lebens war, wie er erzählt, jener im Jahr 1946, als ihm von einem britischen Kapitän, der in Wilhelmshaven ein Wirtschaftszentrum mit heimatvertriebenen Betrieben schaffen soll, gleich elf anderen Firmen unter 36 erklärt wird, dass zwar das Permit erteilt sei, aber die Betriebseröffnung mangels Rohstoffe noch hinausgeschoben werden müsse.

 

„Sie können sich das gar nicht vorstellen, wie das ist. Sie haben neun Monate gearbeitet, haben Ihre ganze Kraft daran gesetzt, ein gestecktes Ziel zu erreichen, Sie haben immer wieder aufs Neue gehofft. Endlich ist der Tag da, an dem das Telegramm eintrifft: „Sofort kommen, Permit erteilt. Gratulieren herzlichst“. Und man fährt in freudiger Erwartung hin und — aus Rohstoffmangel zerplatzt alles“.

 

Das war in Goslar. Und es schien so, als ob doch alles aus sein sollte. Aber eines Tages kam eine Anfrage aus Düsseldorf, ob er, der vor 1933 maßgeblich in den Verbänden der chemischen Industrie mitgearbeitet hat, nicht auch jetzt wieder seinen Rat für die Wiederorganisation des Verbandes der Schmierstoffindustrie zur Verfügung stellen wolle. Drengwitz sagt zu und man überträgt ihm die Geschäftsführung.

 

Doch den Unternehmer Drengwitz treibt es dazu, wieder selbständig zu werden, wieder einen eigenen Betrieb aufzubauen. „Zufälle des Lebens“ nennt er das, was ihm 1947 ermöglicht, in Opladen eine 400 qm große Halle mit Gleisanschluss zu erwerben. Das alte Produktionsprogramm, soweit es Dachpflege und Dachisolierung betrifft, wird im beschränkten Ausmaße aufgenommen. Aber man braucht den Schlager, ein eigenes Laboratorium wird eingerichtet. Man will etwas, was an Qualität und Preiswürdigkeit alles in den Schatten stellt. So entstehen die „Gedurit“-Bautenschutz-Mittel, der Gedisan - Bitumen - Asbestfaserkitt für Schnellreparatur und Dichtung, Gedisan als universeller kalt streichbarer Isolier- und Rostschutzanstrich für Fundamente, Mauerwerk und Eisen, und das Gedisan S für Grünfuttersilos, Kartoffeldämpfanlagen und Kartoffelsilos. Außerdem gibt es Gedurit-Eisen- und Rostschutzlacke. Und auch das Gedurit-Carbolineum für Holzschutz. Doch noch immer fehlt das Einmalige. Und wieder kommt es ganz zufällig. Ein Gärtner, der nicht mit Holländerfenstern arbeitet, sondern mit dem altbewährten vielfältig unterteilten, die nicht so viel Bruch ergeben, klagt darüber, dass der Kitt, den es im Handel gibt, zu schnell brüchig wird und die kleinen Scheiben herausfallen. Die Chemiker im Werk Drengwitz gehen an die Arbeit. So wird die Gedurit-Dauerdicht-Glasverlegemasse mit Gedion-Stabilisator geboren. Es wird „der" Artikel des Werkes. Die Gedurit-Dauerdicht-Glasverlegemasse mit Gedion-Stabilisator schließt eine Versprödung völlig aus, die Haftfähigkeit auf Glas, Eisen, Metall, Beton und Holz wird außerordentlich verstärkt, die Dauerelastizität wird wesentlich erhöht.

 

Doch wie kann man dieses ideale Mittel ebenso ideal verarbeiten. Mit dem Spachtel ist es zu mühsam. Zusammen mit einem bekannten Fabrikanten aus der Metallindustrie wird die Gedurit-Pressluftspritze (Bundespatent Nr. 842 256) entwickelt und in Alleinlizenz übernommen. Dadurch werden im Gartenbau 75 Prozent an Arbeitskraft und 75 Prozent an Kittmaterial eingespart. Die Scheibenbrüche werden, selbst in stürmischen Gegenden, um 80 bis 90 v. H. herabgesetzt. Bis zum Jahre 1953 haben mehr als 10 000 Gartenbaubetriebe dieses neue Verfahren zur Anwendung gebracht. Die äußere Anerkennung ist die Bronzemedaille für „die Einführung der Spritzverkittung im Gartenbau“ auf der Internationalen Gartenschau 1953 in Hamburg. Bis 1955 ist die Zahl auf über 12 000 Betriebe gestiegen, die über 13 000 Pressluftspritzen in Gebrauch haben. Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg sind die hauptsächlichsten Exportländer.

