Ostpreußen-Warte, Folge 04 vom April 1955
Ostpreußen-Warte
Seite 1 Die ostpreußische Passion. Für die Freiheit eines neuen Europas starben vor zehn Jahren unsere Landsleute.
Foto: Der Seehafen Pillau erlebte vor zehn Jahren dramatische Wochen. Hunderttausende Ostpreußen wurden von hier aus von der deutschen Kriegsmarine über See in Sicherheit nach dem Westen gebracht
Schon im ersten Weltkrieg war Ostpreußen das einzige Gebiet unseres Vaterlandes, das an sich die Schrecken des Krieges unmittelbar erlebt hat. Weite Teile des Landes wurden verwüstet und die Bewohner von Haus und Hof vertrieben. Und doch waren die Schreckenstage von 1914 nur ein schwaches Piano gegen das ungeheure Fortissimo, das 30 Jahre später über Ostpreußen hereinbrechen sollte, für ein Inferno, das in der Geschichte ohne Beispiel ist.
Innerhalb weniger Wochen wurde von der roten Flut ein Land verschlungen, das nicht nur deutsch, sondern — wie die Welt erst viel zu spät erkennen musste — auch europäisch war. Zu allen Zeiten war Ostpreußen nicht nur ein wichtiger Brückenkopf für den europäischen Handel mit dem Osten, sondern zugleich auch der bedeutendste nordöstliche Verteidigungspfeiler gegen Asien.
Verbunden mit diesem territorialen war ein ungeheurer biologischer Verlust. Die Verluste der Heimatvertriebenen durch Ermordung, Tod auf der Flucht und in den Lagern und durch Verschleppung — also ohne Kriegsverluste an Gefallenen, Vermissten und Gefangenen — betragen über dreieinhalb Millionen. Das bedeutet, dass die Bevölkerung in den deutschen Ostgebieten in wenigen Monaten mehr Menschen verlor, als die gesamte deutsche Wehrmacht während der sechs Kriegsjahre. Die Ernte, die der Tod unter der ostdeutschen Bevölkerung hielt, war sechsmal größer als die der gesamten deutschen Zivilbevölkerung während des Luftkrieges. Davon entfällt ein sehr hoher Prozentsatz auf die Bevölkerung Ostpreußens. Eine erschreckende Statistik, die erschüttern muss, hinter deren nüchternen Zahlen aber nicht die Summe an Leid, Not, Elend und Teufeleien abzulesen ist, die die Opfer der Katastrophe und ein Großteil der überlebenden unter den Heimatvertriebenen erdulden mussten.
Das erste blutige Fanal
Schon Ende Oktober 1944 erhielt die ostpreußische Bevölkerung einen recht deutlichen Vorgeschmack von dem, was auch ihr bevorstehen sollte. Ein Panzerkeil der Roten Armee war bis in den Raum von Goldap vorgestoßen. Er konnte zwar von den Truppen des Generals Hoßbach abgeriegelt und das Gebiet schon nach kurzer Zeit wieder freigekämpft werden. Doch was sich den Befreiern an Schrecklichem und Furchtbarem darbot, übertraf alles, was das deutsche Volk draußen und drinnen bisher in den Kriegsjahren erlebt hatte. An der unschuldigen und wehrlosen deutschen Bevölkerung hatten die Sowjets teuflische Rache genommen. Man fand Männer und Greise erschlagen und in Nemmersdorf Frauen lebend an die Scheunentore geschlagen. Was nicht tot in den Gräben lag, war verschleppt worden und nicht einmal vor den französischen Kriegsgefangenen hat die unsinnige Mordgier haltgemacht.
Dies blutige Fanal von Nemmersdorf hätte einer verantwortlichen Führung ernste Warnung sein müssen, umso mehr, als allgemein bekannt war, dass die deutschen Linien viel zu schwach waren, um einem massiven Angriff der Sowjets für längere Zeit zu widerstehen. Noch wäre es Zeit gewesen, aber nichts geschah. Im Gegenteil! Ostpreußens Gauleiter Erich Koch widersetzte sich den ernsten Vorstellungen der Militärs und verhinderte den Abtransport der gefährdeten Bevölkerung. Statt planmäßige Verteidigungs- und Evakuierungsvorbereitungen zu treffen, vertröstete man die Bevölkerung mit leerem Gerede von der deutschen Wunderwaffe. Und so trat ein, was kommen musste.
Die Hölle bricht los
Bittere Winterkälte herrscht in Ostpreußen, als am 12. Januar 1945 an der gesamten Front von der Ostsee bis zu den Karpaten der Generalangriff der Roten Armee losbricht und den schwachen Schleier der deutschen Verteidigung innerhalb weniger Tage aufreißt. Nun ist es zu spät für einen geordneten Abtransport. Mit überstürzter Hast raffen die erschrockenen Menschen das Notwendigste zusammen und fliehen mitten in der Nacht, mit Pferd und Wagen oder zu Fuß, ihre wenigen Habseligkeiten auf dem Rücken. Die panische Angst vor einem zweiten Nemmersdorf sitzt ihnen im Nacken, spornt sie zu höchster Eile an. Doch für Tausende und aber Tausende ist es bereits zu spät. Ihre Trecks werden überholt oder von den Panzerketten der Stalinpanzer rücksichtslos niedergewalzt. Wehe denen, die von der sowjetischen Soldateska noch in ihren Dörfern überrascht werden, ihr Schicksal war von vornherein besiegelt: Die Männer werden erschlagen, die Frauen vergewaltigt und wieder vergewaltigt und verschleppt, die Kinder ihrem Schicksal überlassen. Nach 14 Tagen stehen russische Panzer bei Elbing; der Strom der Flüchtlinge und ganze deutsche Divisionen sind hier in einem Kessel zusammengedrängt. Ihre Ausfallsversuche werden abgeschlagen und ein Angriff zu ihrer Entsetzung durch die 7. Panzerdivision, der von Marienburg vorgetragen wird, erstickt in Blut und Schnee.
Das Samland gleicht einem riesigen Heerlager, aber die einzelnen Trecks sind kleiner geworden. Was nicht gesund und widerstandsfähig ist, hat den Elendsmarsch nicht überstanden. Auch hier gibt es kein Durchkommen nach Süden und Westen mehr, es bleibt nur die Hoffnung auf ein rettendes Schiff oder die Flucht über das Eis des Haffs zur Nehrung. Zehntausende gehen bei dieser Flucht zugrunde. Ganze Gespanne mit Pferd und Wagen brechen ein und versinken in den eisigen Fluten, derweil die berstenden Granaten der sowjetischen Armee die Fliehenden verfolgen. Jagdflieger stürzen sich immer wieder auf den Menschenstrom und speien aus ihren Bordwaffen Tod und Verderben.
Ende April retten sich die Überlebenden aus Königsberg auf die Nehrung vor den wütenden Angriffen Wassilewskis, bis auch hier der schmale Landstreifen nach Süden abgeriegelt war und die letzten erschöpften Soldaten der 2. Armee zusammen mit den letzten flüchtenden Frauen und Kindern hilflos der Wut der Roten Armee preisgegeben waren.
Genug! Wer diese Unglücksmenschen gesehen hat, die Alten mit stumpfem, hoffnungslosem Blick, bleiche Frauen mit tiefliegenden Augen, darunter auch schwangere, Kinder mit greisenhaften Zügen, dem haben sich diese furchtbaren Bilder so tief in das Herz eingegraben, dass er sie nie wieder vergessen kann.
Sie starben für Europa
Millionen von Toten! Wofür — so drängt sich, wenn wir ihrer Gedenken, immer erneut die Frage auf, wofür gingen sie in den Tod? Waren sie „die Front der lebenden Leiber“, die nach der nationalsozialistischen Terminologie den Weg ins Reich versperrte? Starben sie für die Heimat — für Deutschland? Die Heimat ging verloren und Deutschland wurde zu einem Torso! Und doch war dies grausige Menschenopfer nicht zwecklos, nicht ohne einen Sinn. Die unmenschlichen Qualen und Leiden, die sie erdulden mussten, enthüllten der Welt in deutlicher Klarheit das wahre Wesen des Bolschewismus in seiner zynischen Grausamkeit und erbarmungslosen Brutalität. Die Welt erfuhr durch diese furchtbare Katastrophe, was ihr droht, wenn der Bolschewismus zum Zuge kommen sollte. Darum wurde der Opfertod der Ostpreußen und der anderen Ostdeutschen zu einem gewaltigen Fanal an das Weltgewissen.
So und nur so finden wir, zehn Jahre nach dem in seiner Größe geschichtlich einmaligen Opfergang die Antwort auf die quälende Frage nach dem „Wofür“. Sie starben unter den Qualen asiatischer Grausamkeit — damit ein politisches Europa geboren werden kann. Sie starben, unbewusst zwar, für die Freiheit dieses neuen Europas!
Dies Europa ist nach der Annahme der Pariser Verträge durch Deutschland, Frankreich und weiterer europäischer Staaten keine Fiktion mehr, sondern eine recht feste Realität, mit der der Osten rechnen und sich auseinandersetzen muss. Die Zeit wurde reif für einen festen Zusammenschluss der europäischen Nationalstaaten, da sie ohne ihn früher oder später ein Opfer des Bolschewismus zu werden drohten. Wie sehr sich gerade dadurch Moskau in seinen Plänen und Absichten durchkreuzt sieht, das beweisen die wütenden Hasstiraden, mit denen es auf die Verträge reagiert. Das neue Europa wird sich wirtschaftlich kräftigen und militärisch erstarken, so dass jeder Angriff auf sein Territorium zu einem gefährlichen Risiko für den Angreifer wird. Und wenn es überhaupt einen Weg zur Wiedervereinigung und zur Rückgewinnung der abgetretenen Gebiete gibt, dann kann er nur über dieses Europa führen.
Für dieses Europa starben unsere Landsleute!
Seite 2 Endkampf um Ostpreußen
Man hat häufig die Schlacht um Stalingrad als Wendemarke des Krieges bezeichnet und in der Tat hat die deutsche Wehrmacht – von dem hohen substantiellen Verlust ganz zu schweigen – diesen Schlag nie ganz überwunden. Der Glaube an ihre Unbesiegbarkeit war tief erschüttert und das unselige Unternehmen Kursk im Juli 1943, das den Rückzug der Heeresgruppen Mitte und Süd zur Folge hatte, ließ die Schlagbarkeit dieser Truppen für immer erlahmen und ist mittelbar auch mit dem Schicksal Ostpreußens verwoben.
Die Gefahr rückt näher.
Seit jenem Zeitpunkt lag das Gesetz des Handels eindeutig beim Feind, der die deutsche Wehrmacht von nun an in die Abwehr drängte. Zwar gelang es eine neue Front aufzubauen, aber leider nur für kurze Zeit. Ein neuer Einbruch in diese Front musste für die deutschen Ostprovinzen, vor allem für Ostpreußen zur tödlichen Gefahr werden. Diese sowjetische Großoffensive ließ nicht lange auf sich warten. Sie setzte Mitte Oktober auf breiter Front und mit dem Angriffsziel Romintener Heide — Königsberg ein. Die wechselvollen Kämpfe, die auf beiden Seiten mit erbitterter Hartnäckigkeit geführt wurden, zogen sich über Wochen hin. Aber trotz des ungleichen Kräfteverhältnisses von 5 zu 1 gelang es den Sowjets nicht, die elastisch geführte Verteidigung zu durchbrechen. Als in den letzten Oktobertagen die Angriffe zum Stillstand gebracht werden konnten, war die Front noch immer geschlossen aber um 40 Kilometer zurückgedrängt und Ostpreußen damit zum Schlachtfeld geworden. Hervorragend hatten sich in diesen pausenlosen Kämpfen im Norden die 5. Panzerarmee und südlich davon die 4. Armee unter der Führung von General Hoßbach geschlagen, hervorragende Einzeltaten an Tapferkeit hatten Soldaten aller Einheiten vollbracht und doch verlief die Hauptkampflinie auf deutschem Gebiet. Hier musste die Front unter allen Umständen gehalten werden, sollte nicht deutsches Land der Willkür der roten Horden preisgegeben werden. Die Lage verlangte den Einsatz und die Konzentration aller Kräfte auf den deutschen Osten, um die tödliche Gefahr zu bannen.
Traf den deutschen Soldaten eine Schuld?
Es wäre müßig, zehn Jahre nach Ablauf der ostpreußischen Tragödie erneut die Schuldfrage aufzuwerfen. Die inzwischen geschichtlich gewordene weitere Entwicklung des Krieges hat sie zudem so eindeutig beantwortet, indem sie die oberste Führung dafür verantwortlich macht, so dass sich jede weitere Untersuchung erübrigt. Wenn wir uns dennoch hier kurz mit den militärischen Ereignissen in unserer Heimat auseinandersetzen, so geschieht dies zur Ehrenrettung für die deutschen Wehrmachtseinheiten, insbesondere auch für unsere in Ostpreußen garnisonierten Truppenteile, für die ungezählten Soldaten, die auf ostpreußischer Erde kämpften und starben.
