Ostpreußen-Warte, Folge 06 vom Juni 1955
Ostpeußen-Warte
Folge 06 vom Juni1955
http://archiv.preussische-allgemeine.de/ow1955/1955_06_01_06.pdf
Seite 1 700 Jahre Königsberg, Preußen. Zehntausende Königsberger feiern Pfingsten das Jubiläum in der Patenstadt Duisburg.
Foto: Blick über die Dächer des Kneiphofs zum Königsberger Schloss.
Es gibt zweimal ein Königsberg: Das eine Königsberg ist über die deutschen Landschaften verstreut, besteht in Westfalen und Niedersachsen, in Bayern und Schwaben, am Rhein und an der Eider; das andere Königsberg liegt hinter dem Vorhang, den man den „eisernen“ zu nennen pflegt. Das erste Königsberg ist jenes Königsberg, dass heute in zehntausend von Fetzen zerrissen, in zehntausend Winkel vertan ist: der Königsberger, der ostpreußische Mensch. Das andere Königsberg, das heute den Namen Kaliningrad führt liegt vom Kriege zerschlagen und tot, und „Wolf und Füchse sagen sich in ihm Gute Nacht“.
Es war einmal eine schöne Stadt und ein schönes Land, über das Königsberg als Hauptstadt gesetzt war. Seine Philosophen und Dichter belehrten die Welt und seine Felder ernährten die westdeutschen Provinzen. An dieses unser altes Königsberg lasst uns heute denken, an die schöne Stadt in ihrer machtvollen Ausdehnung, erfüllt mit tätigem Leben und doch wieder auch anheimelnd durch seine verschwiegenen Gässchen. An die tiefglühenden Sommer wollen wir zurückdenken, die wir dort verlebt haben, an die seidigen Herbste und trocken kalten Winter. Es war unsere Vaterstadt, in der wir geboren wurden, die unsere Frauen gebar, unsere Kinder und Enkel.
Eisiger Schneesturm lag über ihr, als viele ihrer Landsleute sie verlassen mussten, die Schlacht folgte ihnen nach und sowjetische Panzer umkreisten ihre Trecks — unsere Stadt, die wir doch niemals verließen, weil wir sie mit uns nahmen und unser altes Königsberg im Herzen tragen. Wir vermeinen noch den erquickenden Anhauch der See zu spüren, der uns des Morgens und abends vom Wasser her entgegenstrich. Wir sehen im Geiste den Schlossturm als stolzes Zeichen unserer Heimatgeschichte in den wolkenzerfetzten Himmel emporragen, obwohl wir wissen, dass der geborstene Riese gesprengt wurde. Wir wandern in Gedanken noch einmal an den bunten Fachwerkgiebeln der Lastadie entlang, obwohl wir selbst sahen, wie sie im Feuer der englischen Brandbomben in Asche sanken. Wir träumen uns zurück in die kastanienbeschattete Stille des Platzes zwischen Dom und alter Universität, und wissen doch, dass das stattliche Gotteshaus nur noch ausgebrannte Schlacke ist und das Grabmal Kants zu seinen Füßen von Räuberbanden erbrochen und geschändet wurde. Unsere ganze Liebe gilt dem deutschen Königsberg, der Stadt von gestern, der Stadt unserer Erinnerung. Wir fragen uns zweifelnd und voll Bitternis, ob das, was sie in den 700 Jahren ihrer Geschichte für Deutschland geleistet hat, für immer dahin sein soll, verweht von dem Sturm, der aus den weiten Ebenen Russlands ober unsere Heimatstadt dahinbrauste. Königsberg war von je eine deutsche Stadt und die Hauptstadt eines Landes, das dem größten Staat des Deutschen Reiches den Namen gab.
Deutsch waren die Ordensritter, die Herzog Konrad von Massovien zu Hilfe gerufen hatte, und die im Januar 1255 von Balga aus die Eisfläche des Haffs überschritten und das Landviereck zwischen Ostsee, den beiden Haffen, der Deime und dem Pregel sich unterwarfen. Die Burg, die sie erbauten, erhielt zu Ehren des Böhmerkönigs Ottokar II., der an der Kreuzfahrt teilgenommen hatte, den Namen Königsberg. In ihrem Schutze entstanden drei Orte: Altstadt, Löbenicht und Kneiphof, die jede für sich eigene Stadtrechte besaßen, sehr spät aber erst zu einem einzigen Gemeinwesen zusammengeschlossen wurden. Nach dem Verlust der Marienburg wurde Königsberg Sitz des Hochmeisters und 1525 nach der Säkularisierung des Ordens Residenz der preußischen Herzöge.
Wozu Herzog Albrecht durch die Säkularisierung des Ordensstaates und zum Übertritt zum Protestantismus den Grund gelegt hatte, das wurde durch die Erhebung Preußens zum Königreich allen deutlich: der junge Staat im Osten und vor allem seine Hauptstadt Königsberg waren zum Eckpfeiler gegen den Osten geworden.
Sie blieben es bis Stadt und Land aufgehört hatten deutsch zu sein. Nach dem ersten Weltkrieg bekundeten die Ostpreußen ihre geistige und staatliche Zugehörigkeit in Zahlen. Bei der Abstimmung wurden 97,8 Prozent aller Stimmen für Deutschland abgegeben und nur 2,2 v. H. stimmten für Polen. Aber nicht nur ein staatlicher Eckpfeiler war unser Königsberg, sondern auch der geistige Mittelpunkt Nordosteuropas. Im Jahre 1544 wurde die Universität gegründet, die später durch Kant Weltruf erlangen solle. Nach dem unglücklichen Krieg von 1806 fanden nicht nur Staatsmänner und Politiker Zuflucht in den Mauern der Stadt, die ganze geistige Elite weilte damals in der Ordensstadt: Freiherr von Stein, Arndt, Wilhelm von Humbold, Fichte, Kleist, Arnim und Schenckendorff. Die Romantik, das Kind des deutschen Ostens, zählt unter ihren namhaften Vertretern zwei Königsberger: Zacharias Werner und E. Th. A. Hoffmann.
Und schließlich war unser Königsberg der Geburtsort des nationalen Wiederaufstiegs und liberaler Staatsgesinnung. Der geistige Wandel in der Einstellung zum Staat war vorbereitet worden durch Hamann und vor allem durch Kant. Sein Geist wirkte in den an der Reform maßgebend beteiligten Staatsmännern und Politikern. Friedrich Leopold und Karl Wilhelm von Schröter, Theodor von Schön, Stägemann, Alexander Graf Dohna, Auerswald. Frey und Heydemann. Frys Denkschrift zur Städteordnung beginnt bezeichnenderweise mit den Worten: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft verhindert sein Reifen“.
Früh schon wehte in den Mauern unserer Stadt auch in religiöser und konfessioneller Hinsicht loyaler, toleranter Geist, und es ist eine Ironie der Geschichte, dass Königsberg und Ostpreußen, die in den vergangenen Jahrhunderten ein Land der Zuflucht für die slawischen Philiponen, die Salzburger Katholiken, die französischen Hugenotten und die holländischen Mennoniten wurde, selbst Schauplatz einer Massenvertreibung werden musste, wie sie die Welt noch nicht erlebt hat.
Zugleich war Königsberg auch das Ausfallstor für den deutschen und europäischen Osthande. Es war führend auf dem Getreidemarkt und der Welthandelsplatz für Linsen. Sehr erheblich war der Handel mit Kartoffeln, Saatgut, Düngemitteln, Kolonialwaren, Eisen und Eisenwaren, Flachs, Häuten, Fellen, Kohlen, Holz und Textilien. Von besonderer Wichtigkeit nicht nur für die Stadt selbst, sondern auch für den ganzen Osten war deshalb die deutsche Ostmesse, die zur Pflege der Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem industriellen Westeuropa und dem agrarischen Osteuropa alljährlich in Königsberg abgehalten wurde und neben der allgemeinen Warenmesse eine technische, eine Baumesse und große landwirtschaftliche Veranstaltungen umfasste. Die Wasserwege begünstigten durch ihre billige Frachtpreisgestaltung diesen Handel und die Entwicklung eigener Industriewerke, vor allem der Eisenindustrie (landwirtschaftliche Maschinen, Lokomotiven, Waggons, Maschinen und Schiffe). Der Königsberger Seekanal sorgte dafür, dass auch größere Seeschiffe in den Königsberger Häfen anlaufen konnten, so dass auch in der Zeit, zwischen den beiden Weltkriegen, wo Ostpreußen wieder wie zur Ordenszeit auf sich gestellt war, Handel und Wandel florierten.
Aber der Hafen, der große eisfreie Umschlageplatz zwischen Ost und West, liegt lahm. Mehr als 4000 Seeschiffe liefen vor dem Kriege Königsberg im Jahre an und brachten nahezu vier Millionen Tonnen Güter. Heute macht nur hin und wieder ein Fischdampfer noch fest. Die Bedeutung des Umschlageplatzes ist dahin. Der nach Stettin größte Ostseehafen ist wertlos — es sei denn sowjetische Militär- bzw. Flottenbasis.
Es ist schwer zu denken, dass in den Straßen, in denen einst Kant, Hamann und Herder wandelten, die russische Sprache erklingt und unsere Stadt nicht mehr ihren 700 Jahre alten Namen trägt. Was würden wir aus der Vaterstadt Vertriebenen darum geben, wenn wir noch einmal abends über dem Lärm der Großstadt still und ruhig den Choral erklingen hören könnten: „Nun ruhen alle Wälder“.
Wir, die wir hier, Zehntausende von Königsbergern in unserer Patenstadt Duisburg, tausend Kilometer von der Heimat entfernt, den Geburtstag unserer Heimat- und Vaterstadt festlich begehen, wir können es und wollen es nicht glauben, dass Königsberg seine Sendung bereits erfüllt hat und vom Schicksal für alle Zeiten verworfen worden sein soll. Wir wollen daran denken, dass in den Mauern unserer Stadt ein Kant geboren wurde, der als erster grundlegende Gedanken zu einem Völkerbund und für eine Völkerverständigung entwickelte. Wenn überhaupt, so kann nur über die vereinten Nationen und Völkerverständigung der Weg zurück in die Heimat führen. Die westliche Welt hat inzwischen begriffen, was sie am deutschen Osten verloren hat. Hoffen wir daher mit der Inbrunst und Stärke unserer Herzen auf ein Auferstehen der deutschen Stadt Königsberg, die sieben Jahrhunderte abendländisches Denken und Schaffen nach dem Osten getragen hat.
Seite 2 Unsere Patenstadt Duisburg – Zentrum des Industrie-Reviers. Ströme schreiben Geschichte.
Ströme schreiben Geschichte, Völkergeschichte, Staatengeschichte und die Geschichte der Städte, die ihren Wassern ihre Gründung und Gegenwart verdankten. Dafür ist unsere Patenstadt ein treffendes Beispiel. Duisburg war eine kleine fränkische Siedlung, an deren Stadtmauer dicht vorbei der Rhein strömte und gerade hier endete auch der Hellweg, die große alte Handelsstraße aus dem Osten und machte Duisburg zum Kreuzpunkt nach Westen, nach Flandern, Brabant und Paris. Dank der ungemeinen Gunst dieser Lage am großen Strom und an wichtiger Verkehrsstraße konnte der kleine Ort schnell zu einem kräftigen Gemeinwesen aufblühen, das im weiten Umkreis lange der einzige Hafen und Stapelplatz bis ins Holländische blieb.
Politisch an der Grenze zwischen den Herzogtümern Lothringen, Franken und Sachsen gelegen sah es oft die deutschen Könige in seinen Mauern, erlebte Reichsversammlungen und genoss mancherlei Sonderrechte und Privilegien. Doch ehe die Stadtfreiheit so weit erstarkt war, dass die Selbständigkeit nicht mehr anzutasten gewesen wäre, riss das zerfallende Reich auch das mittelalterliche oppidum regale Duisburgum mit in den Niedergang. Der Kaiser verpfändete die Stadt an die Grafen von Kleve, und seitdem teilte das nicht wieder eingelöste Pfand die Geschicke der kleveschen Lande, auch als diese später im Erbgang an Brandenburg-Preußen fielen.
Doch um ihre Zukunft war die Stadt schon vorher durch eine Naturkatastrophe gebracht worden, als nämlich 1270 der Rhein bei einem Hochwasser eine Schlinge seines Laufes durchstieß, nicht mehr in sein altes Bett zurückkehrte und Duisburg eine halbe Meile abseits liegen ließ. So sehr war die nun buchstäblich aufs Trockene gesetzte Stadt ein Geschöpf des Stromes, dass sie mit Reede und Hafen auch ihren Charakter verlor und fünf Jahrhunderte als Landstadt dahinlebte, bis es dann gelang, erneut den Anschluss an den Strom zu gewinnen. An der Städteherrlichkeit der süddeutschen Reichsstädte und der Hansestädte im Norden, hatte das ältere Duisburg, trotz seiner Zugehörigkeit zur Hanse, keinen Anteil. Dann und wann belebte sich‘s, wenn einzelne ihren Ruf und Ruhm in die Stadt brachten, wie der Geograph Gerhard Mercator, der hier vierzig Jahre lang seine Schule-machenden Land- und Seekarten, Erd- und Himmelgloben entwarf und in seiner Werkstatt zusammen mit seinen Söhnen anfertigte. Auch die 1655 von dem Großen Kurfürsten gegründete Duisburger Universität, an der namhafte Gelehrte wirkten, konnte sich nicht auf die Dauer halten. Sie schloss 1818 ihre Hörsäle, da war aber bereits das Tor zu einer großen wirtschaftlichen Zukunft weit aufgestoßen.
Da hatte sich bereits der immer mehr erstarkende preußische Staat seiner rheinischen Provinzen angenommen. Staatliche Verwaltungskunst und unternehmerische Initiative ergänzten einander bei der zukunftsfördernden Arbeit. Jetzt schlug auch die Stunde für den Niederrhein. In heftiger Konkurrenz damals zu Ruhrort, dessen schon bedeutender Kohlenumschlag die besondere Unterstützung der Verwaltung erfuhr, vollendete Duisburger Privatinitiative nach vierjähriger Bauzeit 1832 einen Kanal zum Rhein, den heutigen Außenhafen und verband diesen wenig später mit einem Stichkanal zur Ruhr. Da endlich hatte die Stadt Duisburg den Strom zurückgewonnen mit allem, was dazu gehört, mit Reede und Hafen, Schifffahrt und Großhandel — gerade zeitig genug, um da zu sein, als nun die Schwerindustrie die Duisburger Rheinstraße für ihre Zwecke entdeckte.
Duisburg heute
Als vor knapp hundert Jahren in Duisburg der erste Hochofen angeblasen wurde, begann recht eigentlich die zweite Geschichte der Stadt mit der Niederlassung der Schwerindustrie. Während England schon seit 1800 Roheisen mit Koks erblies, arbeiteten in Westdeutschland immer noch Holzkohlenöfen. Mit Römhilds Koksöfen in Duisburg und Mühlheim war nun der entscheidende Schritt getan, die riesigen Kohlenvorkommen an der Ruhr für die deutsche Eisenhüttenindustrie zu verwenden. Erst seitdem datiert die industrielle Erweckung des Ruhrgebietes, diese größte, noch immer nicht abgeschlossene Kombination von Kohle, Eisen und Stahl. Den ersten Hochöfen folgten bald weitere, in Ruhrort die „Phönix-Hütte“, in Hochfeld „Vulkan“. Im Stadtgebiet begann man tiefer nach Kohle zu bohren und Zechen abzuteufen, Werften und Schifffahrt regten sich und die Häfen von Duisburg und Ruhrort richteten sich für den Umschlag und Stapel auf völlig andere Größen und Mengen ein. Natürlich veränderten sich das Stadtbild und Sozialgefüge schnell. Zwanzig Jahre nach dem ersten Hochofen zählte man dreißigtausend Einwohner, fünfzig Jahre später, 1900, war die Hunderttausendziffer der Großstadt erreicht, heute zählt Duisburg mit seinen eingemeindeten Vororten bereits 450 000 Einwohner.
Der Zusammenklang Wasser, Kohle, Eisen bestimmte die weitere industrielle Entwicklung und damit das Gesicht Duisburgs. Die großen Vorteile, die der Wasserweg für die Zufuhr von Rohstoffen und den Versand von Massengütern bot, hat das Entstehen hervorragender Industriewerke wesentlich gefördert, die sich in der Nähe des Rheinufers niederließen. Von den Stahl- und Walzwerken seien hier nur genannt, August Thyssenhütte, Duisburg-Hamborn, das Hüttenwerk Ruhrort-Meiderich, die Mannesmann-Hüttenwerke in Duisburg-Hucklingen, die Niederrheinische Hütte und die Duisburger Kupferhütte, das größte Kupferextraktionswerk Europas. Daneben ist in Duisburg unstreitig ein Mittelpunkt der deutschen Maschinenindustrie, an deren erster Stelle die Demag zu nennen ist. Besondere Beachtung verdienen der Brückenbau, eine Reihe von Spezialindustrien und die Thyssenschen Gas- und Wasserwerke in Duisburg-Hamborn, die über die Grenzen des Landes hinaus von Bedeutung sind.
Die Werke der chemischen Industrie, die Duisburg aufweist, gehören ebenfalls zu dem modernsten Unternehmen Deutschlands. Einige dieser Betriebe, wie die „Gesellschaft für Teerverwertung“ in Duisburg-Meiderich, leisten in der Verarbeitung der aus dem Verkokungsprozess gewonnenen Nebenprodukte und in der Herstellung von verschiedenen Teererzeugnissen hervorragendes. Es würde den Rahmen eines Artikels sprengen, wollte man weiter auf Einzelheiten eingehen. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Stadt spiegelt sich aber in folgenden Zahlen wider. Die Stadt Duisburg umfasst allein 17 industrielle Großbetriebe. Auf den Stadtbezirk entfällt ein rundes Drittel der westdeutschen Roheisenproduktion, ein Viertel, der Rohstahl- und Walzwerkerzeugung, 21 Hochöfen sind zurzeit im Duisburger Stadtbezirk in Betrieb.
Europas größter Binnenhafen.
Die Schlagader dieses industriellen Zentrums ist der Rhein. Das auf ihn zugeordnete Kanalsystem hat kontinentale Querverbindungen nach Norden und Osten geschaffen: über den Herne-Kanal erreicht der Rhein das Herz des Ruhrgebietes, der Dortmund-Ems-Kanal gibt der binnenländischen Schifffahrt den Anschluss an die Nordseehäfen und nach Skandinavien, über den Mittelland-Kanal ist ein geschlossenes Wassernetz hergestellt mit Elbe, Oder und Weichsel, zu den Ostseehäfen und nach dem näheren Osteuropa. Der Rhein-Rhone-Kanal führt an die Tore des Mittelmeeres. Ein transkontinentaler Strom, und das Gelenk dieser vielen raumgreifenden länderumspannenden Arme — dies Gelenk ist Duisburg. Dass Duisburg sowohl wie Duisburg-Ruhrort durch diese Lage sich zu Hauptbrennpunkten des Binnenschiffsverkehrs entwickeln musste, liegt auf der Hand. Heute ist Duisburg der Hauptsitz der großen Rheinreedereien und bedeutender Speditionsfirmen. In enger Verbindung mit der Schifffahrt und dem Kohlenumschlag entfalteten sich auch zahlreiche andere Unternehmungen recht erfolgreich, so mehrere Schiffswerften, Reparaturwerkstätten, Handelsunternehmen aller Art und Kohlenhandelsgesellschaften.
Im Umschlagsverkehr steht die Kohle an erster Stelle in den Duisburger-Ruhrorter Häfen, aber auch Erze, Roheisen und verarbeitetes Eisen aller Art, Steine und Erden stehen an hervorragender Stelle. Es folgen an dritter Stelle Getreide und Holz, sowohl Grubenholz wie auch Bauholz. Die Zunahme des Bergbaues sowie die ins riesenhafte gehende Besiedlung des Industriegebietes gaben dieser Einfuhr stets neue Impulse. In den letzten Jahren traten außerdem der Umschlag sowie die Lagerung von Rohöl in immer wachsendem Maße in den Vordergrund.
Für die Ausmaße der Duisburger-Ruhrorter Häfen noch ein paar Zahlen, die ihre Bedeutung kennzeichnen. Die Häfen haben eine Wasserflächenausdehnung von 230 ha, 44 km Uferlänge und rund 455 km Gleislänge. Rund 130 Kräne stehen zu Verfügung. In den letzten Jahren hatten die Häfen einen Gesamtgüterumschlag von rd. 10 Millionen Tonnen. Neben den öffentlichen Duisburger Häfen haben im Duisburger Stadtgebiet die privaten Werkhäfen einen jährlichen Warenumschlag von 7 Millionen Tonnen, so dass die gesamten Häfen 17 Millionen Tonnen aufweisen. Über 50 000 Schiffe laufen jährlich (durchschnittlich) die Duisburger-Ruhrorter Häfen an, darunter auch zahlreiche Schiffe unter niederländischer, belgischer und französischer Flagge.
Es ist überflüssig zu sagen, dass in dieser modernen Industrie- und Großstadt auch Kunst und Leibesübungen ihre Pflegestätten erhielten. Die Duisburger Oper erfreut sich eines besonderen Rufes nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch weit über diese Grenzen hinweg bis ins Ausland, und das Duisburger Orchester gehört zu den besten Klangkörpern ganz Westdeutschlands. Duisburg besitzt ein gutes Theater, zahlreiche Sammlungen und Museen und unterhält ein reiches kulturelles Leben. Sportlicher Mittelpunkt von Duisburg sind die ausgedehnten Anlagen der Wedau mit ihrer einzigartigen Regattabahn, die große Anziehungskraft ausübt. Aber auch Fußball, Rasensport aller Art erfreuen sich in unserer Patenstadt größter Beliebtheit.
Rheinstrom, Zechen und Hütten formten das Antlitz der Stadt, Wasser, Kohle und Eisen bestimmten ihren Lebensrhythmus und sichern unserer Patenstadt Duisburg ihren hohen Rang in der deutschen Volkswirtschaft.
Seite 3 Fotos: Unser liebes altes Königsberg.
Foto: Die Kneiphofinsel mit dem Dom.
Foto: Der Roßgärter Markt
Foto: Im winkligen Löbenicht
Foto: Hochgezogene Pregelbrücken – ein vertrautes Bild
Foto: Blick auf den Ostturm des Schlosses
Duisburg grüßt die Königsberger!
Die Stadt Duisburg freut sich, wenn sie zu Pfingsten zahlreiche Königsberger in ihren Mauern steht und ruft ihnen zur 700-Jahrfeier ihrer alten Heimatstadt ein herzliches Willkommen zu.
Ich würde es begrüßen, wenn viele alte Freundschaften neu belebt und neue Bekanntschaften in der Rhein-Ruhr-Stadt aus diesem festlichen Anlass geschlossen würden, und wünsche den kulturellen Veranstaltungen und den menschlichen Begegnungen einen würdigen Verlauf und einen nachhaltigen Eindruck Seelig, Oberbürgermeister
Seite 4 Der Königsgarten / Von Herbert Meinhard Mühlpfordt
Foto: Das Denkmal König Friedrich Wilhelm III. auf dem Königsgarten
Der schöne und würdige Platz, der heute meist „Paradeplatz“ genannt wurde, hieß noch in meiner Jugendzeit allgemein „Königsgarten“. Dieser Name verlor sich allmählich erst nach dem ersten Weltkriege. Vor ihm verstand man unter Paradeplatz lediglich den Straßenzug vor der Königshalle und Gräfe & Unzer, sowie den von der schönen Kastanienallee eingefassten Platz mit zwei großen Gaskandelabern. Hier wurden zu Kaisers Geburtstag stets die kleineren Paraden abgenommen — ein festliches und buntes Bild, bei dem die Soldaten in schwarzen, die Offiziere in weißen, die Musiker in roten Helmbüschen auf der Pickelhaube erschienen und die Monturen, selbstverständlich in Paradeuniform, blitzten und blinkten.
Aber auch der Name „Königsgarten“ bestand nicht gar so lange, sondern erst seit es einen König gab. Vorher war er der Herzogs- oder allenfalls der Kurfürstliche Garten. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Es war der „Geköchsgarten“, der Küchengarten, in dem Gemüse wuchsen und zur Zeit des Großen Kurfürsten die ersten Kartoffeln in Königsberg gepflanzt wurden.
Natürlich war er außerdem auch Park. Es standen in ihm alte und seltene Bäume. Dies ist nicht erstaunlich, da es schon Herzog Albrecht gewesen war, der ihn anlegte. Um zu ihm zu gelangen, wurde etwas später über Schlossgraben und Junkergasse ein hoher hölzerner Steg gebaut, der einen raschen Besuch des Gartens ermöglichte. Caspar Stein nennt diesen Steg „Laufbrücke“.
An den Lustgarten grenzte der Hetzgarten, wo in barbarischer Jagd wilde Tiere zur Lust der hohen Herrschaften zu Tode gehetzt wurden. Auch Kämpfe zwischen Bären und Auerochsen wurden hier veranstaltet. Der Hetzgarten befand sich auf dem Areal des Wohnblocks an der Großen Schlossteichstraße. Erst Friedrich der Große schaffte 1744 dies rohe Vergnügen ab.
Durch den Lustgarten flossen bereits seit der Ordenszeit Arme des Fließes, Nebenabflüsse des Oberteiches, mittels deren man den Wasserstand des Schlossteiches regulieren konnte, denn die Fließe mündeten unterhalb bzw. westlich des Schlossteiches in die Katzbach, nachdem sie auch den Schlossgraben, der das Schloss rings umfloss, gespeist hatten.
Das von der Tragheimer Kirchenstraße kommende Fließ zog auf der westlichen Seite des Königsgartens hin, deshalb mussten später, nach Zuschütten der Fließe, die dort erbauten Häuser auf Pfahlrosten errichtet werden. Mein väterliches Grundstück Paradeplatz 19 ruhte auf nicht weniger als 326 Pfählen. Ein anderer Arm des Fließes, durch die dritte Fließstraße herkommend, ging längs des Stadttheaters hin; es gibt ein Bild vom Jahre 1850, auf dem man Fließ und Brücke deutlich sieht.
Dieses Fließ trat im Verlauf der Theaterstraße in den Burggraben; am Nordende versperrte die erst 1808 abgebrochene Roßmühle die Straße, die also eine Sackgasse war und darum poetisch „Kehrwiedergasse“ hieß.
An ihrer Stelle wurde zwischen 1780 und 1800 in reinen klassizistischen Stil, zuerst einstöckig, die edle „Königshalle“ gebaut. Im Jahre 1848 gründete der Generalleutnant Plehwe als Vorburg der Königstreuen des Preußenvereins gegen die Liberalen die Gesellschaft „Königshalle“, die in diesem Gebäude tagte. Seit 1935 war hier das Standoffizierskasino.
Dass der Lustgarten einen schönen Baumbestand enthielt, beweist außer dem Behringschen Plan von 1613 die Historie von der Bewirtung des Kurfürsten Friedrich III., der als gebürtiger Königsberger wohl gern in seine Vaterstadt kam, durch den Kanzler von Kreytzen und den Obermarschall von Wallenrodt im Jahre 1697 auf der riesigen Linde. Dieser uralte Baum, der sicherlich noch die alten Prussen gesehen hatte, hatte einen Umfang von 30 Fuß und trug fünf Stock Balkone übereinander, und auf dem höchsten derselben fand die Bewirtung der übermütigen Barockgesellschaft in ihren Allongeperücken statt. Ein wahrhaft barocker Gedanke! Unsere Zeit wäre schwerlich darauf gekommen, etwa auf der mehrstöckigen Hirschauer Linde irgendeinen Prominenten bewirten zu wollen.
Der Bokering'sche Plan verrät auch, dass sich damals im südlichen Teil des Gartens ein „Lusthaus“ befand. — Es kam der unerhört harte Winter 1708, in dem man weite Strecken über das Eis der Ostsee, ja, bis Lübeck, mit dem Schlitten fahren konnte. Gegen einen solchen Winter waren all die seltenen Bäume im nunmehrigen Königsgarten nicht gewappnet, sie froren aus; auch die alte riesige Linde ging ein und musste gefällt werden. So lag der Garten wüst.
Als 1713 der sparsame und fromme Soldatenkönig zur Regierung kam, ließ er den Garten des Königs nicht wieder erneuern, sondern gebrauchte ihn als Exerzierplatz. Ein Exerzierhaus wurde an der Ostseite des Königsgartens gebaut, später aber verlegt nach der Mondscheingasse, der späteren Gartenstraße und noch späteren Giesebrechtstraße, just auf den Grund der späteren neuen Universität.
An der Ostseite des Königsgartens aber sollte eine Garnisonkirche entstehen. Schultheiß von Unfried wurde mit den Plänen betraut. „Wäre sie vollendet worden“, so schreibt Ludwig v. Baczko, „so wäre sie die schönste Kirche Königsberg geworden“. Bei den Qualitäten des Baumeisters ist das sehr zu glauben. Sie wuchs aber nur bis zu den Fenstern empor, dann fehlte das Geld. So stand diese Ruine viele Jahre, und erst 1791, als das Königsberger Theater auf dem Kreytzenschen Platze ein größeres Heim brauchte, verfiel man auf das Kirchengrundstück. Die Ruine wurde abgebrochen, aber das Geld reichte zu keinem Neubau; man behalf sich mit dem alten Theater.
Erst 1806 - 1808 erbaute der Baudirektor Geheimrat Valerian Müller westlich von der Stelle der Kirche im klassizistischen Stile das Stadttheater. Kaum fertig, brannte es 1808 ab, wurde aber — im Wesentlichen mit dem Gelde der Versicherung — sofort wieder aufgebaut und am 9. Dezember 1809 in Gegenwart der Majestäten eingeweiht.
An den Längsseiten zur Stirnseite hin war es geschmückt mit zwei halbkugelig gedeckten, durch die ganze Höhe des Gebäudes reichenden Rundnischen; unter dem Dache sollte ein breiter Figurenfries das sonst schmucklose Äußere verschönen. Dieser Figurenfries, der das kastenartige Gebäude zweifellos gehoben hätte, musste jedoch aus Geldmangel unterbleiben, und nur vier Figuren, zwischen denen sich prosaisch die Feuerleiter hochzog, zeigten noch in unserer Zeit an, wie der Fries des Musentempels gedacht war. Die Rundnischen sind später zugebaut worden, die an der südwestlichen Ecke war aber in ihrer Anlage noch gut zu erkennen. Der große Erweiterungsbau der Jahre 1910/1911 der die nordwestliche Rundnische beseitigte, hat der äußeren Schönheit des bald zum „Opernhause“ werdenden Baues den Rest gegeben. Mir blieb es immer unverständlich, warum der neue Bühnenhausaufbau mit Schiefer gedeckt wurde. Sollte das Schwarz-Rot des Daches den Bau verschönern?
Innen aber war das Theater ein immer wieder durch seine edle Vornehmheit erfreuendes Bauwerk. Hier zeigte der Klassizismus, zu welch königlicher Würde er sich durch die Strenge seiner Formen, gemildert durch die vornehmen Farben Weiß, Rot und Gold, emporzuschwingen vermochte. Abgesehen von den hässlichen, grellen und viel zu kleinen Deckengemälden, die auch Sünden des Erweiterungsbaues von 1911 waren, mag die Farbenzusammenstellung des Innern der entsprechen, die Preußens geliebte Königin sah, als sie mit ihrem Gemahl Friedrich Wilhelm III. in der Königsloge saß und vielleicht einer Oper von Friedrich Hummel lauschte.
In späterer Zeit war der Kronleuchter des Stadttheaters mit seinen 200 Gasflammen berühmt, der jedenfalls den Vorteil hatte, dass die Petroleumlampen seines Vorgängers nicht mehr „drippen“ konnten.
Draußen aber, auf dem Exerzierplatz, wurden jetzt auch Pferdemärkte und der „Rummel“ mit seinen Karussells, Schieß- und Würfelbuden, Weltwundern und Moritaten abgehalten.
Das wurde anders, als man 1841 auf dem Platze das Denkmal Friedrich Wilhelms III. aufstellte. Zunächst schüttete man die alten Fließe und ehemaligen Schmerlenteiche zu, die schon derart versumpft waren, dass sie die Anwohner mit ihrem Gestank belästigten und einer sogar den unappetitlichen Namen „Schwarzes Meer“ erhalten hatte.
Das einzige Reiterdenkmal Königsbergs war ein gewaltiger Erzkoloss, den der Rauchschüler August Kiß geschaffen hatte; es war bei den damaligen Transportverhältnissen keineswegs einfach, es nach Königsberg zu bringen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass es noch keine Ostbahn gab und ein Wassertransport vom Eisengießwerk Lauchhammer bei Elsterwerda auch nicht möglich war. So blieb nur der Pferdetransport auf schlechten Straßen. Die Landstraßen waren in so jämmerlichem Zustande, dass das Denkmal mehrfach stecken blieb; in Jüterbog ergab sich dann die Schwierigkeit, dass das Denkmal zu groß war, um durch die Stadttore hindurchschlüpfen zu können. Man musste das Dach der Tore abbauen und den Boden abgraben. Und als der Koloss nun endlich vor dem noch recht neuen Brandenburger Tor in Königsberg stand, zeigte sich, dass das Denkmal auch für dieses Tor zu hoch war; das Dach musste auch hier entfernt werden. Am Grünen Tor das gleiche Leid! Hier genügte es aber, den Boden zwei Fußtief abzugraben.