 

Inzwischen aber haben die Drengwitz-Chemiker wieder etwas Neues herausgebracht: „Gedinell“, den unsichtbaren Regelmantel für jedes Haus. Man hat hier die Erfahrungen der Silikon-Chemie aus den USA übernommen. Es ist hier ein Hausschutzmittel geschaffen worden, das das Eindringen von mit Rußverschmutzten Regenwasser in die Hauswände verhindert und das „Gesundbleiben“ des Hauses bewirkt. Auch dieses neue Mittel hat sich in kürzester Zeit den Markt erobert.

 

Doch ist dieser merkantile Erfolg dem Werk nicht in den Schoß gefallen. Neben dem Einsatz eines großen Vertreterstabes ist Fabrikant Drengwitz selbst dauernd unterwegs. So hat er schon in der ersten Halbzeit dieses Jahres bereits über 40 000 km in seinem Wagen zurückgelegt, um die Kunden zu besuchen, neue Beziehungen anzuknüpfen, seine Vertreter zu beraten.

 

Wie stark die Vitalität des heute 61-jährigen ist, zeigt am deutlichsten sein selbstloser Einsatz als Vorsitzender der Vertretung der heimatvertriebenen Wirtschaft für das Land Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit dem Hauptgeschäftsführer Dr. Dr. Heinze, dem ehemaligen Syndikus der IHK Breslau ist er unentwegt dabei, den Mitgliedern zu helfen und an den großen Gesetzentwürfen und Verordnungen, die den zuständigen Ministerien unterbreitet werden, mitzuwirken.

 

Sein besonders energischer Kampf gilt der Bürokratie. So hat er bei einer Regierung feststellen müssen, dass durch die Krankheit eines Sachbearbeiters 600 Anträge auf Existenzaufbaudarlehn einfach unbearbeitet geblieben waren. Hier konnte durch Drengwitz' Bemühungen rasch Abhilfe geschaffen werden. Als Kreisvertreter hat er so manchen Heimatvertriebenen bei der Gründung einer eigenen Existenz helfen können.

 

Was Drengwitz am meisten bedauert, ist, dass sein Werk im Anfangsstadium sich befindet, so dass er nicht seine früheren Werksangehörigen beschäftigen kann. Immerhin, einige haben schon wieder ihren Arbeitsplatz im neuen Werk Drengwitz in Opladen.

 

 

 

Seite 13   Träumereien am schönen Spirdingsee

Ich schließe die Augen und lasse mich die Erinnerung hineintropfen. Da breitet sich vor mir in glasigem Lichtblau und kaum bewegt die weite Fläche des Spirdingsees. Am jenseitigen Ufer döst, von der Wärme des Julinachmittags benommen, der Kiefernwald, der sich von Gregersdorf bis in die Nähe des Uferdorfs Seegutten erstreckt. Südwestlich des Waldsaums — also im weiteren Verlauf jenes Ufers — sehe ich nur vereinzelte Baumgruppen, da dort die „Nonne“ ganze Wälder kahlgefressen und den Sägen und Äxten der Waldarbeiter überantwortet hatte. Nur Hügel kann ich dort drüben wahrnehmen; Hügel um Hügel, über denen ganz langsam — wie in feierlicher Prozession — unter einer schier waschblauen Himmelskuppel schneeige Schönwetterwolken dahinsegeln.

 

Im hohen Schilfstreifen am diesseitigen Ufer üben Tausende und aber Tausende von Schilfrohrsängern in unendlicher Geduld an den verschiedenen Sätzen ihres Chores; aber ihr „Kärre ... kärre ... kiek“ und „Karre ... karre ... kerr“ klingt so lustlos wie der Gesang von Schülern, deren Augen dem Klassenthermometer zugewandt sind; dem Thermometer, das seine Quecksilbersäule zu jenem Strich hinaufdrückt, welcher für das Einsetzen von Hitzeferien maßgebend ist. Links von mir zieht sich ein gebleichtes Kornfeld, rechts eine dürstende Wiese hin. Aus dem Korn kommt der Duft von Ackerwicken, von der Wiese der säuerliche Geruch des Grases.

 

Ein Zitronenfalter und drei Kohlweißlinge taumeln an mir vorüber; taumeln durch die flimmernde Luft, als wären sie voll süßen Weines.

 

Ich setze mich auf einen weiß getünchten Grenzstein nieder. Mein Schatten fällt über einen Maulwurfshügel. Und da überkommt es mich, mit der Linken eine Handvoll jenes lockeren Bodens zu schöpfen, ihn langsam in die vorgehaltene Rechte gleiten zu lassen, alsdann meine Wange an ihn zu pressen und der lebenswarmen Krume zuzuflüstern: Oh du meine liebe, liebe Heimaterde ...