Nach Klausewitz ist die stärkere Kampfesform die Verteidigung. Eine einleuchtende These — denn in den meisten Fällen kämpft der Verteidiger um sein Recht und seine Scholle. Das gibt ihm bereits eine ethisch moralische Überlegenheit. Die Kenntnis des Geländes, das man außerdem leicht verstärken kann, kommt ihm zugute. Die Kenntnis der Landessprache erleichtert seine Tätigkeit und er genießt die ihn nach jeder Richtung hin gern gewährte Unterstützung durch die Bevölkerung. Dies alles sind Vorteile, die hoch zu bewerten sind. Sie konnten aber keinen Ausgleich bieten für das, was die deutschen Truppenteile nicht besaßen. — Es fehlte an schweren panzerbrechenden Waffen und vielfach auch an Munition.
Es mangelte an Kraftstoff und an Wehrmachtsfahrzeugen, die zwei, drei andere im Schlepp hinter sich herzogen, war keine Seltenheit. Die Panzer waren oft genug zur Untätigkeit verurteilt, weil sie keinen Betriebsstoff hatten, um fahren zu können. Sie konnten deshalb ihren bedrängten Kameraden von der Infanterie keine Hilfe und Entlastung bringen. Es fehlten vor allem starke Reserven, die, weit in die Tiefe gestaffelt, schlagkräftig genug waren, um einen Einbruch des Gegners abzuriegeln. Es rächte sich auch die Ausbildungsmethode des Heimatheeres, die ihren Ersatz noch immer für den Angriff drillte, obwohl seit Jahren schon der Krieg rein defensiv geführt werden musste. Diese wenigen Beispiele nur für viele, deren Reihe sich beliebig fortsetzen ließe.
Zusammenfassend muss man feststellen, dass die Truppen durch die lange anhaltenden Abwehrkämpfe physisch und psychisch viel zu geschwächt waren, um den zu erwartenden neuen schweren Kämpfen, bei denen es um die Entscheidung ging, gewachsen zu sein. Daran änderte auch nichts die seelische Vorbereitung der Soldaten, die durch ihre Vorgesetzten immer wieder auf das große Ziel der Verteidigung des ruhmreichen Ostpreußenlandes hingeführt wurden. Alle Hoffnungen auf Verstärkung der Front musste seit Beginn der Ardennenoffensive im Dezember 1944 fallen gelassen werden. Und so konnte man nur mit banger Sorge in die nahe Zukunft blicken. Noch bestand die Möglichkeit für eine geordnete Evakuierung der Zivilbevölkerung. Aber alle Warnungen und Vorstellungen der militärischen Führung waren vergeblich. Von den verantwortlichen politischen Stellen wurde keine oder eine späte Entscheidung getroffen. Den militärischen Befehlshabern waren die Mittel genommen, für die Bevölkerung etwas zu tun. Und gerade die unterlassene oder viel zu spät durchgeführte Evakuierung sollte sich später recht verhängnisvoll auf die militärischen Operationen auswirken.
Der Entscheidungskampf beginnt.
Am 13. Januar 1945 setzt die russische Offensive in einer Ausdehnung und mit einer Wucht ein, die keinen Zweifel darüber bestehen ließ, dass die Entscheidungsschlacht begann. Die Schwierigkeiten bei der Truppenführung, die von der obersten Führung im Stich gelassen wurde, steigerten sich täglich. Die grimmige Kälte verschärfte die Lage noch mehr. Volkssturmverbände, von denen sich die oberste Führung eine Wendung versprach, wurden den Truppenverbänden angegliedert, konnten aber trotz größter Opferfreudigkeit und Einsatzbereitschaft als Kampftruppe keine Verwendung finden. Sie leisteten dagegen im Stellungsbau außerordentliches. Die Lage wird verhängnisvoll, als starke sowjetische Panzerverbände im Süden durchbrechen und in einem weiten Bogen nach Norden durchstoßen. Um ein zweites Stalingrad zu vermeiden, muss auch General Hoßbach sich mit seiner Armee absetzen, da auch seine Nachbaren im nördlichen Ostpreußen dem Ansturm erlegen waren.
Nur starke aus der Heimat oder von der Westfront herbeigeführte Kräfte hätten zu dieser Zeit eine Lösung und eine Wendung für das Schicksal Ostpreußens herbeiführen können. Aber solche Kräfte waren nicht mehr vorhanden. Die Kriegführung Hitlers hatte die deutsche Wehrmacht verbraucht und sie zum Schutz der Heimat unbrauchbar gemacht.
Die Kämpfe um Ostpreußen ziehen sich noch Monate hin und in diesen Kämpfen zeichnen sich immer erneut auch unsere ostpreußischen Truppenteile aus. Aus dem belagerten Königsberg heraus waren es vor allem die Kampfeinheiten der 1. Ostpreußischen Infanterie-Division, die einen erfolgreichen Ausfall unternahmen und am 4. Februar die Straße nach Pillau freikämpften und noch einmal den stählernen Ring sprengten. Der Brückenkopf im Samland wird bis in den März hinein von der 21. Ostpreußischen Division verteidigt und fünf Mann vom IR 45 halten unter einem Hauptmann die Schlossruine von Balga und sichern damit die Absetzbewegung ihrer Kameraden, bis auch sie noch in einem Sturmboot am 29. März abgeholt werden.
Mit großer Tapferkeit kämpften die zahlenmäßig weit unterlegenen deutschen Truppen. Ihre Niederlage war nicht ihre Schuld, ihr Ende aber der Untergang Ostpreußens.
Mit dem Gedenken an unsere unvergessene Heimat wird deshalb auch stets ein Gedenken an unsere ostpreußischen Soldaten verbunden sein. Wenn sie auch der Übermacht unterlagen — so stellt ihre Tapferkeit sie doch würdig an die Seite ihrer Väter, die sieben Jahrhunderte hindurch der ostpreußischen Heimaterde Schutz boten.
Seite 2 Aufruf des Ostkirchenausschusses der zerstreuten evangelischen Heimatkirchen
Der Ostkirchenausschuss wendet sich mit dem folgenden seelsorgerischen Wort an die Heimatvertriebenen.
Viele unter Euch haben sich mit der Bitte an uns gewandt, dass der Ostkirchenausschuss aus der Sicht der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge ein seelsorgerisches Wort sagen möchte zu den schwerwiegenden politischen Fragen, die unser Volk jetzt aufs Tiefste bewegen. Es ist uns gewiss, dass mit der Stellungnahme zu diesen Problemen so oder so auch über die Zukunft unserer Heimat bestimmt wird. Wir leiden mit unter der Ratlosigkeit und Verwirrung im Blick darauf, welche Aufgaben uns hier als Christen in unserm Volk gestellt sind.
Die evangelische Kirche sagt ein klares Nein zum Bolschewismus. Sie muss es zu jeder Ideologie sagen, die den Menschen total in Anspruch nehmen will. Darum darf die Kirche sich auch nicht mit einem bloßen Anti-Bolschewismus begnügen. Als Christen sehen wir auch und vor allem hinter dem Eisernen Vorhang den Menschenbruder. Deshalb unterscheiden wir den Bolschewismus von den ihm beherrschten Menschen und Völkern. Die Liebe zu diesen Menschen, der Wille ihnen zu helfen, zwingt uns, von den verantwortlichen Männern unseres Volkes zu fordern, dass sie auch dem gefährlichsten Gegner ins Auge sehen und den diplomatischen Kampf mit ihm aufnehmen. Das fällt gerade uns Vertriebenen schwer, da unsere Erfahrungen es unmöglich erscheinen lassen, diesen Gegner überhaupt anzusprechen. Wir dürfen uns nicht wie Kaninchen vor der Klapperschlange verhalten. Ohne den Glauben an die Möglichkeit einer diplomatischen Verständigung hört die Politik auf. Wenn wir uns nur noch gegenseitig anklagen, ist der Krieg das unvermeidliche Ende.
Wir alle sehnen uns nach der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und sollten niemanden verdächtigen, dass es ihm nicht damit ernst ist. Wir müssen uns aber bewusst bleiben, dass Wiedervereinigung Deutschlands und europäische Ost - West - Verständigung sich gegenseitig bedingen. Gerade wir Vertriebenen tragen große Verantwortung dafür, dass unser politisches Verhalten keine Klippe auf dem Weg zu diesem doppelten Ziel wird, sondern es seiner Verwirklichung näher bringt. Nur unter dieser Voraussetzung können wir uns mit der Frage unserer Heimat beschäftigen. Denn uns, die wir von jenseits der Oder-Neiße und den alten Reichsgrenzen kommen, geht es nicht nur um die Wiedervereinigung der Besatzungszonen. Als Christen müssen wir so handeln und über die Fragen unserer Heimat so reden, dass die Völker des Ostens merken, wir sprechen auch für sie. Wir müssen dem Bolschewismus die Waffe aus der Hand nehmen, dass nur er Völker versöhnen könne. Wir müssen Mauern zwischen Völkern und Rassen, die den Dienst der Liebe am Bruder im andern Volk unmöglich machen, niederreißen. Ohne diesen Dienstgedanken hätten wir unsere Heimat nie erworben, ohne diesen können wir sie auch nicht wiederfinden.
Die Wiederbewaffnung wurde mit der Annahme der Pariser Verträge vom Bundestag bejaht. Viele von uns halten diese Entscheidung für unheilvoll. Es ist dabei manchmal eine Stellung eingenommen worden, als ob dieselbe mit einer christlichen Glaubenshaltung unvereinbar wäre. In einer politischen Ermessungsfrage ist es möglich, so oder so zu urteilen. Darum ist es nach unserer Überzeugung unrecht, daraus einen Glaubenskampf zu machen.
Ermessensfrage bedeutet weiter, dass die Gründe und Gegengründe, die für die eine oder andere Stellungnahme sprechen, wirklich sachlich geprüft werden. Bei alledem wollen wir uns darüber klar sein, dass Faktoren im großen politischen Spiel mitwirken, die niemand ganz kennt und über die wir in keiner Weise verfügen. Das müsste vorsichtiger und elastischer in unseren Urteilen machen. Wir halten es ferner für notwendig, dass ein Christ gegenüber gesetzlich gefassten Beschlüssen auch bei anderer politischer Überzeugung Loyalität übt, wenn er nicht in Aufruhr hineinschliddern will. Es ist eine große Not, wenn die staatliche Ordnung sich so gegen die Gebote Gottes stellt, dass sie uns zwingt, um des Glaubens willen Widerstand zu leisten.
Viele von Euch sind in Gewissensnot geraten, ob sie nicht jeden militärischen Dienst ablehnen müssten. Die evangelische Kirche hat sich verpflichtet, solche Haltung zu achten und anderen gegenüber dafür einzutreten, dass sie geachtet werde.
Da in dieser Weltzeit noch nicht alle Gewalt und Herrschaft im zukünftigen Reich Gottes aufgehoben sind, ist das Bestehen einer Staatsgewalt, die Macht ausübt zum Schutze ihrer Bürger, eine gottgewollte Notwendigkeit. Deshalb können wir denen, die bereit sind, Militärdienst zu leisten, nicht abstreiten, dass sie auch darin als Christen dienen können. Kriegsdienstverweigerung allein ist noch kein positiver Dienst am Frieden.
In dem Einen sind wir uns einig: Dass der Friede gewahrt bleibe. Wir Vertriebene und Flüchtlinge sind die letzten Opfer des Krieges und wissen, dass ein neuer Krieg nicht nur unser Volk mit dem völligen Untergang bedroht. Keine Regierung kann die Verantwortung dafür tragen. Wir müssen jetzt alle Kräfte zusammenfassen und alle früheren Meinungsverschiedenheiten zurückstellen, um zu der notwendigen Entspannung und Verhandlung zu kommen, für die auch die Synode unserer Evangelischen Kirche in Deutschland und die Weltkirchenversammlung in Evanston eingetreten sind. Im letzten Grunde aber können wir unser Schicksal nur dem befehlen, der auch über die Mächte der Welt der Herr ist.
Seite 2 Staatssekretär i. R. Herbert v. Bismarck gestorben.