Als der König nun aber endlich auf seinem hohen Sockel auf dem Königsgarten stand, da bewunderte auch ganz Königsberg das Werk und seinen Schöpfer. Als Beweis dafür sei eine Stelle aus Ferdinand Gregorovius „Idyllen vom Baltischen Ufer“ angeführt, die er zwar erst 1851 veröffentlichte, während die geschilderte Begebenheit in dem damals höchst beliebten Sommerbadeort Neukuhren schon Jahre vorher spielt.
„In diesem Sommer besuchte Kiß den samländischen Strand. Er stellte eben die Reiterstatue Friedrich Wilhelms in Königsberg auf. Die Badewelt von Kuhren beschloss, den Meister ... auf das feierlichste zu empfangen und sogar zu krönen. Ein Lehrer eines Provinzialgymnasiums wurde also dazu gewonnen, in Anbetracht und in Erwägung seiner klassischen Bildung, ein sollendes Carmen zu verfassen. Der liebenswürdige Mann sperrte sich zwei Tage in sein Zimmer und zitierte hinter den verschlossenen Laden Homer, Pindar und die Tragiker. Endlich erschien er am Tage des Empfanges, wie Mohammed aus der Höhle, und hatte sein Gedicht fix und fertig in der Hand, klassische Distichen von schwerem Kaliber und für die Gelegenheit ganz wacker gedichtet. Der halbe Strand war auf den Platz von Kuhren geströmt, dieser Huldigung der Bildhauerkunst beizuwohnen. Unter der Vorhalle des Haupthauses saß die Damenwelt wie eine Cour d'amour; hoch auf der kapitolinischen Gasthaustreppe stand wartend der Festredner, im Begriff, seine Distichen spielen zu lassen, wenn der große Bildhauer erscheinen würde. Gegenüber stand auf einer anderen Treppe die Musikbande mit erhobenen Fagotten, Trompeten und angesetzten Violinen, kaum noch zurückzuhalten, dass sie nicht in die Instrumente raste. So stand sich gegenüber eine ganze sprachlose Stunde lang unter dem blauen Himmel Poesie und Musik, die schwesterliche Bildhauerkunst erwartend. Selbst die Vögel saßen stumm und neugierig auf den Bäumen, die Lüfte schwiegen, das Meer lag in schauerlicher Erwartung, und die beiden jungen Mädchen, welche Lorbeerkranz und Carmen auf seidenen Kissen vor sich hielten, saßen da, verschmachtend wie das heimliche Sehnen und die heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß. Auf einmal ein Posthorn hinter dem Garten— voransprengende Reiter mit Fahnen, das einholende Geleit, eine Equipage — Kiß!
Die Musikbande fiel in die Instrumente wie grimme Leuen, die lange Hunger zwang, der Dichter schleuderte seine Distichen gegen den Wagen, Kiß, ein freundlicher alter Herr mit der weiblich-sanften Physiognomie Ole Bulls stieg aus und neigte an der kapitolinischen Treppe sein Haupt in Demuth. Der Dichter perorierte, die kranzspendende Leonore war verwirrt; sie fand nicht die Krönungsschädelstätte auf Kiß ehrwürdigem Haupte; aber sie half sich in einer verzweifelten Inspiration und hing ihm den Lorbeerkranz auf das Ohr, wie auf einen Nagel an der Wand. Tasso-Kiß lächelte, er schob den Kranz zurecht und sprach die große Phrase: „Nicht mir, dem Meister gebührt der Kranz!“ Er umarmte den Redner und teilte Rosen unter die Damen aus, die Musik jauchzte in die Trompeten, man ordnete einen Zug und führte den liebenswürdigen Meister im Triumphmarsch um den Gartenplatz“.
Aber auch die Kritik an dem Denkmal schlief nicht. Man wies darauf hin, dass jedes Pferd, wenn es so schreiten würde, wie Kiß es dargestellt, rettungslos umfallen würde. Und es kam das Gerücht auf, der Künstler habe sich, verzweifelt über diesen Kardinalfehler, später erschossen. Nun — so schlimm war beides nicht - auch das Pferd steht ja und hebt nur den rechten Vorderfuß.
Der eherne Sockel des Denkmals trug eine Reihe Reliefs, welche die glückliche Königsfamilie, pflügende Bauern, einen berittenen Freiwilligen des Befreiungskrieges und — als wichtigstes Zeugnis Königsberger Geschichte - den Aufruf der Landwehr durch Yorck im Landeshause am 5. Februar 1813 darstellten.
Über diesen Darstellungen zog sich ein Spruchband hin, auf dem zu lesen war: „Sein Beispiel und seine Gesetze machten uns stark zur Befreiung des Vaterlandes. Ihm danken wir des Friedens Segnungen“. Als mein geliebter Lehrer, der spätere Oberschulrat am Oberpräsidium, Otto Konopka, damals noch Vorschullehrer am Fridericianum, uns kleinen Septimanern von diesem Denkmal sprach, wusste er den letzten der beiden Sätze selber nicht. Er befragte die Klasse — Schweigen. Nur einer konnte ihm den Satz von des Friedens Segnungen nennen und erhielt dafür gleich zwei Einsen, als Lohn für Aufmerksamkeit und Heimatliebe des kleinen Buben. Aber es war gewiss nichts Besonderes, denn auf dem Königsgarten spielten wir Jungens damals täglich unsere wilden Knabenspiele: Räuber und Soldat, später Klipp und anderes.
Es kam das dreihundertjährige Jubiläum der Albertina.
Es sollte auf dem Platz des Exerzierhauses der Grundstein für ein neues Universitätsgebäude gelegt werden, denn der alte Domhof reichte längst nicht mehr aus. Der Bau war dem späteren Geh.-Oberbaurat Friedrich August Stüler, dessen Portrait auf dem Krönungsbilde Wilhelms I. uns Menzels Meisterhand aufbewahrt hat, anvertraut.
Friedrich Wilhelm IV. liebte Königsberg, wahrscheinlich in Erinnerung an die Spaziergänge mit seiner früh verstorbenen Mutter in Luisenwahl; er war auch bei seiner Königskrönung 1840 mit großem Jubel in Königsberg empfangen worden. Indessen die Zeiten hatten sich geändert; die Meinung des im Gottesgnadentum befangenen Königs und der demokratische Wille der fortschrittlichen Haupt- und Residenzstadt platzten hart aufeinander.
So kam der König nur ungern am 31. August 1844 zur Grundsteinlegung, und streng kamen die Worte von seinen Lippen: „Er wünsche, dass die Albertina nimmermehr auf der Irrbahn der Kometen vorwärts gehe. Ihr Vorwärts sei das der Sonne, das, gleichmäßig ausgestrahlt, die Finsternis wirklich erhellt, in tiefe Höhlen eindringt, das Nachtgefieder verscheucht, Keime entwickelnd, Blüten entfaltend, Früchte reifend, an deren Genuss die Menschen wirklich gesunden“.
Die Antwort auf diese Rede gab Professor Lobeck dem König im Dom, wo er sich gegen die Bevormundung des Volkes wandte. — Stüler schuf einen etwas kulissenhaften Bau in gelber Klinker im Stil italienischer Renaissance mit weit vorgelegter Säulenhalle, wie der König sie liebte. Von den Bildhauerarbeiten sind hervorzuheben das Reiterrelief Herzog Albrechts und die Statuen Luthers und Melanchthons am Mittelbau sowie die Kopfbüsten zahlreicher Gelehrter: der erste Rektor Georg Sabinus, Simon Dach, Jakobi, Hamann, Herder, Kant, Bessel, Hippel, Herbart, Kraus, Hagen, Burdach, Lachmann, Lobeck.
Es gibt noch einen Stich vom Jahre 1850, der den ursprünglichen Entwurf Stülers zeigt. Das Gebäude ist nicht so reich an Bildhauerarbeiten, aber die Säulenhalle setzt sich an den beiden Enden rechtwinklig fort, so dass sie den ganzen Platz umfasst — ein Projekt, das, verwirklicht, einen großartigen Eindruck gemacht haben würde. Zweifellos hatte der König an diesem Projekt einen sehr persönlichen Anteil, denn er liebte solche Wandelhallen, in denen er sich in geistreichem Gespräch ergehen konnte — man denke nur an die Orangerie in Sanssouci, wo er wohnte, und an das Schloss auf dem Potsdamer Pfingstberge.
Interessant ist übrigens auf dem genannten Stich auch, dass das Denkmal Friedrich Wilhelms III. hier quer mit dem Gesicht nach Westen gestellt ist.
Das Denkmal wurde mit gärtnerischen Anlagen umgeben: An den vier diagonalen Zugängen wurden in den Ecken herrliche Fliederbosketts gepflanzt, die im Frühling alles in köstlichen Duft hüllten.
Erst nach dem ersten Weltkriege fielen diese Fliederbüsche; eine riesige Rasenfläche, eingefasst von Blumen, umgab das Denkmal. „Es blieb der Republik vorbehalten, das Denkmal des Königs ins rechte Licht zu setzen“, sagte mein Vater mit feiner Ironie.
Noch ein zweites Denkmal hatte auf dem Königsgarten Aufstellung gefunden: das Standbild Kants von Rauchs Meisterhand im Jahre seines 60. Todestages. Das prachtvolle Werk ist hier fehl am Platze. Darüber habe ich an anderer Stelle abgehandelt.
Die Universität, die erst am 20. Juli 1861 vollendet und eingeweiht worden war, wurde im neuen Jahrhundert zu klein, und in den Jahren 1924 - 1927 erhielt sie einen Anbau, der als einziges Schöne das hatte, dass er von vorne kaum zu sehen war. Wozu sein Dach mit vergoldeten Opuntien oder Aloes „geschmückt“ oder richtiger „gemissschmackt“ wurde, ist mir stets schleierhaft geblieben. —
Dann kam, kurz vor dem 2. Weltkrieg, der „glorreiche Ehrentag“ des Gauleiters Koch, der die Stadt vier Millionen gekostet haben soll: Feenhaft war die vorher mit Sandspritzungen neu aufgefrischte Klinkerfassade der Universität elektrisch angestrahlt; schwarz und gespenstisch erhob sich davor das Reiterstandbild des Königs — ein herrlicher und unvergesslicher Anblick!
An Größe des Bildes stand dann eine andere Nacht jener nicht nach: Sie war nicht festlich und feierlich wie jene, sondern sie war furchtbar und voller Grauen — die Schreckensnacht des 29./30. August 1944.
Aber der eherne König hat auch sie und das Feuer, das sie vom Himmel spie, furchtlos und standhaft durchritten und unbeschädigt überstanden — sei dies uns Königsbergern allen ein prophetisches Symbol für die Zukunft!
Seite 5 Die Garnison Königsberg
Bis 1914 waren in Königsberg untergebracht: das Generalkommando des I. Armeekorps auf dem Vorderroßgarten, das Kommando der 1. Division im Dienstgebäude Königstraße 27, die Stäbe der 2. Infanterie-, der 1. Kavallerie- und der 1. Feldartillerie-Brigade sowie das Kommando der Pioniere I. A. K. und die 1. Festungsinspektion, schließlich das Gouvernement der Festung Königsberg auf dem Hinterroßgarten.
Es waren vornehme Regimenter, welche bis zum Ende des ersten Weltkrieges die Königsberger Kasernen beherbergten. Da gab es die Regimenter „König“, „Kronprinz“, „Herzog“, „Graf“ und „von“ sowie das Bataillon „Fürst“. Das Grenadier-Regiment Kronprinz (1. Ostpr.) Nr. 1 lag in der „Defensionskaserne Kronprinz“ auf dem Herzogsacker, welche zur Befestigung der alten Stadtumwallung gehörte. Es hatte früher einen Mohren als Musikmeister, Sabakel-Cher; er stammte von Nordafrikanern ab, die sich Prinz Albrecht (Vater) als Lakaien mitgebracht hatte. Kronprinz Wilhelm stand seit seiner Großjährigkeit am 6. Mai 1900 á la suite und wurde am 24. März 1918 — nach der großen Frühjahrsoffensive in Frankreich — Chef des Regiments. Das Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpr.) Nr. 3 hatte 1913 mit Teilen die neue Grenadier-Kaserne in der Cranzer Allee bezogen; sein Chef war S. M. der Kaiser.
Das Infanterie-Regiment Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz (6. Ostpr.) Nr. 43 lag in der Infanterie-Kaserne am Trommelplatz; sein II. Bataillon stand in Pillau. Es führte bei seiner Musik einen Paukenwagen, der von einem Bernhardinerhund gezogen wurde, welcher abwechselnd, ‚Sultan‘ oder ‚Pascha' hieß. Er war bei Königgrätz dem österreichischen Regiment Toscana abgenommen worden. Bei hohem Besuch aus der Doppelmonarchie durfte ‚Sultan' nicht mit paradieren, um die Gefühle der Bundesbrüder nicht zu verletzen. — Da die Kasernen nicht annähernd ausreichten, waren einzelne Kompanien in den Bastionen der alten Stadtumwallung untergebracht und auch in den Außenforts an der Ringchaussee, deren es 12 gab. Diese trugen die Namen preußischer Könige — eins ‚Königin Luise' — oder bekannter Staatsmänner — Fort I ‚Stein‘, bei Lauth — und der alten Adelsfamilien Ostpreußens: Fort IX auf dem Karschauer Exerzierplatz hieß ‚Dohna', dann folgte Fort Dönhoff, Kanitz, Eulenburg bei Neuendorf südlich des Pregels. Die Kavallerie war durch das Kürassier-Regt. Graf Wrangel (Ostpr.) Nr. 3 vertreten, lag in der Kürassierkaserne am Tragheimer Wall; eine Schwadron, deshalb Schlossschwadron genannt, lag in der Schlosskaserne, wo auch die Dienstwohnung des Regimentskommandeurs war. An dieser Stelle ist später die neue Reichsbank erbaut worden. Die Artillerie war mit drei Regimenter sehr stark vertreten: Das 1. Ostpr. Feldartillerie-Regt. Nr. 16 lag seit 1913 in der neuen Artilleriekaserne an der Cranzer Allee/Kanonenweg. Das 2. Ostpr. Feldartillerie-Regt. Nr. 52 hatte die alten Kasernen ‚auf dem Habergebirge' inne. Das Fußartillerie-Regt. von Linger (Ostpr.) Nr. 1 hatte 1913 die neuen Kasernen in Ponarth bezogen. Sein halbes II. Bataillon stand in Lötzen (Feste Boyen). Das Pionier-Batl. Fürst Radziwill (Ostpr.) Nr. 1 und das Samländische Pionier-Batl. Nr. 18 hatten ihre Kasernen in Kalthof. Das Batl. 18 war im Ausbau zu einem Festungs-Pionier-Regiment begriffen. Draußen in Sprind, in der Nähe der Schießstände, war auch die Festungsfunkenstation, betrieben von der Festungs-Fernsprech-Kompanie Nr. 3. Ferner lag da in Barackenunterkunft die Festungs-MG-Abteilung Nr. 1, welche dem Gren.-Regt. Kronprinz als 14. Kompanie zugeteilt war. Der Luftschiffhafen. Seerappen war mit der 2. Komp./Luftschifferbatl. Nr. 2 belegt, an deren Stelle jedoch die 1. Kompanie/Luftschifferbatl. 5 aus Allenstein treten sollte. Der Königsberger „Z 5“ wurde in der Schlacht bei Tannenberg abgeschossen. In Devau am Rande des großen Exerzierplatzes war die Kaserne der 3. Kompanie/Flieger-Batl. Nr. 2, welcher so bekannte Flieger wie der damalige Leutnant angehörten. Die Ostpr. Train-Abteilunq Nr. 1 war mit ihren 4 Eskadrons auf dem Haberberg kaserniert. Außerdem gab es noch ein Artillerie- und ein Traindepot, die Militärlehrschmiede am Steindamer Tor, die 2. Remontierungskommission, einen Pferdevormusterungskommissar, die Arbeiter-Abt. in der Bastion Litauen mit Leuten, welche in die 2. Klasse des Soldatenstandes versetzt waren und keine Kokarde tragen durften; ferner das Bekleidungsamt des I. Armeekorps, den Brigadier der 1. Gendarmerie-Brigade, das Garnisonlazarett in der Yorkstraße, ein Proviantamt, 3 Militärbauämter und eine Garnisonverwaltung, welche Ämter der Intendantur des I. Armeekorps unterstellt waren.
Zur Zeit des 100 000-Mann-Heeres der Reichswehr war die Garnison Königsberg natürlich erheblich zusammengeschmolzen. An höheren Stäben gab es das Wehrkreiskommando I (zugleich Kommando der 1. Division), den Stab des Artillerieführers I und die Festungskommandantur. Die Truppe bestand aus dem Regts.Stab, I. und A-Batl. sowie der 13. (MW) Kompanie des 1. (Preuß.) Infanterie-Regiments, der 6. Eskadron des 2. (Preuß.) Reiter-Regiments — sie wurde später nach Allenstein verlegt. Dem Regts.-Stab mit der II. Abteilung und der Ausbildungs-Batterie des 1. (Preuß.) Artillerie-Regiments, dem 1. (Preuß.) Pionier-Batl. zu 2 Kompanien und einer Brückenkolonne mit Scheinwerferzug, der 1. (Preuß.) Nachrichten-Abt, zu 2 Kompanien, der 1. (Preuß.) Kraftfahr-Abt. mit dem Stab, der 1. und 3. Kompanie, der 1. (Preuß.) Fahr-Abteilung mit dem Stab, der 2. und 4. Eskadron sowie der 1. (Preuß.) Sanitäts-Abteilung, deren Kommandeur zugleich Divisionsarzt war. Außerdem gab es noch das Standortlazarett, ein Nebenzeugamt, eine Munitionsanstalt und eine große Anzahl Ämter, welche verschiedenen Heeresverwaltungszwecken dienten.
Im Zuge des Aufbaus der neuen Wehrmacht wuchs die Garnison Königsberg zu noch nicht dagewesenem Umfang. Für das Generalkommando des I. Armeekorps waren nacheinander drei große Bürohäuser an der Cranzer Allee entstanden. Das Infanterie-Regt. 1 stand geschlossen mit seinen drei Bataillonen, der 13. (JG)- und der 14. (PzAbw.)-Kompanie in Königsberg; seine Kasernen waren entsprechend vergrößert worden. Die Artillerie wurde um die schwere motorisierte Abt, II./A. R. 37 und um die Beobachtungs-Abt. 1 vermehrt. Zum Kdr. der Pioniere I trat außer dem Pi-Batl. 1 noch das motorisierte Korps-Pi-Batl. 41. Ferner lag da die Aufklärungs-Abt. 1, der 1. Kavallerie-Brigade in Insterburg unterstellt. Dem Kdr. der Nachrichtentruppen I war die Korps-Nachr.-Abt. 41 unterstellt sowie die Festungs-Funkstelle und eine feste Horchstelle, die zunächst noch in Cranz untergebracht war. Dem Kdr. der Panzerabwehrtruppen I waren ausbildungsmäßig die Pz.-Abw.-Abteilungen 1, 11 und 21 zugeteilt, die in ihren Divisionsbereichen lagen. Die Kommandantur der Befestigungen bei Königsberg mit dem Festungspionierstab 1 war für die Verteidigung verantwortlich, welche weit draußen an der Samlandküste, der Deime und am Frisching vorgesehen war und mit der Bunkerlinie des Heilsberger Dreiecks zusammenhing. Dem Generalkommando waren ferner unterstellt die Psychologische Prüfstelle I, das Wehrmacht-Fürsorge- und Versorgungsamt, der Wehrkreisveterinärpark und das Wehrkreispferdelazarett. Schließlich befanden sich in Königsberg Dienststellen, welche dem OKW unterstanden, nämlich die Nachrichtenkommandantur und die Wehrwirtschaftsinspektion I; dem OKH waren nachgeordnet die Transportkommandantur, das Feldzeugkommando I mit einem Heereszeugamt und Heeresnebenzeugamt in Ponarth, das deutsche Mitglied der Verbindungsstelle Danzig, das Heeresbekleidungsamt, die Heereslehrschmiede und die 1. Remontierungskommission. Hierzu traten nun noch Dienststellen der Kriegsmarine und das Luftgaukommando I mit starken Teilen der neuen Luftwaffe, wie Fliegerausbildungsregiment, Fliegergeschwadern mit ihren Fliegerhorsten, einem Luftnachrichtenregiment und den Flak-Regimentern 1 und 11, für welche neue Kasernen bei Jerusalem auf dem Südufer des Pregels erbaut wurden.
Trotz aller modernen Schutz- und Trutzmittel wurde im April 1945 doch wieder das alte Ordensschloss der heißumkämpfte Kern der Stadtverteidigung, ebenso wie das andere Hochmeisterschloss des Deutschen Ordens, die Marienburg. Beide sanken unter der Wirkung der modernen Waffen in Trümmer und mit ihnen die von ihren Erbauern die vor 700 Jahren und mehr eingeleitete Blütezeit des deutschen Ostens.
Seite 5 Landfermann-Gymnasium Duisburg Patenschule des Friedrichkollegiums
Am Sonnabend, dem 28. Mai, übernimmt im Rahmen der 700-Jahrfeier Königsberg in Duisburg das älteste Gymnasium des Nordrheinlandes, das 650 Jahre alte „Landfermann-Gymnasium“ die Patenschaft über Königsbergs berühmte Gelehrtenschule, das Collegium Fridericianum, dessen bedeutendster Schüler Immanuel Kant, und dessen bedeutendster Lehrer Herder gewesen ist. Außer diesen beiden weisen Schüler- und Lehrverzeichnis eine Fülle weiterer bekannter Namen auf, darunter: den Coaetanen Kants, den späteren Leydener Philosophen Ruhnken, den ersten und einzigen preußischen protestantischen Erzbischof Borowski, den Präsidenten der ersten deutschen Nationalversammlung von 1848, Eduard v. Simson, den Reiseschriftsteller Passarge und den Nobelpreisträger Lipmann. Die, namentlich im 19. Jahrhundert geübte Tradition, dass der jeweilige Direktor gleichzeitig eine Professur an der Albertus-Universität bekleidete (so die Germanisten Lachmann und Lehrs, oder der Altphilologe Baumgart), ist bis zum letzten Direktor, dem Univ.-Prof. Dr. Schumacher — Verfasser der neu aufgelegten „Geschichte Ostpreußens“ — mit Unterbrechung durchgeführt worden. Die Universitätsbibliothek bewahrte die 40 000 Bände umfassende Privatbibliothek des einstigen Direktors Gotthold bis zur Zerstörung durch Bomben auf.
Der Ablauf der Feier in der Aula des Gymnasiums, Mainstraße 10, gestaltet sich folgendermaßen:
1. Chor und Orchester des Landfennann-Gymnasiums,
2. Begrüßung: Oberstudiendirektor Zimmermann,
3. Chor und Orchester,
4. Gegengruß: Univ.-Prof. Dr. Schumacher, letzter Direktor des Friedrichskollegiums,
5. Festrede: Oberstudienrat Kirsch, ehem. Lehrer am Friedrichskollegium,
6. Deklamation,
7. Übernahme der Patenschaft,
8. Chor.
8 Lehrer und etwa 120 frühere Schüler des Friedrichkollegiums werden mit ihren Angehörigen erwartet. Der Patenschule wird ein Bild Immanuel Kants, des berühmtesten Friderizianers, überreicht werden, ferner sollen alljährlich die Abiturienten je einen Albertus erhalten, um die Königsberger Tradition auch sichtbar weiterzuführen. Außerdem werden sich die Friderizianer mit einer namhaften Geldspende an der Aufstellung einer Plastik beteiligen, die zusammen mit den Tafeln der Gefallenen, beider Schulen im Hof des Gymnasiums aufgestellt werden soll
Seite 5 Die Besiedlung Königsbergs in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Von Museumsdirektor a. D. Dr. Wilhelm Gaerte-Hannover
(Ausführlich mit Abbildungen von demselben Verfasser behandelt in: „Altpreußische Forschungen“, Heft 1, 1924, S. 97 - 144).
Es zeugte von einem weitschauenden, kolonisatorisch geschulten Blick, als die Lübecker Bürger in Verfolg ihrer Städtepolitik in dem vom Orden teilweise eroberten Pruszenlande gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts sich mit der Absicht trugen, im Mündungsgebiet des Pregelstromes eine Stadt zu gründen. Ihre kluge Einsicht hatte sofort mit erfahrenem Kennerblick die Stelle erkannt, welche die Hauptbedingungen für gedeihliche Fortentwicklung einer Stadtanlage in sich vereinigte. Unweit der Pregelmündung, wo heute Königsberg liegt, kreuzten sich nämlich schon im vorgeschichtlichen Ostpreußen zwei Hauptadern des Verkehrs, die bereits für damalige Zeit von nicht geringer Bedeutung gewesen sein dürften, die Pregelwasserstraße und die Landstraße, die längs dem Frischen Haff den Verkehr mit dem Westen vermittelte.
Doch scheint es den Lübeckern versagt gewesen zu sein, ihr Vorhaben auszuführen. 1246 erhielt dagegen der Deutsche Ritterorden die Erlaubnis, „am Hafen der Lipsa“ (d. i. Pregel) eine Stadt zu gründen mit kulmischem Recht. 1255 wurde Samland dem Ordensschwerte Untertan, und die lange erwogene Gründung von Königsberg durch Anlegung einer Zwingburg auf einem „Tuwangste“ genannten Geländeabschnitt ward nun zur Tatsache.
Gewiss hat sich hier, wie sonst bei Anlegung von Zwingburgen, der Orden eine schon vorhanden gewesene Befestigungsanlage der alten Preußen zunutze gemacht und der erste Plankenzaun wird wohl der Linie gefolgt sein, die durch die vorgefundene Siedlung bereits vorgezeichnet war. Dass ein für den Verkehr so wichtiger Punkt schon vor Betreten durch den Orden menschlicher Siedlung zugänglich gemacht worden war, könnte man von vornherein annehmen. Kein schriftliches Dokument gibt uns allerdings Kunde von Bewohnern auf dem Tuwangste und seiner nächsten Nachbarschaft. Aber andere Zeugen sind vorhanden, die für eine uralte und anscheinend fortlaufende Besiedlung des Königsberger Geländes sprechen, Geräte und Schmuckstücke von Stein, Knochen, Bronze, Ton und Bernstein, die durch ihre Formen eine stumm-beredte Sprache führen, und, wenn auch gering an Zahl, doch geeignet sind, den dunklen Schleier der vorgeschichtlichen Vergangenheit, der über Königsbergs vorordenszeitlichen Entwicklung liegt, wenigstens für kurze Zeitspannen zu lüften.
Die ältesten Altertümer, die dem Königsberger Stadtgelände entstammen, reichen bis in die jüngere Steinzeit (Neolithikum) zurück, in jene Periode der menschlichen Kulturentwicklung, wo die Kenntnis des Metalls in Ostpreußen noch fehlte, der Mensch seine Werkzeuge aus Knochen, Horn oder Stein herstellte. Fünf Fundstellen aus dem engeren Stadtbezirk sind bisher für jene fast viertausend Jahre zurückliegende Periode nachweisbar. Davon ist äußerst wichtig die steinzeitliche Siedlungsstätte, die beim Abbruch der dem Schloss einst gegenüber gelegenen Kürassierkaserne zutage trat. Die Scherbenfunde weisen die Anlage in das 3. Jahrtausend v. Chr. und lassen einen Zusammenhang mit der Bewohnerschaft des nördlichen Baltikums vermuten.
Langsam vollzog sich in Ostpreußen im Anfang des 2. Jahrtausend v. Chr. der Übergang von der Stein- zur Bronzezeit. Äußerst dürftig sind die Funde aus dieser Periode, die für die Weiterbesiedlung Königsbergs sprechen Manches Dokument mag der wissenschaftlichen Forschung nicht zugänglich gemacht worden sein. Schon dem Übergang zur Eisenzeit, der Mitte des 1. Jahrt, v. Chr., ist der „Sammelfund“ von Ponarth zuzuweisen, der wohl von einem durchs Land ziehenden Gießer und Händler in der Erde verwahrt wurde, worauf das „Altmaterial“, Bruchstücke von Halsringen, hinweist.
Zahlreicher sind die Funde aus den Jahrhunderten nach Christi Geburt, den Brandgräberfeldern, die dem Kupferberg vor dem Sackheimer Tor, in Rosenau und Liep entstammen. Auch der Boden im engeren Raum Königsbergs hat Einzelfunde hergegeben, die auf dortige, einst vorhanden gewesene Gräberstätten dieser Zeit hinweisen: Spangen, Bernsteinperlen und eine Bronzemünze des römischen Kaisers Antonius Pius (138 - 161 n. Chr.); Fundstellen: Litauer Baum, Altstädtischer Markt und Junkerstraße. Gebrauchs- und Schmuckgegenstände verraten ein ausgeprägtes künstlerisches Schönheitsempfinden. Sogar Toilettengeräte — Pinzette und Ohrlöffelchen — waren im Gebrauch. Das Gräberfeld von Rosenau hat ferner zahlreiche Wallen und Pferdezaumzeug geliefert, desgleichen römische Münzen der Kaiser Domitian, Trajan, Elagabat, die für die Zeitbestimmung der zugehörigen Gräber von großer Wichtigkeit sind.
Die Besiedlung Königsbergs setzte sich geradlinig in die spätheidnische Zeit fort (ab 800 n. Chr.) Grab- und Einzelfunde innerhalb des Stadtgebietes zeugen dafür. Der Pregel gab zwei Langschwerter, eines mit Silbertauschierung an Parierstange und Knauf, und eine in gleicher Weise verzierte Lanzenspitze heraus, die zusammen mit anderen ähnlichen Stücken Ostpreußens für einen regen Handelsverkehr mit den nordischen Wikingern zeugen.
Eine vergleichende Betrachtung der im Königsberger Stadtgebiet gemachten Funde mit gleichen anderer Gebiete Ostpreußens beweist, dass über diesen Ort eine Hauptader des Verkehrs ging. Die Funde sprechen für eine durch Jahrtausende urgeschichtlicher Zeit fortgeführte Besiedlung und ebenso für eine dreitausendjährige Bewohnung durch die alten Preußen. Slavische Spuren finden sich in keinem Abschnitt der urgeschichtlichen Zeit.
Seite 5 Kameraden des ehem. Art.-Regts. 1 mit I./A.-Rgt.37!
Wir kommen alle mit unseren Frauen und Hinterbliebenen zu unserem großen Pfingsttreffen am 29. Mai 1955 nach Duisburg!
Treffpunkt: „Die Schützenburg“, Duisburg, Friedrich-Wilhelm-Straße 71, unmittelbare Nähe Hauptbahnhof.
Beginn: 16 Uhr! Bedeutende Fahrpreisermäßigung! Achtung! Sonderzüge zur 700-Jahrfeier Königsbergs nach Duisburg!
Auf ein frohes Wiedersehen in Duisburg am Rhein. Ihr Herbert Klaus, Wuppertal-Elberfeld, Gartenheim 13.
Sondertreffen der ehemaligen Lehrer und Schüler des einstigen Königsberger Hufengymnasiums
Pfingstsonntag, am 29. Mai 1955, um 15 Uhr, in der Gaststätte Peter Jäger, Duisburg-Hochfeld, Walzenstraße 5 (Straßenbahn-Linie 2, Haltestelle Brückenplatz). Dr. Peschties.
Luftgau-Kommando I und Außenstellen!
Wir treffen uns am ersten Feiertag nach der Großkundgebung im „Theaterkeller“ in Duisburg, Neckarstraße 1, zum gemeinsamen Mittagessen.
Seite 5 Königsberger in Flensburg
Auf dem traditionellen Maitreffen der Königsberger erinnerte der Leiter der Gruppe Bocian - an den 1. Mai vor 10 Jahren, als noch die meisten unter dem Eindruck furchtbarer Erlebnisse und vor einem trostlosen Nichts standen. Wenn die Königsberger sich am Vorabend des 1. Mai zusammenfänden, so geschehe dies aus dem Grunde, um heimatliches Brauchtum zu pflegen und um auch zu betonen, dass die als ehrwürdige Residenz- und Hauptstadt Königsberg/Pr. lebt. „Niemals wollen wir resignieren und den Glauben an eine Rückgewinnung aufgeben“ rief der Redner aus. Bocian forderte eindringlich zur Teilnahme an der 700-Jahresfeier der Stadt Königsberg in Duisburg - der Patenstadt - vom 27. bis 30.05.1955 auf. Es wird ein machtvolles Bekenntnis zu Königsberg und Ostpreußen werden. Aus Flensburg fahren am 27.05.1955 zwei Omnibusse nach Duisburg.