Sack-Eckersberg

 

 

Seite 14   Foto: Josef Krämer 90 Jahre alt.

Am 18. September 1955 feiert Herr Josef Krämer, Biedenkopf-Lahn, Bachgrundstr. 18 seinen 90. Geburtstag. Der Jubilar wurde am 18. September 1865 in Wossiten (Ostpreußen) geboren. In Braunsberg besuchte er das Lehrerseminar. Als Lehrer und Organist wirkte Josef Krämer in Braunswalde, Windtken, Frauensdorf und Schalmay, wo er im Jahre 1930 in den Ruhestand trat. Nach seiner Pensionierung verzog er nach Königsberg (Pr.). Seine Ehefrau verlor er im Jahre 1921. Seine Tochter Adelheit, mit der er noch heute zusammenlebt, führt ihm die Wirtschaft.

 

Durch die Kriegseinwirkungen musste Herr Krämer im Januar 1945 Königsberg verlassen. Mit wenig Gepäck ging es ein ganzes Jahr an der Ostsee entlang. Mehrmals wurden Vater und Tochter von der roten Armee überrollt und doch gelang es beiden unter großen Entbehrungen und Strapazen im Januar 1946 Biedenkopf zu erreichen. Die neue Heimat gefällt ihm gut.

 

Josef Krämer ist körperlich und geistig noch sehr frisch. Fast jeden Sonntag spielt er Orgel zu den katholischen Gottesdiensten. Jedes Kreuzworträtsel wird heute noch von ihm mit Leichtigkeit gelöst. Auch einer alten Leidenschaft geht das Geburtstagskind noch gern nach. Mit zwei seiner Landsleute spielt er noch wöchentlich seinen Skat. Herr Krämer ist Spezialist im Zehnen ausschneiden. Es vergeht ja kein Skatabend, wo er nicht der glückliche Gewinner ist. Aber auch Reisen mit seiner Tochter unternimmt er hin und wieder. Da er ein famoser Gesellschafter ist, wird er von allen Seiten eingeladen. Sechs seiner Kinder haben die schrecklichen Kriegszeiten überstanden und leben alle in Westdeutschland. Mögen dem Geburtstagskind noch viele Jahre wohlverdienter Ruhe und Gesundheit beschieden sein. Walter Kolbe

 

 

Seite 14   Wer kennt die Angehörigen?

Bericht Nr. 1807: Unbekannter Unteroffizier aus Ostpreußen.

Personalien: geb. 1912/1913, etwa 1,70 m groß, dunkles Haar, von Beruf Lehrer. Verstorben: März 1943 im Lager Dubowka.

 

Bericht Nr. 1589: Unbekannter Bahnangestellter aus Ostpreußen, war vermutlich in Wismar angestellt, Angehörige in Casparshöfen, Kreis Fischhausen (Ostpreußen) Verstorben: November 1945 im Lager Insterburg.

 

Bericht Nr. 1612: Unbekannter Oberleutnant aus Lyck (Ostpreußen) Personalien: geb. etwa 1910, weitere Angaben unbekannt. Verstorben: Im August 1946 im Lager Wereschiza (UdSSR).

 

 

Seite 13   Wir gratulieren!

Frau Elise Reuser, geb. Thiede, aus Königsberg (Pr.), Am Fließ 10, vollendet am 14. September 1955, ihr 74. Lebensjahr. Jetziger Wohnort: Salzgitter-Lebenstedt, Am Bauerngraben 4.

 

 

Seite 14   Der Leser hat das Wort. Briefe an die Ostpreußen-Warte.

Sehr „taktvoll“

„Schloßberg ist doch viel schöner ...“ so lautet die Überschrift in einer Heimatzeilung über einen Bericht von einem Ferienlager des Kreises Harburg für Pillkaller Kinder.