Am 30. März 1955 ist der frühere Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft und Vorsitzende des Ostdeutschen Kulturrates, Staatssekretär i. R. Herbert von Bismarck, nach langer Krankheit, doch unerwartet in Wiesbaden entschlafen. 1884 in Stettin geboren, war er von 1919 bis 1931 Landrat des pommerschen Kreises Regenwalde. Anfang 1933 zum Staatssekretär im preußischen Innenministerium berufen, wurde er noch im gleichen Jahr wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten mit den Nationalsozialisten von Göring entlassen. Im zweiten Weltkrieg war der Verstorbene als Major in höheren Stäben tätig. Seit Kriegsende stand Herbert von Bismarck in der landsmannschaftlichen Vertriebenenpolitik mit an führender Stelle. Er gehörte zu den Mitbegründern der Pommerschen Landsmannschaft und war deren Sprecher, bis er 1952 aus Gesundheitsrücksichten seine vielen Ehrenämter verringern musste. Er war auch Mitbegründer und Vorsitzender der Vereinigten ostdeutschen Landsmannschaften, dem ersten Zusammenschluss verschiedener Landsmannschaften seit 1950. Aus den Vereinigten ostdeutschen Landsmannschaften ist 1952 der Verband der Landsmannschaften als Dachverband aller ost- und südostdeutschen Volksgruppen im Bundesgebiet hervorgegangen. Von Bismarcks Wesen und sein Streben nach Ausgleich der Gegensätze haben seinerzeit die Vertriebenenpolitik vor einem radikalen Kurs bewahrt. Es ist stets sein Anliegen gewesen, die Arbeit der Vertriebenenverbände auf einen gesamtdeutschen Rahmen auszuweiten und so die Begegnung der Einheimischen und Vertriebenen für das gemeinsame Ziel der Rückgewinnung der Heimat im Osten zu fördern. In Würdigung dieser Verdienste hatte der Bundespräsident ihm anlässlich seines 70. Geburtstages im vorigen Jahr das Große Verdienstkreuz verliehen.
Seite 2 Meinungsverschiedenheiten im BHE
Zu einem schweren Zerwürfnis unter den 27 Bundestagsabgeordneten der GB/BHE ist es am 15. März bei der turnusmäßigen Neuwahl des Fraktionsvorstandes gekommen. 13 Mitglieder der Fraktion, darunter der Parteivorsitzende, Bundesminister Oberländer, sein Kabinettskollege Waldemar Kraft und der bisherige Fraktionsvorsitzende Haasler, blieben dem Wahlakt fern, nachdem ein von ihnen eingebrachter Vertagungsantrag vorher abgelehnt worden war. Sie beschuldigten die 14 Abgeordnete zählende Mehrheitsgruppe, sämtliche Sitze des Vorstandes aus ihren Reihen besetzen zu wollen, um die politischen Dinge in Zukunft allein regeln zu können. Obwohl die Vierzehn ein derartiges Vorhaben in Abrede stellten, blieben mehrstündige Vermittlungsverhandlungen ergebnislos.
Die beschlussfähige Mehrheitsgruppe führte daraufhin die Neuwahl allein durch. Fraktionsvorsitzender wurde Dr. Karl Mocker, gleichberechtigte Stellvertreter die Abgeordneten Dr. Linus Kather, Frank Seiboth und Erwin Feller.
Bereits am folgenden Tag traf der Bundesvorstand der Partei in Bonn zusammen. Er bestellte die Landesvorsitzenden und Minister von Kessel (Niedersachsen), Franke (Hessen) und Asbach (Schleswig-Holstein) zu Schlichtern im Streit der Bundestagsfraktion. Auf den Parteitagen der Hessischen GB/BHE in Kassel und des Rheinland-Pfälzischen Landesverbandes in Münster am Stein, die am 20. März stattfanden, betonten die anwesenden Bundestagsabgeordneten beider Richtungen, dass der Wille bestehe, die Differenz zu bereinigen und weiterhin zusammenzuarbeiten. Übereinstimmend wurde außerdem festgestellt, dass die weitaus überwiegende Mehrheit der Fraktion nicht daran denke, aus der Bonner Koalition auszuscheiden.
Am 21. März kam es dann zu einer eingehenden Aussprache der Bundestagsfraktion mit den Ministern von Kessel und Franke. Dabei zeigte sich, dass man in der innen- und außenpolitischen Zielsetzung einig war, dass aber hinsichtlich des einzuschlagenden Weges nach wie vor Meinungsverschiedenheiten bestanden. Umstritten blieb vor allem die Frage, ob für die Zukunft ein energischeres Auftreten innerhalb der Koalition in Aussicht genommen werden solle. Die Gruppe der Vierzehn verspricht sich hiervon eine Förderung der besonderen Anliegen des BHE auf den Gebieten der Wiedervereinigung und der Sozialpolitik. Demgegenüber befürchten die 13 Abgeordneten, dass durch ein „Überspannen des Bogens“ die Zusammenarbeit mit den übrigen Regierungsparteien und damit auch die Verwirklichung dieser Anliegen ernsthaft gefährdet werden könnte.
Pressestimmen
„Der BHE ist im Bundestag zu gleichen Teilen nach links und rechts auseinandergefallen. Der radikale Flügel hat die Abgeordneten des gemäßigten ‚Ministerflügels' überspielt. Damit ist der BHE noch nicht gespalten, wohl aber spiegelt dieser Riss die Situation in der Gesamtpartei deutlich wider. Stünden nicht die Wahlen in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz bevor und damit die taktische Einsicht beider Flügel, dass die Aufsplitterung einem Todesstoß gleichkäme, was könnte den BHE im Augenblick noch zusammenhalten? Ohne die Solidarität der gemeinsamen Weltanschauung breiter Volksschichten oder die Autorität eines starken Mannes an der Spitze kann heute keine Partei mehr leben. Sie wird unweigerlich durch persönliche Machtkämpfe der Funktionäre von innen ausgehöhlt. Diese Gefahr droht dem BHE, der sich in einer Zwickmühle befindet. Seine einseitige Interessenvertretung der Heimatvertriebenen zwingt ihn zur Koalition mit dem Kanzler, um sozialpolitische Forderungen durchsetzen zu können. Und die Selbsterhaltung zwingt den BHE, sich von der Politik der CDU zu unterscheiden“. („Die Welt")
Seite 3 Osterzeit 1941 in Tilsit. Eine Hochwasserkatastrophe brach über die Deutsch-Ordens-Stadt herein. 4 Fotos.
Zu unseren Bildern:
Bild Mitte rechts: Die Deutsch-Ordenskirche auf dem Fletcherplatz stand im Frühjahr 1941 so tief im Wasser, dass sich die Fluten bereits in das Kircheninnere ergossen, was noch niemals vorgekommen war. —
Bild oben rechts: Treibeis auf dem Schlossplatz, inmitten der Stadt. Nur mit den Kähnen konnten die Bewohner aus ihren Häusern aufs Trockene gelangen. —
Bild Mitte links: Beim „Schollchenfahren“ in der überfluteten Straße vergnügt sich ein Tilsiter „Butzer“. Welch ein merkwürdiges Zusammentreffen! Französische Kriegsgefangene werden im Wagen zur Arbeit durch das Hochwasser geschafft. Und rechts um die Ecke befindet sich das historische „Luisenhaus“, in dem Anno 1807 Königin Luise den Franzosenkaiser Napoleon zu der demütigen Aussprache empfing.
Bild oben links: Der überflutete Schlossmühlenplatz. Rechts die schon in der Ordensritterzeit gegründete Schlossmühle Tilsit, daneben der „Osterrummelplatz“. Die nachts von der Flut in ihren Wohnwagen überraschten Schausteller gerieten nicht mehr dazu, ihre Buden wegzuräumen. Aufnahmen: H. A.
Es war im Frühjahr 1941 um die Osterzeit. Nach einem sehr strengen und überaus schneereichen Winter begann wider Erwarten im Oberlauf der Memel plötzlich der Frühling. In den dichten Wäldern Litauens und Weißrusslands — die Memel entspringt bekanntlich im Gebiet von Minsk — begann die Schneeschmelze so intensiv und alle Wasser ergossen sich in den Njemen bzw. Nemunas, wie unser Memelstrom bekanntlich dort oben heißt. Eine ungeheure Flutwelle wälzte sich stromab. Das Ganze breite Memeltal von Schmalleningken bis zum Kurischen Haff wurde über Nacht zum gewaltigen See, da die Wassermassen nicht abzogen, weil die Memel und das Kurische Haff noch in Winterruhe lagen. Jetzt erst wurde die Eisdecke der Memel hochgehoben, zerbarst und das bis zu 1 Meter (und mehr) starke Eis verstopfte sich an verschiedenen Stellen. Ungeheuer war die Hochwassernot. Verschiedene Deiche brachen, kleinere Brücken wurden von der Flut weggerissen und tief ins Memelland hinein leckte die Flut dorthin, wo man seit Menschengedenken keine Überschwemmung mehr gehabt hatte. Erst der Einsatz von großen Eisbrechern auf dem Haff und Sprengungen durch Pionierkommandos schafften etwas Erleichterung und Abzug der immer gefährlicher werdenden Eisstauungen. Der Wasserstand am Tilsiter Pegel erreichte in wenigen Stunden eine schwindelnde Höhe, die die des berüchtigten Hochwassers vom Jahre 1917 weit in den Schatten stellte. Weit
in die Stadt hinein ergossen sich Eis und Flut und verursachten große Schäden. Es waren bange Tage damals für Stadt und Land. Heute könnte man sie vielleicht als Vorzeichen für die ein paar Jahre darauf folgende Katastrophe deuten. Wir bringen einige Fotos der damaligen Hochwassernot in Tilsit, die sicherlich manchem unserer Landsleute Erinnerungen wecken, wenn sie ihre alte Stadt am Strome im Hochwasser sehen.
Seite 3 Jenes ferne Land
Mutter! Verweile nun wieder!
Ruh' deine werkelnde Hand!
Sing‘ mir doch wieder die Lieder
von jenem fernen Land!
Sing' mir von Elchen und Meeren
und Wäldern und Dünensand,
Sprache und Laut will ich hören
von jenem fernen Land.
„Waren einst herrliche Burgen
und edelster Ritterstand
und sagenumwobene Taten
in jenem fernen Land.
Waren so fröhliche Herzen,
die man an Abenden fand singend,
bei Spinnrad und Kerzen,
in jenem fernen Land.
Waren die Wälder und Wiesen
wundererfüllt bis zum Rand,
konntest die Erde genießen
in jenem fernen Land.
Ach, und die blau-klaren Winter!
Schnee lag wie Glas auf der Hand.
Jubelten strohblonde Kinder
in jenem fernen Land.
Seite 3 In meiner Heimat. Von Ursula Enseleit-Riel.
Verwüstet ist das Land.
Die Häuser sind verbrannt.
Nur eine Blume steht.
Das bist du, Margaret.
Die Stimmen sind verklungen.
Die Herzen sind zersprungen.
Ein einziges Gebet.
Du sprichst es, Margaret
Seite 3 Ich lass‘ von meiner Heimat nicht.
Gab es auch Gräber und Haine,
bei denen man sinnend stand ---
„Mutter, ach sprich nicht! Ich weine,
denk‘ ich an jenes Land ---
Mutter, ich kann nicht verstehen,
warum von dort wir verbannt?
Komm doch und lasse uns gehen
in jenes ferne Land!
Mutter! Nun musst du auch weinen,
streichelst mir zitternd die Hand ---
könnt' auf den Händen, den meinen,
ich es dir holen — dies Land!“
Vorstehendes Gedicht ist entnommen dem Zyklus „Jenes ferne Land" von Margot Krumm. Erschienen im Selbstverlag Margot Krumm, Stein bei Nürnberg.
Seite 3 Die Heimat. Von Johanna Ambrosius.
Ich lass von meiner Heimat nicht,
was man auch sagen wollt',
sie hebt vor allen Landen sich
heraus wie echtes Gold.
Mag blühn das Glück auch anderwärts
in reich'rer Farbenpracht,
ich weiß, wie in der Heimat mir
die Sonne nirgends lacht.
Ich lass von meiner Heimat nicht,
sie birgt das Elternhaus.
Vor diesem stillen Heiligtum
zieh' ich die Schuhe aus.
Da ist ein jeder Ort geweiht,
nichts heil gers gibt's wie das,
da wird auch ohne Priesterwort
mein Aug von selber nass.
Ich lass von meiner Heimat nicht,
was kommen will und mag,
und bräche jählings auch herein
heut' schon der jüngste Tag.
Ich weiß, es wird die ganze Welt
zu Staub und Rauch verwehn.
Nur mein geliebtes Deutschland wird
als Stern gen Himmel gehn.
Seite 3 Auf die Reise mitgegeben. Von Margot Krumm.
Wandre nun durch Raum und Zeit,
Sehnsucht meiner Seele!
Such' der Heimat Lieblichkeit
an des Meeres Schwelle!
Wandre weiter, wo am Strand
helle Möwen grüßen,
fliegt dir eine auf die Hand,
streichle sie mit Grüßen!
Fliegt dir eine auf die Hand,
küsse ihr Gefieder!