Dr. Kob, ebenfalls Königsberger, 1. Vorsitzender des KvD und auch 2. Vorsitzender der Ostpreußen, sprach über Sinn und Tradition des 1. Mai. Er beleuchtete die volkstümlichen Ursprünge der Maifeiern und ging auf die bekanntlich in das Jahr 1886 hineinreichenden Wurzeln der gewerkschaftlichen Tradition ein. In früheren Jahren war der 1. Mai oft unruhig durch das Zusammentreffen politisch radikaler Gruppen. Die heutige Zeit kenne gottlob nur wohl machtvolle - aber friedliche Kundgebungen. Aus seinen Erinnerungen bei den Maifeiern in Königsberg/Pr. rund um den Schlossteich folgte dann mancherlei Ergötzliches. Auch aus dem studentischen Leben Königsbergs.
Mit Mai- und Frühlingsliedern - begleitet von der fleißigen Hauskapelle - begann der Wonnemonat Mai.
Seesen/Delligsen
Die Kreisgruppe Seesen der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen gestaltete am 14.05. unter Leitung von Schulrat a. D. Papendick einen sehr gut besuchten Heimatabend in Delligsen. „Wir tragen die Heimat im Herzen“ war das Thema der einleitenden Kulturstunde. Die anschließende offene Singstunde „Wir grüßen den Lenz“ wurde zu einem fröhlichen Gemeinschaftserlebnis. Dabei ergänzten sich aufs Beste die Seesener Lina Fahlke, Bruno Scharmach, Richard Augustin mit der Delligser Sing- und Spielschar (Dirigent Rehberg), den humoristischen Gaben von Frau Berger und dem Solo-Bariton Liedtke. Ortsobmann Piefke hatte den wohlgelungenen Abend bestens vorbereitet. Über der Gesamtveranstaltung schwebte der Leitgedanke: „Das Land, das dich geboren, das du als Heimat liebst, es ist dir erst verloren, wenn du's verloren gibst“.
Seite 5 Geburtsstadt. Von Wanda Friese
Der Duft von Zimt und Kardamom,
die weiße Schürze des Kaufmanns,
der kleine Marktplatz,
Vater und Mutter,
und im alten Zaubergarten
die Eichkatz.
Niemand mehr wird Dich dort erwarten.
Der Himmel ist schwarz wie Teer,
die Girlanden sind ab,
Fremdes Volk schöpft die Brunnen leer —
Und doch ist's manchmal Dir,
als müsstest Du auf einen Ruf von dorther
warten, warten.
Seite 6 und 7 Immanuel Kant und Königsberg. Im Gedenken an Kurt Stavenhagen.
Foto: Das Kantdenkmal auf dem Paradeplatz
Foto: Kanttafel an der Schlossmauer. Eine naturgetreue Nachbildung der Kanttafel wird in Duisburg angebracht.
Fraglos erschöpft sich das, was wir den Geist einer Stadt nennen, nicht in den Werken der Großen, die hier gelebt und geschaffen haben. Vielmehr geht es doch wohl darum, in allen Versuchen eben diesen Geist des Ortes, den Geist des Landes begreiflich zu machen und deshalb den Bezug zwischen den grundkulturellen Kräften und den genialen Leistungen Einzelner herauszustellen. Es gilt nachzuweisen, dass die großen Ideen und Werke nicht nur in dem Wirkungsraum ihrer Erzeuger entstanden sind, sondern auch hier und nirgends anders entstehen mussten.
Das Problem der landsmannschaftlichen und stammlichen Gebundenheit des Genies soll hier nicht weiter diskutiert werden. Der Vorsatz, einige Farben im Bilde des Königsbergers Kant aufzuzeigen, kann nur fruchtbar sein, wenn er aus der Bescheidenheit kommt. Nur aus der Bescheidenheit wird der Stolz auf das landsmannschaftliche Eigene, auf den Geist des Landes, dem man angehört, glaubhaft, während die Art von Stolz, die sich zur Bescheidenheit nicht bequemt, Anmaßung genannt werden muss.
Wir, die wir aus dem Osten unseres Vaterlandes stammen, können das heute mit Einsicht, aber auch mit Recht sagen: Die Zeit vor der Entwicklung vom Flüchtling zum Landsmann ist vorbei. Was ist begreiflicher, als dass in den ersten Jahren des atomisierten Flüchtlingsdaseins mancher gern, um seine eigene Kulturwürdigkeit unter Beweis zu stellen, formelhaft auf die höhere Mathematik des Kulturkataloges seines Stammes zurückgriff, dass er auf große Namen seiner Herkunftsheimat verwies, um die Argumente gegen das immer wieder präsentierte west-östliche Kulturgefälle, das nun durch seine eigene Flüchtlingsexistenz bewiesen sei, zu widerlegen? Was lag darum näher, als etwa für den Ostpreußen die Sterne der Menschheit in Anspruch zu nehmen, die am altpreußischen Himmel Deutschlands aufgegangen sind? Was war begreiflicher, als dass mancher Königsberger wünschte, ein Abglanz Kants möge auch auf ihn selbst fallen?
Das hatte einen ernsten Grund, denn der Mensch wird stärker, wenn er sich in eine Heimattradition verflochten sieht, von deren Berühmtheiten er mit Stolz sagen kann: sie gehören zu uns! In diesem Bezug war und ist die Würdigung jeder hervorstechenden Persönlichkeit, sei ihre Wirkung auch nur auf einen gewissen Raum beschränkt, ein Baustein zur kulturellen Selbstbesinnung des Entheimateten.
Wie gesagt, diese erste, begreifliche Phase der Selbstrechtfertigung des Flüchtlings ist vorbei. Es werden nicht mehr die Denker und Forscher, die Künstler und Dichter, die Könige und Staatsmänner des Osten auf die eine und die des Westens unseres Vaterlandes auf die andere Waagschale gelegt, damit man sehe, welche schwerer wiege; vielmehr würde man es heute von beiden Seiten nur noch tun, um am Anteil des gesamten deutschen Geistes das Gewicht des abendländischen zu erfahren.
Aber gerade darum sprechen wir hier von dem Königsberger Kant, weil das Abendland, wie wir es meinen, auch ein geistiger Organismus ist und im Organismus jeder Teil seine Wichtigkeit hat, mehr noch seine Notwendigkeit, und weil ohne den genius loci Königsbergs ein Glied dieses geistigen Gefüges ausfällt, und weil wir wissen, dass ein Organismus, dem ein Organ fehlt, krank ist.
„Eine große Stadt“, so schreibt Kant in seiner Vorrede zu seiner Anthropologie, „der Mittelpunkt eines Reiches, in welches sich die Landeskollegia der Regierung desselben befinden, die eine Universität (zur Kultur der Wissenschaften) und dabei noch die Lage zum Seehandel hat, welche durch Flüsse aus dem Inneren des Landes sowohl als auch mit angrenzenden entlegenen Ländern von verschiedenen Sprachen und Sitten einen Verkehr begünstigt, — eine solche Stadt, wie etwa Königsberg am Pregelflusse, kann schon für einen schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis genommen werden, wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann“. Wir wissen, dass Kant die Anthropologie als eine hohe Schule versteht, die die Erkenntnis des Menschen als eines Weltbürgers vermittelt. Damit ist der Rang, den er selbst seiner Vaterstadt gibt, bereits bestimmt.
„Mir scheint der Hauptzug Königsberg in einer durch den nüchternsten Verstand beherrschten Allseitigkeit zu liegen“, schrieb ein Menschenalter nach Kant der Philosoph Karl Rosenkranz. Und er fährt dann an anderer Stelle fort, in all' seiner Universität sei Königsberg zugleich von unerbittlicher Verständigkeit. Die Deutlichkeit der Begriffe, die Klarheit der Urteile sei eine der ersten Erfordernisse für den Königsberger. Vermöge seines nordischen Phlegmas werde er nicht leicht von einer Erscheinung hingerissen. Andererseits aber sei diese Verständigkeit in Verbindung mit jener Allseitigkeit der Grund einer seltenen Gerechtigkeit des Urteils. Der Verstand allein würde zu äußerster Nüchternheit führen. Aber die Mannigfaltigkeit der Interessen, die sich in Königsberg bewegten, verhinderte eine solche Verödung. Und darum habe man dann auch in der Tat mehr als einen Zufall zu sehen, dass gerade von Königsberg die kritische Philosophie ausgegangen sei.
Was ist denn dieses von Rosenkranz so trefflich skizzierte geistige Königsberg anderes als das auch noch im 19. Jahrhundert durchscheinende Königsberg der Kant, Herder und Hamann? Hier herrschte wirklich nicht die kalte Nur-Vernunft, sondern auf dem Boden dieses erdnahen Preußisch-Deutschen wurde sie zu eben dieser Vernünftigkeit, einer Tugend, die sich von der Vernunft dadurch absetzt, dass sie nicht Programm ist, sondern die Fähigkeit hat, auch das Irrationale, das Magische, das Mystische in den Rang der geformten Aussage zu heben.
Diese Stadt Kants, wie sie zu seinen Lebzeiten war, gilt es in einigen Zügen anschaulich zu machen, zuerst als Hintergrund seines Wirkens, dann aber als Szenerie selbst. Lässt sich ein solches wirklich begründetes Verhältnis dadurch nachweisen, dass man den Lebensraum des Genies bloß als den Raum seiner menschlichen und alltäglichen Gewohnheiten sieht, wo es ihm erlaubt ist, nur Mensch und nicht Genie zu sein? Nein, man kann es nur, wie auch Kurt Stavenhagen * dies tut, als den Ort sehen, an dem das Gewohnte und das Ungewöhnliche zu gleicher Zeit sind und einander nicht ausschließen.
Die Gemeinsamkeit von Kant und Königsberg aber, diese — hier steht das Wort zu Recht — Heimatlichkeit wird dadurch bekräftigt, dass Stavenhagen sie in so anschaulich-reizvoller Form aufgezeigt hat. Es gibt wohl keinen, der Gültigeres über das Persönlichkeits-Heimatverhältnis ausgesagt hat, als diesen vor wenigen Jahren verewigten deutsch-baltischen Philosophen, der als Mitglied der früher Königsberger „Gesellschaft der Freunde Kants“ und mit der liebenswerten Darstellung von Kants Königsbergertum den großen Bogen der wechselseitigen Kulturausstrahlung zwischen Altpreußen und dem Baltenland noch einmal aufnahm, als er schon Geschichte geworden war.
Es klingt beinahe wie eine gespenstische Zeitparallele, wenn vom Königsberg des jungen Magisters Kant gesagt wird, eine Reise von dort nach Berlin sei ein schwierigeres Unternehmen gewesen als eine Fahrt nach Mitau oder Riga. Wir sollen nicht leichtfertig unsere quälende Gegenwart in die Vergangenheit zurückblenden: denn es ist gerade das Gegenteil, dem Osten geöffnet, als dem Osten verfallen zu sein.
Zwar waren die Zeiten längst vorbei, in denen in der Herzogsstadt des Preußenlandes mit dem Siege des Protestantismus im deutschen Nordosten die Königsberger Universität, die „Albertina“, als ein „Wittenberg des Ostens“ gegründet worden war. Aber wenn auch der Charakter der Stadt als des Vorortes für den lutherischen Norden und Osten Europas verblasst war, wenn in den Jugendjahren Kants sich der kämpferische Protestantismus schon in einen verinnerlichten Pietismus verwandelt hatte: die Nähe zum weiteren Nordosten war geblieben. Der nach innen bezogenen Glaubens- und Gefühlswelt entsprach die politische Selbstbezogenheit, die Inselstellung des Landes, die auch durch das rege Handels- und Wirtschaftsleben nicht aufgehoben wurde. Immerhin werden durch Inseln weit entfernt liegende Küsten einander angenähert, und diese Vermittlerrolle hat die Pregelstadt auch damals eingenommen. Diese Aufgabe war das Gesetz, unter dem Königsberg immer stand. Aber noch ein anderes Gesetz scheint sich damals anzudeuten, dem wir heute ausgeliefert sind: der Gegenläufigkeit von west-östlicher Kultur- und ost-westlicher Machtströmung.
Was da im Jahre 1758, dem dritten Jahre der Lehrtätigkeit Kants, geschah, berichtet Stavenhagen:
„Am Sonntag, dem 22. Januar, rückte der russische Generalstabschef, der spätere Reichsgraf Wilhelm v. Fermor, an der Spitze seiner Truppen unter dem Läuten der Kirchenglocken in Königsberg ein . . . Die preußischen Behörden . . . die Deputationen des Adels und der Bürgerschaft überreichten ihm die Schlüssel der Stadt ... Es begann die fünfjährige Besetzung Preußen, die aber mehr als eine solche sein sollte: der russische Imperialismus streckte zum ersten Male seine Hände nach Ostpreußen aus, um es ,der Sammlung der russischen Länder einzufügen‘. Am 24. Januar, dem Geburtstage Friedrichs des Großen, legten die obersten Behörden des Landes, der Magistrat und die Repräsentanten der Bürgerschaft Königsbergs den Eid der Huldigung der Zarin Elisabeth gegenüber ab. Wenige Tage darauf wurde die Universität, darunter sicher auch Kant, vereidigt.
Dass auf den Siegeln der Stadt der preußische Adler durch den Doppeladler ersetzt wurde, wird ebenso wenig wundernehmen wie die Tatsache, dass auch fürderhin die Universität die russischen Staatsfeiertage jeweils in einem Actus beging, auf dem die Professoren Bock und Watson Preisgedichte an Russland deklamierten. Ihr Amt als Professoren, „die Wahrheit zu suchen und zu verkünden“ gab ihnen wohl anheim, die jeweilige Wahrheit zu meinen, soweit sie sich an einen Huldigungseid gebunden fühlen konnten. Die Fahne zu wechseln, galt damals noch keineswegs als ehrenrührig. Andererseits galt damals wie heute der Satz, dass es wohl verdienstlich sei, ein Held zu sein, aber auch menschlich, keiner zu sein. …
Aber Königsberg wurde nicht russische Stadt, sondern kaiserlich russische. Sie blieb Königsberg, ja sie wurde es noch in stärkerem Maße dank der Möglichkeit zur Universialität, die später an ihr gerühmt wurde. An dieser Stelle darf wohl deutlich gezeigt werden, wie steil der Abstieg der Gesittung ist, im Verhältnis zwischen den Menschen wie auch zwischen den Mächten, den wir in den letzten zwei Jahrhunderten erlebt haben, und wie zweifelhaft darum historische Situationsvergleiche sein können. Der machtpolitische Ausgriff Russlands bedeutete damals keineswegs eine Verstümmelung der nach Osten gerichteten Kulturstrahlkraft. Er gab ihm im Gegenteil neuen Antrieb. Man möchte fast sagen, dass damals nicht eine Grenze verschoben, sondern aufgehoben wurde.
*Kurt Stavenhagen: Kant und Königsberg, Deuerlichsche Verlagsbuchhandlung Göttingen 1949.
Das konnte nicht anders sein in einem Jahrhundert, in dem gemein-europäische Gesellschaftsmaßstäbe noch weit mehr das zwischenmenschliche Verhalten bestimmten als im Neohumanisimus der Gegenwart. Natürlich hat es auch damals in Ostpreußen Unrecht, Übergriff und Gewalt gegeben. Aber es ist bezeichnend, dass nicht Schmerzensschreie von Gefolterten und das Klagen der Besiegten diese Zeit bestimmten, sondern die gelebte und nicht dogmatische Menschlichkeit, zu der das Ritterliche und Großherzige ebenso gehören wie Güte und Leutseligkeit.
Das staatliche und städtische Gefüge wurde damals kaum angetastet. Das Großzügige im Charakter des Ostens, seine großmütige Lässigkeit und die Largeheit seiner Lebensformen gaben keinen schlechten Zusammenklang mit dem schon etwas pedantisch gewordenen Preußentum. Königsberg wurde aufs Neue, und zwar auf eine viel nachdrücklichere Art, Schwerpunkt, Vorort geistigen Europäertums im Osten. Zu dieser Anregung reichten fünf Jahre Okkupation aus!
Als die Stadt längst wieder preußisch war, wurde mit von Königsberg aus an dem Ideengebäude des Abendlandes gebaut, dessen Trümmer wir heute zu einem Schutzwall gegen den sowjetischen Osten zusammentragen. Und wir übersehen zu leicht dabei, dass es sich um einen Schutzwall gegen Kräfte handelt, die gleichfalls in Europa geistig gezeugt wurden und denen derselbe Osten verfiel, der damals der wahrhaft europäischen Geistigkeit zu so kräftigem Leben verhalf.
Königsberg wurde weltoffen, und jene Urbanität, zu der sich Kant so hingezogen fühlte, belebte in einer bis dahin noch nicht gekannten Weise das Leben der Stadt. Es war eine Urbanität, die — ohne edelmännisches oder patrizisches Standesgefühl einzuebnen — auf einer Vornehmheit des Herzens und nicht des Standes aufgebaut war. Es blühte eine Geselligkeit auf, die Ausdruck einer lebendigen Gesellschaft war, einer Gesellschaft, die sich aus der Persönlichkeit fügte, ihrer Bildung und ihrem Charme, ihrer Eigenart und, wenn es denn so sein sollte, auch ihrem Eigensinn. So traf sich etwa, wie uns berichtet wird, zu den Festen, die der russische — übrigens deutschbaltische — Gouverneur Korff im Schloss hielt, alles, „was sich durch Schönheit, Geist und gesellschaftliche Talente auszeichnete“. Das Provinzielle, Kastenmäßige, der manchmal leicht säuerliche Ton, die starren Umgangsformen, die sich in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts eingenistet hatten, wichen einem freieren Ton, der sich jedoch selten überschlug. Gewiss mag es zunächst auf viele bestürzend gewirkt haben, dass zu viel Welt in das wohltemperierte Klima der Pregelstadt einbrach, das die Töchter im Umgang mit den liebenswürdigen Kavalieren von ihrem Charme mehr Gebrauch machten, als es denen, die keinen mehr hatten, zuträglich erschien. Und nur von der allzu großen Üppigkeit eines Lebensstiles, der die Feste feierte, wo er sie fand, hat sich Kant, der der Prüderie keineswegs zu verdächtigen ist, in seinen Vorlesungen abgesetzt.
Aber wie sehr dies Ganze von einem geistigen Hauch und Anspruch durchzogen wurde — dafür waren nicht nur die vielen Offiziere, die zu den Füßen des Magisters saßen, ein Beweis. Sie ließen sich, wie wir heute sagen würden, „wehrwissenschaftlich“ von ihm unterrichten, wenn er über Mathematik, Fortifikation und Pyrotechnik las. Wichtiger ist noch, dass die ebenso chevaleresken wie klugen Herren, die — meist Deutsche — von der Zarin nach Königsberg geschickt worden waren, nicht als Träger, sondern als Anreger dieses neuen Aufschwunges wirkten. So waren es recht eigentlich Königsberger Häuser, in denen dies Leben zu pulsieren begann, und es muss hier besonders das Keyserling-Palais im Vorderroßgarten genannt werden. Es ist bezeichnend, dass dem Liebreiz, der Lebensart und dem überlegenen Geist der Hausherrin, der schönen Gräfin Charlotte Amalie, der Gouverneur sowie die Herren der „Besatzung“ völlig verfielen — und einem aber bis in sein hohes Alter hinein der Ehrenplatz an der Seite der Hausherrin reserviert blieb: dem Magister und späteren Professor Immanuel Kant.
Hier aber wird der Orts- und Zeithintergrund, den wir für das Leben Kants andeuten wollten, bereits Szenerie. Hier wird das Königsberg seiner Zeit bereits in sein Leben einbezogen, und wir wissen, wenn wir auf dieser kurzen Wanderung Einblick in die Heimatlandschaft Kants gewinnen, dass dabei die ragenden Gipfel seiner Gedankenwelt stets vor und über uns stehen.
Wir können von Königsberg mit viel größerem Recht als der Heimatstadt Kants sprechen, als etwa von Danzig als der Heimatstadt Schopenhauers. Denn gerade unsere Zeit hat den Begriff der Heimat weit über das Statistische eines Geburts- oder Aufenthaltsorts hinausgehoben. Heimat ist eine Funktion zwischen Mensch und Umwelt, und sie wird umso stärker wirken, je ausgeprägter diese Beziehung lebt.
Kant ist niemals weit gereist — wenn es auch irrig ist. das Jagdhaus eines Freundes Green in Juditten, das ja bekanntlich im Weichbild der Pregelstadt lag, leicht spöttisch als eines seiner weitesten Reiseziele zu bezeichnen. Aber auch mit dem Kreise Goldap, wo er auf dem Gute des Generals v. Lossow weilte, oder gar mit der von Kant selbst launig beschriebenen Reise nach Pillau wird der geographische „Aktionsradius“ des Magisters Kant nicht viel erheblicher. Manche haben das immer für erstaunlich gehalten. Während das Fieber der Weite gerade die hinaustrieb, die von Kant aufgerührt worden waren, während das „Ostfieber“ der Herder und Hamann, der Hippel und der vielen anderen den weiten Hintergrund suchen ließ, der ihrer geistigen Überfülle den Raum gab, den ihnen die Heimat nicht geben konnte, hat Kant sich nicht von der Stadt trennen können. Das kann doch seinen Grund nur darin haben, dass er diesen Raum, diese Resonanz, dieses Wechselspiel von Anregung und Ausstrahlung, den die anderen draußen suchten, innerhalb Königsbergs fand.
Wohl ist auch ihm diese Sehnsucht nicht fremd geblieben. Und als Behrens aus Riga, dem nicht zuletzt diese Ausstrahlungen Königsberger Geistigkeit in den freien, liberalen baltischen Raum zu verdanken sind, ihm von der befriedigenden Wirksamkeit eines gemeinsamen Freundes in Riga erzählt, schreibt Kant mit einem Anflug von Wehmut: auch ihn reize eine Neigung edlerer Art, sich über die enge Sphäre etwas auszudehnen.
Seine von der Natur nicht übermäßig begünstigte körperliche Konstitution mag bei dieser Ortsgebundenheit eine Rolle gespielt haben. Er zog damit auch aus ihr den Nutzen, die abenteuerliche Vitalität, die die anderen umhertrieb, ins Geistige zu sublimieren und den äußeren Aktionsradius ohne dauernde Resignation klein zu halten. Natürlich wäre es vermessen, daran zu gehen, das Werk aus dem Leben zu „rechtfertigen“. Zwar war Kant auch in seinem Lebensstil zu sehr „Königsberger“, als dass je diese anmaßende Sonde an ihn gelegt worden wäre. Dafür aber ist man bis heute gern in den anderen Fehler verfallen, seine ausgewogene und allen übertreibenden Sensationen abholde Lebensführung als ein bewusstes Erzeugnis der von ihm selbst „gesetzten“ kategorischen Pflichtauffassung zu sehen.
Er blieb, wie wir schon erwähnt haben, dem weiten Bannkreis des Ostens, diesem großen, geistiger Erregung so empfänglichen Raum nicht verschlossen. Die Menschen, die durch Kants Schule gegangen waren, gingen hinaus, aber die Bande blieben, so merkwürdig sie sich auch oft verschlangen oder spannten, sie rissen nie ab. Da war Herder, der über zwei Jahre sein begeisterter Schüler gewesen war, und der nun hinausstürmte, die Welt der Begriffe durch die der Anschauung zu beleben und die großen Möglichkeiten, die in den baltischen und slawischen Völkern des Ostens lagen, aufzuspüren. Man lasse sich nicht täuschen von der scharfen Feder, die der einstige Schüler später wider den Meister führte! Wenn er von der „Verödung der Seelen“ sprach, die Kant durch seine kritischen Werke getrieben habe, und sich damit gegen die Lebensarmut der Spekulation wandte, so spricht daraus doch mehr die Sorge, dass die unbedingte Gedankenwelt Kants leicht von der Welt rein vom Rationalen her aufgefasst werden könne: nicht als Idee, von der das Leben getragen, sondern als Methode, von der das Leben vergewaltigt wird. Dass diese Furcht Herders nicht ohne Grund war, und dass Kant lange diese Missdeutung widerfuhr, wissen wir heute.
Wie sollte es auch anders sein, als dass Kant dem Bannkreis des Nordostens geöffnet blieb: ging neben vielen anderen auch sein eigener Bruder als Rektor an die große Stadtschule zu Mitau, vor allem war es Joh. Friedr. Hartknoch, dem wohl mit das Verdienst gebührt, die Pfeiler dieses großen Kulturbogens errichtet zu haben. Er wurde gleichfalls ein Schüler Kants, als Buchhändler und Verleger Kants, Herders und Hamanns auch zum Verleger der jungen Literaturen des Ostens. Hippel schließlich, zu dem das Verhältnis der Philosophen doch mehr von der Toleranz als von der Neigung bestimmt war, führte die Welt Kurlands in seinen „Lebensläufen in ansteigender Linie“ dem literarischen Interesse der damaligen Gesellschaft zu. Allerdings muss bemerkt werden, dass er seine Kenntnisse mehr den zahlreichen Vertretern deutschen Lebens in den Ostprovinzen verdankte, die in Königsberg lebten, als seinen Reiseeindrücken selbst.
Trotz aller dieser lockenden Bindungen blieb Kant daheim. Zweimal erging an ihn die Berufung als Professor an die in den 70-er Jahren gegründete Akademie Petriana in Mitau, die gleichfalls stark vom Königsberger Geist mitgetragen war. Allein er folgte dem Ruf nicht, obschon ihm außer der Befriedigung seiner leichten Fernwehmut dort auch das Dreifache seines Königsberger Einkommens geboten wurde.
Es ist also eben doch dieses Königsberg selbst, was ihn hielt. Und hier entwickelte sich das eigentliche Bild Kants, das uns durch die überlieferten Bilder oft so erschwert wurde. Der mürrische, strenge, unbehagliche Professor der Philosophie ist es doch, den wir aus den Porträts etwa von Doebler und Vernier herauszusehen pflegen: der ganz Spekulation Gewordene, der nie ganz Kranke, der nie ganz gesunde, der, dem man mit Ehrfurcht zu begegnen gehalten war, dem man doch in Wahrheit mehr mit Furcht begegnete. Es ist, als ob man dabei auch an seine eigenen Worte gedacht habe: „Ich habe wegen meiner flachen und engen Brust, die für die Bewegung des Herzens und der Lunge wenig Spielraum lässt, eine natürliche Anlage zur Hypochondrie, welche in früheren Jahren bis an den Überdruss des Lebens grenzte“. Es schien durchaus verzeihlich zu sein, dass aus solcher Anlage eine Flucht aus dem Leben in den streng richterlicher Geist missverstanden wurde. Aber man hatte nicht weiter gelesen, um zu erfahren, dass er es bald dahinbrachte, sich gar nicht weiter an diese Anlage zu kehren und, wie er fortfährt: „Während ich mich in der Brust beklommen fühlte, im Kopf doch Ruhe und Heiterkeit herrschte, die sich in der Gesellschaft nicht nach abwechselnden Launen (wie Hypochondrische pflegen), sondern absichtlich und natürlich mitzuteilen nicht ermangelte“. Karlheinz Gehrmann
Seite 7 „Königsberg“ Uraufführung in Duisburg
Aus Anlass der 700-Jahr-Feier der Stadt Königsberg geht in Duisburg, der Patenstadt Königsbergs, das Festspiel „Königsberg“ von dem bekannten ostpreußischen Dramatiker Hans Rehberg über die Bühne. Das Stück wurde von Rehberg im Auftrag der Stadt Duisburg geschrieben. Es wird nun erstmals als Freilichtaufführung auf dem historischen Burgplatz zwischen Rathaus und Salvatorkirche gezeigt. Ausgesuchte Fachkräfte deutscher Bühnen und ein Massenaufgebot von Volksspielern stehen zur Verfügung. Für die Regie wurde einer der erfahrensten Freilichtbühnenregisseure, Wilhelm Michael Mund, verpflichtet. Die Musik komponierte Günther Raphael. Bühnenbildner ist der junge Ostdeutsche Rudolf Wiesczorek. — Das Schauspiel Rehbergs behandelt die Kolonisation des europäischen Ostens durch den Ritterorden und die Gründung Königsbergs im Jahre 1255 durch König Ottokar von Böhmen. Es soll die Unteilbarkeit des deutschen Raumes und die Notwendigkeit einer friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands bekunden. Nach der Uraufführung am 28. Mai, 20 Uhr, wird es an den beiden Pfingstfeiertagen und anschließend bis zum 9. Juni mehrfach auf der gleichen Freilichtbühne gezeigt werden.
Königsberger Spoaskes
Ja, man konnte sich für wenig gutes Geld allerhand leisten. Da hatte so ein Bollwerksbruder einen Ditchen gefunden und sagt zum andern: „Da keepe wie sick ein Glas Beer fer 8 Fennig und fer 2 Fennig Semmel!“, worauf der andere meint: „Glas Beer is good, oawer wat willst mit so veel Semmel?“
— Eine andere Unterhaltung: „Franz, wat meinst, ein Glas Beer fer seeve Fennig is doch billig“. „Jö, Gustav, wo jivt dat?“ „Na, jeve jivt nicht, oawer is doch billig“.
Seite 7 700 Jahre Königsberg.( Fest-Epilog). Von Hans Nobis
Du Ordensstadt, du Hansestadt, du Krönungsstadt,
du Brückenstadt im Osten, wir feiern sieben Jahrhunderte deines Lebens.
Wir gedenken der Zeit, da du wurdest, der Zeiten, da du wirktest, der Zeit,
da du zusammenbrachst
Und wir glauben an dein Morgen.
Die Ritterschaft Europas baute deine Mauern,
die aus Böhmen und Mähren und die aus Burgund,
aus den Tälern Thüringens und die von den Ufern des Rheins,
aus den Burgen Frankens und den Marschweiten der Nordseelande.
Und begehrten die Söhne des Ostens auch auf, formten sie doch mit,
Quader zu Quader.
Zu einer Ordnung, die auch die ihre gesegnet wurde.
Die Kaufmannschaft Europas legte deine Quais, deine Lastadien,
die Speicher und Koggen der abendlandumspannenden Hanse prägten dein Gesicht.
Und die Söhne des Ostens wurden einbezogen in den Reichtum und die Fülle
einer handelsumspannten Erde.
Die Bürger Europas werkten dich in Blüte.
Die Bauwerker der west- und süddeutschen Lande,
die Schreiner, Gerber, Schmiede, die Brauer und Kunstwerker
aus italischen und hansischen Städten und allen Landen Europas.
Die hugenottischen Franzosen und die Refuges, Holländer und
salzburgische Österreicher.
Und die Söhne des Ostens lernten und wurden ihnen gleich mit
befruchtender Eigenstämmigkeit ihres östlichen Erbes.
Recht und Gelehrsamkeit waren die Europas.
Das Ordensrecht und das Lübische Recht, weltweit bewährt.
Und dein berühmtester Sohn, Kant, war bekannten Geblüts.
Und die Söhne des Ostens lebten nicht als Gedrückte unter diesem Geist
und Recht,
Pruzzische Namen in Adel und Führung des Landes in Kultur
und Wirtschaft.
Sie verrieten, das Schulter-an-Schulter im gemeinsamen Auftrag.
Die Adler Brandenburgs und Preußens schützten dein Leben mit ihren Fittichen
gegen Bedrohung aus Nord, Süd, Ost und West.
Auch gegen West.
Gegen den ausweitenden Irrsinn kleindeutscher Fehde und gegen napoleonische
Diktatur.
Und die Söhne des Ostens dienten unter ihren Fahnen.
Nicht gegen den Osten, nicht gegen ihr Blut.
Gegen die Unfreiheiten aus Nord, Süd, West und Ost.
Doch die Adler Brandenburgs und Preußens hieben auch eigenwillige Torheiten
aus dem Gefüge deines Lebens
Wenn kleindeutsche Zänkerei auch in deine Mauern Eintritt suchte,
wenn zweifelhatte Bürgertüchtigkeit nicht das Deine, sondern das Ihre suchte.
Wenn dein Auftrag bedroht war.
Denn dies war dein Auftrag:
Brücke zu sein zwischen Ost und West,
Zwischen den Völkern und Kulturen.
Brücke zu sein zwischen Enge und uferloser Weite,
zwischen Konfessionen, zwischen Gewinngeist und dienendem Geist,
Brücke zu sein zwischen Gestern und Morgen.
Dein Stadtgesicht war durch diesen Auftrag geprägt,
deine Menschen, deine Kunst, dein Handel.
Sogar dein eigenwüchsigster Schatz, dein Bernstein
war kein „deutsches Gold“, wie ein Werbespruch pries.
Er war eine Brücke wie du.
War eine Brücke zwischen Urzeit und Heut, zwischen West und Ost.
War deutsch und östlicher Wert zugleich.
Du zerbrachst, als dein Auftrag zerbrach.
Der ein Kulturauftrag, nie ein Gewaltauftrag war.
Du zerbrachst, als das rückläufige Sonnenrad des Pangermanismus das Kreuz,
das Gnadenzeichen in deinem Wappen,
überrollte und die Krone,
das Zeichen königlicher Weltlichkeit in deinem Wappen,
entwertet wurde durch die Malzeichen dämonischer Diktatur.
Seit du nicht mehr Brücke warst, die Ost und West verbindet,
sondern zum Bollwerk des Westens gegen den Osten,
des Ostens gegen den Westen missbrauchst wirst.