 

Das ist doch ein etwas zu engstirniger Lokalpatriotismus, der kaum in den Kindern die Liebe zur Heimat der Eltern zu wecken und festigen vermag. Denn die Kinder spüren es schon ganz genau, wenn etwas mit falschem Pathos und falschem Zungenschlag vorgetragen wird. Selbst wenn man in der Unterüberschrift von einer vorbildlichen Betreuung durch den Patenkreis spricht, verwischt das nicht die Taktlosigkeit, zum Dank für diese vorbildliche Betreuung dem Gastgeber zu bescheinigen, dass seine Landschaft mit der Schloßbergs nicht sich messen kann. Dabei kommt es doch gar nicht darauf an, welche Landschaft nun mehr zu bieten hat. Das alte ostpreußische Sprichwort „To Hus ist to Hus“, bewahrheitet sich immer wieder aufs Neue. Das braucht man doch nicht noch dadurch zu unterstreichen, dass man solche Taktlosigkeiten begeht. Wir bringen die ostpreußische Heimat unseren Kindern nicht näher, indem wir feststellen, dass der Patenkreis sich nicht mit der Heimat messen kann. Gerade solche Ferienlager haben die Aufgabe, in den Kindern das Verständnis für das bundesrepublikanische Gastland zu vertiefen, anstatt durch solche albernen Feststellungen einen Riss zu erzeugen.

 

Es kann nie oft und eindeutig genug unterstrichen werden, dass unsere Jugend jedes falsche Pathos in Bezug auf die ostpreußische Heimat der Eltern ablehnt. Sie will ganz sachlich und nüchtern darüber unterrichtet sein, wie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in der Heimat waren, welche beruflichen Chancen sie bei einer Rückkehr dort hat, welche Aufgaben ihrer harren werden. Dabei ist es ihr völlig gleichgültig, ob es dort oder hier in der Bundesrepublik schöner ist. Wenn man solche Maßstäbe anlegt, dann dürften die ostpreußischen Kinder aus den landschaftlich reizvollsten Gegenden Deutschlands nicht mehr fortgehen.

 

Ich glaube, der für diese Überschrift verantwortliche Redakteur hat uns ostpreußischen Heimatvertriebenen einen schlechten Dienst durch diese verantwortungslose Überschrift erwiesen, denn man wird uns jetzt in Harburg für taktlos und ungebildet halten. Und das sind gottlob die wenigsten von uns. Rolf Sander, Nürnberg.

 

 

„Nazi-Tick?“

Kürzlich gab mir ein ostpreußischer Ortsvorsitzender das Mitteilungsblatt der Kulturdienstes der Landsmannschaft zu lesen. Ich fand darin eine nicht gerade sehr stattliche Zahl von Künstlern, Schriftstellern und Wissenschaftlern verzeichnet, die für Vorträge und Dichterlesungen zur Verfügung stehen. Dabei fiel mir auf, dass der ehemalige Intendant des Reichssenders Königsberg, Dr. Lau und der in Ostpreußen bis ins kleinste Dorf hin bekannte Rundfunksprecher Waldemar Kuckuck fehlten. Das hat mich eigenartig berührt. Können wir uns den Luxus leisten, auch nur eine einzige kulturelle Kraft auszuschließen? Ich möchte das verneinen, sondern eher annehmen, dass man alle künstlerischen Reserven, soweit sie überhaupt noch verfügbar sind, mobilisieren muss, um unser heimatliches Brauchtum zu pflegen und die Erinnerung daran wach zu halten. Man munkelt von einem „Nazi-Tick“ gewisser verantwortlicher Männer in der Landsmannschaft, und dabei gerade solcher, die seinerzeit nur durch einen sehr selbstlosen Einsatz von Dr. Lau ihren Beruf und ihre Existenz behielten und sich jetzt plötzlich als besonders aktive Nazifresser hervortun wollen, obgleich sie als Mitläufer nach Gruppe IV eingestuft sind.

 

Das muss aufhören. Wenn heute in Bonn schon wieder Männer in verantwortlichen Stellen stehen, die auch im dritten Reich an nicht gerade sehr unverantwortungsvollen Positionen gestanden haben, dann sollten wir uns in der Landsmannschaft erst recht von einem völlig deplazierten Nazi-Tick frei machen. Wenn Männer vom Reichssender Königsberg wirklich Verbrechen im strafrechtlichen Sinne begangen haben, dann wären sie wahrscheinlich bereits schon längst von ordentlichen Gerichten abgeurteilt worden. Dass man nichts gegen sie unternommen hat, ist doch ein Beweis, dass man ihnen in dieser Hinsicht nichts vorwerfen kann. Willi M., Mainz

 

 

Seite 14   Die Reise nach Moskau.

Das „Ostpreußenblatt“ brachte einen Bericht aus der Wochenzeitung „Christ und Welt“ mit der Überschrift „Die Reise nach Moskau“. Da konnte man u. a. folgendes lesen:

 

Von einer repräsentativen Abordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland kann man jedoch nicht sprechen. Die meisten Teilnehmer, wie Präses Held, Präses Wilm, Propst Grüber, die Professoren Schlink und Iwand, neigen zum Kurse Niemöller-Heinemann. Usw. usw.