Sing' mit ihr vom Heimatland
viele kleine Lieder!
Seite 3 Ostland. Von Otto-Maria Kant.
Ostland ist heute da,
wo starke Herzen schlagen
und der Heimat getreu
die Not in der Fremde tragen,
ungebeugt vom Leid,
stets wissend um ihre Kraft,
die zäh in heißem Ringen
den Heimweg wieder freischafft.
Ostland wird neu erstehen
aus unseren wachen Herzen,
und sollten die Enkel erst sehen,
worum wir gerungen mit Schmerzen:
Dass Samen rinnt in die Fluren
wieder aus deutscher Hand
und von Memel bis Masuren
unsere Glocken läuten im Land.
Seite 4 Unsere Ostgebiete als Land der Bundesrepublik. Ein Vorschlag von Oberregierungsrat a. D. Dr. Gindler
Angesichts der in Aussicht stehenden Souveränitätserklärung für die Bundesrepublik dürfte es endlich Zeit sein, den Status der Gebiete jenseits Oder-Neiße zu erörtern. Bekanntlich hat die Sowjetzonen-Regierung in einem „Vertrag“ mit Polen auf diese Gebiete „verzichtet“. Man weiß eigentlich nicht, auf welcher Rechtsgrundlage. Die Eigentümer dieser Länder, also die vertriebene Bevölkerung, die in der Masse innerhalb der Bundesrepublik lebt, ist dabei nicht gefragt worden. Ich weiß nicht, ob damals irgendwelcher Protest seitens der Bundesrepublik oder auch der Vertriebenenorganisation eingelegt ist. In neuerer Zeit ist in politischen Kreisen von diesen deutschen Ländern immer weniger die Rede, vielmehr immer nur von der „Eingliederung“ der Vertriebenen in die Bundesrepublik und von einer Vereinigung mit der Mittelzone, der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik. Im Rahmen der Londoner Konferenz hieß es, dass der Bund offiziell auf eine Rückgewinnung der Ostgebiete durch Krieg verzichten wolle. Das heißt aber doch wohl nicht, dass wir auf unser Land und unser Hab und Gut überhaupt endgültig verzichten sollen.
Es sollen angesichts dieser Situation hier einige klare Forderungen herausgestellt werden, die in Vertriebenenkreisen immer lebhafter erörtert werden, die aber anscheinend in der breiteren Öffentlichkeit, insbesondere auch in der Presse totgeschwiegen werden.
1. Es ist erfreulich, dass neuerdings auch von Politikern das Eigentumsrecht der Vertriebenen an ihrem Heimatland betont wird. Ohne Zweifel stellt die Vertreibung der Bevölkerung aus den Ostgebieten eine Nichtachtung des Völkerrechts dar, die auch von allen westlichen Alliierten nicht beabsichtigt oder zugestanden war. Es muss festgestellt werden, dass die Vertriebenen nach wie vor Eigentümer ihrer Heimatländer sind und dass ihnen daher alle entsprechenden staatsbürgerlichen Rechte in Bezug auf diese Länder zustehen. Die Tatsache, dass die Vertriebenen zurzeit außerhalb ihrer Heimatgebiete im Exil leben müssen, ändert an ihren staatsbürgerlichen Rechten in Bezug auf ihre Heimatgebiete gar nichts. Es ist doch nicht so, dass sie nur innerhalb Deutschlands „umgezogen“ sind, wie etwa früher der einzelne Staatsbürger aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen in einen anderen Teil des deutschen Vaterlandes verzog, um hier zu leben oder zu wirken. Vielmehr ist die Situation der Vertriebenen rechtlich völlig anders und dem muss endlich Rechnung getragen werden. Wie die übrigen Bevölkerungsteile der Bundesrepublik sich in Bundesländer umgegliedert haben, nachdem insbesondere das alte Preußen gewaltsam aufgelöst wurde, so muss es auch den vertriebenen Ostpreußen, Pommern, Schlesien! und Ostbrandenburgern zustehen, als Eigentümer ihrer Heimatgebiete über deren politische Umgliederung zu entscheiden. Kurz gesagt: Sie haben das Recht, sich als Länder innerhalb der Bundesrepublik zu erklären, und sie fordern, dass daraus die politischen Konsequenzen gezogen werden.
Die innerhalb der Bundesrepublik lebenden Ostvertriebenen vertreten dabei zugleich ihre in der Ostzone lebenden und an eigener Willensäußerung behinderten Landsleute, ähnlich wie die Bundesregierung für sich in Anspruch nimmt, die einzige legitime Vertretung des gesamten deutschen Volkes zu sein.
2. Um zu gewissen praktischen Ergebnissen zu kommen, wären die vorhandenen Organisationen der Vertriebenen so auszugestalten, dass sie unter Zusammenfassung von mehreren Kreisen Wahlbezirke bilden, die unter Zugrundelegung des Bundeswahlrechts Abgeordnete zu einem ostdeutschen Landesparlament wählen. Dieses Landesparlament wählt eine Regierung, die dann befugt ist, die Ostgebiete offiziell zu vertreten. Parlament und Regierung erklären den Anschluss Ostdeutschlands an die Bundesrepublik. Es würde zunächst der Anspruch zu erheben sein, als Land der Bundesrepublik im Bundesrat vertreten zu sein, eine Forderung, die ja bereits in anderer Form gestellt ist. (Siehe das Gutachten von Prof. Dr. Helfritz in Erlangen.)
3. Es erhebt sich die Frage, ob die alten preußischen Ostprovinzen nicht gesondert als „Länder“ mit eigenen Landtagen und Regierungen in Erscheinung treten sollten. Etwa nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein. Ich würde das nicht für zweckmäßig halten, sondern trete im Interesse der Geschlossenheit der Vertriebenen dafür ein, das Gebiet jenseits Oder-Neiße als ein einheitliches Land zu behandeln, mit einem Landtag und einer Regierung, vorläufig unter dem Ländernamen „Ostdeutschland“.
Die einzelnen ehemaligen preußischen Provinzen wären ja stets mit einer der Wählerschaft entsprechenden Zahl von Abgeordneten in dem Landtag vertreten und hätten ihre Landesminister in der Regierung. Diese vorläufige Lösung würde später andersartige Gliederungen nicht ausschließen.
4. Die Wahl eines ostdeutschen Landtages und die Bildung einer ostdeutschen Regierung wäre der erste Schritt. Ein weiterer wäre später der, dass die Wähler des Ostdeutschen Landtages für die Wahlen zum Bundestag aus dem Rahmen der übrigen Wähler herausgenommen werden und (ohne dazu gezwungen zu sein) in gesonderten Wahlbezirken ihre eigenen Bundestagsabgeordneten wählen. Wahltechnisch wäre das keineswegs schwierig, würde auch die Interessen der einheimischen Wähler nicht schädigen, vielmehr, die Vertriebenen aus der heutigen Konkurrenz mit den Einheimischen herauslösen und ihnen die ihrer Wählerzahl gemäße Zahl von Bundestagsabgeordneten gewährleisten, während ihnen heute das Los von Anhängseln der einzelnen Parteien oder aber als Splitterpartei zufällt, da sie ja über das ganze Bundesgebiet verstreut sind (siehe die 5% Klausel).
Dieses Herausnehmen der ostdeutschen Bevölkerung aus der heutigen Gemeinschaft mit den einheimischen Wählern hätte aber noch eine gar nicht zu überschätzende Wirkung: Die Erhaltung der Jugend, überhaupt des Nachwuchses, für die ostdeutschen Aufgaben. Bereits heute wird geklagt, dass die Jugend so schnell dem ostdeutschen Heimatgedanken entfremdet wird. Allerlei Hilfsmittel werden aufgezeigt, um dem entgegenzutreten. Sie sind gut und unentbehrlich, aber ein wirksames Bindemittel wird doch nur in einem entscheidenden politischen Schritt zu finden sein. Der von ostdeutschen Eltern stammende Jugendliche muss sich bei Erreichung des wahlmündigen Alters entscheiden, in welche Wahlliste er sich einschreiben lassen will, ob in die Liste der Einheimischen oder in die seiner ostdeutschen Eltern. Der Erfolg jedes heimatkundlichen Unterrichts, jeder Volkstumspflege, wird sich namentlich darin dokumentieren, dass der Jugendliche sich bei Eintritt in den Stand des Staatsbürgers als Bürger des zur Bundesrepublik gehörenden Landes seiner Vorfahren bekennt. Selbstverständlich könnten auch andere Staatsbürger sich für die ostdeutsche Wählerliste entscheiden, vor allem die Nachfahren von früher einmal nach dem Westen gewanderten ostdeutschen Familien, die bereit sind, einmal an dem Wiederaufbau von Ostdeutschland mitzuarbeiten.
Allgemein möchte ich zu der Frage gesonderter Wahlen der ostdeutschen vertriebenen Bevölkerung zum Bundestag noch folgendes sagen: Die Forderung wird umso lauter erhoben werden, je mehr durch ungerechte Gestaltung des Wahlrechts der Versuch gemacht wird, die Vertriebenen im öffentlichen Leben beiseite zu schieben und sie auf die Stufe irgendeines ideologischen oder wirtschaftlichen Sondergrüppchens zu stellen, sie zur Splittergruppe zu degradieren. Die Forderung gesonderter Bundestags wählen wird darin überflüssig, wenn ein Wahlgesetz den Vertriebenen die ungestörte Möglichkeit gibt, sich eine der Zahl ihrer Wähler entsprechende Zahl eigener Abgeordneter zu wählen. Also eines oder das andere. Ostdeutschland, dargestellt durch seine Bevölkerung, verlangt aber unbedingt, als solches im Bundestag vertreten zu sein.
Es käme zunächst darauf an, dass die Vertriebenen sich mit diesen Forderungen beschäftigen, um nach erfolgter Klärung und Einigung an die Verwirklichung zu gehen. Dass Widerstände aller Art zu erwarten sind, ist mir bewusst Die Hauptsache ist erst einmal das Ziel Ohne Ziel kein Weg, kein Vorwärtsschreiten. Auf diesem Wege gibt es zunächst Schritte, an denen uns niemand hindern kann. Auch wenn es sich vorläufig vielleicht nur um eine „Geste“ handelt, so soll man auch solche Gesten nicht unterschätzen. Auf jeden Fall wären der von geforderte Landtag und die ostdeutsche Regierung ordnungsmäßig, auf demokratischer Grundlage gewählte Gebilde, an denen man nicht so ohne weiteres vorübergehen könnte. Sie wären vor allem berufen, bei den Gesprächen über eine Wiedervereinigung Deutschlands eine wichtige Rolle zu spielen.
Wenn die Arbeit des BVD und der Landsmannschaften sich, wie angekündigt, in zunehmendem Maße politischen Dingen zuwenden soll, und wenn, wie Minister Oberländer sehr richtig sagt, die Vertriebenenverbände Kampforganisationen sein sollen, so liegt hier ein erstes Kampfziel, das wir unbedingt erstreben müssen, um nicht achtlos beiseitegeschoben zu werden. Die Millionenzahl der ostdeutschen Wähler kann das genannte Ziel erreichen, wenn sie geschlossen dafür eintritt und sich nicht in Sondergrüppchen zersplittert.
Zusammenfassung
1. Die aus Ostdeutschland Vertriebenen befinden sich in einer ganz besonderen politischen Situation, die bisher unbeachtet geblieben ist. Sie sind nicht etwa nach Westdeutschland „umgezogen“. Sie stellen vielmehr nach wie vor die Bevölkerung Ostdeutschlands vor, die nur mit Gewalt verhindert wird, in ihrer Heimat zu leben und die noch immer Eigentümer der ostdeutschen Gebiete ist.
2. Angesichts dieser Situation haben die Vertriebenen das Recht, sich politisch ebenso zu konstituieren, wie die Bewohner der neuen Bundesländer es getan haben. Sie haben das Recht, einen eigenen „Landtag von Ostdeutschland“ zu wählen.
3. Dieser ostdeutsche Landtag wählt eine Regierung, die Vertreter der ehemaligen preußischen Provinzen (Ostpreußen, Westpreußen, Schlesien, Pommern, Ostbrandenburg) umfasst.