Und dies kann nur deine Zukunft sein —
wenn dir der, dessen Kreuzzeichen in deinem Wappenstand, eine Zukunft
schenkt —:
Deinen Auftrag wieder aufzunehmen, den Brückenschlag zwischen Ost und West.
Und dein Gesicht wieder anzunehmen, das weder ein pangermanisches noch ein
panslawisches war.
Und das Amen kann nur ein Gebet sein.
Ein Gebet im Geiste des Chorals, der einmal im Jahr unter dem Kreuz
des Schlossturms in alle vier Weiten geblasen wurde,
nicht im Geist eines engen Konfessionsstreits geblasen wurde,
nicht gegen Nord und Süd, Ost und West,
geblasen wurde für ein fruchtbares Leben in Nord und Süd, Ost und West:
„Ein feste Burg ist unser Gott“ — Amen.
Seite 8 und 14 300 Jahre „Kronprinz“ und IR. 1
2 Fotos. Die Kneiphöfsche Langgasse um 1900 . . .
. . . und 30 Jahre später
Zum 300-jährigen Regimentsjubiläum der „Kronprinzer“ und des IR 1, das im Rahmen der 700-Jahrfeier der alten Garnisonstadt Königsberg, Preußen, in Duisburg Pfingsten 1955 festlich begangen wird, bringen wir einen Beitrag aus der ruhmreichen Regimentsgeschichte.
Am 20. Dezember 1655 erteilte der Große Kurfürst von Königsberg aus an den Obristen Bogislaffen von Schwerin die Kapitulation über ein neu zu errichtendes Regiment zu Fuß von acht Kompanien. Das Regiment Schwerin, zuletzt Grenadier-Regiment Kronprinz (1. Ostpreußisches) Nr. 1, hat alle Wandlungen des Heeres bis 1919 als geschlossener Truppenteil überdauert.
Im Mai 1657 wurde das junge Regiment zu Schiff nach Ostpreußen übergeführt, wo es seitdem bis zur Auflösung seine Standorte gehabt hat. 1674 rückte es wegen des Reichskrieges gegen Frankreich nach dem Elsaß und von dort zur Abwehr der Schweden nach der Mark Brandenburg, wo es an dem Handstreich auf Rathenow und an der Schlacht bei Fehrbellin beteiligt war. Als ein Einfall in das Herzogtum Preußen drohte, wurde das Regiment zur Verteidigung von Memel entsandt. Zwei Kompanien machten von Königsberg aus die berühmte Fahrt des Kurfürsten und seines Fußvolkes auf 1200 Schlitten übers Kurische Haff mit, worauf die Schweden nach dem Gefecht bei Splitter (Tilsit) aus dem Lande gejagt wurden. Zu den ersten überseeischen Unternehmungen Brandenburgs stellte das Regiment 1683 vierzig Mann, die bei der Besatzung von Groß-Friedrichsburg in Westafrika und auf den Schiffen des Großen Kurfürsten Verwendung fanden. Auch an den Kämpfen gegen die Türkei nahm ein Bataillon des seit 1668 „Dönhoff“ benannten Regiments teil und zeichnete sich bei der Einnahme von Ofen-Pest aus, wo beim Sturm auf das Wiener Tor der Kommandeur, Obristleutnant v. Trütschler, an der Spitze seiner Mannschaft fiel.
Unter Kurfürst Friedrich III. kämpften die Brandenburger in treuer Gefolgschaft des von Franzosen und Türken bedrohten Deutschen Reiches an beiden Fronten, dabei ein Bataillon Dönhoff am Rhein. Das andere focht wieder gegen die Türken, verlor 1691 bei Salankamen seinen Kommandeur Oberst v. Below, elf weitere Offiziere und 228 Mann, wirkte 1693 bei der Belagerung von Belgrad mit und zeichnete sich 1697 unter Prinz Eugen in der entscheidenden Schlacht bei Zenta aus.
Die Siege der brandenburgischen Truppen am Rhein und an der Donau taten die Macht des Kurfürsten vor aller Welt kund und begründeten die Annahme der Königswürde in Preußen, welche am 18. Januar 1701 zu Königsberg erfolgte. Der Chef und eine Abordnung des Regiments waren Zeugen.
Kurz darauf brachte der Tod des kinderlosen Königs von Spanien halb Europa unter Waffen. Zu dem preußischen Hilfskorps, das 1705 zu den Österreichern an den Rhein entsandt wurde, gehörte wieder ein Bataillon des Regiments Dönhoff. Es kämpfte in den siegreichen Schlachten bei Oudenarde 1708 und Malplaquet 1709, wurde aber 1711 wegen der wieder von Schweden drohenden Gefahr nach Pommern beordert. Die Grenadiere des Regiments standen unter dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau in Oberitalien bei Cassano 1705, bei Calcinato und Turin 1706.
König Friedrich Wilhelm I. wurde in den ersten Jahren seiner Regierung in den Nordischen Krieg verwickelt, weshalb das Regiment nach Pommern rückte und an der Belagerung von Stralsund teilnahm. Sonst vermied der sparsame König jedoch kriegerische Unternehmungen und hob in den 27 Jahren einer Regierung den Wohlstand Preußens durch eine hervorragende Verwaltung auf allen Gebieten. Im Heer wurden der Gleichschritt eingeführt und eiserne Ladestöcke, was beides damals einen großen „technischen“ Fortschritt bedeutete und seinen „lieben blauen Kindern“ eine bedeutende taktische Überlegenheit sicherte. Das Regiment hat die von Friedrich Wilhelm I. angeordneten Abzeichen bis 1808 behalten; auch die Stickerei, welche 1900 von den Offizieren wieder angelegt wurde, stammt aus jener Zeit.
König Friedrich II., bald der Große genannt, begann kurz nach seinem Regierungsantritt 1740 den Kampf um Schlesien. Das Regiment v. Röder rückte 1741 ins Feld und focht in der Schlacht bei Czaslau 1742. Nach dem Frieden von Breslau blieb es in Schlesien. Im zweiten schlesischen Krieg kämpfte es bei Habelschwert unter blutigen Verlusten und war an dem glänzenden Siege bei Hohenfriedberg am 4. Juni beteiligt, wonach es das Recht erhielt, den Grenadiermarsch zu schlagen. Hierbei werden die Trommelstöcke abwechselnd auf das Trommelfell, den hölzernen Rand und gegeneinander geschlagen. Der eigenartige Klang verkündet dem Feind schon von weither das Nahen der Elitetruppe.
Das Regiment war noch an der Schlacht bei Soor beteiligt und ging nach dem Dresdener Frieden in seine Standorte nach Preußen zurück. Die folgenden zehn Friedensjahre dienten der weiteren Ausbildung, von deren Stand sich der König u. a. 1750 und 1753 in einer Revue bei Königsberg überzeugte, wo auch das Regiment zur Stelle war.
Einem Losschlagen Österreichs im Bunde mit Sachsen, Russland, Schweden und Frankreich kam König Friedrich durch sein Einrücken in Sachsen zuvor. Die altpreußischen Regimenter blieben jedoch zum Schutz der Heimat in Preußen stehen. Erst 1757 erschienen die Russen und es kam am 30. August zu der blutigen Schlacht bei Gr.-Jägersdorf. Der Gegner nutzte seinen Sieg nicht aus und ging zurück, woraufhin das preußische Korps Lehwaldt nach Pommern und dann zum Heere des Königs beordert wurde. Mit diesem focht das nunmehrige Regiment Kanitz am 25. August 1758 bei Zorndorf wieder gegen die Russen und verlor 24 Offiziere mit 992 Mann auf der blutigen Walstatt. Höchste Anerkennung fand das Regiment in einem Wort des Königs an den Kommandierenden General, dass es vor anderen geeignet sei, in der Avantgarde verwendet zu werden. — Das Regiment hatte den Tod seines Kommandeurs zu beklagen, des Generalmajors v. Stollhofen. Er war 1707 als Musketier eingetreten, hatte sich in allen Feldzügen ausgezeichnet und wurde dafür 1715 zum Offizier befördert, worauf er alle Dienstgrade im Regiment durchlief und seit 1754, mit dem Orden pour le mérite ausgezeichnet, an dessen Spitze stand.
Im Unglücksjahr 1759 schmolz das tapfere Regiment Kanitz in den Niederlagen bei Kay und Kunersdorf zu einem schwachen Bataillon zusammen. Dann wurde es einem Korps zugeteilt, das bei Meißen den weit überlegenen Gegner in Schach halten sollte. Bei Tauwetter und Eisgang wurden die Preußen gezwungen, über die Elbe zurückzugehen. Viele wurden abgeschnitten und gerieten in Gefangenschaft; um die mit Mühe geretteten Fahnen sammelten sich die Trümmer des Regiments, aus denen 1760 in Berlin wieder zwei schwache Bataillone aufgestellt wurden, die zur Deckung der Hauptstadt Verwendung fanden und am 3. November noch in der Schlacht bei Torgau kämpften. 1761 stand das Regiment in einem verschanzten Lager bei Kolberg, das erfolgreich gegen die Russen verteidigt wurde. 1762 war es wieder bei der Armee des Königs, bei Reichenbach und dann bei der Belagerung von Schweidnitz. Die Grenadiere nahmen am 29. Oktotber in der Schlacht bei Freiberg teil, der letzten des Siebenjährigen Krieges. Das Regiment Kanitz hatte während desselben im ganzen 34 Offiziere und 3853 Mann verloren, sich dafür aber die höchste Anerkennung des Königs erworben.
1765 wurde das Regiment nach Königsberg verlegt und hat seitdem mit geringen Unterbrechungen immer ganz oder teilweise dort gestanden. Am 19. März 1769 wurden dem Regiment die Fahnen verliehen, welche das I. und II. Bataillon dann 150 Jahre bis 1919 führten. Die Feldzeichen von 1769 waren Kompaniefahnen; das Tuch war schwarz mit weißem Mittelfeld, darin der fliegende preußische Adler unter einem Spruchband „pro gloria et patria“ und der Königskrone. Ursprünglich zu jedem Dienst mitgeführt, waren die Fahnentücher im Laufe der Zeit vollständig zerstört. Kaiser Wilhelm II. ließ sie im Jahre 1901 durch neue nach dem alten Muster ersetzen. In der Spitze trugen sie das Eiserne Kreuz, darunter Säkularbänder mit den Zahlen 1755 und 1855 sowie den Namenszügen des Stifters und Verleihers, die Bänder der Feldzugsmedaillen von 1813/1814, 1866 und 1870/1871 mit zehn Schlachtenspangen, außerdem noch verschiedene Erinnerungsbänder. Während der Kriege Friedrich Wilhelms II. in Polen und am Rhein, wo nach der Eroberung von Mainz das Lied „Heil dir im Siegerkranz“ entstand, blieb das Regiment zur Sicherung der östlichen Landesteile in Preußen. Ebenso war es 1806 wegen der bedrohlichen Haltung der Polen an der Südgrenze der Provinz. Nach der ersten Feindberührung focht das Regiment mit Auszeichnung bei Preußisch-Eylau, erstürmte das Dorf Kutschitten mit gefälltem Bajonett und trieb die Franzosen bis gegen Kl.-Sausgarten zurück. Der Kommandierende General v. L'Estocq meldete dem König: „Das brave Regiment Rüchel erneuerte durch diese schöne Aktion nur seinen alten Ruhm“. Die Bewährung auch in diesen trüben Zeiten wurde von Friedrich Wilhelm III. anerkannt durch Verleihung von acht Orden pour le mérite, 32 Verdienstmedaillen und 992 Ehrensäbeltroddeln für Unteroffiziere und Gemeine. Bei der Heeresorganisation 1808 fielen allgemein die Namen der Chefs weg und unser Regiment erhielt die Nummer 1. Das bis dahin selbständige Füsilier-Bataillon Nr. 11 wurde ihm einverleibt; die beiden Grenadierkompanien bildeten mit denen des Regiments 3 fortan das 1. Ostpreußische Grenadier-Bataillon, welches 1814 vor Paris bei Errichtung des Kaiser-Alexander - Garde-Grenadier - Regiment! Nr. 1 dessen II. Bataillon wurde.
Den Feldzug 1812 gegen Russland machten das II. und F-Bataillon unter General Yorck in Kurland mit. Im Stabsquartier des F-Bataillons, der Mühle von Poscherun, wurde die Konvention von Tauroggen geschlossen, welche dem Schicksal Preußens und ganz Europas eine neue Wendung geben sollte.
In den Befreiungskriegen 1813/1814 erwarb das 1. Ostpreußische Inf.-Regt. unsterblichen Ruhm. Von den zahlreichen Gefechtstagen seien nur die wichtigsten genannt: Am 29.04. verteidigte das Regiment Merseburg gegen einen sechsfach überlegenen Feind. Am 02.05. focht es unter den Augen des Königs in der blutigen Schlacht bei Groß-Görschen und verlor 26 Offiziere, 335 Mann an Toten und Verwundeten. Besonders denkwürdig ist das Gefecht bei Goldberg am 23. August, wo die Bataillonskarees wiederholt Reiterattacken abwiesen und mit gefälltem Bajonett nachstießen. Der eiserne Yorck sprach nach der Schlacht die unvergesslichen Worte: „Mit Ehrerbietung begrüße ich das alte würdige Regiment; Ihr habt heute wieder Euren uralten Ruhm bewährt; Ihr habt alles gerettet; Ihr seid meine Garden; Ihr seid das erste Regiment der Armee!“ Später in den Reihen der Schlesischen Armee Blüchers, ging es mit Yorck bei Wartenburg über die Elbe und kämpfte in der Leipziger Schlacht am 16./18. Oktober bei Möckern. Dieser Kampf gehörte zu den blutigsten überhaupt und wurde mit beispielloser Tapferkeit durchgeführt; beim I. Bataillon waren sämtliche Offiziere tot oder verwundet, der brave Feldwebel Mertins führte es dann mit großer Umsicht und Ruhe. Im Ganzen vergossen ihr Blut auf heißer Walstatt 29 Offiziere, 70 Unteroffiziere und 802 Mann, wovon mehr als ein Drittel ihr Leben ließen. „Zur Anerkennung des Verdienstes beider Teile“ wurde der Brigadekommandeur Prinz Karl von Mecklenburg-Strelitz, selbst schwer verwundet, zum Chef des Ersten Regiments ernannt. Weihnachten und Neujahr hatte das Regiment die Königswache im Hauptquartier der verbündeten Monarchen zu Frankfurt am Main. Im Feldzug 1814 eroberte das Regiment französische Kanonen bei Laon am 9. März und vor Paris am 30. März. Zehn Eiserne Kreuze erster und 412 zweiter Klasse waren der Lohn tapferer Taten, außerdem 76 russische Orden. — 1815 kam das Regiment nicht an den Feind, nahm aber an der Siegesfeier und Verleihung von Fahnenauszeichnungen auf dem Pariser Marsfeld teil und zog nach langem Fußmarsch am 15. März 1816 unter dem Jubel der Bevölkerung wieder in Königsberg ein.
Nach 50-jähriger Friedenszeit hatte das Erste Ostpreußische Grenadier-Regiment Nr. 1 Kronprinz Ehrenvollen Anteil! 1866 an dem Gefecht bei Trautenau und trug am 3. Juli mit der Armee des Kronprinzen — seines Chefs seit dem 4. Juni 1860 — durch den Angriff auf Chlum und Rosberitz zur Entscheidung der Schlacht bei Königsgrätz bei.
Im Kriege 1870/1871 gehörte das I. Armeekorps zunächst zur 1. Armee des Prinzen Friedrich Karl, welche die Belagerung von Metz durchführte und die Ausbruchsversuche der Franzosen bei Colombey-Nouilly und Noisseville abwehrte. Nach der Einnahme von Metz wurde die kleine Festung Mézieres erobert, dann ging es nach dem Norden Frankreichs. In der Schlacht bei Amiens nahm das Grenadier-Regiment Kronprinz Villers - Bretonneux. Einer Reihe von kleineren Gefechten zum Schutze von Rouen folgte am 19. Januar 1871 die Schlacht bei St. Quentin, in der ein zum Entsatz von Paris anrückendes französisches Heer völlig geschlagen und bis vor die Tore von Cambrai und Douai verfolgt wurde. Am 6. August fand der feierliche Einzug in Königsberg statt. Die tapferen Taten des Regiments im großen deutschen Einigungskriege wurden durch Verleihung von einem Orden pour le mérite, 7 Eisernen Kreuzen erster und 208 zweiter Klasse anerkannt.
Gelegentlich der Großjährigkeitserklärung des Kronprinzen Wilhelm am 6. Mai 1900 wurde dieser à la suite des Regiments gestellt, zugleich der alte Name „Grenadier-Regiment Kronprinz“ erneuert. Die Kronprinzer trugen seither den Gardeadler (ohne Stern) mit Auszeichnungsschild „1665“ am Helm, die Offiziere Goldstickerei nach dem Muster des Regiments Kanitz und die Mannschaften weiße Litzen am Kragen.
Bei der Mobilmachung 1914 marschierte das I. Armeekorps, dem das Gren.-Rgt. Kronprinz angehörte, zunächst an der russischen Grenze auf, wo es mehrere kleinere Gefechte hatte Am 20. August musste die aussichtsreich begonnene Schlacht bei Gumbinnen abgebrochen werden. Das Regt, wurde als vorderstes des Bahntransportes über Marienburg an die westpreußische Südgrenze gefahren und durchbrach am 27. August den linken Flügel der russischen Stellungen bei Udsau, beteiligte sich in den folgenden vier Tagen an der Einkesselung der Narew-Armee und wies Ersatzversuche von Süden her ab, bis der große Erfolg der Tannenberg-Schlacht mit 90 000 Gefangenen und unübersehbarer Beute an Kriegsmaterial eingebracht war. Die Schlacht an den Masurischen Seen brachte dem Regiment die siegreichen Gefechte auf dem Truppenübungsplatz Arys, bei Groß-Gablick und an der Romintener Heide! Es folgten ein Vorstoß bis zum Njemen und Kämpfe an der ostpreußischen Grenze. Als Hindenburg den Schwerpunkt der Kämpfe nach Polen verlegte, kämpfte das Regiment in den Schlachten bei Lodz und erlebte Weihnachten 1914 in den Schützengräben an der Rawka vor Warschau. Anfang
Januar 1915 wurde die ganze 1. J. D. durch Ungarn in die Karpathen transportiert, wo am 27. Januar die steile Tatarkahöhe erstürmt und dann die Verfolgung über den Beskidenpass angetreten wurde. Die über 1000 m hohen Lysa-Höhen wurden genommen, aber am Zwinin kam der Vormarsch durch das tiefverschneite Gebirge zum Stehen. Am 9. April wurde nach starker Artillerievorbereitung der wochenlang heiß umkämpfte Zwinin erstürmt, wobei die Kronprinzer die Sicherung der linken Flanke der 1. I.D. übernahmen. Der Russe leistete in den Bergen weiter hartnäckig Widerstand.
Das Regiment entriss ihm am 6. Mai, dem Geburtstag seines hohen Chefs, die stark besetzte Pliszka-Höhe und brachte über 600 Gefangene ein. Endlich begann der Russe aus den Karpathen zu weichen, und am 13. begann der Bewegungskrieg auch bei der 1. J. D. Nach Überschreitung des Dnjester bei Zutrawno trat die 1. J. D. am 07.07. zur neugebildeten Bugarmee über. Über Cholm wurde der Gegner bis Pinks verfolgt, dann erfolgte eine Neugliederung der deutschen Truppen, die sich nach Südosten gegen den Styr wandten, wo schwere, verlustreiche Kämpfe entbrannten. Weihnachten 1915 erlebte das Regiment in den mühsam ausgebauten Schützengräben im dortigen Sumpfgelände. Ende Januar 1916 wurde die 1. J. D. aus der Front gezogen und aufgefüllt; die Ausbildungszeit wurde durch Kompaniebesichtigungen abgeschlossen. Am 7. März wurde das Regiment mit der ganzen 1. J. D. nach Frankreich verladen.
Die 1. J. D. und mit ihr das Grenadier-Regiment Kronprinz wurden zum Angriff auf Verdun eingesetzt und bezogen am 18. April 1916 Stellungen zwischen dem seit 25. Februar in unserer Hand befindlichen Fort Douaumont und dem Fort Vaux. Mehrere Angriffe mit begrenztem Ziel führten schrittweise vorwärts, doch blieb der große Erfolg trotz aller Tapferkeit versagt. Caillettewald, Vaux, Fumin waren die Brennpunkte des schweren Stellungskrieges im schluchtenreichen Festungsgelände. Nach fast drei Monaten äußerst verlustreicher Kämpfe wurde das Grenadier-Regiment Kronprinz am 17. Juli 1916 abgelöst. Am 29. Juli begrüßte der Kronprinz sein Regiment und Abordnungen von Truppen der 1. J. D., sprach ihnen seine Anerkennung für ihre Leistungen aus und verteilte eine größere Zahl Eiserner Kreuze.
Am 4. August 1916 wurde das Regiment in Borsa/Ungarn ausgeladen. Die Brussilow-Offensive hatte die österreichischen Armeen in die Karpaten zurückgeworfen. Das Karpatenkorps mit der 200. und 1. J. D. wurden daher sofort zum Gegenangriff eingesetzt, der bis auf die höchsten Gebirgskämme vordrang. Hier entwickelte sich ein hartnäckiger Stellungskrieg mit überlegenen russischen Kräften, der bis in den Juli 1917 andauerte. Dann zogen sich die Russen unter dem Druck deutscher Angriffe in Galizien — wie im Mai 1915 — aus den Karpaten zurück; auch die Bokuwina wurde befreit, wonach sich Stellungskämpfe am Sereth entwickelten. Am 27. September 1917 fand eine Kaiserparade bei Neufratautz statt, an der Abordnungen der in der Front eingesetzten Kronprinzer teilnahmen. Es war die letzte Parade der 1. D. J. vor dem Kaiserlichen Kriegsherrn.
In den letzten Novembertagen erfolgte der Abtransport nach dem Westen. Im Raum Audun le Roman ausgeladen, begann die Ausbildung für den Großkampf. Die 5. Kriegsweihnacht verlebte das Regiment in seinen Ruhequartieren. Dem Einsatz in dem ruhigen Abschnitt Etain vor Verdun folgte weitere Ausbildung für die bevorstehende Frühjahrsoffensive.
Die 1. J. D. wurde mit der hessischen 25. I. D. und der 4. Garde-Inf.-Div. dem XIX. Armeekorps des Gen.-Lt. v. Gontard unterstellt, das zur 2. Armee Generals d. Kav. v. d. Marwitz gehörte. Der Angriffsabschnitt lag etwa 20 km südlich Cambrai, der Gefechtsstreifen des Grenadier-Rgts. Konprinz verlief nördlich von Peronne die Somme hinab. Vom 22. bis 27. März hatte das Regiment kämpfend 50 km zurückgelegt und dabei ungeheure Trichterfelder und viele alte Stellungen aus früheren Kämpfen mit Reihen von starken Hindernissen überwunden. Die Verluste waren schwer: Zwei Batl. Kommandeure, neun weitere Offiziere sowie 119 Unteroffiziere und Mannschaften tot, dazu 67 vermiss, 16 Offiziere, 606 Unteroffiziere und Mann verwundet, zehn gaskrank. Die Beute des Regiments zählte 44 Geschütze, 118 MG, 20 Tanks, sechs Flugzeuge und zahlreiches weiteres Kriegsmaterial. Sieben Offiziere und 816 Engländer wurden gefangengenommen. Vor Villers-Bretonneux wo unser Regiment schon 1871 gefochten hatte, kam die deutsche Offensive zum Stehen. Die 1. J. D. wurde Mitte Mai herausgezogen und verlebte bis Ende Juni 1918 eine herrliche Ruhezeit in Belgien.
Ausgeruht und voll aufgefüllt wurde die 1. J. D. am rechten Flügel der 3. Armee des Generalobersten v. Einem neben der Garde-Kavallerie-Schützen-Division zum Durchbruch der französischen Front in der Champagne eingesetzt. Dieser verratene Angriff lief sich vor der zweiten französischen Stellung fest. Vor der Ablösung wurden die ersten Amerikaner vom 161. Inf.-Rgt. Ohio gefangengenommen. Der Wendepunkt des Krieges war gekommen. Das Regiment wurde herausgezogen und westlich Reims eingesetzt. Dann folgte eine letzte Ruhezeit bei Charleville, wo am 20. August 1918 eine Parade vor dem Kronprinzen stattfand, der auch einem großen Sportfest des Regiments beiwohnte und dazu viele Preise stiftete.
Von nun an war das Regiment pausenlos im Einsatz und vollbrachte noch viele tapfere Taten. Besonders zeichnete es sich vom 8. bis 18. September an der Laffaux-Ecke aus, wo das II. Bataillon als einziges der 1. I. D. seine Stellung in vorderster Linie behaupten konnte, wofür sein Kommandeur den Orden pour le mérite erhielt. Aus dem Abschnitt Brimont vor Reims wurde kämpfend ausgewichen über die Suippe und durch die Hundingsstellung bis an die Maas. Am 25. Oktober war noch ein letztes Zusammentreffen mit dem Hohen Regimentschef; der Kronprinz schreibt darüber in seinen Erinnerungen: „Mein Grenadier-Regiment Kronprinz bei Seraincourt — es war die letzte Truppe, die ich mit Hurra und leuchtenden Augen in den Kampf ziehen sah“. Am 11. November kam der Tag des Waffenstillstandes. Die letzten Kanonenschüsse verhallten über den blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs, gleichsam ein Sterbesalut für das deutsche Kaiserreich.
Der Rückmarsch führte das Regiment durch Luxemburg und die Eifel über den Rhein, wo es verladen wurde und im Bahntransport am 6. Dezember in Königsberg eintraf. Mit den alten Fahnen an der Spitze zog das Regiment geschlossen in tadelloser Haltung, von der Bevölkerung stürmisch umjubelt, in seine alte Kaserne am Herzogsacker ein. Bis zum letzten Tage seines Bestehens war es dem Wahlspruch am Kasernentor treu geblieben:
„Alt meine Fahnen, alt meine Ehr“,
„Doch jung mein Fühlen, scharf meine Wehr“.
„Ruh nicht auf Lorbeer aus großer Zeit“,
„Ruf mich, mein König, ich bin bereit!“
108 Offiziere (dabei fünf Ärzte), 5372 Unteroffiziere und Mannschaften (dabei sieben Fähnriche und Fahnenjunker) haben in den Reihen des Grenadier-Regiments Kronprinz ihre Treue mit dem Tode besiegelt. Außerdem sind 20 Offiziere bei andern Truppenteilen gefallen, davon fünf als Flieger; neun sind in der Heimat ihren Wunden oder Krankheiten erlegen.
Wegen der bedrohten Lage der Heimatprovinz wurde das gesamte I. Armeekorps als Freiwilligentruppe neu aufgestellt. Hieran war das Grenadier-Regiment 1 mit zwei Bataillonen beteiligt. Sie wurden bei der Säuberung Königsbergs vom Soldatenrat und der Volksmarinedivision und im Grenzschutz eingesetzt. Später wurden sie in den Regimentsstab, die 13. (MW), 14. und 15 Kompanie des 1. (preußischen) Infanterie-Regiments der Reichswehr übernommen. In der letzten deutschen Wehrmacht führte das II. Bataillon und die 13. (IG)-Kompanie des I. R. 1 die Tradition des früheren Grenadier-Regiments Kronprinz weiter. Auch diese junge Truppe hat sich in Deutschlands schwerstem Kampf ihrer soldatischen Ahnen durch hervorragende Leistungen würdig gezeigt. In ihren Reihen fiel 1940 der älteste Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, als Oberleutnant und Kompaniechef.
CE Graf zu Eulenburg, Oberst a. D.
Seite 9 Die Patenstadt Duisburg erwartet ihre Königsberger
Foto: Ein vertrautes Bild aus vergangenen Tagen: Das Königsberger Hundegatt.
Foto: Königsberger Speichermarke
Es war in Dortmund als wir die ersten Plakate zu Gesicht bekamen, rie für die 700-Jahrfeier unserer lieben Stadt Königsberg und für das Schauspiel „Königsberg“ warben. Nicht anders war es in Essen, in Herne, im ganzen Ruhrgebiet und erst recht natürlich in unserer Patenstadt Duisburg selbst.
Echte Patenschaft
Zu oft nur sind Patenschaften im privaten und Öffentlichen Leben nicht viel mehr als eine schöne Geste, eine platonische Angelegenheit. Anders aber das Verhältnis zwischen der Rhein-Ruhr-Stadt und der Stadt am Pregel, die bei aller Verschiedenheit der geographischen Lage, des Landschaftsbildes und der Bevölkerungsstruktur, doch recht viele gemeinsame Wesenszüge ihrer städtegeschichtlichen Entwicklung tragen. Beide Städte danken ihr Entstehen und ihre Entwicklung den Flussläufen, an denen sie liegen, beide Städte waren Mitglied der Hanse, in beiden Städten befanden sich große Niederlassungen des Deutschen Ritter-Ordens, beide Universitäts- und Hafenstädte und beide Städte wurden durch den Bombenhagel des zweiten Weltkrieges schwer getroffen.
Vielleicht war es gerade der eigene Leidensweg der die Stadt Duisburg, für die Königsberger Sache so aufgeschlossen machte. Trotz des eigenen Flüchtlings- und Heimatlosen-Problems, das es zu lösen galt, hatte diese Stadt auch ein aufgeschlossenes Herz für andere, denen Heimat und Gut geraubt wurden. Duisburg nimmt es ernst mit seinen Bemühungen, die Patenschaft über Königsberg mit Sinn und Leben zu erfüllen. Die von der Stadtverwaltung geschaffene „Abteilung Königsberg“ besteht nicht nur auf dem Papier, sie ist mit lebendigen Wirken erfüllt, sie ist zum wirklichen Sachwalter der Königsberger geworden, wie viele Tausende von Königsbergern bestätigen können, die durch sie Auskunft und Rat erhielten.
Oberstadtdirektor Kumpel, dem die Übernahme der Duisburger Patenschaft besonders zu danken ist, und der amtierende Oberbürgermeister Seeling sind mit dem Stadtparlament die Befürworter und Förderer einer intensiven Arbeit für die Bürger unserer Heimatstadt Königsberg.
700-Jahrfeier Tagesgespräch
Duisburg ist nicht nur eine recht bedeutende Industriestadt und die größte Binnenhafenstadt Europas, sondern zugleich auch ein beliebter und vielbesuchter Tagungsort für Konferenzen, die hier oft abgehalten werden, ohne dass die Bevölkerung daran besonderen Anteil nimmt. Anders bei dem Treffen der Königsberger, die aus allen Teilen der Bundesrepublik nach Duisburg eilen, um hier festlich den siebenhundertsten Geburtstag ihrer Heimatstadt zu begehen. Das Thema „Königsberger 700-Jahrfeier“ bildet den Gesprächsstoff in den Gaststätten und Straßenbahnen und kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine oder mehrere der in Duisburg erscheinenden Tageszeitungen über organisatorische Einzelheiten oder die vorgesehenen Veranstaltungen berichtet. Die Duisburger sind auch innerlich beteiligt, an der 700-Jahrfeier, zu der 60 000 Königsberger aus dem ganzen Bundesgebiet erwartet werden.
Wo der Verkehr der verkehrsreichen Stadt Duisburg am stärksten pulsiert, mitten im Zentrum der Stadt und in wenigen Minuten vom Bahnhof aus zu erreichen, liegt das ansehnliche Bürohaus, das bis vor kurzem der Commerzbank als Filiale diente. Hier ist das Amt Königsberg der Duisburger Stadtverwaltung untergebracht und hier hat auch zurzeit das Organisationsbüro der Landsmannschaft sein Hauptquartier errichtet. Fast pausenlos wird hier in diesen Tagen gearbeitet, nie reißt der Besucherstrom ganz ab und immer wieder schellt das Telefon. Wenn auch die Stadt Träger der vielseitigen kulturellen Veranstaltungen ist und die Vorbereitungen dazu im Rathaus durchgeführt werden, so bleibt dem Organisationsbüro eine Überfülle an organisatorischen Aufgaben, die erledigt werden müssen. Galt es doch für nicht weniger als 70 Sondertreffen geeignete Tagungsstätten zu ermitteln und festzulegen, Programmhefte zu gestalten, auszuarbeiten und immer wieder Quartiere zu beschaffen. Gerade diese Frage erfordert bei der riesigen Zahl der immer noch eintreffenden Meldungen ebenso viel Kopfzerbrechen wie Verhandlungsgeschick. Aber die Duisburger Bürger helfen dabei wo sie können und stellen bereitwillig Zimmer zur Verfügung, sodass alle unsere Königsberger Landsleute ein Quartier erhalten werden, wenn auch viele von ihnen, die in den Vor- und Nachbarorten untergebracht werden müssen, die Unbequemlichkeit einer kürzeren oder längeren Straßenbahn- oder Autobus-Fahrt mit in Kauf nehmen müssen.