 

Ich möchte hierzu nur das eine sagen: Ich bin Gott von Herzen dankbar, dass es nicht nur zu Hitler's Zeiten die bekennende Kirche gab, sondern dass es diese Kirche mit glaubensstarken Männern auch heute noch gibt, die etwas wagen, wo andern Männern die Hosen vor Angst schlottern.

Meta Neumann (früher Zinten, Kreis Heiligenbeil, jetzt Dortmund).

 

 

Seite 14   „Das ganze Deutschland soll es sein“ und was manche darunter verstehen.

Am 11.06.1955 führte das Kuratorium „Das ganze Deutschland soll es sein“ in Braunschweig eine Veranstaltung durch. Leider war der äußere Eindruck nicht der: „Das ganze Deutschland soll es sein“.

 

Über dem Hauptportal der Kant-Hochschule hing zwar ein Transparent mit der obigen Aufschrift, aber im Chor der Fahnen der Länder der SBZ vermisste der aufmerksame Beobachter die Fahnen von Ostpreußen, Westpreußen und Danzig.

 

Da das Kuratorium sich anscheinend nur um die Wiedervereinigung der SBZ mit der Bundesrepublik bemüht, wäre es wohl zweckmäßig, dass es sich einen anderen Namen gibt oder besser noch Geschichtsunterricht nimmt, damit es weiß, was unter „Das ganze Deutschland soll es sein“ zu verstehen ist.

Moehrl, 1. Vorsitzender der LM Ostpreußen im BVD-Bezirk Braunschweig

 

 

 

Seite 14   Hufen-Gymnasiasten, meldet Euch!

Das Treffen der ehemaligen Lehrer und Schüler des Hufen-Gymnasiums und Realgymnasiums in Duisburg anlässlich der 700-Jahrfeier, an dem etwa 200 ehemalige Schüler und Lehrer, Oberstudien-Direktor Dombrowski, Oberstudienrat Dr. Peschties und Oberstudienrat Mäder teilnahmen, hatte dazu geführt, dass der Wunsch nach einem Zusammenschluss aller Lehrer und Schüler der alten Schule zum Ausdruck kam. Zunächst sollen alle ehemaligen Lehrer und Schüler in Listen erfasst werden und Klassengemeinschaften gebildet werden.

 

Die Betreuung aller ehemaligen Lehrer und Schüler des Hufengymnasiums hat Herr Rechtsanwalt Dr. Horst Ganske, Köln - Lindenthal, Stadtwaldgürtel 49 übernommen. Alle Lehrer und Schüler werden gebeten, ihre Anschrift an Herrn Dr. Ganske mitzuteilen.

 

Inzwischen ist das erste Rundschreiben, das ein lebhaftes Echo gefunden hat, herausgekommen. Es enthält bereits über 300 Anschriften von ehemaligen Lehrern und Schülern. Auch eine Liste der gestorbenen und gefallenen Lehrer und Schüler ist dem Rundschreiben beigefügt.

 

Beabsichtigt ist die Bildung einer Vereinigung aller Lehrer und Schüler des Hufen-Gymnasiums, des Hufen-Realgymnasiums sowie der Hufen-Oberschüler. Diese Vereinigung wird dann dafür Sorge tragen, dass eine größere Schule des Westens die Patenschaft für das alte Hufen-Gymnasium und Realgymnasium übernimmt.

 

Ein allgemeines Treffen soll vielleicht im nächsten Jahre stattfinden.

 

 

 

Seite 14   Heimkehrer sollen in Haft kommen.

Von Seiten des sowjetzonalen Justizministeriums ist nach einer ap-Meldung beabsichtigt, die wegen angeblicher Kriegsverbrechen abgeurteilten deutschen Kriegsgefangenen bei ihrer Rückführung aus sowjetischem Gewahrsam in der Sowjetzone festzuhalten und in Strafvollzug zu nehmen. Begründet wird dieses Vorhaben damit, dass die Anerkennung der sowjetischen Urteile, die auf sowjetischen Zeugenaussagen beruhen, völlig der „Rechtsauffassung der DDR“ entsprechen. Nach angeblich zuverlässigen Informationen aus dem Justizministerium sollen etwa 500 Verurteilte zum Strafvollzug überstellt werden.

 

 

Seite 14   Kindersuchdienst des DRK.

Hamburg-Osdorf, Blomkamp 51.

Ostpreußen: die Angehörigen von Fritz Bebersdorf, geb. etwa 1924, ledig, Beruf: Kellner und Kraftfahrer, zuletzt bei der 8. Batterie SS-Artillerie-Regiment 3.