4. Der ostdeutsche Landtag erklärt den Anschluss Ostdeutschlands an die Bundesrepublik.
5. Ostdeutschland entsendet dementsprechend beauftragte Vertreter in den Bundesrat.
6. Die in der Bundesrepublik zerstreut wohnenden Ostdeutschen werden für die Wahlen zum Bundestag aus der bisherigen Konkurrenz mit den Einheimischen herausgenommen. Es werden besondere ostdeutsche Wählerlisten aufgestellt, für die sich jeder ostdeutsche Vertriebene freiwillig entscheidet, zu den sich auch früher ausgewanderte Ostdeutsche melden können. Desgleichen die wahlmündig werdende ostdeutsche Jugend. Zu den (entsprechend größeren) Wahlbezirken wählt die ostdeutsche Bevölkerung ihre Vertreter im Bundestag, entsprechend der Zahl ihrer Wähler. Dabei bleibt die Frage offen, ob Ostpreußen, Pommern usw. in besonderen Wahlbezirken ihre eigenen Abgeordneten wählen sollen, oder ob nur eine Anzahl von ostdeutschen Wahlbezirken gebildet werden soll, in denen sich die jeweilige Wählerzahl der betreffenden Landsmannschaften auswirkt. Wahltechnisch wäre das letztere einfacher, psychologisch hätte das erste gewisse Vorzüge.
Die Forderung gesonderter Wahlen der Vertriebenen zum Bundestag wird überflüssig, wenn das Bundestags-Wahlgesetz so gestaltet wird, dass es den Ostdeutschen möglich ist, eigene Vertreter in den Bundestag entsprechend der Zahl ihrer Wähler zu entsenden, wenn also keinerlei Prozentklauseln vorliegen und wenn die Stimmenzahl voll zur Geltung kommt. Dr. Gindler
Seite 4 Die Ostgebiete des Deutschen Reiches
Ein Taschenbuch, im Auftrage des J. G. Herder-Forschungsrates herausgegeben von Gotthold Rhode, erscheint im Holzner-Verlag, Würzburg, im April 1955 (Ganzleinen Ladenpreis 14,70 DM).
Inhaltsverzeichnis: Natürliche Grundlagen — von Herbert Schlenger; Ostdeutschland im Altertum — von Wolfgang La Baume; Der Gang der deutschen Besiedlung — von Walter Kuhn; Die Bevölkerung der östlichen Provinzen des Preußischen Staates von der Mitte des 19. Jahrh. bis zum Jahre 1939 — von Erich Keyser; Staatliche Entwicklung und Grenzziehungen — von Gotthold Rhode (Mittelalter, Neuzeit, vor und nach beiden Weltkriegen); Der derzeitige völkerrechtliche Status der Ostgebiete des Deutschen Reiches — von Ulrich Scheuner; Die Wirtschaft der Ostgebiete von Rudolf Neumann (Land- und Forstwirtschaft, Industrie, Verkehr, Handel vor und nach 1945); Das geistige Gesicht des Ostens — von Ludwig Petry und Hellmuth Weiß; Kurzbiographien von Persönlichkeiten des Ostens — zusammengestellt von Ernst Bahr; Ostdeutsche Städte (Lage, Geschichte, Wirtschaft, Bevölkerung) zusammengestellt von Rudolf Urban; Namens- und Ortsregister; 19 Kartenanlagen (in der Einbandtasche). Ein Buch von außergewöhnlicher Bedeutung und bei seiner Gründlichkeit von höchstem Wert!
Der Ostdeutsche Kulturrrat veranstaltet am 5. und 6. Mai 1955 auf der Insel Herrenchiemsee (Bayern) eine Studientagung, die sich mit Fragen der Ostkunde befassen wird.
Seite 4 Prof. Dr. Otto Klöden. Sind wir denn noch Heimatvertriebene?
Das Telefon klingelt, und sein drängendes Läuten verärgert, weil man in der Arbeit gestört wird. „Hier N. N.“, spricht man gleichgültig in die Muschel des Hörers, fährt aber doch wie elektrisiert auf, als es durch den Draht zurückklingt: „Ja, hier Sperling, Ihr ehemaliger Schütze Sperling aus den ersten Wochen des letzten Krieges!“ Seit 15 Jahren war man sich aus dem Gesichtskreis gekommen, der Schütze wähnte sich von seinem ehemaligen Kompaniechef längst vergessen; aber beide erlebten in der folgenden Stunde alles Glück eines freudigen Wiedersehens.
Nun, solche Begegnungen mögen sich tausendfältig zutragen. Was aber beiden Männern in diesem Falle wie eine geradezu verwirrende Offenbarung als neue Erkenntnis bewusst wurde, war die Tatsache, dass man gar nicht aus den gemeinsamen Kriegserlebnissen so tief beglückt von dem Wiedersehen war, sondern weil man aus der gleichen Heimat ostwärts der Oder-Neiße, weil man Stammesgenosse war!
Den beiden Menschen geht es zufriedenstellend, sie haben sich mit zäher Energie, Bescheidenheit und eiserner Sparsamkeit wieder eine ausreichende wirtschaftliche Lage geschaffen, die Familien leben in gesunden Wohnungen, die zwar nicht üppig, aber anheimelnd ausgestattet sind, im Beruf finden sie Anerkennung und Achtung, und im öffentlichen Leben von Gemeinde und Staat hat man ihnen sogar die Wahrung der Belange auch der Einheimischen anvertraut, obwohl sie Heimatvertriebene sind, der eine im Bayerischen, der andere im Schwäbischen. Nur ihre Sprache verrät sie als nicht dem süddeutschen Raum entstammend. Ihre Lebenslage und -Stellung indes deutet nur dem Scharfblickenden ihr Schicksal der Heimatvertreibung mit Verlust aller Habe und jeder Würde innerhalb der Gemeinschaft an; der oberflächliche Beobachter spürt nichts davon.
Ja, sind diese beiden denn noch Heimatvertriebene? Haben sie ihre Eingliederung in die Lebensordnungen des deutschen Westens nicht schon so weitgehend vollzogen, dass man sie gar nicht mehr als Heimatvertriebene ansprechen sollte? Verbindet sich mit dieser Kennzeichnung nicht die Vorstellung von Berufs- und Wohnungsnot, von Wirtschafts-, Geld- und Familiensorgen? Haben die Alteingesessenen nicht recht, die im Hinblick auf die berufliche, familiäre und gesellschaftliche Eingliederung eines großen Teils der Vertriebenen in ihren neuen Lebensräumen die Unterscheidung von Vertriebenen und Einheimischen ablehnen und baldmöglichst auszumerzen trachten?
Und wenn auch noch Hunderttausende von Vertriebenen in bedrängter Lage leben, der Hinweis auf die Not noch so vieler unter ihnen zieht nicht mehr recht; immer mehr verschiebt sich das Verhältnis unglücklicher Vertriebener zu unglücklichen Einheimischen zugunsten der Vertriebenen. Und wenn erst einmal die Masse der älteren Vertriebenen aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit verschwunden sein und das Volkstumsbild durch das heranwachsende Geschlecht gekennzeichnet sein wird, dann wird man von Vertriebenen überhaupt nicht mehr reden wollen. Bleiben wir Vertriebene, sind wir es noch? Ist Heimatvertreibung ein bleibendes Merkmal, oder kann es von uns genommen werden mit der Behebung der wirtschaftlichen Not?
Es war vielleicht der entscheidende Irrtum im Selbstverständnis der Heimatvertriebenen, dass sie unter dem Drucke der furchtbaren wirtschaftlichen, sozialen und seelischen Not, in die sie durch die Vertreibung geraten waren, sich selbst ausschließlich unter dieser inneren und äußeren Not sahen. Diese Entwicklung ist menschlich verständlich, nur allzu verständlich. Der Mensch muss zunächst einmal in seinen Lebensnotwendigkeiten innerhalb der Gemeinschaft gesichert sein, bevor er sich Ziele setzen kann, die über dieses Nächstliegende wie Nahrung und Kleidung, Wohnung, Arbeit und Verdienst hinausgehen. Aber als nun Heimatvertriebene ihre und ihrer Leidensgefährten Notlage zum Wesensmerkmal ihres Vertreibungsschicksals erklärten, da irrten sie. Sie setzten es sich zum Ziel, diese Folgeerscheinungen ihres Schicksals zu beheben und verkannten, dass ihr Schicksal selbst bereits die Folge ihres Geschehens war, das selbst hätte gewandelt werden müssen.
Nicht erst die Vertreibungsfolgen, sondern die Schändung unserer Heimat ist die Grundlage unserer Not. Viele der Heimatvertriebenen waren schon in der Heimat in völlige Armut gestoßen worden, in Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit, Besitzlosigkeit und in menschliche Verachtung, als die Fremdherrschaft über sie hereinbrach. Diese Nöte veränderten sich mit der Vertreibung nur unwesentlich, zumindest die wirtschaftlich-soziale Lage der Vertriebenen blieb gleich jammervoll. Was aber ihre Not nun ins Unmenschliche steigerte, war das Verstoßen sein aus dem angestammten Lebensraum, aus der Heimat, aus der Gemeinschaft der Mitarbeiter, der Freunde und der Bekannten, aus der Umwelt mit ihren Häuserzeilen, Straßen und Plätzen, ihren Fluren und Wäldern, ihren Bergen und Seen, ihren landschaftlichen Schönheiten, wirtschaftlichen Einrichtungen und allgemeinen Lebensformen. Der Heimatvertriebene erlebte, noch unbewusst, das Entsetzen, das im Verlust der Heimat liegt. Dies hätte ihn nicht weniger tief gepackt, wenn der Heimatverlust ohne alle wirtschaftlichen Einbußen erfolgt wäre, wenn der Vertriebene Besitz und Wohnung, Arbeitsplatz und Stellung innerhalb der Gemeinschaft im Aufnahmeland gleicherweise vorgefunden hätte, wie er es daheim aufgeben musste.
Ganze Volksstämme erlebten mit der Vertreibung, wie ihre Wesensart allein aus ihrem Heimatraum verständlich ist, wie sie mit all ihrem Denken, ihrem Werken und Schaffen in den Heimatraum und in die Stammesgemeinschaft verwurzelt sind, wie ihr Deutschsein auf dieser Grundlage ruht.
Ihr furchtbares Schicksal traf sie ja, weil sie Deutsche waren, aber eben ostpreußische, sudetendeutsche oder schlesische Deutsche usw. Wer anderer Nationalität war, sei er Engländer, Franzose, Schwede gewesen, der blieb ja unbehelligt, auch wenn er in diesem ostpreußischen Raum lebte. Als Deutsche mussten die Menschen des deutschen Ostens ihre Not erdulden; aber als Deutsche eines bestimmten Lebensraumes und Stammes.
Deshalb brennt in diesen Menschen die Liebe zum heimatlichen Raum so heiß; deshalb wissen sie auch um die Verantwortung, die dem deutschen Volke aus dem Verlust der deutschen Ostgebiete erwachsen ist, und deshalb erkennen sie mit Recht im landsmannschaftlichen Zusammenschluss die Voraussetzung für den Kampf zur Behebung aller Folgen, die aus der Überfremdung ihrer Heimatgebiete entstanden sind. Die Heimatvertriebenen wollen sich durchaus nicht etwa in ihrem neuen Lebensraum absondern; sie wollen sich gern und restlos eingliedern in die Gemeinschaft ihrer Umwelt und haben das auch in weitem Umfange bereits getan. Sie wollen ihr Schicksal nicht als eine wirtschaftliche Katastrophe angesehen wissen, so bitter diese auch ist; sie wollen vielmehr verstanden sein als die berufenen Sprecher ihrer Heimatbereiche, als Mahner des ganzen deutschen Volkes, für das sie ihr wertvollstes Gut aufgeben mussten: Den Heimatraum und die Stammesgebundenheit.
Und deshalb ist die Bindung, die zwischen den Angehörigen des gleichen Volkstums besteht, so fest; sie ist das kraftvollste Element, das Vertriebene verbinden kann. Drum begründet das Erkennen der gleichen landsmannschaftlichen Zugehörigkeit von vornherein Vertrauen und Zutrauen und ein seltsames Glück, wie es jene beiden Männer überfiel, deren Wiedersehen diese Betrachtung einleitend schilderte. Darum aber ist auch die landsmannschaftliche Bewegung die große Kraft, in der sich die höchsten Werte, wie die Vertreibung sie erwecken konnte, zum Segen nicht nur der Vertriebenen, sondern des gesamten deutschen Volkes bewähren werden.
Drum werden und müssen wir Heimatvertriebene bleiben, um unseres deutschen Volkes, um Deutschlands willen.
Seite 5 Aus den Landsmannschaften.
Berchtesgaden
Die Vereinigung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern führte in ihrer letzten Mitgliederversammlung eine Ergänzungswahl durch. An Stelle des verzogenen 2. Vorsitzenden Wutzmann wurde H. Liedtke einstimmig in den Vorstand gewählt. Im Gedenken an den Beginn der Vertreibung vor zehn Jahren erstattete Frau Wolff-Königsee einen ergreifenden Erlebnisbericht über ihren Treck, der vom nördlichen Ostpreußen über das Eis des Haffs bis nach Danzig führte. Von dort ging der Fluchtweg bis zum Lungau. Der Vorsitzende verlas sodann einen Brief der Dichterin Agnes Miegel, die infolge ihres hohen Alters und ihres Gesundheitszustandes einer Einladung des Adalbert-Stifter-Vereins, nach Berchtesgaden zu kommen, hatte ablehnen müssen.