Die Stadt Duisburg erwartet ihre Patenkinder, und sie tut das mit Freuden, denn ihr ist die Königsberger Frage eine wirkliche Herzensangelegenheit. Das dürfte auch zum Ausdruck kommen bei dem Festakt im Stadttheater, den Duisburg für Königsberg veranstaltet, das wird sich in dem reichen Fahnenschmuck der Rhein-Ruhr-Stadt ausdrücken, und das finden die Teilnehmer gewiss auch bestätigt bei den anderen Veranstaltungen der festlichen Tage. Duisburg hat die Königsberger Sache zu seiner eigenen gemacht, es vertritt dessen wirtschaftliche und verfassungsmäßige Rechte und will den verwaisten Königsbergern eine Mutter sein.
Seite 9 Lob einer Stadt
Nicht Gelehrsamkeit soll dir ums Haupt gewunden werden mit vielen Einzeldaten deiner Chronik; denn nicht Vergangenheit allein bist du — du bist uns Gegenwart, lebendig so wie einst, nur das du ferne bist, nur dass wir über Trümmern uns dein Bild errichten, so wie es war und nicht mehr werden kann. Dies ist dein Schicksal gleich dem Schicksal deiner Schwestern. Doch härter ist dein Los, denn du musst warten, bis wir kommen ....
Dein Lob will ich sprechen! Doch müsste nicht jeder selbst es sagen, weil jeder seine eigene Liebe trägt zu dir auf seine Art? Vieltausendfach sollte dieses Lob aus allen Herzen kommen, den Herzen deiner Kinder: ein großes Lob, ein großer Dank.
Wer dich gesehen hat, weiß, wie schön du warst. Wer in dir lebte, hat täglich etwas von deinem Wesen gespürt. Wer deinem Wege nachsann, deiner Geschichte und deren Sinn und Gewicht, der hat dich ganz erfasst. Er musste dich lieben, nicht weil du schön warst, nicht weil du Geborgenheit schenktest, sondern darum, dass du ein herrlich-freies, ein stolzes Gefühl gabst: Du hast unserem Deutschsein bleibende Züge geprägt. Du warst vor allem eines: im Preußenland die große deutsche Stadt.
Fürsten, Könige standen dir Pate. Der Frankenritter Poppo von Osterna, Hochmeister des Ordens dazumal, war dein Gründer, von dem Barbarossa-Enkel Ottokar, dem Böhmenkönig, nahmst du den Namen. Nicht er gab dir die Ehre dieser Namengebung als einer königlichen Burg und Stadt — du gabst ihm Ehre damit; denn niemand ahnte damals Art und Größe deines Aufstiegs.
Fürsten des Reiches, des Abendlandes waren oftmals Gäste bei dir. Vom Glanze jener Tage fiel kleiner Ganz auch in die Häuser und Stuben deiner Bürger als Quelle frühen Wohlstandes. Aber erst aus der Not des Ordenslandes, als die hohe Zeit der Marienburg, der fürstlichen Burg an der Nogat erlosch, wuchs deine große Bestimmung, Hauptstadt des Landes zu sein. Mit Albrecht, dem ersten Herzog, warst du es für immer geworden.
Da fängt dein Eigenstes sich an zu entwickeln. Die Stätte war gepflanzt, die Universität im Schatten des Domes. Reizvolles Spiel, wie später aus den Künsten ein „Lob der Freundschaft“ aufstieg: aus der Kunst des Heinrich Albert, des Organisten am Dom, des großen Liedschöpfers, und aus der weise-bedächtigen und doch so kernhaft frischen Wortkunst Simon Dachs, des Magisters. Es wurde draus der „Königsberger Dichterkreis“ mit Robert Roberthin und anderen.
Du hast geschenkt und tatst es immer wieder. Ein G. Fr. Reichardt kam aus dir, der berühmte Singspielkomponist seiner Zeit, Kapellmeister des Alten Fritz. Ein Hermann Goetz, der die „Widerspenstige zähmte“ — so gut, dass sie noch heute sich in der Oper zeigen darf; ein Otto Nicolai, der die „Lustigen Weiber von Windsor“ mitsamt dem „Büblein klein an der Mutterbrust“ zur unsterblichen Oper machte. Ein E. T. A. Hofmann, der gespenstisch-geistvolle, aber auch innig-feine Dinge schrieb, der komponierte und kapellmeisterte. Ein Adolf Jensen, der schöne Lieder schuf und etliche Klaviermusik. Und — ich will es nicht verheimlichen — auch den Walter Kollo gabst du her — und hast ein Auge dabei zugedrückt, nicht wahr?
In dir — genauer, in Juditten — hat Gottsched, der streitbare und umstrittene, aber trotz allem bedeutsame Literaturgewaltige, das Licht der Welt erblickt. (Im Film hat er sich einem breiteren Publikum unserer Zeit zusammen mit der „Neuberin“ dann wieder vorgestellt.) Drei Jahre vor E. T. A. Hoffmann ließ Zacharias Werner, Dichter der ersten deutschen Schicksalstragödie und auch ein sehr bedeutender Mann, in dir den ersten Säuglingsschrei ertönen. Geburt, Kindheit, Jugend und fast das ganze Leben der Agnes Miegel, sicher aber ihre ganze, ungeteilte Liebe gehören dir, der Pregelstadt.
Kunstarme Stadt? War nicht Michael Willmann, der größte Maler des deutschen Barock, dein Sohn? Und war nicht Käthe Schmidt — „die Kollwitz“ — auch dein Kind?
Fast schon zu viel — so wie man in Weimar Goethe und Schiller nennt — wird Kant genannt, dein größter Sohn, so dass sein Ruhm vor dem andern steht, und Hamann, den sie den „Magus aus dem Norden“ nannten. Mit ihnen aber stieg dein Ruhm ganz steil empor, von dir aus „haben sie die Welt erleuchtet“. (Th. Heuss.)
Endlos die Namen auf der „Gästeliste“, selbst derer schon, die mehr als Gäste waren, weil ihr Wirken eng mit dir verbunden war: Johann Eccard, Schöpfer der protestantischen Choralkunst; Eichendorff und Kleist und Felix Dahn und Richard Wagner; Frhr. vom Stein und Arndt und York, Gneisenau und Clausewitz; Herbart, Jacobi, Rosenkranz, die Philosophen: Helmholtz, der dort den Augenspiegel erfand, Karl von Baer, der jenes winzig-kleine Etwas entdeckte, aus dem wir alle kommen; Bessel, der Astronom, dessen Sternwarte Napoleon nachdenklich werden ließ über die auch im Unglück ungebrochene Geisteskraft Preußens. Ein Sudermann ging einen Teil dieses Weges durch dich, ein Lovis Corinth, der Revolutionär und das Genie der Farbe, die beiden (Wi(e)cherts mit dem Vornamen Ernst, Paul Wegener, der große Mime und andere Größen der Bühne. Genug der Namen? Es ist ja nur ein Teil!
Ach, Namen sind schon eine Qual! Nicht jedem sagen sie etwas. Warum auch? Trägt diese vielen „Wenigen“ doch schließlich jene große Zahl derer, die eben auch durch ihre Zahl bedeutend sind: das Heer der emsig, rastlos schaffenden Bürger. Doch dieses weiß ich wie jeder andere? auch: Von jenen „Wenigen“ fiel und fällt ein Licht auch immer in die nüchtern ernste Alltagswelt, die dem Berufe gilt, nicht der Berufung. Und das zu wissen, ist wichtig schon aus diesem einen Grunde: Weil Königsberg, mit so viel Glanz und Leuchtkraft trefflich ausgestattet, erblüht aus deutschem Bürgerfleiß und hohem Streben, heute den Namen eines politischen Götzen aus dem ferneren Osten trägt, den Namen eines Götzen der „Weltrevolution“. Spiegelt sich darin alleine nicht schon blanker Widersinn?
Dein alter, schöner Name aber soll dir bleiben! Vielleicht verweht die Spur, die wir gekommen sind, vielleicht gehen wir ins große Schweigen, eh noch die Stunde schlug zur Wiederkehr. Dann aber soll die Liebe, die wir trugen zu dir als wie zu einer guten Mutter, blühen leuchten über der verwehten Spur. Der Glaube, dass du selber heimkehrst, wird nicht umsonst gewesen sein. Wo so viel Treue war, da wird auch Lohn der Treue sein. Und einmal wird das Recht sein Haupt erheben!
Bruno Breit, Kulturwart der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen, Nürnberg, e.V.
Seite 10 Königsberger Magistrat gedenkt seiner Toten!
Gerade in diesem Monat der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg (Pr.) ist es notwendig, dass wir an all die vielen Arbeitskameradinnen und Arbeitskameraden denken, die ihr Leben infolge der damaligen Kriegsereignisse und deren Nachkriegsfolgen, lassen mussten. Es sind dies:
Spark.-Angest. Fritz Ankermann,
Museumsdirektor Eduard Anderson,
Lehrer Alfred Arndt,
St.-O.-Insp. Georg Albrecht,
Oberinsp. Adolf Amling,
Bademeister Karl Augstein,
Aufseher Acthin,
Bibl. Inspektorin Margarete Augustin,
Stadtamtmann Aßmann, Allenberg (KWS),
Elektro-Monteur Franz Arndt,
Fritz Arendt (E-Werk),
Werkschlosser Albert Arndt,
Zählerableser Hermann Arndt III,
Buchhalterin Wanda Arndt,
Kämmereidirektor Richard Breitenfeld,
Breitenfeld (Fuhrges.),
Prof. Böttner,
St.-O.-Insp. Wilhelm Bendzko,
Angest. Fritz Brauchhaus,
Maschinist Bogdan,
Fotograf Arthur Borrmann,
Vera Barowski (Schulamt),
Bademeister i. R. Bortz,
Kassierer Hermann Bahr,
Maschinist Rudolf Bludau,
Angestellter Otto Büttner,
Brückenwärter Heinrich Barakling,
St.-Sekr. Hans Beckmann, Reviergärtner Brest, Tiergarten-O.-Insp. Albert Böhm, Angest. Brunhilde Böse,
Angest. Bahr (KWS),
St.-O.-Insp. Werner Bartnick,
St.-Amtmann Ernst Beyer,
St.-Insp. Paul Beyer,
Stadtbaurat Buchs,
St.-Amtmann Bannasch,
Spark.-Angest. Borowski und Frau,
Angestellte Birrek (St.-Kr.Anst.).
Stadt-Bauing. Hans Boltz,
Schwester Hedwig Bargel,
St.-Insp. Ernst Böndel,
St.-Insp. Gg. Beil,
St-O.-Insp. Beutler,
Angest. Walter Braesch,
Prof. Walter Benthin,
St.-O.-Bauinsp. Rud. Brandstäter,
St.-Insp. Buttler,
Angest. Franz Borowski,
Angestellter Bellmann (Wi.-Amt),
Bauaufseher Wilhelm Bartel,
Bote Johann Besener,
Wagenführer Bajohr,
Elektrowelfer Ballnath,
Heizer Friedr. Bangel,
Ofenmeister Bärfacker,
Gustav Bartilewski (Str.-Bahn-Werkstatt),
Lagerverwalter Arthur Bartz,
Friedr. Baumgart (KWS.),
Wagenführer Herm. Baumgart,
Masch.Meister Walter Baumgart,
Bruno Beck (Schaffnerabrechnungsstelle),
Fundsachenverwalter August Becker,
Wagenführer Friedr. Bergatt,
Heizer Albert Bernedeit,
Wagenführer Beutler,
Obermonteur Walter Bissem,
Schweißer Kurt Blankenburg,
Einrichter des Gaswerkes Gustav Blaß,
Bm.-Helfer Blömke,
Schlosser Kurt Blokowsky,
Karl Bluhm (KWS),
Wagenführer Fritz Blumenau,
Verkehrsleiter Wilhelm Bock,
Pumpenwärter Gustav Bombien,
Fritz Böhnke (Gaswerk),
Herta Böttcher (KWS),
Wagenführer August Borchert,
Schmied Wilhelm Borm,
Weichenschmied Bormann,
Wagenführer Friedr. Borrmann I,
Bosch I.
Kraftwagenführer Bosch,
Obermaschinist Herbert Böttcher,
Monteur Walter Böttcher und Frau,
Wagenführer Gustav Boy,
Heinrich Boy,
Meister im Hufendepot Brand,
Brandenburger (Kanalwerk),
Buchhalter Hans Brandt,
Dienststellenleiter Hans Braun,
Schaffner Hermann Braun, Bm.-Helfer Brinkmann,
Robert Brokatzki (Gaswerk),
Hauptkassierer Franz Bruns,
Georg Budelski,
Vorarbeiter Richard Butzki;
Stadtbaumeister Max Christ,
Studienrätin Anna Czygan und Meta Czygan.
St.-Bauing. Erich Czech,
Max Cus (Zählerabtg.),
Ingenieur Alfred Cyimmek (W. W. Seewalde);
Städt. Kammermusiker Johannes Drichel,
Standesamtsvorsteher i. R. Fritz Döring,
Obmann des Opernchors Horst Döring,
Prof. u. Mag.-Baurat Doherr,
Angest. Frau Frieda Didrichkeit,
Vorarbeiter Karl Diekert und Frau Ernestine (KWS),
Hebamme Damappel,
Verw.-Rat Danzer.
St.-Insp. Heinz-Joachim Dombrowski,
St.-O.-Insp. Hermann Dezelski,
Schwester Auguste Donath,
Straßenbahner Friedrich Damerau,
Ludwig Dank (KW),
Kontrolleur Franz Deutschmann,
Franz Dittrich (KWS),
Wagenführer Ernst Dömpke,
Wagenführer Döring,
Wagenführer Albert Domscheit,
Schlosser Ewald Eisenheim,
Schaffner Rudolf Elf,
Stenotypistin Frau Elmer,
Buchhalter Gustav Ellert,
Schaffner Franz Enderscheit und Frau,
Hermann Engelbrecht (KWS),
Betriebsdirektor Epperlein (EW),
Fritz Ewert und Frau (KW),
St.-O.-B.-Insp. Eichberger,
Spark.-Dir. Eberle,
Obergärtner Engel.
Gertrud Engelbrecht (Kindergarten Haberberg),
Hallenmeiste Federmann,
Lebensmittelversorger Friedr.-Wilhelm Fuhlbrügge,
Mag.-Rat Gerhard Fanelsa. Frau und Tochter,
Studienrat Dr. Froese,
Lehrerin Anna Funk,
Dorothea Fischer,
Fürsorgerin Forstreuter,
St.-O.-Sekr. Paul Frommholz,
Vollz.-Sekr. Aug. Fisahn,
Buchhalter Hans Fahrenholtz (KWS),
St.-Insp. Arthur Faust,
Alb. Faust (KWS),
Schaffner Aug. Feltz,
Werkmeister Albert Feyerabend.
Ernst Feyerabend (KWS),
Buchhalter Werner Fischer,
Fischer II (Strß.-Bahn),
Gelderheber Fritz Flach,
Hermann Flemrning,
Angest. Frisch und Frau,
Hausbeleuchter Josef Fröhlich,
Ing. Roman Fuerth.
Schaffner August Fugh,
Stadtbaumeister Walter Grabowski,
Dr. med. vet. Reinhold Gohr,
Verw.-Angest. Gruschkus und Frau,
Angest. Frau Grow,
St.-Bau-O.-Insp. Max Gutzeit.
St.-O.-Sekr. Emil Garmeister,
Stadtamtmann Karl Gudat und Frau Anna,
Hans Gerst,
Gartenarchitekt A. Gecelli,
Angest. Götz (Wi.-Amt),
Stifts-Angest. Minna Grinda,
St.-Insp. Albert Gasenzer,
St.-O.-Bau-Insp. Goltz,
St.-O. Insp. Graf, St.-Insp. Gewitsch,
Maschinist Gobien,
St-O.-Insp. Gomm,
St-O.-Insp. Walter Gronwald,
St.-Insp. Peter Grabowski,
Angest. Elisabeth Groß geb. Frost,
St.-Insp. Heinz Grenda,
Spark.-Angest. Hildegard Grigo,
Groneberg und Frau (Stiftung),
St.-Insp. Willi Grimm.
Pförtner August Gehlhaar,
Arbeiter Gustav Gehlhaar,
Ing. Gelmroth,
Dr. Gerhard (GW),
Wagenführer August Gerlach I und Frau,
Kranführer Gustav Gerlach,
Wagenführer Fritz Geri,
Angest. Emil Göritz,
Kraftwagenführer Gottwill (GW),
Kontrolleur Karl Grabowski,
Monteur Walter Gräber,
Einrichter Eugen Grahl (GW),
Franz Gramatke (GW),
Wagenführer Franz Grau,
Schlosser Hugo Gribbe,
Karl Gronau (GW. Altst. Bergstr.),
Fahrmeister Kurt Gronau,
Hilfskontrolleur Jose Gröger,
Pförtner Bruno Gronewald,
Angest. Groszjohann (GW),
Angest. Erwin Gruhn (Rechn.-Büro),
Arbeiter Max Grunert,
Otto Grüscher,
Obermaschinist Fritz Gubba,
Gustav Guß,
Schlosser Walter Guß,
Stadtamtmann Hansen,
Architekt Hübner,
St.-O.-Sekr. Bruno Hellwig, Frau und Tochter,
St.-Sekretärin Frieda Haupt,
Angestellte Holzmann,
Dipl.-Ing. Hülsmann,
Angestellter Franz Hochmann,
städt. Konzertmstr. August Hewers,
Horch und Frau (Fuhrgesch.),
Brückenarbeiter Friedr. Heß,
St.-O.-Sekr. Paul Hensel,
St.-O.-Bau-Insp. Hoffmann,
St.-Insp. Alfred Henseleit,
St.-O.-Insp. Herbert Hahn,
St.-O.-Bau-Insp. Herbert Hein,
Architekt Hildebrandt,
Angestellte Horn (Grdst.-Amt),
Angest. Erich Horn,
Angest. Hildegard Heyer,
St.-Sekr. Otto Hesse,
Gewerbeoberlehrerin Hinz,
Büroangestellter Egon Hahn und Frau,
Wagenführer Ernst Hantel,
Gelderheber Julius Harnack,
Monteur Rudolf Harnack,
Wagenführer Albert Hartwig,
Schlosser Kurt Hartmann,
Fritz Hecht (GW),
Heizer Hermann Hecht,
Julius Hecht (KWV),
Schaffner Karl Hecht,
Hausmeister Heidecker,
Bote Karl Hein,
Elektriker Ernst Heinrich,
Fritz Heidt und Frau, Wilhelm Heidt,
Wagenführer Friedr. Hermann I,
Friedr. Hermenau I,
Beleuchter Friedr. Heß,
Oberheizer Heß,
Schlosser Wilhelm Heß,
Straßenbahnführer Fritz Hill,
Hermann Hirschmann,
Ing. Hörtsch (GW),
Ernst Hoffmann,
Straßenbanner Karl Hoffmann,
Wagenführer Walter Hoffmann,
Chemiker Dr. Ernst Hohlfeld,
Wagenrangierer Holl II,
Karl Holweck,
Ernst Holzke,
Maschinenmeister Franz Hopp,
Oberheizer Franz Hopp,
Heinrich Hopp,
Obermaschinist Karl Horn,
Angest. Horstmann.
Polier Hübner,
Maschinist Albert Hübner,
Techniker Hermann Hübner,
Wagenführer Albert Hüge,
Wagenführer Rudolf Huhn.
Max Isekeit (Maschinist EW),
St.-Amtmann Jeloneck.
Gartenbau-O.-Insp. Jobst,
Rektor Jordan,
Kutscher Jackstein, Lagermeister John,
Juliane Johannsen,
Erna Janke geb. Treike,
St.-O.-Insp. Josupeit,
St.-Baumeister Johannes Jurzig.
Angest. Hans Jährling,
Kontrolleur Jäschke,
Maschinist Julius Jahns,
Ing. Rudolf Jakubczyk,
Willi Jaquet (Strß.-Bahn),
Kurt Jerau (Strß.-Bahn),
Johann Jerosch,
Georg Jung,
Elektroschweißer Wilhelm Kähler,
Otto Kallweit (Strß.-Bahn),
Kontrolleur Kalweit,
Maschinenmeister Kegelbein,
Obermaschinist Johann Kers,
Schaffner Erich Kerwien,
Maschinenputzer Fritz Keßler,
Oskar Kiehn (GW),
Putzfrau Liesbeth Kissehl,
Wagenführer Franz Klang,
Kontrolleur Klapschus,
Kurt Klebb,
Friedr. Klein (EW),
Ofenmeister Kling,
Kluge (EW),
Angest. Johanna Kluwe,
Abteilungsleiter Kurt Körbl,
Vorarbeiter Franz Körnbach,
Hermann Köshing (KW.),
Kohlhaw,
Elektromonteur Paul Kolberg,
Betriebs-Ing. Horst Kollwer,
Kranführer Hermann Korinth,
Tischler Erich Korn II,
Kowalewski (KWS),
Gg. Kramer (Labor GW),
Straßenbahner Fritz Krause III,
Schaffner Gustav Krause,
Hans Kretschmann,
Gustav Krüger,
Ing. Julius Krüger.
Angestellter Franz Krzyzanowsky,
Karl Kühl (KW. Dorotheenhof),
Schaffner Kuglau,
Schaffner Gustav Kukla,
Schaffner Franz Kumrix,
Schaffner i. R. Kundrus,
Schaffner Emil Krunter,
Einkäufer Kuschka,
St.-0.-Insp. Kruppa,
St.-Insp. Kroll,
Oberschwester Martha Krüger,
Angestellte Kramer,
Heizer Krüger,
St.-Insp. Kornblum und Frau,
St.-O.-Sekretärin Martha Kühn,
Liesbeth Kretschmann,
Oberbaudirektor Dr. Kuntze,
Oberdesinfektor Gustav Kugge,
St.-O.-Insp. Emil Kalau,
Spark.-Angest. Hedwig Kutz,
St.-Insp. Erich Kuhn und Frau Elsa geb. Guth,
St.-O.Insp. Erwin Katschinski,
St.-Assistent Richard Kohn und Familie,
Arno Köster,
Stadt-Inst. Kurt Klinger,
Standesbeamter Karrer,
Angest. Albert Kaminski,
St.-Sekretärin Helene Kreutz,
Frau Kramer (Städt. Kr.-Anst.),
Pfleger Krüger,
St.O.-Sekr. Hermann Kiauk,
Mag.-O.-Baurat Erich Knoll,
St.-Bau-Ing. Gottlieb Kalhorn und Frau.
St-O.-Sekretärin Martha Kohn,
St.-Sekr. Kramer,
Maskenbildnerin Kaiwert geb. Fincis,
Wilh. Krause,
Spark.-Angest. Kraska,
Werkführer Hermann Kendler,
Lehrerin Katherina Kaslack,
Lehrer Emil Kötzing,
Gewerbelehrerin Elfriede Katins,
Lotte Kaddack (Wi.-Amt),
Spark.-Angest. Fritz Küssner,
Frau Leder (Wi.-Amt),
St.-Sekretärin Elly Lopp,
Oberwäscherin Antonie Lisseck,
St.-Insp., Otto Luckau,
Angest. Friedr. Laser,
Mechaniker Johann Lettau,
St.-Insp. Otto Leppack,
Mittelschullehrerin Lübbe,
Angest. Lehmann (St. Kr.-Anst.),
Frau Anna Lange (Wi.-Amt),
St.-Insp. Leeder,
Bibl,
Magazinverwalter August Liedtke,
Prokurist Karl Lechleiter,
Hausmeister Wilhelm Laurin,
Vermess.-Ob.-Inspektor Willi Langhans,
Hermann Liedig,
Ing. Laddey, Auguste Lange (GW),
Fritz Lange (Schaffnerabrechnung),
Töpfer Kurt Lelewel,
Hofarbeiter Friedr. Lemke,
Wagenführer Herm. Lemke,
Elektromeister Otto Lemke,
Heizer Paul Lenzing,
Schaffner Gustav Lentzky,
Schaffner Adolf Lerbs,
Buchhalter Herbert Lewenski,
Wagenführer Gustav Lieck,
Heizer August Liedtke,
Ing. Franz Liedtke,
Verkehrs-Insp. i. R. Franz Liedtke,
Gottfr. Liedtke (GW),
Glaser Kurt Lindh,
Arbeiter Arthur Lindigk,
Wagenführer August Laschwitz,
Oberkontrolleur Ferdinand Lossau,
Heizer Gust. Lowski,
August Lukat,
Heizer Luttkau,
Wagenführer Hans Lux,
Schaffner du Maire und Frau,
Maleike,
Mechanikermeister Marenke,
Oberwerkmeister Margies,
Schachtmeister Wilhelm Meier,
Rudolf Meitz,
Gustav Melasch,
Franz Melzer,
Gelderheber Friedr. Wilhelm Melzer,
Ing. Willy Mertsch,
Straßenbahner Karl Michalowitz,
Lagerverwalter Karl Mindt,
Ernst Mitschull (GW),
Schaffner Franz Möhr,
Einkäufer Walter Motzkus,
Wagenführer Franz Müller,
Fritz Müller (WW Neuendorf),
Bauführer Martin Müller,
Schmied Theodor Müller,
Ing. Ernst Münier,
St.-O.-Amtmann Albert Mertsch und Frau,
St.-Insp. Kurt Meiert,
St.-Amtmann Alfred Meiert,
Spark.-Angest. Marholdt,
Erna Meitz (Grdst.Amt),
Angest. Hugo Martsch,
techn. Assistentin Eleonore Mielke,
Maschinenmeister Otto Moselewski,
Brückenmeister Rudolf Metz,
Dipl., Bibliothekarin Lucie Marter,
St.-Insp. Kurt Maertsch,
Insp. d. Fuhrges. Johann Marciniak,
Verw.-Direktor a. D. Mielke.
St.-O.-Bau-Insp. Manthey,
Prof. Dr. Kurt Munier.
Angest. Elsbeth Meißner,
St.-O.-Insp. i. R. Julius Meißner,
Vermess.-Direktor Moritz.
Stadtrat Muß,
St.-O.Inspektor Bruno Magendanz,
Fürsorgerin Liesbeth Mühlhaupt,
St.-Insp. Paul Moselewski,
St.-Insp. Gustav Mildt,
Angest. Karl Möhring,
St.-O.-Sekr. Erna Mirau,
St.-O.-Insp. Richard Mazon,
Oberschullehrerin Hilde Mittelstaedt,
St.-O.-Bau-Sekr. Karl Mey,
St.-Bau-O -Insp. Kurt Messelhäuser,
Stenotypistin Margarete Müller,
St.-Insp. Kurt Neßlinger,
Bruno Nikolajewski,
Meister der Feuerschutzpolizei Karl Nikoleit,
Obergärtner Johannes Neumann,
Else Neubauer, Verw.-Geh. Friedrich Niedermeiser,
Schaffnerin Therese Neumann,
Oberschullehrerin Ruth Nietzki,
Otto Neumann (Kämmerei),
Kammermusiker Noatnick,
Kammermusiker Fritz Nowack,
Spark.-Angest. Erich Neumann.
St.-Assistentin i. R. Marg. Neubauer,
St.-Sekretärin Marg. Newger,
Oberschullehrerin Paula Nordt,
Lehrerin i. R. Maly Nordt,
Straßenbahner Hermann Naujokat,
Wagenführer Neubert,
Einrichter Neumann (GW),
Arbeiter Hermann Neumann,
Kassenbote Julius Neumann,
Angest. Friedrich Niedermeiser,
Schaffner Paul Niemczik,
Uhrmacher Ernst Nöske.
Ernst Norgall,
Uhrmacher Albert Oberüber.
St.-O.-Insp. Paul Orlick,
Fürsorgerin Freda Ogilvie geb. Wottrich,
Hermann Oltersdorf (Strß.),
Insp.-Anwärter Siegfried Oder,
Schmied Gustav Polleit,
Studienrat Dr. Erich Pokar,
St.-Amtmann Fredi Pfennig,
St.-Insp. Erich Pfeil.
Sparkassenleiter Franz Potschien,
Architekt Peto,
St.-O.-Sekr. Friedr. Puck,
Lehrerin Preck,
Maschinenbuchhalterin Gertrud Pahlke,
Spark.-Angest. Fritz-Hermann Paetsch,
Rev.-Gärtner Paulun,
Sportwart Oskar Powels,
Arbeiter Gustav Pieper,
Heizer Christoph Pohlmann,
Straßenbahnführer Albert Pohlmann,
Arbeiter Hermann Pflug,
Stadthaus-Insp. Friedr. Paulukuhn,
Mittelschullehrerin Perkuhn,
Masch.-Meister Robert-Emil Poerschke,
St.-Insp. Petrusch,
Hallenmeister Pottel,
St.-B.-O.-Insp. Petermann,
Frau Pink (St. Kr.-Anst.),
Brückenmeister Karl Pfeffer,
Stenotypistin Hedwig Preuß,
St.-Insp. Gustav Perkuhn,
Rev.-Gärtner Richard Paskarweit.
St.-Sekr. Arthur Powels,
Angest. Otto Passenheim,
St.-O.-Sekr. Pauluhn und Frau,
Hafenmeister Bruno Pohl,
St.-Insp. Penkwitt,
Schaffner Fritz Packhäuser,
Fritz Pahlke,
Artur Pallagiers,
Ing. Hans Passenheim,
Schaffner Gustav Pelz III.
Wagenführer Paul Petereit,
Emil Petermann (KWS-Entwässerungspolizei),
Wagenführer Fritz Petrusch.
Schaffner August Pfeifer,
Schaffner Gustav Philipp III,
Einkäufer Artur Peppel,
Willi Perner,
Hilfsmonteur Ernst Piczarra,
Pumpenwärter Hermann Pieper.
Maschinist Hermann Plöw,
Arbeiter Franz Pöschke,
Pokolm (GW),
Gasrohrnetzmeister Karl Posnien,
Vorschlosser Otto Posnien,
Bote Franz Postelmann,
Karl Prang (KW),
stellvertr. Betriebsführer Dr. Udo Pucknat,
Schmied Oskar Pusch,
Franz Puschke,
Werkmeister Franz Quednau,
Hugo Quednau,
Rudolf Queiß,
Grundstücksverwalter Gustav Quoos,
St.O.-Insp. Friedr.-Emil Quindt,
St.-O.-Insp. Reddig und Frau.
St.-Insp. Rapöhn,
Verw.-Rat Hans Radtke,
Spak.-Kassierer Ritter und Frau.
Wasserwerksleiter Franz Raukuttis,
Ing. Rosenthal,
Spark.-Abt.-Leiter Wilhelm Ressat,
St.-Insp. Willy Ruth,
St.-O.-Insp. Kurt Rautenberg und Frau,
St.-Insp. Hans Redetzki,
Mag.-Rat Max Reichert,
St.-Sekr. Käthe Raudies,
St.-O.-B.-Insp. Romeike,
Angest. Emmy Reiter,
Staatskapellmeister Reuß,
St.-O.-Insp. Franz Radtke,
St.-O.Sekr. Willy Romeike,
Gartenbau-Insp. Reiter, Mag.-Baurat Dr.-Ing. Rieck,
Wäscherin Alma Rublin,
Lehrer Oskar Rogge,
Angest. Gertrud Ramm,
Dipl.-Ing. Riethausen,
Arbeiter Franz Reinke,
Hermann Raabe (GW),
Radau (WW Jerusalem),
Direktionsbote Karl Radau,
Franz Radmann,
Sebastian Ranzon,
Franz Rathmann,
Franz Rautenberg (Straßenbahn-Werkstatt),
Kühlerwäscher Franz Reimann,
Baurat Max Roettger und Frau,
Rudolf Rogge (Straßenbahn-Werkst.),
Buchhalter Ewald Rohinski,
Vorarbeiter Herm. Rehberg,
Schaffner Regge,
Hausbeleuchter Otto Rosomm,
Tischler Otto Ruttkies,
Oberstudienrätin Dr. Elisabeth Skwarra,
St.-Insp. Helmut Sauerbaum,
St.-Insp. Singpiel,
Paul Sonnabend (St. K.-Anst.),
St.-O.-Sekr. Slomka,
St.-O.-Insp. Friedr. Szambien und Frau,
Frau Anni Stadie (Wi.-Amt),
Waldemar Stoffregen (Leihamt),
Schwimmeister Friedr. Stein,
St.-O.-Insp. Kurt Stolzenberg,
Standesebamter Wilhelm Selke,
Kutscher August Störmer,
Amtsgehilfe Bernhard Spill,
O.-busführer Georg Sakowski,
Salewski Adolf und Frau,
Karl Sallach,
Installat.-Meister Sameit,
John Saro,
Uhrmacher Sauerbaum,
Ing. Kurt Seeck,
Oskar Seinwill,
Monteur Otto Siebert,
Wagenführer Albert Skottke,
Buchhalter Karl Specht,
Ing. Bruno Springer,
Feuermann Karl Stamm,
Schaffner Helmut Sturmhöfel,
Hans Stanke,
Verw.-Angest. Meta Steinorth,
St.-Insp. Gustav Seeligmann,
Charlotte Seeger,
Dipl.-Ing. Wilhelm Seifert,
St-O.-Insp. Paul Skrodzki,
Angestellte Frau Stantus (St. Kr.-Anst.),
St.-Sekr. Steffenhagen,
Buchhalter Samariter (Stiftung),
Angest. Gustav Stanke,
Angest. Martha Sprengel (Wi.-Amt),
Arbeiter Sommer,
Amtsgehilfe Spitz,
Helfer Karl Steinhauer,
Helfer Stobbe.