 

Schönfließ. Kreis Rastenburg: Hannelore Welz, geb. 21.10.1936, und Roswitha Kussin, geb. 01.08.1944, von ihrer Tante:  Hannelore Arndt, geb. Welz, geb. 27.12.1919.

Göttingen

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Unsere Tochter Dorothea Margaret Maria erblickte am 15. August 1955 das Licht der Welt. Dieses geben voll Freude bekannt: Francis E. Shenefelt und Ruth Hanna Shenefelt, geb. Eschle, zurzeit Kreiskrankenhaus Göppingen, früher: Königsberg. Göppingen, den 15. August 1955

 

Statt Karten. Wir haben geheiratet. Architekt HBK. Christian Papendick, Hamburg-Wandsbek. Lisa-Veronika Papendick, geb. Leuteritz, Lengerckestraße 45b. 24. August 1955.

 

Wiederum hat der Tod eine tiefe Lücke in die Reihen unseres Vereins gerissen. Otto Bonin, ist am 12. August 1955 im 74. Lebensjahr völlig unerwartet in Berlin verstorben. Seit dem 1. Juli 1897 gehörte er dem KMTV an und bewahrte ihm und seinen Königsberger Freunden bis zuletzt die Treue, obwohl er seit vielen Jahren seine Vaterstadt verlassen und in Berlin eine neue Heimat gefunden hatte. Seine treue Hilfsbereitschaft vor allem für die Jugend und sein edles Menschentum sichern ihm einen Ehrenplatz in der Vereinsgeschichte. Für den Königsberger Männer-Turn-Verein von 1842. Wilhelm Alm

 

 

Seite 15   Stellenangebot

Suche für meinen 4-Personen-Haushalt (3 Kinder 6, 8 und 11 Jahre) heitere, kinderliebe, schon etwas

ältere Frau oder Fräulein, da selber ganztägig beruflich tätig. Freundl. eigenes Zimmer vorhanden. Dr. Irene Witzel, geb. Gallien München - Pasing, Marsopstraße 30 (früher Heilsberg und Tilsit).

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Gesucht wird Walter Schöttke, aus Königsberg (Pr.), geboren in Pillau, Angestellter bei der „Ostpreußischen Landschaft“. Zuletzt Kapitänleutnant. der Kriegsmarine bei der San.-ROA-Abtlg. der Kriegsmarine in Freiburg/Br., von Hermann Scharlipp, Neu-Wulmstorf (24a) , Heideweg, Post Buxtehude.

 

Fritz Kauker und Frau Martha Kauker, geb. Bolowski, beide etwa 73 Jahre alt, aus Königsberg (Pr.), Knochenstraße 56, sowie die Töchter Meta Kauker, geb. etwa 1910, Annemarie Kauker, geb. etwa 1911/1912, beide verheiratet, Familienname unbekannt. Die Töchter sollen sich 1946 aus Mannheim gemeldet haben. Nachricht erbeten an Irma Bolowski, Berlin W 31, Graunstr. 39, Stfl. III r.

 

Gesucht werden die Töchter des Kirchenmusikdirektors (Propsteikirche, Königsberg/Pr.) Artur Schulz, Maria Schulz, Anneliese Maxeiner, geb. Schulz, Käthe Schulz, Königsberg/Pr., Gottschedstraße 47. Diese verblieben bei den Eltern in der Gottschedstraße 47. Artur Schulz und seine Ehefrau verstarben im Jahre 1945 in Königsberg/Pr. Nachrichten erbittet: Frau Margarete Scharlipp, geb. Schulz, Neu-Wulmstorf (24a), Heideweg.

 

Ich suche meinen Vater Friedrich Powills, geb. 23. Oktober 1879 in Lauknen/Ostpreußen. Letzter Wohnort Rauschen/ Sassau, Kreis Samland. Wer weiß etwas über sein Schicksal? Portounkosten werden erstattet. Nachricht erbittet Frau Klautke, Hamburg 33, Eckmannsweg 11.

 

 

Seite 16   Winke, bunter Wimpel!

Foto.

Über meiner bescheidenen Gartenbude am Stadtrand von Kiel weht ein Kurenwimpel, ein buntes Ding, für das sich naturgemäß in erster Linie Kinder interessieren. Sie bestürmen dann regelmäßig Erwachsene mit Fragen, und deren Antworten gehen meist daneben, was verständlich ist, denn so bekannt sind diese Wimpel hier im Holstenlande nicht. Fünfzehn Jahre sind es ja nun schon her, als noch die schmucken Schiffe des „Seedienst Ostpreußen“ von Kiel aus einen breiten Strom Ferienreisender nach Pillau und Memel trugen, wovon auch ein kleinerer Teil die Kurische Nehrung besuchte. Das ist nun vorbei, und leider nicht nur das, sondern so ziemlich alles, was man einstmals heimbrachte von den Fahrten durch Gottes schöne Welt.