Am 5. März 1955 sprach vor den Heimatvertriebenen aller Landsmannschaften der Ministerialrat im Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Dr. von Dellinghausen über „Menschliche Probleme der Wiedervereinigung“. An den Vortrag schloss sich eine lebhafte und sehr interessante Diskussion an.
Itzehoe/Holstein
In feierlicher Form wurde am 16. März 1955 die Hauptversammlung der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Itzehoe durch den 1. Vorsitzenden Schulrat i. R. Richard Grohnert eröffnet. Dem Gedenken der zahlreichen Opfer für unsere Heimat, der Toten des vergangenen Jahres und der noch auf ihre Heimkehr wartenden Brüder und Schwestern folgte das Ostpreußenlied, gesungen vom Gemischten Chor der Landsmannschaft. Ein feierliches Bekenntnis, das wir solange ablegen werden, bis wir mit den Brüdern und Schwestern der Sowjetzone vereint sind, und bis unsere Heimat Ost- und Westpreußen wieder unser geworden ist, beschloss den ersten Teil der Hauptversammlung.
In dem nun folgenden geschäftlichen Teil gab zunächst der Vorsitzende einen Jahresbericht über die Tätigkeit der Landsmannschaft und ihrer vier Untergruppen (Gemischter Chor, Frauengruppe, Laienspielgruppe und Jugendgruppe). Sieben Vorstandssitzungen und fünfzehn Veranstaltungen haben die planvolle und intensive Arbeit der Landsmannschaft aufgezeigt. Aus dem kulturellen und wirtschaftlichen Leben der Stadt Itzehoe ist die Landsmannschaft Ost- und Westpreußen mit ihrem 2000 Menschen umfassenden Mitgliederbestand nicht mehr wegzudenken. Nach Erstattung des Kassenberichts und der Entlastung des Gesamtvorstandes erfolgte die satzungsgemäß in jedem Jahr vorgeschriebene Neuwahl des Vorstandes. Zum vierten Male wurde Landsmann Grohnert zum 1. Vorsitzenden wiedergewählt. 2. Vorsitzender: Karl Kornblum, 3. Vorsitzender: Willi Hoog (Westpr.), Schriftwart: Gertrud Tiedtke , Kassenwart: Max Stachel. In den erweiterten Vorstand kamen durch einstimmige Wahl die auch schon in den Vorjahren bestens bewährten Landsleute Grete Worm, Kurt Radtke, Fritz Unger, Karl Groth, Fritz Gralki und Günther Frenzel.
Der Gemischte Chor unter seinem Dirigenten Obermusikmeister a. D. Greil erfreute in dem auf den geschäftlichen Teil folgenden geselligen Beisammensein durch einige auf beachtlicher Leistungsstufe stehende Gesänge. Vier Mitglieder des Chors brachten Einzellieder und Duette aus bekannten Opern und Operetten zu Gehör.
Die Kreisgemeinschaft Gumbinnen veranstaltet ihr Jahrestreffen am 18./19. Juli 1955 in Bielefeld.
Seite 5 Wir gratulieren!
Im Monat April 1955 können die nachstehend aufgeführten betagten Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg ihren Geburtstag feiern:
Am 01.04.1955: Frau Dr. Helene Eichler, Falkenberg 6. Früher: Königsberg (Pr.), Dieffenbachstraße 11, 73 Jahre;
am 03.04.1955: Karoline Hömke, Voigtstraße 36. Früher: Gaffken, Kr. Samland, 80 Jahre;
am 03.04.1955: Johanna Neumann, Mathildenstr. 6. Früher: Königsberg, Quitzow-Weg 10, 88 Jahre;
am 05.04.1955: Herr Artur Liebe, Angelburger Str. Nr. 58. Früher: Antonswiese, Kreis Elchniederung, 76 Jahre;
am 06.04.1955: Fritz Mertins, Ostseebadweg 15. Früher Königsberg (Pr.), Sudermannstraße 26, 70 Jahre;
am 08.041955:. Frau Helene Frost, Brixstr. 36. Früher: Königsberg-Rosenau, Jerusalemer Str. Nr. 24, 73 Jahre;
am 11.04.1955: Anna Zablonski, Friesische Str. 79. Früher: Pillau, Schmiedestr. 5, 76 Jahre;
am 11.04.1955: Berta Müller, DRK-Altersheim am Bahnhof. Früher: Pillau, Lustiges Flick 3, 83 Jahre;
am 11.04.1955: Marie Thiel, Osterallee 26, 75 Jahre;
am 12.04.1955: Sophie Brunslow, Friesische Str. Nr. 63. Früher: Gerdauen, 79 Jahre;
am 14.04.1955: Elise Fröhlich, Parkstr. 11. Früher: Memel, Mannheimstraße 19, 78 Jahre;
am 15.04.1955: Herr Karl Thorun, Mühlenholz 66: Früher: Heilsberg, Ferdinand-Schulz-Straße 34, 72 Jahre;
am 17.04.1955: Willy Fischer, Eckernförder Landstraße 61. Früher: Königsberg, Hochmeisterstraße 13, 75 Jahre;
am 18.04.1955: Frau Elise Latt, Südergraben 30. Früher: Ostseebad Cranz, 81 Jahre;
am 19.04.1955: Klara Müller, Am Burgfried 11. Früher: Königsberg (Pr.), Mitteltragheim 19, 70 Jahre;
am 21.04.1955: Frau Emilie Birth, Stuhrsallee 19, 71 Jahre;
am 22.04.1955: Berta Brix, Apenrader Straße 30. Früher: Allenstein, Herrenstraße 25b, 79 Jahre;
am 22.04.1955: Herr Franz Perrey, Fruerlundlücke Nr. 9. Früher: Königsberg (Pr.), Batockistraße 10, 76 Jahre;
am 23.04.1955: Frau Elisabeth Roddeck, Südergraben 30. Früher: Ostseebad Cranz, 78 Jahre;
am 23.04.1955: Marie Sassor, Husumer Straße 87, 84 Jahre;
am 30.04.1955: Herr Gustav Kronhagel, Rüde 3. Früher: Königsberg (Pr.), Altstädtische Schulstraße 5, 70 Jahre;
am 30.04.1955: Frau Luise Kuhnke, Ballastbrücke Nr. 22. Früher: Insterburg, Königsberger Straße, 78 Jahre.
Der Vorstand und die ganze Ostpreußenfamilie in Flensburg gratuliert ihren alten Geburtstagskindern aufs allerherzlichste und wünscht ihnen einen gesegneten Lebensabend. Armoneit.
Am 28. März 1955 wurde Lehrer i. R. Hans Fiedler, aus Königsberg 82 Jahre alt. Er wohnt jetzt in Landkirchen auf Fehmarn und ist geistig und körperlich sehr rüstig. Der Jubilar war 41 Jahre Lehrer im Kreise Treuburg.
Ihren 88 Geburtstag begeht am 14. April 1955, die Witwe Frau Rosa Wickmann, geb. Brieskorn, aus Lichtenau, Kreis Braunsberg (Ostpreußen). Sie verbringt ihren Lebensabend bei ihrer Tochter Frau Frieda Lossau, nebst Söhnen, in Reutlingen, Joh.-Seb.-Bach-Str. 38.
Am 3. April 1955 feiern Tischlermeister Gustav Skrotzky und seine Ehefrau Wilhelmine geb. Lörch aus Königsberg/Pr., Flottwellstraße 9, das Fest der goldenen Hochzeit. Sie wohnen jetzt in Traisen über Bad Kreuznach.
Seite 5 Turnerfamilie Ost- und Westpreußen
Zum Geburtstag herzlichste Glückwünsche allen Aprilgeborenen, insbesondere Turnbruder Gustav Bentien, Darkehmen, der am 06.04.1955 das 78. Lebensjahr vollendet, und den in ein neues Lebensjahrzehnt eintretenden Turnschwestern und Turnbrüdern:
Hildegard Schulze-Ley, KTC Königsberg (40 Jahre am 15. April 1955);
Robert Enkler, Marienwerder (50 Jahre am 6. April 1955);
Paul Olivier, Zoppot (60 Jahre am 3. April 1955);
Lars Batzer, Zoppot (60 Jahre am 18. April 1955);
Erna Sittmann-Goerke (60 Jahre am 22. April 1955).
Frohgemut und hoffnungsfreudig ihnen und allen Ungenannten ein fröhliches Gut Heil!
Zur Vermählung herzlichste Glückwünsche unserer Turnschwester Käte Laasner, geborene Lebbe, Marienburg/Westpr., die am 3. März 1955 mit Herrn Emil Zobel einen Lebensbund geschlossen hat und jetzt in Reinfeld (Holst.) Paul-von-Schönaich-Str. 12 wohnt. Unserer „Kiks“ und ihrem Gatten Gut Heil!
Turngeschichte des deutschen Ostens. Meiner Bitte an alle Turnbrüder und Turnschwestern um persönliche Aufzeichnungen aus der Geschichte ihres Vereins, Gaues usw. sind bisher nur wenige gefolgt. Erfreulicherweise konnte ich bereits einige der Niederschriften in der Ostpreußen-Warte veröffentlichen lassen. Erneut bitte ich jeden, der sich gern der Stunden im Kreise der Turnschwestern und Turnbrüder erinnert, hierüber nicht zu schweigen, sondern sein Wissen um die Vergangenheit — vielleicht verbunden mit eigenen Gedanken über die Gegenwart und die Zukunft — aufzuschreiben und zur Verwertung für die Geschichtsschreibung und Aufbewahrung im Archiv einzusenden. Vornehmlich sind dazu Vereinsvorsitzende, Turn-, Schrift-, Zeug- und Kassenwarte, Jugendführer, Frauenführer, Gauvertreter und ihre Mitarbeiter, Bezirksführer mit ihren Helfern und nicht zuletzt alle Mitarbeiter im Vorstand und Turnausschuss des Turnkreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft berufen. Aber auch alle anderen Vereinsangehörigen, die Riegenführer, Festwarte und jeder schlichte Turner, jede schlichte Turnerin können zur Vervollständigung des Bildes beitragen. Es brauchen nicht immer „Geschichtsabschnitte“ zu sein. Auch ein einzelnes freudvolles oder schmerzliches Erleben in der turnerischen Gemeinschaft hilft mit zur plastischen Ausgestaltung des Ganzen, ebenso wie kurze Aufzeichnungen über den turnerischen Lebensweg des einen oder anderen Mannes, der einen oder anderen Frau, die als Riegen- oder Abteilungsführer, als Wettkämpfer oder als treibende Kraft in Verein, Gau und Kreis irgendwie hervorgetreten sind. An vielen Orten gab es auch Turner-Originale, über deren Eigentümlichkeiten und Gewohnheiten Anekdoten mit viel Humor und tiefem Sinn in Umlauf waren. Sie wiederzuerwecken ist ebenso für den, der es zu Papier bringt, wie für die Leser sicherlich freudvoller Genuss.
Also, liebe Turnschwestern und Turnbrüder, überschwemmt mich ruhig einmal mit Kurzgeschichten aus Eurem Turnerleben, auch wenn Ihr meint, dass außer Euch nur wenige sich daran erinnerten und daran Gefallen haben könnten.
An die Mitarbeiter des Preußischen Wörterbuchs
Das Preußische Wörterbuch wird am 1. April nach Kiel verlegt, wo es in enger Verbindung zum Germanistischen Seminar der Universität stehen wird. Vor allem aber wird es in Zukunft im Herzen des Landes seinen Sitz haben, in dem heute die meisten vertriebenen Ost- und Westpreußen leben. Die neue Anschrift lautet: Geschäftsstelle des „Preußischen Wörterbuchs“ Kiel Olshausenstraße 23,I.
Die Begegnung des KMTV 1842 bei der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg findet am Pfingstsonntag ab 15 Uhr in Duisburg, Margarethenstraße 26, im Klubhaus des Duisburger Turn- und Sportvereins von 1848/99 statt. Auch zu allen anderen Zeiten der Festtage ist dort ein fröhliches Beisammensein möglich. Außerdem wird voraussichtlich noch ein Treffpunkt in Nähe des Hauptbahnhofs festgelegt werden. Wiedersehen zu Pfingsten! Onkel Wilhelm
Seite 5 Kulturnotizen
Der „Ostbrief-Mitteilungen der ostdeutschen Akademie Lüneburg“, als Verbindungsorgan der Akademie zu ihren Freunden und Mitarbeitern gedacht, ist in seiner Februar-Folge (das erste Heft erschien im Dezember 1954) wiederum ein interessantes Spiegelbild der Arbeitsweise der Akademie, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, die geistigen und gesellschaftlichen Wandlungsvorgänge in den alten und neuen Heimaträumen der Vertriebenen zum Inhalt einer politischen Bildungsarbeit zu machen. Das Februar-Heft des „Ostbrief“ setzt sich u. a. mit dem Begriff Sowjetisierung auseinander und analysiert ferner eingehend die Erscheinung der „Westflüchtlinge“; Erkenntnisse zur Frage der Ostkunde im Schulunterricht stellen einen wertvollen weiteren Beitrag dar.