Schlosser Richard Stolzenwald,
Kurt Strehl (GW),
Stenotypistin Erna Stüber,
Handlungsbevollmächtigter Hans Stuebke.
Schaffner Helmuth Sturmhöfel,
Rechn.-Direktor Johannes Schadagies,
St.-O.-Amtmann Schiemann,
St-O.-Baurat Schäff.
Spark.-Angest. Meta Schwibbe,
Heizer Albert Schulz (St. Kr.-Anst.),
Pfleger Schulz,
Stadt. Sekr. Anna Schundau,
St.-Insp. Gotthold Schütz,
Fürsorgerin Anna Schulze.
St.-Insp. Alfred Schusterius.
St.-Sekr. i. R- Gustav Schundau,
Baudirektor Dr.-Ing. Schmidt,
Stadtbaurat Walter Schwarz,
Architekt Schmidt,
St.-B.-Insp. Wilhelm Schröder,
St.-Amtm. Paul Schulz,
St.-Insp. Paul Schimkuweit,
Adolf Schewitz,
Wäger,
August Schaner,
Otto Schiemann und Frau,
Steuerprüfer Bruno Schulz,
Spark.-Angest. Kurt Schmidtke,
Spark.-Zweigstellenvorsteher Schrader,
Spark. Angest. Else Schmolski,
Kammermusiker Schenk und Frau,
Fürsorgerin Gertrud Schinanowski,
Mag.-Bürodir. Karl Schirrmacher u. Schwester,
Speichermeister Karl Schirrmacher,
St.-Insp. Herb. Scheidereiter,
Vermess.-Geh. Franz Schorowski,
Kutscher Schilinski (Stadtgärtnerei),
Angestellter Andreas Schwuj und Frau (Fuhrges.),
St.-O.-Sekr. Paul Schönwald,
Fritz Schletter (Fuhrge.),
Portier Scheffler,
Stenotypistin Dora Scherwath,
Gustav Schewsky (GW).
Ing. Fritz Schiemann,
Ableser Rudolf Schiemann,
Fritz Schimmelpfennig,
Schweißer Ferdinand Schipper,
Einrichter Carl Schmekyes,
Gustav Schmidt,
Schichtführer Adolf Schmidtke,
Monteur Albert Schmidtke,
Dientstellenleiter Ernst Schmidtke,
Franz Schmidtke,
Maschinist Karl Schmidtke und Frau,
Schidtke (KW),
Gelderheber Karl Schmolinski,
Angest. Willi Schmukat,
Dauer-Angest. Alfred Scholz,
Weichenreiniger Schröder,
Straßenreihiger Schröder (Fuhrg.),
Kontrolleur Hannes Schröder,
Hermann Schröder (GW),
Zählerableser Gustav Schulz und Frau,
Fritz Schulz,
Heinrich Schulz II (GW),
Hermann Schulz (GW),
Stellmacher Otto Schulz,
Walter Schulz,
Monteur Schwärmer,
Schaffner Emil Schwärzel,
Arbeiter Ernst Schwarzkopf,
Monteur Walter Schwenkner,
Meister im EW Fritz Schwermer,
Wagenführer Wilhelm Schwoebbe,
Heinz Scheffler,
Lotte Scheffler,
Gasrohrleger Emil Schulz,
Helfer Karl Steinhauer,
Helfer Stobbe,
Schlosser Richard Stolzenwald,
Kurt Strehl,
Stenotypistin Erna Stüber,
Handlungsbevollmächt. Hans Stuebke,
Schaffner Helmuth Sturmhöfel,
Wagenführer Fritz Tausenfreund,
Angest. Frau Tautenhahn,
Adolf Tesch,
Hauptlagerverw. Eugen Thurau,
Rudolf Thurau und Frau,
Gelderheber Albert Tiedemann,
Wagenführer Erich Timmler,
Hermann Tollkühn,
Kohlenarbeiter Friedrich Trampenau,
Ing. Trampler,
Dr. med. vet. Fritz Tauchert,
St.-Bau-O.-Insp. i. R. Paus? Trossert und Frau,
Angest. Frau Tink,
Spark.-Angest. Walter Tuluweit.
Helene Talaska,
Oberstudienrätin Dr. Gertrud Toussaint,
St.-Amtm. i. R. Alfred Troike.
St.-Bau-O.-Insp. Hans Thiel,
St.-Insp. Ernst Treichel,
St.-O.-Sekr. Else Tromm,
Angest. Margot Teschner,
Gartenbau-O.-Insp. Tannenberg,
St.-Insp. Albert Thimm,
Stadtbaumeister Wilhelm Unverhau,
Werkführer Otto Urbscheit (GW).
Heizer Volkmann (St. Kr.-Anst.),
Kraftfahrzeugmeister Ewald Vittinghoff,
Vorschlosser Fritz Wagner,
Wagenführer Fritz Wargenau,
Willy Warschun,
Werkmeister Leopold Waschkowski,
Willy Wasserberg,
Registrator i. R. Carl Weber,
Karl Wenzel (GW),
Lagerverw. Walter Wentz,
Maurer Kurt Werke,
Schaffner Paul Wermke,
Monteur Paul Wermke,
Paul Wernicke,
Greiffahrer Karl Weyde (GW),
Walter Weyde,
Siegmund Wichert,
Wieandt (WW),
Fritz Wiechert,
Angest. Paul Winguth,
Franz Wischnath,
Wagenführer Franz Wölk III,
Christoff Woischwill,
Wokök (GW),
Elektromeister Erich Wölk.
Wagenführer Franz Wölk,
Vorarbeiter Paul Wölk,
Fritz Worien.
St.-Sekr. Else Wienholdt,
Angest. Winterfeld (St.-A. 16),
Labordiener Will,
Kammermusiker Robert Wiosna,
St.-B.-O -Insp. Paul Wiemer und Frau,
St-O.-Insp. Hans Weiß,
St.-Sekr. Ernst Wenk,
St-Bau-O.-Insp. Wolfram,
Walzenlokführer Walter Wenk,
St.-Insp. Josef Weiß,
Brandmeister Georg Wölk,
Spark.-Angest Gerda Werner,
Spark.-Angest. Alfred Werner,
Alfred Wilfert (Fuhrges.),
St.-O.-Insp. Richard Wipprecht,
St.-Assistentin Magda Wachowski,
Techn. Adolf Weigand und Frau,
Rektor Weyer (Roonschule),
St.-Assistent Otto Woyword,
St.-O.-Sekr. Gustav Wiechert,
Ernst Zander (KWS.),
Wagenführer Rudolf Zimmer,
Schaffner Friedr. Zundel,
St.-O.-Insp. Zeitzmann,
St.-O.-Schulrat Zander,
St.-O.-Insp. Helmut Zilian,
Heizer Erich Zenker und Frau und Sohn,
St.-Insp. Hans-Hermann Zeidler,
Steuer-Vollz.-Sekr. Franz Zink,
Dr. med. vet. Heinrich Zarnack,
Verw.-Angest Ziese,
St.-Insp. Rudi Zabe.
Die hier mitaufgeführten Arbeitskameradinnen und Arbeitskameraden der KWS wurden aus der von Kamerad Alfred Berger, (24b) Leck, Hallberg 2, aufgestellten Totenliste entnommen. Die Namen unserer vielen Vermissten, deren Schicksal bis heute nicht geklärt werden konnte, werden in den nächsten Nummern dieses Heimatblattes bekanntgegeben. Da sich von diesen Vermissten nach zehn Jahren niemand gemeldet hat, dürfte sich die Zahl unserer Toten mit rd. 50 Prozent erhöhen.
Wir werden unsere Toten nicht vergessen!
Anschriften-Sammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten- -angestellten und -arbeiten (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1.
Seite 10 Zum Tode von Oskar Schlicht
Wer war Oskar Schlicht? Die jüngere Generation kennt den Namen kaum; doch mancher der Älteren Ostpreußen wird Oskar Schlicht noch vor sich sehen, wenn er ihn auch nach Verlassen der Heimat nicht mehr zu Gesicht bekommen hat. Am 30. April 1955 hat den 87-jährigen der Tod, seinen Ostpreußen für immer entrissen.
1867 in Fischhausen geboren, verließ Schlicht mit 21 Jahren seine Vaterstadt. Über Schweden, Kiel, Berlin führte ihn der Lebensweg nach Dresden, wo er zusammen mit Kolbe einen Kunstverlag gründete; ihm stand er, später allein, bis zu seinem Tode vor und hielt ihn in hoher Blüte. Oskar Schlicht war auch fern seiner Geburtsheimat stets ein treuer Sohn Ostpreußens geblieben, nicht allein mit seinem Herzen sondern auch mit seinem außerfachlichen Streben und Tun. Der Geschichte und Kultur seines Heimatbodens stand er niemals nur empfangend gegenüber; sein Streben ging weiter: er forschte und schrieb. Die dazu verwandten Reisen nach Ostpreußen waren ihm in guter Zeit fast alljährlich gleichzeitig Erholung von seinem Fachbetrieb. So entstand unter seinen Händen, im Laufe seines langen Lebens manches Buch heimatlichen Inhalts u. a. in mehreren Bänden „Das westliche Samland“. Ein unstreitbar bleibenden Verdienst hat sich Oskar Schlicht durch die Herausgabe einer ostpreußisch-landeskundlichen Bücherreihe erworben, für die er einschlägige Forscher als Mitarbeiter zu gewinnen wusste. Wer sich unter ihnen befindet, weiß zu berichten, wie großzugig und selbstlos er die Herausgabe besorgte. So ging ein Werk von beispielhaftem Range hervor. Bis ins hohe Alter kreisten seine Gedanken um neue Arbeitspläne. Die Interessen Oskar Schlichts griffen aber auch über die Grenzen der engeren Heimat hinaus und auf andere Gebiete über. Bei seinem Tode stand kurz vor der Vollendung u. a. seine eigentliche Lebensarbeit: „Alteuropäische Kulturgeschichte“, seinen letzten Wunsch, diese zu Ende zu führen, hat das Schicksal ihm versagt.
Nr. 831/I: Bruno, unbekannter Unteroffizier, Kfz.-U.-Scharführer bei Kdr. D. Sich.-Pol. Königsberg: Am 07./08.04.1945 fiel in Königsberg ein unbekannter Unteroffizier, der zuletzt Angehöriger obiger Einheit war. Personalien: geb. etwa 1910, verheiratet. Vater mehrerer Kinder, vermutlich aus der Gegend von Königsberg.
Seite 11 und 12 Königsberger Stadttheater. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt. 5. Fortsetzung
Foto: Der Königsberger Schlossteich im Maienschmuck
Foto: Blick auf die Schlossteichbrücke — links die Stadthalle
Der festlich geschmückte Zuschauerraum strahlte in der großartigen Beleuchtung des Kronleuchters mit seinen zweihundert Gaslampen, der seit der Eröffnung der Königsberger Gasanstalt im Jahre 1853 den früheren Bronzelüster mit Zylinderlampen, die gegen die neue weißstrahlende Beleuchtungsart nur wie jämmerliche Funzeln gewirkt hatten, abgelöst hatte.
Als Festvorstellung gab Direktor Woltersdorff Flotows Oper „Der Müller von Meran“, eine unter dem Titel „Albin" erst 1856 geschriebene, dann umgearbeitete Oper des erfolgreichen Komponisten des „Alessandre Stradella“ und der „Martha“, der mit fast französischem Charme, Boildieu, Auber und Adam folgend, seine nicht tiefen, aber leichtflüssigen und einschmeichelnden Melodien hinwarf, dazu Texte bevorzugend, bei denen das deutsche Gemüt nicht fehlen durfte.
Doch so sehr auch die Gegenwart der Majestäten die Sänger veranlasste, ihr Bestes zu geben, so sehr die vortreffliche Akustik des Raumes ihre Bemühungen unterstützte so huldvoll das hohe Paar in der schönen Königsloge Beifall spendete, so heiter und gutgelaunt das Publikum klatschte — die Oper schlug nicht sonderlich an und verschwand auch bald vom Spielplan. Das lag ebenso wohl an dem schlechten Textbuch, als daran, dass man von dem gefeierten Komponisten eine Steigerung über seine so beliebten Opern hinaus erwartet hatte, die nicht erfüllt worden war.
Dem Glanz des Tages aber und dem festlichen Ereignis tat dies keinen Abbruch, und das Stadttheater erlebte wieder einmal einen seiner großen Tage. —
VIII.
26. X. 1879.
Ohne Widerhall beim Publikum waren am 3. März 1875 die Klänge von George Bizets „Carmen“ in der Opera comique zu Paris verrauscht.
Kühl hatten die Pariser dass wildbewegte und ergreifende Textbuch von dem Zigeunermädchen und dem Sergeanten, das Meilhac und Bizets Schwiegervater Halévy nach Prosper Merimées Novelle geschrieben hatten, als unmoralisch abgelehnt. Bizets strahlende und an musikalischen Einfällen übersprudelnde Musik hatte keinen Eindruck auf sie gemacht, vielmehr sei sie, sagten die Pariser, „total verwagnert“ und Bizet treibe die französische Musik dem „Germanismus“ in die Arme.
Der Meister war tief betroffen; als er den ersten Schock überwunden hatte, hatte er sich daran gemacht, den gesprochenen Dialog in Rezitative umzuarbeiten; aber als er am 3. Juni desselben Jahres in höchster Verzweiflung über seine Schulden zur Pistole griff — erst 37-jährig —, sagten seine Freunde, die Enttäuschung über den Misserfolg seines Meisterwerkes hätte ihm das Herz gebrochen.
In Deutschland tat als erster der seit 1877 das Königsberger Theater leitende Direktor Max Staegemann den kühnen Griff nach dieser erfolglosen französischen Oper; er erwarb sie zur deutschen Erstaufführung, die dann am 26. Oktober 1879 unter der Direktion des bisherigen Oberregisseurs Goldberg im Stadttheater erfolgte.
Diese deutsche Uraufführung brachte einen vollen Erfolg. Schon das Aufziehen der Wache im Beginn des ersten Aktes, die von ein paar strammen, von den Kronprinzen ausgeliehenen und spanisch eingekleideten Rekruten vollführt wurde, und ihre reizende Wiederholung im Diskant durch die mit Holzschwertern und Papierhelmen geschmückte Sevillaer Straßenjugend rief den Beifall der Zuschauer auf den Plan.
Und wie sollte die sich unter dem sonnigen blauen Himmel Spaniens anspinnende Liebesgeschichte zwischen dem wackeren José und dem koketten Zigeunermädchen das kühle Königsberger Publikum nicht entzückt haben, zumal die beliebte Mezzosopranistin Fräulein Schmoleck reizend genug über die Bühne tänzelte und die lockende Habanera mit allem Schmelz zu singen wusste.
Und musste nicht Micaelas blonde Züchtigkeit im blauen Kleidchen, von Fräulein Traut, der jugendlichen Sängerin, innig dargestellt und zart gesungen, das deutsche Gemüt der Königsberger umso mehr rühren, je wilder die verführerische Carmen mit Castagnettengeklirr über die Bretter von Lillas Pastias Kneipe am Wall wirbelte?
Reicher Beifall belohnte all die melodiösen und spritzigen Einfälle der Musik, die knappgeformten hübschen Instrumentalsätze, um dann nach dem einschmeichelnden und prächtigen Liede des Toreros Escamillo, stolz und selbstbewusst von dem ersten Bariton des Theaters, dem beliebten Herrn Montada, gespielt, in rauchenden Applaus mitten auf offener Szene auszubrechen.
Und mit tiefer Anteilnahme folgten dann die Königsberger dem weiteren Verlauf, in dem der arme Don José, von wilder Eifersucht entflammt, immer mehr den Zauber des reizenden Weibes erliegt, bis er sich so weit vergisst, gegen seinen Leutnant den Degen zu ziehen.
Dann die entzückenden Klänge des Zwischenspiels — der Aufzug der Schmuggler — Carmens Kartenlied mit dem drohenden Schicksalsmotiv — Micaelas rührender Vorstoß in die Felsenschlucht zu dem längst verlorenen Geliebten.
Dann im vierten Akt Josés finstere Entschlossenheit — wieder die klingenden Weisen von Escamillos Lied — die Katastrophe — in banger Spannung folgten die Königsberger den Vorgängen, und als die letzten Takte verrauscht waren, dröhnte stürmischer Beifall durchs Haus.
Die Kritiken der Königsberger Zeitungen mussten den vollen Erfolg der Oper feststellen und sprachen sich selbst anerkennend über das musikalisch wertvolle, fesselnd gemachte, melodienreiche Werk Bizets aus; im Café Bauer am Paradeplatz erklang zur Freude der abendlichen Besucher oft genug die lockende Habanerna oder das Lied der Mutter und die Schusterjungen pfiffen bald die Arie des Torero gellend durch die Straßen der alten Residenzstadt.
Staegemann musste wohl mit dem sicheren Instinkt des geborenen Theatermannes gewittert haben, dass in dieser durchgefallenen französischen Oper musikalische Schönheiten lagen, die dem Publikum im kühlen deutschen Norden aus der angeborenen Sehnsucht des Nordländers nach dem farbigen warmen Süden von selbst sich eröffnen würden, während sie an dem übersättigten und voreingenommenen Pariser Metropolpublikum wohl resonanzlos vorübergerauscht waren. Auch mochte er gesehen haben, dass sich Regiemöglichkeiten für das Auge in dieser Oper boten, die in Paris vielleicht nicht genug ausgenutzt gewesen sein mochten.
Oder hatte es an der Zeit gelegen, die sich erst zu Gunsten des Werkes auswirken musste? Denn auch die anderen Bühnen Deutschlands hatten sich der französischen Oper bemächtigt und am 29. Oktober bereits brachte Köln, am 31. Hamburg das Werk. Auch dort war der Erfolg groß, so dass auch die Königliche Oper in Berlin am 12. März 1880 Bizets „Carmen“ aufführte. Dann folgten Prag, Dresden und Weimar und damit hatte der unwiderstehliche Siegeszug des Werkes begonnen, der dem Komponisten freilich nichts mehr nützen konnte, seinen Namen aber unsterblich machte.
Später hat dann kein Geringerer als Friedrich Nietzsche ein noch heute gültiges Urteil über Bizets „Carmen“ abgegeben, das im Auszug hier angeführt sei:
„Diese Musik scheint mir vollkommen. Sie kommt leicht, biegsam mit Höflichkeit daher. Sie ist liebenswürdig, sie schwitzt nicht . . . Sie bleibt populär — sie hat das Raffinement einer Rasse, nicht eines Einzelnen. Sie ist reich, sie ist präzis. Hat man je schmerzhaftere tragische Akzente der Bühne gehört? Und wie werden dieselben erreicht! Ohne Grimasse! Ohne Falschmünzerei….!
Die Handlung hat von Mérimée noch die Logik in der Passion, die kürzeste Linie, die harte Notwendigkeit; sie hat die limpidezza in der Luft. Hier ist in jedem Betracht das Klima verändert. Hier redet eine andere Sinnlichkeit, eine andere Sensibilität, eine andere Heiterkeit ... Ich beneide Bizet darum, dass er den Mut zu dieser Sensibilität gehabt hat, die in der gebildeten Musik Europas bisher noch keine Sprache hatte — zu dieser südlicheren, brauneren, verbrannteren Sensibilität — Endlich die Liebe, die in die Natur zurückübersetzte Liebe! Nicht die Liebe einer höheren Jungfrau! Sondern die Liebe als Fatum, als Fatalität, zynisch, unschuldig, grausam — und eben darin Natur! Die Liebe, die in ihren Mitteln der Krieg, in ihrem Grund der Todhass der Geschlechter ist! — Ich weiß keinen Fall, wo der tragische Witz, der das Wesen der Liebe macht, so schrecklich zur Formel würde, wie im letzten Schrei Don Josés, mit dem das Werk schließt:
„Ja! Ich habe sie getötet, ich — meine angebetete Carmen!“
Eine solche Auffassung der Liebe (die einzige, die des Philosophen würdig ist) ist selten: sie hebt ein Kunstwerk unter tausenden heraus.“
Und bald fand Bizet auch bei seinen Landsleuten seine zothume Anerkennung: Anlässlich der hundertsten Aufführung der „Carmen“ am 30. Dezember 1883 in der Opera comique zu Paris erfolgte dort die feierliche Aufstellung der von der Hand des Bildhauers Paul Dubois geschaffenen Büste George Bizets.
IX.
25. XII. 1900.
„O, Mutti, Mutti — aber was ist das?“ hatte die kleine, noch nicht fünfjährige Gertrud gerufen, die unter dem brennenden Lichterbaum in höchster Aufregung hin- und hergelaufen war, — von einem Geschenk zum andern — bald ihre neue Puppe, die Mama sagen konnte, ans Herz drückend, bald ein Teekonfektkringelchen von dem hochbeladenen bunten Teller in ihr Mäulchen steckend, bald selig in die zahllosen brennenden Lichtchen des lieben Weihnachtsbaumes hinaufschauend, bald das bunte Bilderbuch betrachtend. — Nun hatte sie, fiebernd fast von all dem Schönen, ein schmales ziegelrotes Kärtchen in der Hand, das sie ihrer Mutter und dem daneben stehenden Vater, die beide voll Glück auf ihr Töchterchen schauten, zeigte. „Sag doch, Papi, was ist das?“ wiederholte sie aufgeregt.
„Da hat dir der Weihnachtsmann eine Eintrittskarte ins Stadttheater zum Weihnachtsmärchen gebracht“, sagte der Vater und strich dem Kinde liebevoll über das Blondköpfchen.
„O, Papi, o, Mutti! Ins Theater! Ins Weihnachtsmärchen!“ jubelte das Kind. „Wann gehen wir denn dahin? — Sag doch — morgen?“ „Ja, morgen, am ersten Weihnachtsfeiertage, mein Liebling“, antwortete die Mutter. „Morgen gehen wir alle drei ins Theater und du sollst nun auch zum ersten Male das Weihnachtsmärchen sehen — es heißt Peterchens Reise ins Märchenland, und das ist sehr schön —.
Klein-Trudchen hatte ganz andächtig zugehört; immer wieder hatte sie von ihren schönen Geschenken auf die ziegelrote Eintrittskarte geschaut, und der Vater, der sie beobachtet hatte, hatte wohl ganz richtig vermutet, dass das Wort Theater für sie ein Zauberwort war, das ihr nun eine neue glänzende bunte Welt öffnen sollte. Er hatte begriffen, dass seinem Töchterlein, das ihn so oft mit großen sehnenden Augen nach den Theateraufführungen gefragt hatte, wenn die Eltern am Abend vorher auf ihr „Abonnement“ im Musentempel gewesen waren, zu Mute war, wie einem, der ein Tor zu bisher nie geschauten neuen Herrlichkeiten aufstößt.
Auch noch in den Vormittagsstunden des ersten Feiertages hatte Trudchen die Eltern immer wieder nach dem Stadttheater gefragt, und als es dann endlich, bald nach halb drei, im Festtagskleidchen wirklich hinging, nach dem alten Haus am Königsgarten, da war das Kind ganz krislig vor heller Vorfreude. Es plapperte und fragte in einem fort, so dass die Eltern gar nicht mit Antworten raten konnten, und der Vater sagte immer wieder mahnend: „Der Wind geht scharf, du musst nicht immer so viel schabbern, sonst erkältest du dich!“
Vor dem Stadttheater drängten sich die Menschen. Zahllose Kinder, blond und braun, vermummt in ihre dichten Mäntel, schritten durch die Pforten und drängten sich an den Garderoben, zeigten den Theaterfrauen ihre Eintrittskarten vor und lugten an ihnen vorbei neugierig und erwartungsfroh in den mächtigen Saal, den sie dann staunend ob solcher Riesengröße betraten.
Auch Klein-Gertrud kam mit ihren Eltern durch den Engpass der Gänge zum Parkett. — Verwundert nahm sie den gewaltigen Zuschauerraum in sich auf: wie blitzte er in Weiß und Rot und Gold, wie hoch war er und wie funkelte von der Decke der ganz neue mächtige Kronleuchter mit hunderten elektrischer Lämpchen, die, wenn man am Schalter nur einmal drehte, alle auf einmal aufstrahlten!
Und hier unten standen lauter Stühle, fest nebeneinander, alle gleich, alles rot und weich gepolstert und die Sitze zum Aufklappen! Da musste man fein achtgeben, dass man beim Hinsetzen nicht unverhofft auf dem Fußboden zu sitzen kam! Und da oben — die riesigen gewundenen Balkone — „das sind die Ränge“, sagte der Vater, der seines Kindes erstaunte Blicke gesehen hatte, mit dem es den überwältigenden Eindruck des Saales zu verarbeiten trachtete.
„Und dort — schau, Papi, — dort, wo der riesige Vorhang ist — da wird das Märchen gespielt?“ Ja, mein Liebling, das ist die Bühne". — „Mutti, Mutti, hörst du die Musik? Was ist denn das? Und wo kommt sie her?“
Dort hinter der Rampe, unten, ist der Orchesterraum — dort sitzen die Musiker und sie stimmen jetzt ihre Instrumente“, antwortete die Mutter. Sie traten an die Parkettrampe und schauten auf die Musiker in ihren schwarzen Anzügen, und Klein-Gertrud konnte sich nicht sattsehen an den kleinen und großen Geigen und den gelb blitzenden, so wunderlich geformten Blasinstrumenten. Die Mutter aber konnte kaum geraten, alle Fragen des Kindes zu beantworten.
So ging es die ganze Viertelstunde bis zu dem Beginn der Vorstellung. Eine Frage jagte die andere, alles wollte das Kind wissen, dessen Seele der bunten Welt, dem bunten Leben sich öffnen wollte, durstig, sie zu sehen, zu hören, sie kennen zu lernen, in ihr zu leben.
Und wie Trudehen, so fragten auch hunderte anderer Kinder ihre Eltern. Sie studierten die Theaterzettel, und ein Schwatzen und Wispern, ein Summen und Fragen, ein Lachen und Jubeln, ein Zeigen und Weisen ging durch den Zuschauerraum, dass das Stadttheater an der Aufgeregtheit, an der erwartungsvollen Ungeduld, an so viel Vorfreude und Glück, die sich in unzähligen großen Kinderaugen spiegelten, wohl merken konnte, dass wieder einmal einer seiner großen Tage da war!
O, Paradies der Kindheit — für dich ist alles noch voller Wunder und geheimniserfüllter Verheißung — wieviel Zauberhaftes verbirgt noch der rote Vorhang, wieviel Seltsamkeiten vernimmt dein Ohr noch aus der ungereimten Musik stimmender Instrumente, deren verquere, wunderliche Klänge den Eintritt ins Reich des Märchens vorbereiten!
Und nun ist es so weit! Nun geht der rote Vorhang auf! Ein Oh! aus vielen Kindermündchen ertönt — in ihm ist die Erlösung von der seit vielen Tagen gespannten Erwartung, die Bestätigung des Wunderbaren, das unbewusst durch die seligen Träume zahlloser Kinderherzen geschritten ist. In diesem Oh! liegt die Befriedigung, jetzt endlich das Märchen zu sehen, die Vollendung der Erwartung, die Erfüllung der Wünsche und Träume —.
So starrt nun auch Klein-Gertrud auf die Landschaft da auf der Bühne: den großen weiten Winterwald mit den dicken, dicht beschneiten Bäumen und dem verirrten Peterlein darin, das hungrig und frierend den Wald durchstreift.
Und als der kleine Peter da auf der Bühne erzählt von dem armen Vater, der den ganzen Tag schwer fronen muss, und der bösen Stiefmutter, die ihn in den Wald treibt, um Reisig zu sammeln, da steigt es in Klein-Trudchen hoch und sie muss schluchzen, ob sie will oder nicht, so dass ihr Vater sich zu ihr beugt und ihr tröstend sagt, dass es ja nur ein Märchen ist.
Und dann geht das Spiel weiter und zwei lustige Zwerge kommen, die trösten das Peterlein, und nun ist Trudchen gleich wieder lustig und freut sich der Sprünge und Hopser der Zwerge und ihrer Scherze und ihrer Zipfelmützen und ihrer langen Bärte — und mit ihr freuen sich zahllose andere Kinder mit und jauchzen laut auf vor Vergnügen, wenn die drei schließlich einen lustigen Tanz aufführen, zu dem von allen Seiten die Häschen und Rehe kommen und zuschauen.
Wie nun aber das Peterlein an den Hof des alten Königs kommt der eine ganz dicke runde rote Knollennase hat — vielleicht vom vielen Rotspontrinken? — und in dem prächtigen Schloss lebt mit seinen Ministern und Generalen, mit Hofschranzen und Lakaien in reichbetressten Uniformen, mit dem dürren Hofmarschall, der mit seinem langen weißen Stab immer auf den Boden stößt, bevor er etwas sagen will, und dem spaßigen Hofnarren, der eine Pritsche hat und Glöckchen am bunten Kleid und immer vorlaut Spaße macht — da sitzt Klein-Trudchen staunend mit offenem Mündchen da und sieht mit großen Augen in die weitgeöffnete Wunderwelt des Märchens.
Aber auch an dem Hofe des Königs mit der Karfunkelnase ist nicht eitel Lust und Freude, auch hier herrscht Kummer und Trauer, denn die schöne Königstochter, des alten Königs ganzes Glück und einziger Trost, ist von dem bösen Zauberer geraubt worden — und trotz allen lustigen Streichen seines Narren rinnen dem alten König die hellen Zähren aus den Augen, wenn er an seine geliebte Tochter denkt — und er denkt immerzu an sie —.
Da füllen sich wieder Trudchens Blauäuglein mit Tränen — aber wie dann Peterchen kommt und dem König erzählen kann, was er eben von seinen lustigen Freunden, den Zwergen, erfahren hat, nämlich, wo die schöne Prinzessin sich aufhält, da ist es gleich wieder so spannend, dass Trudchen ihre Tränen schnell vergisst —.
Und so geht es weiter, Szene für Szene, durch die bunte Welt des Märchens. Schauerlich ist es, wie jetzt auf der Bühne die Höhle des bösen Zauberers zu sehen ist mit all ihren gräulichen Gestalten, mit langschwänzigen Meerkatzen, die wüst quiekend ums Feuer hüpfen, auf dem große Töpfe und Kessel brodeln und schwefelgelbe Dämpfe hochsteigen lassen, während ausgestopfte Krokodile und andere Ungeheuer von der Decke herabhängen und die erschauernden Kinder im Zuschauerraum mit verglasten Augen anstarren. —
Huh — und plötzlich geschieht ein Donnerschlag, dass Klein-Trudchen zusammenfährt und sich ängstlich an Papi anschmiegt — und da taucht, lang und groß, in wallende weiße Gewänder gehüllt, einen spitzen Hut, bedeckt mit wunderlichen Zeichen, auf dem von einem langen weißen Bart umwallten Haupte, der böse Zauberer aus der Erde auf — o, wie Trudchen da erschrickt! Aber gleich regt sich die Wissbegierde: Wo kommt denn da bloß der böse Zauberer her — mitten aus dem Boden?
Und dann fuchtelt der böse Mann mit seinem schwarzen glänzenden Zauberstabe in der Luft herum und spricht ganz unverständliche Worte — und plötzlich geht es huiiii — und pfeifend wie ein um die Ecke heulender Windstoß kommt durch den Höhleneingang die Hexe herein — auf dem Besen reitet sie und eine Nase hat sie, so krumm und lang, dass sie fast bis an die Unterlippe reicht — und dann krächzt sie mit ihrer wie geborsten klingenden Stimme ihre Frage nach dem Befehl ihres mächtigen Herrn, des Zauberers —.
Und all die Kinderlein hören mit angehaltenem Atem zu, was die beiden Bösewichter verabreden, und als der Vorhang fällt, da geht ein Aufatmen durch die Kinderreihen und ein Wispern und Fragen springt auf und raunt von einem zum andern. — Auch Trudchen fragt: „Mutti, Mutti, wie wird denn aber die arme gefangene Königstochter dem bösen Zauberer und der schrecklichen Hexe entfliehen können?“
Aber Mutti sagt lächelnd: „Nun, das wirst du schon sehen; das kommt gewiss im nächsten Akt“. „O, Mutti — und wie viel Akte sind denn noch?“ „Noch drei“. Trudchen atmet tief befriedigt: „Ach schön, noch drei Akte!“
Und dann klingelt es wieder, und wieder wird es dunkel und der Vorhang geht auf und Peterlein ist wieder da und die gute Fee ist bei ihm und eine einschmeichelnde Musik erklingt aus dem Orchester — Trudchen begreift und eine Zentnerlast fällt von ihrer Seele: die gute Fee wird mit dem Peterlein die Königstochter finden und Peterlein wird sie mit ihrer Hilfe befreien —.