 

Köstliche, unvergessliche Sommer-Sonnentage tauchen in der Erinnerung auf, und ich bin dabei auf die Idee gekommen, einen jener Wimpel nachzubilden, mit denen die Fischer auf dem Kurischen Haff ihre schwerfällig wirkenden, aber vorzüglich segelnden Keitelkähne schmückten.

 

Diese Wimpel waren ein Stückchen echter Volkskunst und verrieten, dass selbst jene in weltentrückter Abgeschiedenheit ein hartes, karges Leben fristenden Menschen etwas Sinn für Poesie besaßen und auch einen Schuss Phantasie im Blute hatten. Jeder gestaltete dies kleine Schmuckstück für seinen schlichten Kahn mit Hilfe primitivster Werkzeuge durchaus eigenwillig, gruppierte um die mehr oder weniger „amtlichen“ Unterscheidungszeichen die Symbole seines Heimatortes und die seiner Familie. Das waren zur Hauptsache ihre oder ihrer Vorfahren geduckt daliegenden Häuser, der auf befestigten Sand hochragende Leuchtturm, das Kirchlein auf der bewaldeten Düne von Nidden, dazwischen die Kiefern und Tannen des Nehrungswaldes, ein Elch, eine Möwe oder ein Fischreiher und als Zeichen ihres Gewerbes ein Aalstecher. In erster Linie als Silhouette wirkend, dazu farbenfreudig gestaltet, waren diese Gebilde eigenartig und einmalig zugleich, was wohl den Dichter Alfred Karrasch veranlasst haben mag, seinen auf der Kurischen Nehrung handelnden Roman „Winke bunter Wimpel“ zu benennen, wonach später der Film „Kehr wieder“ gedreht wurde.

 

Und es sind nicht nur Kinder, die sich an dem im Winde flatternden bunten Etwas freuen. Ältere Jahrgänge sind zwar zumeist sachlich; sie stellen kurz und knapp im Vorbeigehen fest, aus welcher Richtung der Wind weht, knüpfen daran allenfalls noch eine Wettervorhersage an. Ab und an kommt aber auch einmal einer der Kenner vorbei, die hier unter den „Einheimischen“ gar nicht so selten sind, wie man allgemein annehmen möchte. Dann leitet die Frage über den Gartenzaun wohl ein kleines Gespräch ein: „Hat dies hier etwas mit Nidden zu tun?“ Dabei schaut man immer in ein Paar strahlende Augen; denn wer Nidden einmal erlebt hat, vergisst es nie, Nidden, jene einstmalige „Insel des Friedens“, von der vor Jahren Fritz Kudnig sang:

 

„Mein schönstes Dort auf weitem Erdenrund!

Wie wenn ein Gott aus leuchtender Palette,

berauscht von Farben bis zum Herzensgrund,

dich wie im Traume hingezaubert hätte . . .“

 

Und doch ist ein solch Erinnern in unseren Tagen keine ungeteilte Freude. Unweigerlich wuchtet nach wenigen froh gewechselten Worten eindringlich die schmerzende Frage dazwischen: und wie sieht es heute dort aus? Wo sind jene friedfertigen Menschen geblieben, denen nichts mehr als ihre Heimat galt? Hier schmerzt die Erinnerung und mahnt alle, die noch das Glück haben, in der Heimat leben zu können, trotz aller eigenen Bedrängnis Verständnis für die vertriebenen Brüder und Schwestern aufzubringen, immer wieder dankbar und hilfsbereit zu sein. Wilhelm Lemke

 

 

Seite 16   Wo stehen die Landsmannschaften?

Über diese alle Landsleute bewegende Frage lesen wir in der Zweimonatsschrift „Der Remter“, Heft 4/55, folgende interessanten Ausführungen:

 