Die „Künstlergilde“ bereitet zurzeit einen Katalog der ostdeutschen Musikinterpreten und Musiker vor. Hinweise, die dieses Verzeichnis vervollständigen könnten, sind an die Geschäftsstelle der Künstlergilde, Eßlingen, Augustinerstr. 22, zu richten.
Das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart macht darauf aufmerksam, dass es über Lichtbilder, Karten, Schrifttum und einzelne Erinnerungsstücke aus den deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südeuropa verfügt und diese Vorträge bzw. Ausstellungen den Landsmannschaften auf Wunsch zur Verfügung stellt.
Ost- und westdeutsche Städte im Bild.
Der Verbundenheit Westdeutschlands mit den deutschen Ostgebieten ist eine von 250 westdeutschen Städten gemeinsam mit ihren ostdeutschen Patenstädten veranstaltete Ausstellung „Die deutsche Stadt im Bild“ gewidmet. Sie wird in Verbindung mit der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages (10. — 12. Juni 1955) in Frankfurt im „Haus des Deutschen Kunsthandwerks“ auf dem Messegelände gezeigt werden.
Seite 5 Unsere Buchbesprechungen
Immanuel Kant „Fundamente des wahren Lebens“
Die Deutschen sind stolz auf Immanuel Kant, ganz besonders die Ostpreußen, weil er ein Sohn ihrer Heimat ist. Doch weiß man von seinem Werk relativ im Allgemeinen nicht sehr viel. Man kennt die Anekdoten, die bis in unsere Tage über den einsamen Weisen von Königsberg in Umlauf sind. Man weiß, dass Kant der Begründer des Kritizismus ist. auf den alle späteren philosophischen Systeme aufbauen und man weiß schließlich auch noch, dass er in seiner Ethik als stärkste philosophische Prägung sittlichen Denkens den kategorischen Imperativ stellt. Aber — und damit teilt er das Schicksal mancher anderen Großen — gelesen haben sein Werk nur ein relativ kleiner Teil unseres Volkes. Das ist bedauerlich, zugleich aber auch verständlich, weil umfangreiche philosophische Schriften eine recht schwere Kost sind. Um Kants Werk mit seinen zeitlosen allgemein gültigen Erkenntnissen bekannt zu machen, fehlte bisher eine dazu geeignete Schrift. Dies ist jetzt dem Wiesbadener Verlag „Der Greif“ mit einem kleinen „Kant-Brevier“, für das Dr. Max Kobbert als Herausgeber zeichnet, vortrefflich geglückt.
Der kleine, rund 100 Seiten umfassende Band führt den bezeichnenden Titel „Fundamente des wahren Lebens“. Denn wirklich fundamentale Erkenntnisse und Lebensweisheiten, die auch heute noch die gleiche Gültigkeit besitzen, wie vor 150 Jahren, sind in dieser kleinen Zitatensammlung vereinigt. Wenn man Sätze liest wie diesen „Die größte Angelegenheit des Menschen ist, zu wissen, wie er seine Stellung in der Schöpfung erfülle und recht verstehe, was sein muss, um ein Mensch zu sein“, der verspürt, dass der Weise von Königsberg auch uns Heutigen noch viel zu sagen vermag.
Auch die Furcht, dass die Sprache schwer verständlich sein könnte, ist unbegründet. Eher ist das Gegenteil der Fall, denn nicht selten wird der Leser in den Zeilen eigene Gedanken wiederfinden, und zwar in der klar durchdachten und kristallklaren Formulierung Kants. So wird das Büchlein über seine eigentliche Bestimmung — dem Leser eine stille Stunde besinnlicher Einkehr zu bereiten — hinaus gewiss viel dazu beitragen den größten deutschen Philosophen weiter volkstümlich zu machen.
Deutscher Osten — Deutsche Heimat.
Eine kleine Heimat- und Landeskunde von Hans Mann. Dritte Auflage. Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn. 72 Seiten. DM 1,90
Mit dem vorliegenden Heft „Deutscher Osten — Deutsche Heimat“ in der Reihe „Vom Heimatkreis zur weiten Welt“ hat Hans Mann ein Büchlein herausgegeben, das man als ein willkommenes kleines Nachschlagewerk über jenes deutsche Land bezeichnen kann, das sich vom „Eisernen Vorhang“ hin bis nach Ostpreußen erstreckt. Stichwortartig mit einem kurz gefassten Text und übersichtlich geordnet führt der Verfasser die charakteristischen und wichtigsten Grundzüge und Merkmale eines jeden Landstriches an, wobei durch einfache aber einprägsame Skizzen und geographische Darstellungen eine große Anschaulichkeit erzielt wird. In lebendiger Art gibt das Heft eine Gesamtschau, was deutsche Menschen im Laufe der Jahrhunderte im Osten geschaffen haben. Dieses Büchlein, das eine lebendige geistige Brücke zur Heimat schlägt, sollte in keiner Flüchtlingsfamilie fehlen, zumal der Preis für ein Buch solcher Güte den heutigen Verhältnissen entsprechend wirklich niedrig gehalten ist. Dass es bereits nach solch kurzer Zeit in dritter Auflage (41. bis 58. Tausend) erscheinen konnte, zeigt, wie beliebt es bereits geworden ist.
„Der Remter“, Blätter deutscher Besinnung.
Mit dem von Gerhard Gülzow herausgegebenen „Der Remter“, Blätter ostdeutscher Besinnung, ist jetzt eine neue Zeitschrift erschienen, der im Interesse der gesamten ostdeutschen Problematik eine weite Verbreitung zu wünschen ist. Die Artikel und Aufsätze dieser Zeitschrift sind von höchster ethischer und moralischer Verantwortung getragen und gehören durch ihre unvoreingenommenen und gerechten Darstellungen zu den besten, die uns seit langem zu Gesicht gekommen sind.
In dem uns vorliegenden März-Heft setzt sich Friedrich Spiegel-Schmidt in einem Artikel „Das europäische Dilemma“ mit den entscheidenden Fragen der deutschen Politik auseinander, wobei er zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine echte Demokratie nicht nur durch die Gesetzgebung die Freiheit und das Recht des Volkes schützen soll, sondern auch die Freiheit der Regierung, in staatsmännischer Verantwortung Politik zu machen. Und nicht ohne Erschütterung liest man einen Aufsatz von Ludwig Landsberg, der sich mit der Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge beschäftigt, weniger mit dem wirtschaftlich-sozialen Vorgang als vielmehr mit dem psychologisch-ethischen Aspekten, die sich daraus für die Bevölkerung Westdeutschlands ergeben. H. v. Königswald, um nur noch einen der Autoren dieses Heftes zu nennen, gab unter dem Titel „Berliner Impressionen“ auf nur wenigen Seiten eine treffende Beschreibung des Berliner Klimas und des Berliner Flüchtlingsproblems. Weitere Aufsätze, Nachrichten und Kommentare aus Mitteldeutschland und dem deutschen Ostraum und einige Illustrationen auf Kunstdruckpapier vervollständigen den Inhalt dieser Zeitschrift von hohem Niveau, die in ihrer Grundhaltung christlich und europäisch eingestellt ist. „Der Remter“ will nicht nur die Heimatvertriebenen ansprechen sondern auch die Öffentlichkeit mit der Problematik des Ostens vertraut machen, was bisher — man muss schon sagen leider — in keineswegs ausreichendem Maße geschah. Die Zeitschrift ist eine ständige Mahnung an das deutsche Gewissen und sie gehört deshalb nicht zuletzt auch in die Hand jedes verantwortungsvollen Politikers und Parlamentariers.
Die Straße der Freude.
Iwan Schmeljow: Die Straße der Freude. (Ein Roman aus dem alten Russland.) Eckart Verlag, Witt/Berlin. 211 S. Ln. DM 8,60.
Iwan Schmeljow, Sohn eines russischen Bauunternehmers und Holzhändlers, wurde 1873 in Moskau geboren. Später wanderte er aus und starb 1950 in Paris. — Sein vorliegendes Buch „Die Straße der Freude“ hat er bereits in der Emigration geschrieben, was diesem Werk einen tiefen Prägestempel aufgedrückt hat. Es ist kaum eine Seite, auf der nicht seine große Sehnsucht nach der Heimat mit durchklingt. — In diesem autobiographischen Roman erzählt Schmeljow eine Wallfahrt, die er als Junge zu dem berühmten Dreifaltigkeitskloster des Heiligen Sergius mitmachen durfte. Gleichzeitig wird uns ein Eindruck von dem Russland am Ausgang des vorigen Jahrhunderts vermittelt. Erstaunlich ist, dass Schmeljow aus dieser verhältnismäßig begrenzten Handlung der Wallfahrt, ein Buch von 207 Seiten zu schreiben weiß, ohne dass man ihm auch nur an einer Stelle Langatmigkeit oder Wiederholung nachsagen könnte. Er ist wirklich ein meisterhafter Beobachter und versteht es überdies, diese Unmenge von kleinen Eindrücken zu einem lebendigen Ganzen zusammenzufügen. — Erfüllt ist das Buch von einer tiefen, aus dem Herzen kommenden Frömmigkeit? es reißt den Leser unwiderstehlich aus der Hast des Alltags und zwingt ihn förmlich dazu, es in Muße zu lesen.
Der Göttinger Arbeitskreis bereitet die Herausgabe eines umfangreichen Kartenwerkes über die historischen Staats- und Verwaltungsgrenzen in Ost-Mitteleuropa vor. Das Werk wird in fünf Teilen erscheinen, und zwar in den Einzelausgaben der baltischen Lande, des Preußenlandes, Pommerns, Schlesiens, des Posener Landes und der Sudetenländer. Diese wertvolle Neuerscheinung wird bei Oldenbourg, München, verlegt.
Seite 6 Fahrt ins Leben. Von Gerhard Kamin
März 1929 . . . Ein nicht so kalter Winter wie in diesem Jahr, aber der Schnee bleibt bis in den April, und als ich nach meinem Abiturientenexamen Ende Februar in den Wald fahre, um dort vor dem Beginn des Studiums einen Monat zu leben, empfängt mich die große Stille, vor der alle Examensweisheit strenger gewogen wird als in einem Prüfungsraum und vor der auch die Würde des jungen Abiturienten mit dem roten Samtstürmer und den goldenen und silbernen Alberten verblasst.
Aber als der Onkel in seinem Staatsrock mit dem hohen, dunkelgrünen Samtkragen und dem großen, an einer Silberkette hängenden Hirschfänger mich begrüßt, stehen Tränen in seinen Augen, und in seinem fast zärtlichen Gruß strömt für einen Augenblick alles über, was er tagelang an Freude und Erwartung aufgespart hat. Alle Jahre hindurch war es immer das gleiche, wenn ich kam. Wenn ich zu ihm, dem Riesen, mich hinaufreckte und die Knabenlippen seine bärtigen Wangen berührten, fühlte ich seine starken Arme mich umschließen, als wollte er damals schon in solchen Augenblicken mir mehr sagen, als er mit Worten vermochte.
Er ist allein im Haus, die Tante ist verreist, die Kinder in der Stadtschule. Wir gehen die „Terrasse“ hinauf ins Herrenzimmer. Für den Schnepfenstrich ist es noch zu früh, aber die Flinte liegt für mich bereit, die Jagdtasche, ein Paar Stiefel, ein alter Jagdrock, ein Jägerhut ohne goldenen Adler.
Da sitzt er nun wie in allen vergangenen Jahren. Älter ist er geworden, die Krankheit des Sohns hat ihn verstört. Aber sein unversiegbarer Humor liegt als ein mildes Lächeln um seine Lippen.
„Ich habe dir alles vorgesucht, mein Sohn. Die Flinte gehört von heute an dir und“ — eine Bewegung mit der Hand nach hinten, etwas Silberglänzendes nimmt er vom Tisch — „dies hier für dein Examen“. Eine doppelseitige Mundharmonika. Die dritte, die ich seit der Kindheit von ihm bekomme.
Wieviel danke ich ihm, dem Unvergessenen... heute aber erst weiß ich, wer er gewesen. Damals war er der „Herr“, der in Forstkreisen weithin Bekannte und Verehrte, der Veranstalter unvergesslicher Scheibenschießen, der ehemalige Potsdamer Gardejäger und untadelige Beamte, der vielfache Schnepfenkönig eines großen Reviers und in der Revolutionszeit der aufrechte und mutige Verteidiger seines Waldes und überkommender adliger Gesinnung gegen den Anspruch der Horden.