Aber dann kommt wieder eine Szene am Hofe des Königs, der gerade auf seinem goldenen Thron sitzt, in den Händen Zepter und Reichsapfel und Kronrat hält mit allen seinen Paladinen —. Da — plötzlich zuckt ein blauer Blitz durch den Saal, dass Trudchen jäh erschrickt, und ein furchtbarer Donnerschlag erschüttert das ganze Theater, und mehrere kleine Kinder im Zuschauerraum schluchzen laut auf vor Angst — und auf der Bühne wird der eben noch so strahlend helle Thronsaal stockfinster, alle die Hofschranzen und goldstrotzenden Uniformen laufen aufgeregt durcheinander, dass man sie im Dunkeln nur wie Schatten über die Bühne huschen sieht. Und dann — während ein zweiter Donnerschlag knatternd durch das ehrwürdige Theater kracht, erkennt man in der Finsternis kaum noch den alten König, der ganz verdattert vor Schreck auf seinem Thron hockt — da — plötzlich leuchtet seine dicke Knollennase hellglänzend rot auf — hell — dunkel — hell — dunkel — immerfort, so dass unter den sprachlos vor Staunen dasitzenden Kindern trotz der beängstigenden Finsternis ein Kichern aufspringt, das zum Lachen wird, und schließlich, als ob ein Kind das andere ermutigt, zu einem lauten, allgemein befreiten Gelächter aufrauscht, weil es doch gar so komisch ist, wie der alte König mit seinem Zepter und seinem Reichsapfel herumfuchtelt und jammert und mit abwechselnd rotblitzender und dunkler Nase hilflos im Thronsessel ganz allein sitz, weil die anderen weggelaufen sind vor Angst -. Und nun steigt unter erneutem Blitz und Donner mitten im Saal aus dem Fußboden der böse Zauberer herauf und schwingt drohend gegen den armen alten König seinen Zauberstab - -.
Dann aber kommt die große Pause; da gehen all die Kinder mit ihren Eltern oder Tanten in den Räumen des Theaters auf und ab, in den Gängen, in dem schönen „Foyer“, wo auch ein „Buffet“ aufgestellt ist, von dem leckere Kuchen und Torten und bunte belegte Brötchen winken, und wo es Schokolade und Limonade gibt und Kaffee und Bier für die Großen — und die Kinder drängen sich an ihm und verspüren nach all dem Schönen, was es zu sehen gab, plötzlich Appetit nach diesen leiblichen Herrlichkeiten. Papi und Mami, glücklich am Glück ihrer Kinder, kaufen ihnen, was sie so begehrlich wünschen, und sie bringen die Schätze zu den Marmortischchen an den Wänden vor den goldumrandeten großen Spiegelscheiben und die Löffel klappern und die Tassen klirren —.
Dann aber treffen sie kleine Spielgefährten und Freundinnen und ein Plappern und Fragen und Erzählen und ein Meinungsaustausch beginnt: „Au, Grete, aber das Feinste war doch der alte König mit seiner leuchtenden Nase —„ und „Die Fee, die sah aber schön aus“ — „Ei — aber die Hexe, wie sie auf dem Besen angeritten kam“ —
So überstürzt es sich hin und her, bis das Klingelzeichen ertönt — hei — stieben sie da auseinander und streben eilends ihren Plätzen zu, damit sie ja nichts versäumen und zu spät kommen zu all den Herrlichkeiten —.
Und so geht das Stück zu Ende, wie alles zu Ende geht, und auch im Weihnachtsmärchen, und der kleine Peter besiegt den bösen Zauberer mit der blauen Wunderblume, die ihm die gute Fee gegeben hat, und dann liegt der mausetot da, und die böse Hexe wird in ein Fass gesteckt mit lauter Nägeln darinnen und in den See gerollt, wo sie elendiglich ertrinken muss, und die schöne Königstochter ist wieder frei und kommt zu ihrem glücklichen Vater zurück, dessen Nase gleich nicht mehr so rot ist, und die Fee ist nun gar keine Fee mehr, sondern ist der Weihnachtsengel mit zwei großen schneeigen Flügeln an den Schultern —.
Auf der Bühne aber steht jetzt ein herrlicher, ganz großer, über und über mit blitzenden elektrischen Kerzen besteckter Weihnachtsbaum, und um ihn herum das Peterlein und die Königstochter und der alte König und der Hofnarr und der dürre Hofmeister und die Zwerge und alle anderen, und sie singen, von den Klängen der Musik begleitet, die lieben Weihnachtslieder —.
Die Kinderchen im Zuschauerraum aber, deren Köpfchen vor Freude und Aufregung und Wonne glühen, sind so begeistert, dass sie gleich anfangen mitzusingen, und klar und rein klingt es von zahllosen hellen Kinderstimmchen durch den weiten Zuschauerraum „Stille Nacht — heilige Nacht“. — Und weil sie so schön mitten im Singen drin sind, kommt dann wie von selbst auch noch das liebe Lied vom Tannenbaum und seinen treuen Blättern.
Und dann ist es aus. Der große Vorhang fällt, und nun stehen sie da, all die Kinderlein in ihren Weihnachtskleidchen und klatschen und klatschen mit ihren kleinen Patschen und jubeln immer wieder, wenn sich die Schauspieler verneigen: das tapfere Peterlein und die Fee, die ja der Weihnachtsengel war, und der König und der Hofnarr — und laut bricht der Jubel los, wie nun auch der tote Zauberer vor den Vorhang kommt mit der Hexe an der Hand und beide gar nicht mehr böse sind, sondern sich mit den anderen zusammen vergnügt dankend verneigen .
Dann leert sich der große Zuschauerraum, aber das alte Theater, das nun schon fast hundert Jahre steht, knistert ganz deutlich im Gebälk, und wer diese Sprache versteht, der weiß, dass es sagt: „Es geht doch nichts über Kinderjubel und Kinderseligkeit, und von allen meinen großen Tagen sind diese Tage des Kinderglücks sicherlich meine schönsten „ - -.
X.
28. XI 1904
„Ausverkauft“ prangte ein großes Schild an der Kasse und das kleine Fenster blieb geschlossen. Zahllose Königsberger, die gehofft hatten, noch eine Eintrittskarte für den Abend zu bekommen, an dem der große Mime vom Königlichen Schauspielhaus in Berlin als Gast auftrat, mussten enttäuscht wieder abziehen.
Abends aber drängten sich vor dem seit langem mit einem flachen Blechdach gegen den Regen versehenen Haupteingang des Stadttheaters die Menschen. Es hatte 1872 und nochmals 1892 einen Um- und Erweiterungsbau über sich ergehen lassen müssen, und dabei war auch die südwestliche Rundnische an der eigentlichen Theaterfront gegen Westen zugebaut worden, ihre zwei äußersten Säulen mit dem großen Rundbogen jedoch waren noch immer als Schmuck erhalten geblieben.
Heute war in Erwartung des Andranges die hier befindliche Pforte geöffnet. Immer wieder huschten durch sie Damen, in große Radmäntel gehüllt, das Kopftuch auf der festlich bereiteten Frisur, das Opernglas in der Hand, und Herren in Havelocks in den Theatervorraum.
Eifrig die Platznummern auf den Eintrittskarten studierend, das „Dittchen“ für den großen, auf weichem Seidenpapier gedruckten Theaterzettel aus der Westentasche angelnd, näherten sich die Zuschauer, erwartungsfroh des kommenden Genusses, dem Eingang in das schöne weite Rund des Theaterraumes. Sie zeigten den mit sauberen weißen Tändelschürzen und Häubchen geschmückten Theaterfrauen ihre Karten vor und suchten m den Reihen ihre Plätze auf, um sich alsdann befriedigt in die weichen rotsammeten Parkettsitze niederzulassen.
Festlich wie immer schaute der Zuschauerraum auf die lachenden, schwatzenden, fröhlichen, in Sonntagskleidern steckenden Besucher herab. Hin und wieder nickte einer der Gäste im Parkett einem Bekannten zu, der oben im zweiten Rang saß oder gar Im ersten Rang, dessen Vornehmheit sich heute zu Ehren des berühmten Gastes dadurch erwies, dass etliche Besucher im eleganten Smoking dort mit ihren Damen in größter Toilette höchst würdig thronten.
Hinter dem Parkett waren etwa hundert Plätze für das Sitzparterre abgeteilt — ein bedeutend billigerer Platz, der dabei, abgesehen von der größeren Entfernung, die doch infolge der ausgezeichneten Akustik des Hauses kaum eine Rolle spielte, immer noch ein ausgezeichnetes Schauen bot und deshalb sehr beliebt war. Allerdings mussten seine Besucher mit Rohrgeflechtstühlen vorlieb nehmen.
Dahinter aber, unter dem tieflastenden Balkon des ersten Ranges war rechts und links das Stehparterre. Es war mit der Galerie, der „Bullerloge“, hoch oben auf dem Olymp, der billigste Platz — 35 Pfennige! — und im wesentlichen Studenten und Schülern vorbehalten. Wollte ein begeisterter Primaner, wie heute, einen solchen Platz erobern, so galt es, früh anzustehen und an langer „Schlange“ zu warten; und er konnte noch froh sein, wenn nicht das letzte der kostbaren „Billetts“ – sprich: Billjätte – gerade vor seiner Nase verkauft wurde.
Heute drängte sich im Stehparterre die „reifere“ Jugend Königsbergs in Massen; die einzige Bank ganz hinten, von der man nur stehend über die Köpfe der an Geländer und eisernen Stützen gelehnten Vordermänner herübersehen konnte, war dicht besetzt. Aber trotz der sich bald entwickelnden Hitze herrschte helle lodernde Begeisterung, wie sie bei einer sorglosen, begeisterungsfähigen, alles, was Heldentum begreift, stürmisch ihre Herzen entgegentragenden Jugend nur möglich ist.
Und was rief heute diese hochlodernde Begeisterung schon in der Vorfreude, von der die Weisen ja sagen, dass sie die schönste Freude sei, hervor?
Zwei Namen vollbrachten dies Wunder: Götz von Berlichingen von Johann Wolfgang von Goethe — der eine —
Adalbert Matkowsky — der andere! Ja, der berühmte Gast aus Berlin, der große Mime, dem keiner, selbst nicht einmal der treffliche Kainz am andern Brennpunkt deutscher Schauspielkunst, am Burgtheater in Wien, den Ruhm streitig machen konnte, der größte lebende Schauspieler zu sein, war wieder da!
Er ging gern auf Gastspiele, weniger um des schnöden Mammons willen, den die stets ausverkauften Häuser natürlich auch ihm brachten, sondern, weil es ihm Freude machte, durch sein wundervolles Spiel überall in Deutschland Begeisterung hervorzurufen, den, göttlichen Funken in dem großen, schwer beweglichen, kalten, sturen Etwas, genannt Publikum, zu entzünden und die trägen Massen zu hellem Jubel zu entflammen —.
Und trotz der Anstrengung weiter Reisen kam er auch immer, wie Max Grube, jahrelang sein Berliner Oberregisseur, erzählt, von solchen Gastspielen erfrischt zu neuem Schaffen, das er immer ernst nahm, angeregt zurück.
Nie aber fehlte in seinen Gastspielreisen die „Stadt der reinen Vernunft“. Kaum ein Jahr verging, wo er nicht auf der Bühne des ehrwürdigen Königsberger Stadttheaters gastierte —. War doch diese Stadt seinem Herzen teuer und lieb, denn Adalbert Matkowsky, oder Matzkowsky, wie er eigentlich hieß, war ja ein Königsberger Kind, am 6. Dezember 1857 dort geboren, und seine Wiege hatte in einer sehr bescheidenen, sehr einfachen, sehr winzigen Wohnung in der Steindammer Wallstraße gestanden, von wo man über den Trommelplatz das schöne Steindammer Tor vor sich sah. Es war, wie er selbst erzählt, eine seiner frühesten und eindrucksvollsten Kindheitserinnerungen, gesehen zu haben, wie dieses Tor bei einem gewaltigen Gewitter jäh von einem grellen Blitz gespensterhaft aus dem Dunkel aufleuchtete. –
Und heute wollte Adalbert, wie die Königsberger Theaterfreunde ihn zärtlich nannten, in seiner Glanzrolle als Götz auftreten! —
Da — das zweite Klingelzeichen! Jäh schlug die Erwartung höher; die noch in den Gängen stehenden Zuschauer strebten ihren Plätzen zu; der große schöne Raum, ein wimmelnder Ameisenhaufen froher, auf das große Erlebnis gespannter Menschen, war nun bis auf den letzten Platz gefüllt.
Jetzt das dritte, das letzte Klingelzeichen!
Das Summen im Zuschauerraum erstarb — nur noch ein vereinzeltes, halb unterdrücktes Husten und Räuspern — dann lautlose Stille, als sich der mächtige Vorhang hob.
Im schweren eisernen Harnisch, breit und stattlich, das männliche Gesicht von einem kurzen rotblonden Vollbart umrahmt, steht Götz im Gespräch mit seinem Buben Georg — sofort schlagen alle Herzen der Jugend im Stehparterre ihm entgegen: das ist der verkörperte deutsche Held — kraftvoll, bieder, froh und von herzgewinnender Güte zu seinem Knappen — wie seine blauen Augen strahlen — und wie er nun spricht — wie dringt diese herrliche warme Männerstimme so manchem keuschen Mägdelein ins Herz und lässt es unter dem Korsett gar heftig klopfen —.
Dann die nächste Szene: zu Jaxthausen, im Schloss des Ritters:
Jetzt kommt er!
Elastischen Schrittes, nun im bequemen, moosgrünen Sammetwams, die Eisenhand in einer Schlaufe im Gürtel gestützt, so tritt der Ritter Götz von Berlichingen in das gotische Gemach seiner Burg zu seiner Familie herein. Auf dem gutmütigen Gesicht liegt die Freude, den abtrünnigen Freund gefangen und ihn damit wiedergewonnen zu haben, die leuchtenden Augen aber verraten das Kindergemüt, das in diesem kraftvollen Helden wohnt.
Alle die starrenden Blicke des vielköpfigen Molochs Publikum richten sich auf den Ritter mit der eisernen Hand — in allen Herzen und Köpfen verdichtet sich nun die vorher gewonnene Vorstellung zu der felsigen Überzeugung: So, nur so, ganz allein so hat er ausgesehen, der Ritter Götz — so war er — nein — das ist er!
Und in allen Zuschauern versinkt die Gegenwart, die den Schauspieler Matkowsky hat sehen wollen, die sich an der Kunst des großen Mimen hat erfreuen wollen, in der mm allein herrschenden Vergangenheit — der dort steht, ist nicht Adalbert Matkowsky — das ist der Ritter Götz von Berlichingen!
Die Vergangenheit, die eigentlich schon vier Jahrhunderte fast versunken gewesen, ist jäh heraufgekommen — angefüllt mit heiß pulsierendem, bluterfüllten Leben! (Fortsetzung folgt)
Seite 13 Merkwürdiges aus Königsberg. Von Landesmuseumsdirektor a. D. Dr. Wilhelm Gaerte.
Das „Bohnenmal“ der Königsberger Kantgesellschaft.
Alljährlich am Dreikönigstage trafen sich in Königsberg, Preußen, die Mitglieder der Kantgesellschaft beim geselligen Festmahle. Der Anlass zu dieser Zusammenkunft lag in der Absicht, für das kommende Vereinsjahr einen „König“ zu bestimmen, den sogenannten „Bohnenkönig“. Die Kür erfolgte auf scheinbar geheimnisvolle Weise: Von einem eigens zum Fest gebackenen Kuchen bekam jedes Mitglied ein Stück; wessen Teil die mit hineingebackene Bohne enthielt, ward „Bohnenkönig“. Man half natürlich dem Schicksal nach, so dass jeder Kantianer im Wechsel einmal an die Reihe kam.
Dieses Gesellschaftsspiel, das in Fortsetzung der zeitweise unterbrochenen Tradition wieder in Aufnahme gelangt ist, konnte in Königsberg auf ein etwa 150-jähriges Bestehen zurückblicken. Im Westen Deutschlands weist das Spiel eine viel ältere Tradition auf, desgleichen in Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich und England. An Stelle der Bohne wird mancherorts ein Goldstück hineingebacken, oder der „König“ wird durch Zettel, Briefchen, Teller ermittelt. In seinem 1567 erschienenen „Weltbuch“ berichtet Sebastian Frenk über einen solchen Brauch: In den Familien ist es Sitte, sagte er, am Dreikönigstag in den Festkuchen eine Münze hinein zu backen. Jedes Familienmitglied bekommt davon ein abgeschnittenes Stück; Wer den Teil mit der Münze erhält, wurde zum König ausgerufen und dreimal mit Jubel in die Höhe gehoben. — Selbst in deutschen Abteien kannte man eine ähnliche Gepflogenheit; hier wurden beschriebene Zettel in den Kuchen hineingebacken, jeder erlangte das Amt und die Würde, über die der Zettel seines Stückes Auskunft gab. „Der erste von allen ist der König“, sagt die Überlieferung von 1756, „er besetzt den ersten Platz neben dem Abt“.
Man glaubt annehmen zu können, dass der Brauch des „Bohnenkönigs“ dem kirchlichen Kreise entstammt. Tatsächlich fand im Mittelalter am Dreikönigstag in manchen Stiftskirchen das Fest des Bischofs oder „Königs“ der Subdiakonen statt, besonders in Nordfrankreich. Aus diesem Fest könnte sich der Brauch des „Bohnenkönigs“ entwickelt haben, und zwar anscheinend ebenfalls zunächst im nördlichen Frankreich, wo schon im 14. Jahrhundert für Kollegiatkirchen Festessen bezeugt werden, bei denen der veranstaltende Domherr als „König“ der Feier angesehen und ein ganzer Hofstaat durch das Los bestimmt und ihm beigegeben wurde. Aus kirchlichem Bereich sei dann der Brauch unter entsprechender Veränderung in den Volksbrauch übergegangen.
Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass das Losen mit Hilfe eines besonderen Kuchenteiles uralt ist, wie u. a. ein Brauchtum der Hirten Schottlands lehrt. Dort wurde der Beltanekuchen am Feuerfest des 1. Mai in eine Menge Stücke geschnitten, mit großer Förmlichkeit an die Gesellschaft verteilt oder in eine Mütze zum Greifen geschüttet. Es gab ein besonderes Stück, das eine bestimmte Bedeutung hatte? dieses war bisweilen mit Holzkohle bestreut. Wer es erhielt oder griff, den packte ein Teil der Genossen und tat, als wollte man ihn ins Feuer werfen. Anderswo war der, welcher das schwarze Stück herauszog, der zum Opfer „Geweihte“. Er musste dreimal durchs Feuer springen, als Ablösung des ehemaligen kultischen Feuertodes zu Ehren einer Gottheit. Zudem ist die Wahl zum Jahreskönig nicht auf den „Bohnenkönig“ beschränkt. Das Volksbrauchtum kennt mancherlei „Könige“: Die Hirten wählen vielerorts ihren „König“ für das ganze Jahr. Namen wie „Bauern“- und „Käsekönig“ sind geläufig. Erinnert sei an den „Maikönig“ und die „Maikönigin“. In Österreich gab es eine „Erntekönigin“ usw. Eine Spielform: „Ich bin König“, kommt von Ostpreußen bis Holland vor.
So darf man wohl annehmen, dass auch das kirchliche Brauchtum letztlich in allgemeinen Volksgepflogenheiten wurzelte und der „Bohnenkönig“ mitsamt seiner ursprünglich schicksalsbedingten Wahl und dem Festessen aus urzeitlich-kultischem Boden erwachsen ist. Im Spiel liegt gewöhnlich ein tiefer Ernst verborgen.
Die Stockwerklinde auf dem Paradeplatz
Es sind 150 Jahre her, da stand in der Nähe des Schlossteiches in Königsberg auf dem Platz, der seit dem 18. Jahrhundert „Exerzierplatz“ hieß und unter dem Namen „Königsgarten“ bekannt ist, eine uralte Linde. Ihr Stamm maß im Umfang rund zehn Meter. Außer diesem staunenswerten Alter besaß sie noch eine besondere Merkwürdigkeit. Ein Schreiber des 18. Jahrhunderts sagt von ihr: „Die große Linde ist dennoch sehenswürdig, welche mit vier Galerien versehen ist, darauf man gehen und die Situation der Stadt in Augenschein nehmen kann“. Und an einer anderen Stelle, einige Zeit darauf, wird von ihr berichtet, dass in ihrer Krone drei schöne Balkons übereinander angelegt waren. Auf dem obersten, kleinsten wurde 1697 Friedrich III., der nachmalige König Friedrich I., mit seinem zahlreichen Gefolge prächtig bewirtet. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts muss sie ein Opfer ihres Alters geworden sein; denn 1835 wird sie nur noch als Kuriosum vergangener Zeit erwähnt.
Diese Königsberger Linde von der geschilderten Art verdient es, der Vergessenheit entrückt und in den Kreis ihrer Schwestern aus Mittel-, West- und Süddeutschland gestellt zu werden. Aus früheren Zeiten und noch heute sind derartige Stockwerklinden bekannt, so der Pfarrhubenbaum zu Reichstädt (Kreis Gera), die Tanzlinde zu Effelder (Thüringen) und andere mehr. Alle zeigen eine bis drei Plattformen innerhalb des Geästes und dienten als Tanzlinden, d. h. zu bestimmten Zeiten gab sich die Jugend auf den Brettern dem Tanze hin unter den Klängen der Kapelle, die ebenfalls auf einer der Plattformen Platz nahm.
Wie ein solches Fest vor sich ging, zeigt die folgende Schilderung; sie bezieht sich auf die Tanzlinde von Limmersfeld in Oberfranken: „Kommt der letzte Sonntag im August heran, herrscht ein Leben dort wie auf einem großen Jahrmarkt. . . . Unter der Linde hebt das alte Lindenzeremoniell an. Es erklingen die ersten Tanzmelodien, und in fröhlicher Feierlichkeit umtanzen „Platzburschen“ und „Platzmadla“ den Baum. Und dann geht's hinauf zu diesem idyllischsten Tanzplatz auf Erden. Die Musik zieht voran die Treppe empor, die Dorfjugend hinterdrein“.
Ob auch die Königsberger Stockwerklinde einst eine Tanzlinde gewesen war? Wenn auch die Überlieferung keine Auskunft gibt, darf man es dennoch wohl annehmen. Der städtische Geist wird früh den Baum seines ehemaligen Zaubers entkleidet haben, indem er ihn zum reinen Repräsentationsobjekt und „Aussichtsturm“ herabdrückte.
Königsberger Nagelpfeiler
Vor den Toren Königsbergs waren in der Vorstadt Hufen der Hammerkrug und die Alte einst altehrwürdige Industriestätten, wo ein großer eiserner Hammer, durch Wasserkraft bewegt, Pflug- und Hufeisen zurechtschlug. Von ihnen ließ die Alte Hammerschmiede noch die ehemalige offene Vorhalle erkennen, eine Bauart, dem altgriechischen Prostylos vergleichbar, die in Ostpreußen für Dorfschmieden bezeichnend war. Das Merkwürdige an den Pfeilern der Alten Schmiede war, dass sie über und über mit tief eingeschlagenen Hufnägeln bedeckt waren. Mündliche Überlieferung besagte, dass die Schmiedeinhaber jeden Nagel, der ihnen beim Beschlagen der Pferdehufe zufällig auf die Erde fiel, nicht mehr verwendet, sondern in eine der Säulen eingehämmert hätten.
Ein seltsamer Brauch! Ein Vergleich mit ähnlichen Brauchtumserscheinungen gibt ihm seine Erklärung. Der Volksglaube misst dem Niederfallen von Menschen und Sachen vorausbestimmende Bedeutung zu, will in dem Ereignis ein Orakel für Hochzeit oder Tod sehen. Auch herrscht die Vorstellung, dass alles, was zu Boden fällt, den unterirdischen Geistern verfallen ist. Früher küsste man in Ostpreußen zur Erde gefallenes Brot nach dem Aufheben. Groß ist auch sonst die Zahl der Verhütungsmaßnahmen gegen die möglich gedachte schädliche Wirkung des Fallens.
Mit diesen Hinweisen finden wir den Anschluss an den erwähnten Königsberger Brauch. Audi hier wird man dem unerwarteten Niederfallen des Hufnagels und dessen Berührung mit der Erde eine möglicherweise schädigende Wirkung zugeschrieben haben. Dem drohenden Unheil begegnete man dadurch, dass man eine „Vernagelung des Unglücks“ vornahm; dadurch wurde jedes Unheil für die Zukunft unschädlich gemacht.
Der Heilzauber des „Vernagelns“ ist als Bann- und Abwehrmittel über die ganze Erde verbreitet. Zu diesem volkstümlichen Glaubensgebiet gehören auch die sogen. „Nagelbäume“, mit unzähligen eingeschlagenen Nägeln bedeckt, die in ganz Deutschland anzutreffen sind. Meistens wurde wie auch einst in Ostpreußen Zahnschmerz „vernagelt“, d. h. fest und wirkungslos gemacht. Ein Nachleben des vorliegenden Brauchs darf man in der Nagelspende sehen, die während der beiden Weltkriege üblich war.
Seite 13 Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (23)
Liebe ostpreißische Landsleite!
Nu hädd ich doch gedacht, mir fehlt eigentlich gar nuscht außer die chronische Schwindsucht innes Portmanneeh, wo bloß e vernimftge Rentenerhöhung e bißche was helfen kann, aber ich hab mir geirrt. Ich muss mir direkt beim Altmetallhändler melden, dass er mir aufem Schrotthaufen bei das alte Eisen schmeißen tut. Sehn Se, ich war nu doch vorgte Woch beim Doktor. Der ließ mir erst drei Stunden lauern, weil es bei ihm proppevoll war. Denn kam e reizende Mergell, nahm mir dem Krankenschein weg und hold mir rein. Denn hat mir der Doktor bekloppt, und ich wolld immer „Herein“ sagen, weil ich gut erzogen bin, aber ich dirfd nich. Denn hat er mir mittem Telefong behorcht, und ich mißd pusten und jappsen wie e alter, ausgedienter Jagdhund. Aber denn ging es erst richtig los: Blut hat er mir abgezapft und dem linken Arm abgeschniert und anne Sohlen gekitzelt und mir mittem Hammer aufe Kniescheiben gekloppt und was weiß ich noch. Es war wirklich nich mehr feierlich. Hädd ich das alles man vorher gewusst, denn wär ich gar nich erst hingegangen. Aber nu war ich da, und es half kein Maulspitzen, es mißd gepfiffen sein. Am meisten ärgerd mir, wie er mir dem Bauch kneten und ganz tief untre Rippen grapschen tat. Da blieb mir rein de Luft weg. Endlich konnd ich mir wieder ankoddern, und der Doktor sagd: „Sie haben Kreislaufsteerungen und de Leber is e bißche angedrungen“. Schlimm es es ja nich, meind er, aber es wird schon noch schlimmer werden. Scheener Trost! Wenn ich bei schlechtes Wetter in unser Stubche im Kreis rumlauf, weil ich mir regelmäßig bewegen muss, denn fiehlt sich der Bauerochse unter mir gesteert. Das wußd ich ja all lang. Aber nu bin ich selbst gesteert, und das war mir nei. Was auch so alles fier Krankheiten giebt! Dabei soll das bloß e Alterserscheinung sein, aber se bringt mir doch langsam und sicher aufem Schrotthaufen. Der Doktor versucht natierlich, gegnem Wind zu pusten, und hat mir e große Flasch Millezien aufgeschrieben. Davon soll ich jedem Tag drei Teelöffel einnehmen, und wenn de Flasch leer is, soll ich wiederkommen. Se war all nach drei Tage leer, denn se schmeckd so scheen nach Likör, dass ich mir einfach nich beherrschen konnd. Jedes Mal, wenn ich an die Buddel vorbeikam, nahm ich e ordentlichem Schluck. De Emma hädd das natierlich auch bald spitz, die muss ja ihre Nas ieberall reinstecken. So hat se ordentlich mitgepichelt, und nu piesackt se mir von morgens bis abends, dass ich e neie Buddel holen soll. Aber ich hab Angst, dass der Doktor mir ausschimpft und zur Straf bittrem Teifelsdreck verschreibt. Deshalb trau ich mir nich hin, bis erst e paar Wochen vergangen sind. Geholfen hat es noch nuscht, ich bin immer noch gesteert, und das wird wohl auch so bleiben. Emmend mechde e anständger Kornus Dittchens dagegen auch ganz gut sein, aber wo nimmst de Dittchens her, wenn ihm kaufen willst? Zu die Fahrt nach Duisburg haud es natierlich auch nich aus, sonst hädd ich mir Pfingsten emmend doch noch aufe Socken gemacht, trotz die viele Menschen und die Strapazien, denn 700-Jahrfeier von Königsberg is ja nich oft. Nu bleib ich zu Haus und pfleg meine molsche Knochen und meine Kreislaufsteerung. Aber in Gedanken bin ich doch dabei, denn das alte, liebe Königsberg kannd ich wie meine Westenfupp, indem dass meine Schwestersohn Beamter bei die Regierung war und mir jedes Jahr im Juli einladen tat — als Hofhund. Er fuhr denn mit seine Frau und seine zwei Kinderchens nach Cranz inne Ferien, und ich mißd das Haus behieten, wo es bißche einsam aufe Hufen lag. Bei die Gelegenheit mißd ich sogar bellen lernen. Wenn e verdächtiger Kerdel anne Tier klingerd, denn belld ich wie e ausgewachsener Wolfshund, dazwischen gnurrd ich ganz bees und mitte Zähne, wo damals noch nich aufes Bifeeh lagen, bis der Kerdel Angst kriegd und abhaud. Ja, einer kann im Leben gar nicht genug lernen. Die scheene Zeiten sind lang vorbei, aber bellen kann ich immer noch. Wenn Se de Augen zumachen, denn denken Se rein, die blutrinstige Bestie springt Ihnen jedem Augenblick annem Schlung. Ich wunder mir diräkt, dass der Rundfunk mir noch nich als Tierstimmenirrigator angaschiert hat, denn ich hab inzwischen noch e paar andre Stimmen gelernt, Schwein, Muschekuh, Hahn, Ganter, bloß de Ölsardienen kann ich noch nich nachmachen. Wenn mein Schwestersohn losfuhr, denn drickd er mir e Haufen Geld inne Hand und sagd: „Nu amesier Dir man orndlich!“ De Emma hädd ich vorsichtshalber zu Hause gelassen, denn einer mißd doch dem Pochel und de Hiehner fittern. Was waren das immer fier scheene Wochen! Ich war innem Tiergarten bei die Affen und bei die Krokodiele, am Schlossteich huckd ich rum und mitte Läktrische fuhr ich nach Juditten. Im Oberteich ging ich baden und am Pregel bekickd ich mir die große Dampfers, öfters, kam ich mit schwere Schlagseit zu Haus, besonders wenn ich in Moditten Kopskiekelwein getrunken hädd. Am scheensten war aber innes Blutgericht, da fand ich meistens gar nich mehr raus. Und denn Theater und die viele Keintopps! Stundenlang könnd ich noch von erzählen. Wer hädd das damals gedacht, dass die scheene Stadt, all bald 700 Jahr alt sein wird! Und wer hädd gedacht, dass se ihrem 700. Geburtstag nich emal zu Haus feiern kann, sondern in die Fremde! Aber, meine lieben Landsleite, wenn se ihr auch im Namen von die Menschlichkeit zerkloppt und zertöppert haben, und wenn se auch umgetauft is und halbwilde Schlitzaugen nu ieberm Steindamm schraggeln: Königsberg lebt und wird weiter leben noch viele, viele hundert Jahre, denn ohne Königsberg is kein Deutschland nich! Wenn wir aller unsre Heimat im Herzen liebbehalten und niemals de Hoffnung aufgeben, denn werden unsre Kinder alles wieder aufbauen. De Samlandbahn wird denn wieder vollgeproppt bis oben alle zwei Stunden nach Neukuhren und Rauschen fahren, die Studenten werden wieder im Kaffee Bauer hucken und innem Drachenfels tanzen, es wird wieder Königsberger Fleck geben und Schmand mit Glums, und vom Schlossturm werden se wieder blasen: Nun ruhen alle Wälder. Einer könnd weinen, wenn einer so zurickdenkt, aber wir wollen nich traurig sein, sondern dem 700. Geburtstag von unser liebes Königsberg so zuversichtlich feiern, als wenn es bald wieder anders aussehen wird. Hoffentlich schickt der Petrus uns zu Pfingsten scheenes, warmes Wetter, dass alle Geburtstagsgäste bloß von inwändig nass werden, fier die geistige Getränke wird ja bestimmt gesorgt sein. Wir andern aber, wo zu Haus hucken missen, wollen uns auch e Schluckche beleisten, und wenn es auch man bloß e ganz kleines is, und wenigstens im Geiste dabei sein, wenn ieberall in Duisburg zugeprostet und angestoßen wird: Auf die nächste 700 Jahre! Unser gutes, altes Königsberg soll leben! Vleicht geh ich doch noch diese Woch beim Doktor und lass mir e neie Buddel aufschreiben. Sonst muss der Gastwirt mir e Flaschche geben und anschreiben, es giebt ja bald wieder Rente. Jedenfalls muss der Tag begossen werden, und er wird begossen, so oder so, wodrauf Se sich verlassen können! Zu Haus geht das immer noch am besten, und es is auch am sichersten. Haben Se gesehen, wie de tapfere Männer am Vatertag zu Haus kamen? Verklamt und durchgeweicht, als wenn November is und nich Mai. Siehst auch nich einem einzgen Maikäfer, heechstens aus Schucklad innes Schaufenster, dabei is der Monat bald zu End. Sagen Se bloß, wo soll das noch hinfiehren? De Emma is auch all ganz nervös, aber nich bloß, weil ihr das molsche Wetter inne Knochen steckt und es ieberall in ihrem Kadawer ziept und zergt — sagt se! — sondern weil se all ganz gieprig is, was bei die Eiergeschichte rauskommen wird, — das giebt se natierlich nich zu. Aber se verrät sich tagtäglich, indem dass se immer von die Abfiehr-Torte bubbelt. Se treimt sogar davon. Vorgte Woche hopps se mitten inne Nacht außes Bett und rannd im Galopp de Treppen runter, weil se getreimt hädd, dass se auch von die Torte gegessen hädd und sich nu mächtig sputen mißd. Erst wie se unten war, kam se wieder zu sich und merkd, dass se ieberhaupt nich mißd. Aber auf die Art brachd se wenigstens e dickem Schnuppen mit, und nu will se auch durchaus beim Doktor gehn. Frieher war se gar nich dafier, weil se so sehr schenierlich is. Deshalb glaub ich auch, dass es ihr gar nich umme Gesundheit geht, sondern dass se bloß e große Buddel Millezian-Schnaps fier sich allein haben will. Womit wir nu wieder da angelangt sind, wo wir angefangen haben. Auf dem Eiertermin muss se schon noch e Weilche lauern, so schnell geht das nich bei es Gericht. Auch Sie aller missen sich noch e bißche geduldigen, ich meld mir denn schon rechtzeitig. Heite mechd ich Ihnen freeliche und gesunde Pfingsttage winschen. Klemmen Se man, wenn Se irgend können, e Birkenastche hintrem Spiegel, wie es zu Haus ieblich war. Im iebrigen viele liebe Heimatgrieße
Ihr alter Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.