„Die Landsmannschaften nennen ihre großen Treffen, die in den letzten Wochen stattfanden, gerne eine Heerschau und leiten von daher ihre Kraft als Massenbewegung ab. Trotzdem hat diese Entwicklung für den größten Teil der Gruppen peinliche Schwächen. Nach wie vor sind zu viel der Teilnehmer alte Jahrgänge, als dass man ihnen ein revolutionäres Verhalten glauben würde. Was sie so zusammentreibt, ist der übrigens sehr ernst zu nehmende Wunsch, wieder einmal in der Gemeinschaft der Heimat der geachtete Mitbürger zu sein, der sich nicht erst als solcher ausweisen muss. Bei einem Überblick über das, was nun auf diesen Treffen wirklich geschah, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eigentlich nur die Sudetendeutschen sich allmählich wirklichen politischen Konzeptionen nähern. Sie sind nicht zufällig die einzige große Gruppe von denen jenseits der Reichsgrenzen, die gewohnt waren, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und nicht sich staatlicher Fürsorge in allem anzuvertrauen. Die großen Landsmannschaften aus dem Reich haben eine gewisse Passivität bis heute nicht überwunden. Schuld daran ist in Wirklichkeit nicht eine Schwäche im Kreis der Vertriebenen, sondern der demokratische Aberglaube der großen Zahl. Weil die ganze Öffentlichkeit nur auf die Massenversammlungen blickt, entgeht ihr weithin das eigentliche Geschehen. Viel wesentlicher war, was um die großen Treffen herum im kleineren Kreis beraten und erwogen wurde.

 

Wohin die Vertriebenenbewegung steuert, werden nicht die sich treiben lassenden Massen bestimmen, sondern es wird davon abhängen, ob die geistig hochstehenden und denkenden Köpfe verschiedenster Richtung sich zu einem Weg zusammenfinden, den sie miteinander gehen können. Die Öffentlichkeit sollte sich mehr als um die Trommelwirbel und die unvermeidliche Demagogie von Massenkundgebungen um diese stille Arbeit der Besinnung im kleinen Kreis kümmern, die wirklich vorwärts weist. Am deutlichsten drang dieses Denken in der Nürnberger Rede Dr. Lodgman v. Auens durch, wenn er ausführte: „Die technische Entwicklung habe zwangsläufig zur Bedeutungslosigkeit von nationalen Staatsgebilden der bisherigen Größen geführt. Jetzt habe man in Erdteilen zu denken. Es gelte deshalb für die vertriebenen Volksgruppen, die östlichen Nachbarn für eine Föderation Europas zu gewinnen, die die Völker als gleichberechtigte Partner anerkennt und verbindet. Hierzu seien zwei Aufgaben zu erfüllen: Mit den Emigrationen der mittel- und osteuropäischen Völker geistig diesen übernationalen Ausgleich vorzubereiten und jede künftige deutsche Ostkonzeption in diesem Sinne zu beeinflussen“.

 

In diesem Geiste geschah es auch, dass dort der tschechische General Prchala sein christliches Wort sprach und damit zeigen konnte, wie wirklich ein Dienst zur Überwindung der Bitterkeit getan werden kann. Ob das tschechische Volk nun hinter Prchala steht oder nicht, er hat ihm und uns mit seinen tapferen Worten einen ungeheuren Dienst getan und sicherlich Tausenden von Sudetendeutschen geholfen, wieder ohne Bitterkeit auf ihre tschechischen Mitbrüder sehen zu können“. Sp.

 

 

Seite 16   Mit Gewalt entvölkert

Unter der Überschrift: „Es gibt noch mehr deutsche Probleme“ beschäftigt sich die große schwedische Tageszeitung „Göteborgs Tidningen“ ausführlich mit der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der deutschen Ostgebiete unter fremder Verwaltung. In diesem Artikel, welcher von einem großen Bild des Königsberger Hafens begleitet ist, stellt die Zeitung fest: „Diese Gebiete hat man während zehn Jahren gründlich und rücksichtslos polonisiert in einer Weise, die man am ehesten mit den nazistischen Ausrottungskampagnen gegen die Juden vergleichen kann“. Anschließend erläutert die Zeitung die Bevölkerungsverschiebungen an Hand von Zahlenmaterial aus Königsberg, Danzig und Ostpreußen und kommt zu der Schlussfolgerung: „Diese Gebiete sind also mit Drohung und Gewalt entvölkert worden“.

 

In einem zweiten Artikel mit der Überschrift „Schon seit Potsdam" bezeichnet „Göteborgs Tidningen" das Problem der deutschen Ostgebiete als „eines der schwersten Hindernisse zwischen Ost und West". Eingehend werden die verschiedenen Auslegungen der Bestimmungen über die „berüchtigte Oder-Neiße-Linie" dargelegt und die geographischen Verhältnisse „dieser alten deutschen Gebiete“ erläutert. Der Artikel schließt mit der Feststellung: „Die Bundesrepublik wird die Oder-Neiße-Linie nicht als beständige Grenze nach Polen annehmen können, auch wenn diese Weiterung bedeuten sollte, dass dadurch die deutsche Wiedervereinigung noch für lange Zeit hinausgezögert wird“.

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