Seite 13 Auf zahlreiche Anfragen teilen wir mit, dass der bekannte ostpreußische Mundartdichter und langjährige Intendant des Reichssenders Königsberg Dr. Alfred Lau, Bad Grund/Harz, Hübichweg 16 gern bereit ist, die ostpreußischen Heimatgruppen auf Einladung zu besuchen und aus seinen lustigen Dichtungen vorzutragen. Er will damit auch auf seine Weise dem Heimatgedanken dienen. Besondere Kosten — außer Fahrt und Unterbringung — entstehen den Gruppen durch seinen Besuch nicht. Dr. Lau bittet, lediglich für die Veranstaltung möglichst einen Sonnabend oder Sonntag zu wählen. Dass er auch hinter unserem Landbriefträger z. A. Ernst Trostmann steckt, haben viele unserer Leser inzwischen schon geahnt oder erraten.
Die Schriftleitung.
Seite 14 Drei Darsteller im Festspiel „Königsberg“
Foto: Heinz Grimmig-Fabry
Foto: Hans Georg Dräger
Foto: Robert Brückner
Das rollenstarke Duisburger Festspiel „Königsberg“ von Hans Rehberg, das zu Pfingsten anlässlich der 700-Jahrfeier der Ostpreußenstadt auf dem Burgplatz mehrfach aufgeführt werden wird, zog eine große Anzahl von Schauspielern herbei. Unter ihnen als Papst-Darsteller Robert Brückner, der in Königsberg, Berlin, Hamburg und Mannheim als Schauspieler, Chefdramaturg oder Regisseur wirkte. Zehn Jahre war er auch als Intendant in Lübeck tätig, er schrieb mehrere Bühnenmärchen und den großen Devrient-Roman „Das unheimliche Feuer“. Der hervorragende Darsteller spielt eine der wichtigsten Rollen im Festspiel.
Zu der jüngeren Generation gehören Heinz Grimmig-Fabry und Hans Georg Dräger, die beide durch das Theater der Jugend in Duisburg bekannt sind. Grimmig Fabryslings (linkes Foto, in der Rolle des Beaumarchais in „Clavigo“) Laufbahn begann am Staatstheater Braunschweig. Er ist ein hoffnungsvoller Darsteller, der als jugendlicher Charakterspieler ebenso Erfolge erzielte wie in der komischen Charaktercharge. Im Festspiel Königsberg spielt er den englischen Ritter Reginald.
Hans Georg Dräger (rechtes Bild) wurde gleich nach dem Abschluss seines Schauspielstudiums an der Reimanschule in Berlin Soldat und konnte erst nach dem Kriege seinen Schauspielerberuf in Cuxhaven wirklich beginnen. In Remscheid holte er sich sodann frühe Erfolge, z. B. als Karl in Hebbels „Maria Magdalena“ (in dieser Rolle im Bild). Im Festspiel ist er der Franzose Girad de Livre.
Seite 14 Wir gratulieren!
Die Meisterprüfung im Baugewerbe bestanden die Zwillinge Hans-Harald Pohl und Klaus-Jürgen Pohl, aus Louisenthal bei Frauenburg, jetzt wohnhaft in Hamburg-Harburg, Bornemannstraße 28.
Der Bauer Hugo Herrmann, aus Saltnicken, Kreis Samland (Ostpreußen), jetzt wohnhaft in Seesen a. H., Lange Straße 49, vollendet am 1. Juli 1955 in vorzüglicher, körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische sein 80. Lebensjahr.
Der Rentner Johann Braun in Seesen a. H., Lange Straße 45, früher: Ziegelbrenner in Nikolaiken (Ostpreußen), wird am 7. Juli 1955, 75 Jahre alt.
Am 29. Juni 1955 vollendet Frau Gertrud Ziegler, aus Königsberg, jetzt Bornhausen 37 über Seesen a. H., ihr 70. Lebensjahr.
Frau Frieda Jung, aus Buddern (Ostpreußen), eine Nichte der Heimatdichterin Frieda Jung, z. Zt. der Vertreibung wohnhaft gewesen in Berlin-Köpenick, vollendet am 30. Juni 1955 in Seesen a. H., Lange Straße 1, ihr 70. Lebensjahr. Sie ist noch immer mit bestem Erfolg bei der Gestaltung der Kulturstunden bei den landsmannschaftlichen Heimatabenden tätig.
Seite 14 Vom Königsberger „Japper“
Dass Königsberg nach unserm großen Kant die „Stadt der reinen Vernunft“ genannt wurde und noch wird, ist bekannt. Sie darf diese Bezeichnung um unseres größten Sohnes willen mit Stolz führen.
Die Tatsache aber, dass unsere Vaterstadt noch eine andere Bezeichnung führte, ist im Verlaufe der ungeheuren Erlebnisse der jüngsten Vergangenheit in Vergessenheit geraten.
Unsere Mitbürger hießen „Sperlingsschlucker“ — warum, davon soll hierunter die Rede sein.
An der Ecke des Altstädtischen Marktes und der dazugehörigen Langgasse stand das Altstädtische Rathaus. Es war bereits im Jahre 1582 erbaut worden und diente seinem Zweck bis zur Vereinigung der Altstadt, Löbenicht und des Kneiphofs im Jahre 1724.
Wegen Baufälligkeit wurde es im Jahre 1754 abgebrochen und erneuert. Wenn in einer an sich wichtigen Quelle darauf hingewiesen wurde, dass ein neuer Grund zum Rathaus gelegt wurde, dann darf darauf hingewiesen werden, dass das unzutreffend sein dürfte. Der Grund für diese Ansicht liegt darin, dass die Grundmauern, die Gewölbe des Kellergeschosses des Rathauses (in dem sich der vielen Königsbergern bekannt und beliebte Ratskeller befand), so stark waren, dass sie zu den Grundmauern des alten Bauwerks gehört hatten, so starke Mauerteile und Pfeiler wären zu dem Umbau nicht notwendig gewesen.
An dem sogenannten Dachreiter oder besser unterhalb desselben befand sich ursprünglich ein gekrönter Kopf, der bei jedem Schlag, der am Fuß des Dachreiters befindlichen Uhr den Mund weit aufsperrte und eine Zunge herausstreckte. Dieser merkwürdige Kopf hieß im Volksmund der „Japper“.
Die Legende, dass dieser Kopf aus Hohn gegen die Kneiphöfer angebracht worden sei, erscheint zunächst unglaublich, findet aber seine Berechtigung insofern, als die Streitigkeiten und Händel zwischen den Bewohnern der Altstadt und des Kneiphofs aus den verschiedensten Gründen an der Tagesordnung waren. Der alte Königsberger, der aus seinen Kindertagen und den folgenden Jahren weiß, wie sich die Redensarten der Handelsfrauen auf dem Altstädtischen Markt und der in der Nähe liegenden „Fischbrücke“ auswirkten, wird die Legende nicht als abwegig bezeichnen.
Der Mechanismus des Maulaufsperrens wurde durch einen hineingeflogenen Sperling verdorben und außer Betrieb gesetzt, oft in Ordnung gebracht, erneuerte sich der Sperlingseinflug immer wieder. Von dieser Tatsache ausgehend erklärte der Volksmund die Königsberger als die „Sperlingsschlucker“. Im Verlaufe der Zeiten wurde der gekrönte Kopf durch eine Löwenmaske ersetzt und streckte bei den Glockenschlägen die Zunge heraus.
Dieser Vorgang wurde als Sehenswürdigkeit der Vaterstadt ihren Kindern und Enkelkindern gezeigt und gebührend bewundert. Konnten solche Sehenswürdigkeiten in keiner Weise mit denjenigen der Kirchen in Nürnberg, in Brüssel, der Garnisonkirche in Potsdam mit ihren Glockenspielen u. a. Sehenswürdigkeiten nicht messen, so spielen sie bis auf den heutigen Tag im Gedächtnis der Alten eine nicht unerhebliche Rolle.
Die Königsberger Klopse, der genau so berühmte Königsberger Fleck, dürfen auch bei den „Sperlingsschluckern“ der Gegenwart nicht in Vergessenheit geraten.
Dass dieses nicht geschieht, dafür hat ein geborener Königsberger, der um die Geschichte der Vaterstadt hochverdiente Dr. Ludwig Geldstein (verstorben), seines Amtes der Heimatschriftleiter der Königsberger Hartungschen Zeitung und des Königsberger Tageblatts und der verschiedensten Ehrenämter — sie sind gar nicht aufzuzählen — s. Zt. gesorgt, in dem er in der zuerst genannten Tageszeitung als der „Sperlingsschlucker“ an jedem Sonntag seine von Liebe und Treue getragenen Leitsätze zum Wohle Königsbergs und der Provinz seinen getreuen Lesern ans Herz legte.
Wie sich das nach seiner Ansicht abspielte und in Erscheinung treten sollte, das hat er selbst am 31.10.1926 in seinem Programm entwickelt, das hier den Königsbergern liebend gerne zur Kenntnis gebracht wird.
„Ich will Euch sagen, wo's Euch fehlt
Wo es Euch zwickt und zwackt und quält,
Warum Ihr krankt in hellen Tagen
An Podogra und verderbtem Magen
(Versteht sich, dies mein' ich bildlich nur –
Versteh' vom Quacksalbern keine Spur).
Ich will vergleichen die alte Zelt
Mit Eurer gepriesenen Herrlichkeit,
Will kräftig Euch die Leviten lesen
Und Unrat kehren mit eisernem Besen
Will sonntäglich herniedersteigen
Und Euch mit meinem Flamberg geigen!
Er erbat sich die Mitarbeit der Königsberger. „Es genügt nicht“, wie er sagte, „dass der Löwenkopf den Rachen aufsperrt! Ihr müsst ihm auch etwas zu fressen geben. Wer Sorgen um das gemeine Wohl auf dem Herzen hat, der komme zu mir und schütte es aus. Ich lege das große Beschwerdebuch öffentlich auf — macht Euern Krickelkrackel hinein, damit ich Eure, unser aller Sache gebührend vertreten kann“.
Denn wer ertrüg' der Zeiten Spott und Geißel,
Der Mächt'gen Druck, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigenden Verdienst erweist, —
wenn er einen Wochenplauderer zur Verfügung hat, der bereit ist, sich für alle gegen alle zu schlagen“. Na also. Wenn Sie erst ein bisschen Vertrauen zu mir gewonnen haben, werden Sie mich gern anrufen und ich werde jedes Mal gern antworten.
„Hallo! Hier Sperlingsschlucker!“
Hiernach handelte Dr. Ludwig Geldstein — wie, davon soll gelegentlich einmal gesprochen werden. Erich Reichelt
Seite 14 Turnerfamilie Ost- und Westpreußen
Allen im Juni 1955 geborenen Turnschwestern und Turnbrüdern herzlichste Glückwünsche für das neue Lebensjahr, ganz besonders zur Vollendung des 75. Lebensjahres am
09.06.1955, Paul Elissat (KMTV Königsberg) und zum Eintritt in ein neues Lebensjahrzehnt am
29.06.1955 - 50 Jahre - Herta Voß-Borchert (KMTV Kbg) und - unserm Nachwuchs - am
15.06.1955, Gerda Pischke (Zoppot) und am
18.06.1955, Udo-Hans Wenzel (Elbing) - beide 20 Jahre -.
Zu Onkel Wilhelms Advents- und Weihnachtsbrief 1954 verdanke ich dem letzten Kreisoberturnwart des Kreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft Willy Schott einige Berichtigungen und Ergänzungen. Danach sind auf dem Titelbild (Kreisturnfest Marienwerder 1932) die Turnerführer im Vordergrund links nicht Otto Rauschning und Dr. Johannes Peters sondern Otto Bolz (Elbing) und dahinter Albert Wallner (Königsberg).
Der gedruckte Nachtrag zur Anschriftensammlung ostpreußischer, westpreußischer und Danziger Turner ist allen bisherigen Beziehern zugesandt worden. Wer ihn versehentlich nicht erhalten haben sollte, wende sich bitte an Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb) Gotenstr. 33. Die Anschriftensammlung selbst zusammen mit dem Nachtrag (abgeschlossen 31.03.1955) liegt noch in beschränkter Anzahl vor. Bestellung erbeten (DM 1,50). Onkel Wilhelm
Seite 15 Reklame
Seite 16 700 Jahre Stadtgeschichte.
Bild: Holzschnitt von Daniel Staschus. Im Königsberger Blutgericht.
Am 9. April 1945 vollzog sich, nach dreitägigem Massenangriff eines mächtigen Gegners, die Katastrophe des von allen Seiten eingeschlossenen Königsbergs. Etwa 100 000 Menschen, fast ein Drittel der Bevölkerung der Stadt, musste die furchtbaren Unbilden der Belagerung mit erleiden. Am 30. Januar schon, am Tage der zwölften Wiederkehr seiner „Machtergreifung“, vereitelte der „größte Feldherr aller Zeiten“ den Plan zu ihrer Rettung, den der Oberbefehlshaber der in Ostpreußen kämpfenden 4. Armee, General Hoßbach, entworfen.
Als die Truppen des Marschalls Rokossowski zum letzten Angriff auf Königsberg antraten, wusste man in der Roten Armee schon, dass man eine Stadt erobern würde, die fortan zum Gebiet der Sowjetunion gehören sollte. Denn der Leichtfertigkeit, mit der Hitler am 30. Januar die Bevölkerung der ostpreußischen Hauptstadt preisgab, entsprach die Großzügigkeit der westlich-alliierten Staatsmänner, die Anfang Februar in Jalta ihrem Verbündeten Stalin das nördliche Ostpreußen mit der Stadt Immanuel Kants als „sowjetisches Verwaltungsgebiet“ überließen. Und sie hatten sogar eine Begründung dafür, die der öffentlichen Meinung in ihren Ländern plausibel schien: Königsberg, so sagten sie, sei die „Hochburg des Preußentums“, der ewige Herd der Friedensstörung gewesen ...
So wurde durch einige Federstriche aus Königsberg Kaliningrad.
Was ist Königsberg wirklich gewesen in den siebenhundert Jahren seines Bestehens? Schon der Name der Stadt ist ein Hinweis auf ihre europäische, ihre zivilisatorische Funktion. Denn der König, dem zu Ehren sie bei ihrer Gründung 1255 benannt wurde, war der (durch Grilllparzers Drama zu neuem Ruhm gelangte) Böhmenkönig Ottokar. Er hatte den deutschen Ordensrittern bei der Kolonisierung und Missionierung im Samland Hilfe geleistet. Als Dank hielt die neu angelegte, von adeligen Kreuzfahrern und Lübecker Kaufleuten gemeinsam aufgebaute Stadt am Pregel in ihrem Namen die Erinnerung an seinen Aufenthalt im Ordensland fest. Handel und Rechtsordnung, Glaube und Kultur, Erweiterung des abendländischen Ausstrahlungskreises — das waren die Lebenselemente Königsbergs wie aller damals entstandenen Städte im baltischen Raum.
Dass Königsberg unter ihnen einen besonderen, ja einzigartigen Rang einnehmen sollte, war ihm bei seiner Gründung nicht bestimmt worden. Es ergab sich erst zweihundert Jahre danach, als die Hochmeister im Zweifrontenkampf gegen die polnischen Könige und gegen die kriegsunwilligen Städte unterlegen waren und die Marienburg der Krone Polens überlassen mussten. Damals, 1457, wählte der Hochmeister Königsberg zu seinem ständigen Sitz und baute das Schloss — zu einer Zeit, als an aggressive Politik nicht mehr zu denken war, weil der Ordensstaat seine städtereiche Westhälfte (mit Danzig, Elbing, Thorn) verloren hatte und sich auf die Bewahrung des Erhaltenen beschränken musste.
Dennoch ist wenige Jahrzehnte später, Königsberg zu einer ganz unvermuteten Schlüsselstellung gelangt. Das geschah, als einer der bemerkenswertesten deutschen Fürsten jener Epoche dort den Schritt vom Mittelalter zur Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Sohn einer polnischen Königstochter, selbst kein Ordensritter, sondern als Außenseiter vom Königsberger Kapitel wegen seiner Familienverbindungen gewählt. Bei einer diplomatischen Reise ins „Reich“ hörte er in Nürnberg einen Anhänger Luthers, Andreas Osiander, predigen und empfing davon einen so starken Eindruck, dass er sogleich die Bekanntschaft Luthers suchte. Dieser riet ihm, den unzeitgemäß gewordenen, schwerfälligen geistlichen Ordensstaat in ein weltliches, von Rom unabhängiges Herzogtum umzuwandeln, und da Kaiser Karl V. die Zustimmung dazu verweigerte, begab sich Albrecht als Herzog in die polnische Lehnsherrschaft. Damit war Königsberg zwar aus dem Reichsverband ausgeschieden, aber es bekam dafür die Möglichkeit, ein geistiges Zentrum des reformatorischen Christentums zu werden.
1544 hat Albrecht, mit großer Umsicht dies Ziel verfolgend, die Universität in Königsberg gegründet, die „Albertina“. Königsberg, nun abseits gelegen, wurde ein Brückenkopf nicht nur der deutschen, sondern der gesamteuropäischen Kultur des protestantischen Raums. Selbstbewusstsein, Stolz auf ihre Freiheiten, durch Handel und Schifffahrt in ständiger Verbindung mit den Ländern Westeuropas — vor allem mit Holland und England —, das werden die Züge der bürgerlichen Stadt Königsberg, die den Erben Herzog Albrechts, den Berliner Kurfürsten und Königen, manche Schwierigkeiten bereitet durch ihre Unlust, sich in ein absolutistisches Staatswesen einzufügen. Als der Große Kurfürst den Ständen ihre Kompetenzen beschneiden möchte, findet man überall auf den Straßen Königsbergs Anschläge:
„Wir wollen freie Preußen fein und nicht märkische Sklaven sein!“
Ein Land, das sich aus dem politischen Kampf der baltischen Mächte Schweden, Polen, Russland ausgeklammert hat, das wohl Schauplatz und Opfer von Kriegen, aber nicht Teilnehmer an Kriegen ist — das wurde aus dem von Albrecht geschaffenen Herzogtum, später (seit 1701) Königtum Preußen, Königsberg ist vor 1945 nicht ein einziges Mal belagert worden. Es war immer eine friedliche Insel. Die Namen der Männer, die für diese Stadt repräsentativ sind, lauten: Immanuel Kant (der in den achtzig Jahren seines Lebens nicht aus Königsbergs Mauern herausgekommen ist, weil hier Frieden war), Johann Georg Hamann, der „Magus des Nordens“, E. T. A. Hoffmann. In Königsberg wurde die „Kritik der reinen Vernunft“ geschrieben, Hamanns „Sokratische Denkwürdigkeiten“ und Hippels „Lebensläufe in aufsteigender Linie“. In Königsberg wurden 1807 die Reformedikte entworfen, auf denen die Selbstverwaltung unserer Städte ruht.
Der Bernstein der samländischen Küste hat schon in unvordenklichen Zeiten die Völker miteinander in friedliche Beziehung gebracht. Königsbergs wirtschaftlichem Aufstieg lag der Bernsteinhandel zugrunde. Sobald Kriege den Seehandel lähmten, verarmte Königsberg. Im Frieden blühte es.
Die siebenhundertjährige Geschichte dieser Stadt trägt ihre Rechtfertigung an der Stirn geschrieben. Blinde Gewalten haben sie der Vernichtung überliefert; denn die Welt wird, wie einst der Schwede Oxenstjerna sagte, „mit wenig Weisheit regiert“. In aller Form hat man in Jalta auf Königsberg Verzicht geleistet und auf die bange Frage, die sich Alfred Kerr 1914 beim Einmarsch der Russen aufdrängte, eine furchtbar bejahende Antwort gegeben:
„Ist dein Land, Immanuel Kant,
von den Skythen überrannt?"
Ludwig Marquard.
Seite 16 Eltern suchen ihre Kinder
Königsberg, Haberberger Schulstraße 1a: Jürgen Ewert, geb. 24.06.1939, und Ingrid Ewert, geb. 23.06.1944, von ihrem Vater: Fritz Ewert.
Königsberg-Kohlhof, Straße 1051, Nr. 18: Herbert Goerke, geb. 25.03.1935 in Königsberg von seiner Mutter: Eva Goerke, geborene Lau, geb. 12.08.1911.
Königsberg, Nachtigallensteig 3: Gerda Sdrenka, geb. 25.04.1934 in Fuchsberg, von ihrer Großmutter: Johanna Hoffmann, geborene Judel.
Königsberg, Nasser Garten 9 - 11: Ursula Schneidereit, geb. 24.06.1937, von ihrem Bruder: Fritz Schneidereit, geb. 18.08.1921.
Königsberg-Juditten, Ronderstr. 16: Helga Regina Brandt, geb. 02.05.1943. von ihrer Pflegemutter: Gertrud Hellwig, geb. 21.12.1905. Das Kind befand sich mit seiner Mutter Charlotte Brandt auf der Flucht. Sie wurden am 15.04.1945 zwischen Peise und Pillau zuletzt gesehen.
Königsberg, Schrötterstr. 147: Gisela Domnick, geb. 03.05.1935, von ihrem Vater: Richard Domnick, geb. 14.02.1905.
Königsberg: Tiroler Str. 16: Erwin Schieder oder Dahlmann, geb. 31.03.1933 in Königsberg, von seiner Pflegemutter: Johanne Wermeter.
Seite 16 De beste Millezien
Se hiess Karline Plimpereit
Und war so dammlich wie se lang war,
Die hädd sich was im Kopp gesetzt:
Ihr war nich wohl, wenn se nich krank war.
Rein nuscht tat se dem ganzen Tag,
Wie wuien bloss und sich bedauern
Und voller Sehnsucht spät und frieh
Auf jede neie Krankheit lauern.
Des Morgens hädd se es im Hals,
Des Mittags spierd se es im Ricken,
Nachmittags kullerd es im Bauch,
Und abends tat im Kopp es spicken.
Des Nachts da fand se keinem Schlaf,
Und alle Naslang missd se husten,
Und wenn se mal e Endche ging,
Denn missd se sich e Stund verpusten.
De Schieblad hädd se vollgepremst
Mit Nerventee und Abfiehrpillen,
Wie Kraut und Rieben lagen da
Tablettchens, Tropfen und Pastillen.
Denn was se inne Zeitung fand,
Das tat se alles ausprobieren
Und zwischendurch bestrahld se sich
Und liess sich oft das Kreiz massieren.
Se rieb sich ein mit Rindertalg,
Die arme, kranke Karoline,
Auch Weizenkeimöl nahm se ein
Und fuffzehn Sorten Vitamine.
Kein Dokter half, kein Krankenhaus,
Sogar e Wunderkur versagte,
Es war, als wenn e beeser Wurm
An ihrem Lebensfaden gnagte.
Er gnagte auch am Portmanneeh
Und liess de Dittchens nich verrosten,
Je wenger dass er taugen tat,
Je mehr tat meist der Plunder kosten.
Da kam der Doktor Schipporeit
Und hat ihr schwer Bescheid gestossen
Und ganz geheerig ausgestiebt.
Am meisten aber tat ihr bossen,
Wie er de Schieblad hat entdeckt.
Die hat er einfach rausgerissen,
Dem ganzen Dreck denn umgestilpt
Und alles aufem Mist geschmissen.
Nu war vorbei mit Millezien,
Nu kriegd se, was se längst missd haben,
E grossem Spaten inne Hand,
Mit dem missd se im Garten graben.
Das tat ihr gut, so dass se nu
All wieder freehlich, frisch und rund is,
Am dollsten aber ärgert ihr,
Dass se nu leider ganz gesund is.
Dr. Leu
Seite 16 Einst gab es in Königsberg
einen Superintendenten, das war Schlecht,
einen Bankier, das war Schlimm,
einen Professor, das war Schade,
einen Buchhändler, das ist Bon.
Seite 16 Königsberger Anekdoten um Erzbischof Borowski. Erzählt von Julius Konrad Beckmann.
Fast zweihundert Jahre sind es her, als Ludwig Ernst Borowski in unserem alten Königsberg lebte und in der Neuroßgärtner Kirche amtierte. Borowski war ein streitbarer Diener Gottes, der im Laufe seines seelsorgerischen Wirkens später den höchsten Titel erreichte, der je in der evangelischen Kirche vergeben wurde, er ward Erzbischof.
Furchtlos zog er gegen allerlei Missstände, gleich ob bei hoch oder niedrig zu Felde, wodurch er sich besonders in den Kreisen der besseren Gesellschaft oft recht missliebig machte. Trotz seiner allgemein bekannten Schlagfertigkeit wurde aber Borowski gerade dort oft zur Zielscheibe von Angriffen, wobei sich besonders einige Herren des Offizierskorps hervorzutun pflegten, die mit Vorliebe versuchten, ihm Widersprüche in der Bibel nachzuweisen.
Bei einer Festlichkeit, zu der er einet geladen war, führte die geistreiche Baronin S. das große Wort.
„Herr Pfarrer, muss man denn wirklich bis auf das I-Tüpfelchen alles glauben, was in der Bibel geschrieben steht?“ So fragte sie ihn treuherzig lächelnd.
„Gewiss doch, Baronin, das muss wohl jeder gute Christ“, antwortete der Geistliche und wartete auf das Kommende.
„Vieles klingt aber recht unwahrscheinlich, das müssen Sie doch zugeben. Nehmen wir mal beispielsweise die Geschichte von Bileams Esel. Ist es nicht unmöglich zu glauben, dass ein Esel plötzlich sprechen konnte?“
„Sie irren, Frau Baronin, es war ja gar kein Esel“, erwiderte Borowski freundlich mit unmissverständlicher Handbewegung, „es war eine Eselin, die ihren Mund auf tat“.
Ein andermal versuchte es der der Baronin befreundete Leutnant v. Osten den Prediger auf seine Art in die Enge zu treiben.
„Sagen Sie mal, Herr Pfarrer, die Arche von dem alten Noah, die kann doch so groß nicht gewesen sein. Mir will das absolut nicht einleuchten, dass da von all den Tieren der ganzen Welt je ein Paar hineingegangen sein sollen. Die Bibel ist ein großes Märchenbuch, geben Sie das zu?“
„Mit nichten, Herr Leutnant. Sie vergessen die Allmacht Gottes! — Gott befahl eben und es ging. Er sagte: Komm her du Esel von Osten, du Nashorn von Westen, du Papagei von Süden und du Walross von Norden, — und als der Esel von Osten den Anfang gemacht hatte, verlief alles glatt und harmonisch, da gingen sämtliche anderen Tierchen willig hinterdrein“.
Das schallende Gelächter der Umstehenden ließ Leutnant v. Osten auf Vergeltung sinnen.
Als beide sich wieder einmal begegneten, fuhr er schwereres Geschütz auf. Zwar war das, was er sich ausgedacht hatte, gefährlich, nein fast ein Stück aus dem Tollhaus. Andrerseits aber glaubte er fest auf die Treue bauen zu können, die der Geistliche jenem Bibelworte halten musste, das er sich nach sorgfältiger Wahl für seine Vergeltung erkoren hatte. Scheinheilig stellte er die Frage:
„Wie ist es, Herr Pfarrer, muss ein Christenmensch alles befolgen, was die Bibel vorschreibt, auch wenn es recht unangenehm und schmerzhaft sein sollte?“
„Ohne Zweifel, Herr Leutnant, das muss er wohl“.
„Sehr brav! Es steht geschrieben: So dir jemand gibt einen Streich auf deinen linken Backen, so halte ihm auch den Rechten dar“, zitierte frohlockend der Offizier und verabreichte dem Gottesmann einen Backenstreich,
Pfarrer Borowski, ein Riese von Gestalt, verzieht keine Miene, tritt blitzschnell auf den Anderen zu und schlägt ihm mit voller Kraft in's Gesicht. Dann folgen die Worte: „Es gibt auch andere Sprüche in der Bibel und einer davon lautet: Mit dem Maß, mit dem ihr messet, wird euch wieder gemessen!“
Von allen Seiten drängt man sich hinzu. Ein Skandal scheint unausbleiblich. Doch Borowski beruhigt die Aufgeregten mit freundlichem Lächeln. „Es geschah nichts von Bedeutung, meine Herren, — Herr v. Osten und ich waren gerade dabei, uns die Heilige Schrift auszulegen!“
Der Gedanke an Rache lässt den blamierten Leutnant nicht zur Ruhe kommen. Äußerlich zwar zeigt er sich bei weiterem Zusammentreffen in hohem Grade versöhnlich. Innerlich aber sinnt er angestrengt darauf, wie er den Prediger auf das schwerste demütigen kann.
Eines Tages lässt er Borowski eine Einladung zum Abendessen zugehen. Obwohl von Freunden gewarnt, nimmt dieser an. Als Borowski die Wohnung betritt, scheint dem gekränkten Offizier der Augenblick gekommen. Er reißt von der Wand eine schwere Reitgerte. „Kennen Sie das? Das ist Mosis Zauberstab“, ruft er. Zornig rollt das Soldatenauge, als er die Peitsche hebt. Da geschieht das Unfassliche. In Gedankenschnelle zieht Borowski aus seiner Manteltasche ein Terzerol, das er der erhaltenen Warnung zufolge zu sich gesteckt hatte. „Und dieses hier ist Arons Rauchfass“, entgegnet er gleichmütig. Die Peitsche sinkt, v. Osten ist nicht nur wieder der Unterlegene, nein, während er jetzt den ernsten und doch so gütigen Worten des Pfarrherrn lauscht, regt sich tiefe Scham und Reue in seiner Seele. Borowski spricht von dem unerschütterlichen Glauben an das Gute in jedem Menschen und unter dieser Herzenswärme schmilzt endlich das Eis, das des Leutnants Ernst verhärtete.
„Fort mit Mosis Stab und Arons Rauchfass“, ruft er, „ich erkläre mich für besiegt! Nicht durch diese Waffe da, sondern durch Ihren Edelmut und Ihr goldenes Herz. Lassen Sie uns auf einen ehrlichen, dauernden Frieden trinken, das heißt, — wenn Sie mir verzeihen können“. Und so geschah es.
Auf der Wache im Königsberger Schloss sitzen die Herren Offiziere und schelten auf den öden Gamaschendienst. Es ist ein trüber Herbsttag. Was soll man tun? Aus dem Keller des Blutgerichts wandert ein flaschengefüllter Korb in das Wachlokal. Die Stimmung bessert sich. Bald ist sie auf dem Höhepunkt. Man fängt sogar zu singen an. Zwar ist beides verboten, das Trinken wie das Singen, aber heut kommt keine Kontrolle, denn der Major und auch der Herr Oberst sind beide zur Jagd gefahren. — Ein junger Leutnant kommt und meldet Bischof Borowski. „Den wollen wir würdig empfangen“, beschließen die angesäuselten Herren. „Kommt, Kameraden, wir wollen ein geistliches Lied anstimmen“, schlägt einer vor. Man einigt sich schnell auf „Jesus, meine Zuversicht“. Aus rauen Kehlen schallt der Gesang, nach draußen. Da öffnet sich die Tür. Bischof Borowski steckt den Kopf durch die Spalte. „Pst, pst, — meine Herren! Sie singen ja den falschen Vers! Den zweiten müssen Sie singen, er lautet: Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis umhüllet!!!
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