Wir sprechen von der Schule, vom Examen, von der Stadt, von meinem Studium. Zuletzt erst von seinem Sohn. Ein Zug des Grams spielt um seine Lippen, eine Trauer.
„Es war besser mit ihm ... das letzte Mal, fandest du nicht auch?“
Eine Stunde später gehe ich mit ihm in den Wald. Hektor ist los gemacht, Muck und Schnipp, die beiden Dackel, rasen voraus. Flinten und Jagdtaschen haben wir mit, weil es sich so gehört. Aber wir werden nicht schießen. Wir werden auf der Höhe am Fuchshügel im Erlenbestand den Abendstern aufgehen sehen; vielleicht wird eine Drossel singen, vielleicht eine Schnepfe ziehen.
Ein stiller Abend. Klar der Sonnenuntergang, ein leichter Frost über den beschneiten Wipfeln. Vom Fuchshügel der Blick auf eine nach beiden Seiten abfallende Schneise, in der Runde, soweit das Auge reicht, die Wand der Fichten, den ganzen Fuchshügel hinunter junges Erlen- und Eichengestrüpp.
So habe ich zehn Jahre früher als Kind neben ihm gestanden, und wenn die Schnepfe kam, musste ich sie ihm melden. Heute ist sein Gehör noch schlechter geworden, in der Unterhaltung muss ich lauter sprechen, damit er mich versteht. Und dann das Ergreifende: über die Gründe hinweg das wunderbar zarte, noch ungeübte Lied der Drossel, ein Klang wie aus einer anderen Welt, Beseitigung und Schwermut, in die Stille hinein die Verkündigung eines Friedens und einer Freude jenseits aller Vernunft.
„Die Drossel“, sage ich und stoße ihn an. Er schrickt zusammen. „Wo?“ fragt er, „wo, wo?“ Ich zeige die Richtung, er lauscht. „Noch immer?“ Ich nicke. Er reckt sich, wendet den Kopf, steht ganz still. Das Lied kommt näher, aus einem der nächsten Bäume. Ich sehe sein Lächeln, seinen verklärten Blick. „Hörst du?“ frage ich. „Still!“ sagt er, fast böse. „Ganz still ... !“ Auf seinen Stock gestützt hört er jetzt das ganze Lied. Das erste Drossellied in diesem Jahr.
War es Schwermut und Ahnen des Alternden, das er fast verträumt zu sprechen begann, mit Worten, die ich nicht an ihm kannte? Dass er, sein eigener Psalmist, mir vom Schlafengehen und Erwachen der Natur erzählte, von der Weisheit, die in allem Werden und Vergehen liege, von der Aufgabe, die wir Menschen den Tieren und Bäumen gegenüber zu erfüllen hätten und dass ein Pflegen und Hegen mit Liebe und Geduld das einzige sei, was wir tun könnten, auch den Menschen gegenüber.
„Siehst du, nun läutet sie den Frühling ein… mehr vielleicht weiß sie als wir alle …“
Dann der Weg unter den Sternen und zwischen den hohen Tannen nach Hause. Die Hunde dicht an den Füßen. Auf der anderen Seite des Wegs seine gleichmäßig ruhigen, abgemessenen Schritte. Und das Gefühl einer unbegreiflich beseligenden Geborgenheit, die seine Gegenwart schenkt.
Tag für Tag, fast einen ganzen Monat hindurch, sind wir im Wald. Die ersten Schnepfen schießen wir, und manchmal, nach einer langen Streife und Suche, kommen wir an einem Dorf oder an einer Försterei heraus und machen — planlos und frei, wie wir leben — einen Besuch, der bis in die Nacht hinein oder bis zum nächsten Tage dauert.
An fast allen Abenden lese ich mit ihm im „Herrenzimmer“, er raucht eine Zigarette nach der anderen, Hunde und Katzen liegen zu unseren Füßen, der Wind rauscht vor dem Haus in den Kiefern, nur selten wird gesprochen. Um Mitternacht gehen wir für ein paar Augenblicke vors Haus, schließen die Läden, blicken in die Sterne.
Eine unvergessliche Zeit in ihrer Stille, ihrem Frieden, das letzte Atemholen vor der beginnenden Studentenzeit. Am schönsten und verpflichtendsten aber wohl jene letzten zwei Tage, als wir den Jagdwagen anspannen lassen und ohne Kutscher zu irgendeinem noch unbestimmten Ziel hinausfahren. Ich selbst kutschiere, vor mir der Rotfuchs und der Grauschimmel „Max“, der mit mir zusammen im Wald groß geworden ist. Weite und Schönheit des ostpreußischen Waldes, Rauschen der Wipfel, Lied der Vögel. Neben mir, hoch aufgereckt und im Staatsrock, der Onkel, mit seinem strengen, soldatischen Blick nun wieder der „Herr“, wie ihn die Waldarbeiter und alle Bediensteten nennen.
„Fahr zu!“ sagt er. Und ich fahre, fahre, fahre. Das Ziel kenne ich nicht, fragen will ich nicht. An den Kreuzungen gibt er wortlos ein Zeichen oder nimmt selbst die Zügel.
Wenn ich heute zurückdenke, erscheint mir diese Fahrt wie der Abschied von meiner Kindheit und wie eine Handlung, die vom Anfang bis zum Ende ihren tiefen Sinn und ihre Absicht haben sollte. Nach vier oder fünf Stunden Fahrt, über Dörfer und neue Waldmarken hinweg, kommen wir zur Privatförsterei eines großen Gutes und, wie mir der Onkel sagt, zu einem der größten Wildgatter der Heimat.
Als wir zurück sind, ist die Gästestube vom Geruch einer Bowle erfüllt. Der Onkel stellt mich der Familie vor. Er sagt große Worte, vor denen ich mich heute mehr als damals schäme. „Ja“, sagt er, „ein Abschiedsfest, die Fahrt in sein Leben…“
Ein langer Abend, eine noch längere Nacht. Es wird viel getrunken, und als Mitternacht vorbei ist, beginne ich zu mahnen. Alle Viertelstunden gehe ich hinaus und blicke in die Sterne. Ein Uhr, zwei, drei, vier. Ich bin zum Umfallen müde, aber der Onkel bleibt unermüdlich im Erzählen. Es ist, als wollte er heute allen verborgenen Gram und alle Freude seines Lebens vor uns ausbreiten.
Dann ist es soweit. Wir müssen ihn auf den Wagen heben, er ist ‚voll des Weines'...
Aber er ist ganz wach. „Fahr zu!“ sagt er. Und ich fahre. Schwarz liegt die Nacht über dem Wald, ich kenne nicht Weg und Steg. „Fahr zu!“
Ich lasse die Pferde gehen, an den Kreuzungen weiß ich keinen Rat; der Onkel schläft. Die Pferde lenken selbst, biegen links oder rechts ein, ich lasse die Zügel locker. „Fahr zu, fahr zu!“ Wohin, wohin ... ?
Die Fahrt ins Leben ... in einem wunderbaren Sinn ist sie es geworden. Nicht mit Ratschlägen und Mahnungen begann sie, sondern mit dem einfachen „Fahr zu, vertraue, lass dich führen!“ Zwei Stunden später wird der Onkel wach. Ich weiß nicht, wo wir sind und ob die Richtung womöglich falsch ist.
Er fragt nicht nach dem Weg. Er ist wie aus einem Traum erwacht und will ihn nicht zerstören. Es ist wie an dem Abend am Fuchshügel.
„Mein Leben, siehst du“, beginnt er, „was war es? Viel Dunkel, viel Irrtum; nichts, was bleibt. Aber du, mein Sohn, du … wenn du einmal von mir schreiben wirst, vergiss nicht: ich habe den Wald geliebt, die Tiere. Schön ist alles gewesen, aber ich konnte es nicht sagen... vergiss nichts, mein Sohn, halte es fest, sage es den andern, später, später…“
Heute, wo ich dieses schreibe, nach mehr als 25 Jahren, ist mir, als sei es gestern gewesen. Wieviel Leid aber liegt dazwischen, wieviel Sterben, wieviel Vernichten. Unser Wald ist nicht mehr, der Onkel tot, die Tante auf der Flucht verhungert, der Sohn seit langem gestorben, die Tochter verunglückt.
Sein letzter Brief, kurz vor seinem Tode, erreichte mich auf einem Sturzacker in Frankreich, auf dem wir vor einem neuen Einsatz lagen. Er wusste, dass ich den Krieg überstehen würde und beschwor mich, in den Frieden die Erinnerung an meine Kindheit im Walde hinüberzuretten.
Als Vermächtnis schenkte er mir ein paar Elchschaufeln und seinen Drilling, das Heiligtum seines Besitzes. Das Letzte, das er zu verschenken hatte und das er keinem andern geben wollte.
Heute liegt sein Grab neben dem seines Sohnes in der Heimaterde neben unserem Wald.
Und aus der Stille kommt in den Nächten wie damals der Ruf zu mir herüber: „Vergiss nichts, vertraue, lass dich führen… fahr zu, fahr zu!“
Seite 6 Dem Lenz entgegen. Von Käthe Andrée.
Nun öffne die Augen weit,
sie werden lächeln —
Alle Knospen gesprengt, zum Blühen bereit,
und die Bäume im junggrünen Schleierkleid
und der Wind nur ein laues Fächeln!
Eile, beflügle den schwebenden Schritt
dem Lenz entgegen!
Es lockt aus der Höhe ein Lerchenlied,
und Falter und Wolken, sie schweben mit
über den sonnfrohen Wegen.
Kiebitze schreien vom nahen Bruch,
und Störche stelzen entlang.
O Bläue und Weite und Erdgeruch!
O Herz, hier hast du des Glücks genug:
jauchze deinen Dank!
Seite 6 Geschichte des Masurischen Turngaues.
Foto: Die „Aktiven“ des Männerturnvereins Lyck bei der 50-Jahrfeier 1927. Ganz rechts „in Zivil“ Gewerberat Dr. Beyer, 2. Vorsitzender und Gauvertreter des Masurischen Turngaues.
(Der Verfasser ergänzt hierdurch die in Nummer 3/1955 der Ostpreußen-Warte“ veröffentlichten Aufzeichnungen von Adam Lojewski.)
Meine Mittätigkeit am Leben innerhalb des Masurischen Turngaues begann 1920 in Arys. Der Turn- und Sportverein Arys war damals erst wenige Jahre alt. Er hatte in den Turnbrüdern Pahlke und La Motte , beide trotz vorgerückten Alters hervorragende Reck- und Barrenturner, recht rührige und energische Vorturner. Vereinsleiter war damals der Sägewerksbesitzer Ignaz Sanderling. Er war kein praktischer Turner, aber für den Verein interessiert und in der Lage, ihn auch wirtschaftlich zu fördern. Der kleine Verein blühte auf und setzte beim Gautage in Lyck 1921 die Wahl seines Vorsitzenden Sanderling zum Gauvertreter und seines Vereinsturnwarts Pahlke zum Gau-Oberturnwart durch. Beide Führungsämter des Gaues waren also mit Vertretern eines kleinen und jungen Vereins besetzt. Diese Tatsache erregte bei den alten und weit größeren Vereinen Verstimmung. Lyck nannte sich mit Stolz die Hauptstadt Masurens und beanspruchte auch in der Turnerei die Führung. Schon beim nächsten Gautage wurde Gewerberat Dr. Beyer-Lyck zum Gauvertreter gewählt. Er führte dieses Amt bis zu seiner Versetzung nach Süddeutschland etwa 1930. Dort ist er nach dem Beginn des letzten Krieges gestorben.
Oberturnwart wurde Lehrer Bath-Goldap. Unser Gauturnfest in Goldap etwa 1925 wird mit seiner straffen Organisation der Wettkämpfe, den Massenfreiübungen auf dem großen Goldaper Marktplatz und der warmen Aufnahme der Gäste noch vielen Teilnehmern in freundlicher Erinnerung sein. Auch die unter Baths Führung eng miteinander verbundenen Turnbruder und Turnschwestern Goldaps — ich denke jetzt an Vater und Sohn Ziegler, Nante Brämer und seine Frau, die Turnschwester Grenz und andere Goldaper, deren Namen mir im Augenblick nicht einfallen — sind mit dieser Erinnerung verbunden.
Etwa 1930 wurde ich als Nachfolger des Turnbruders Dr. Beyer zum Vorsitzenden des Männerturnvereins Lyck und zum Gauvertreter gewählt. Es war mir bewusst, dass ich diese Wahl nicht damals schon zurückliegenden Verdiensten um Verein und Gau zu danken hatte. Meine turnerische Betätigung im MTV Lyck hatte sich im Wesentlichen auf die Teilnahme am Turnen der Altherrenriege beschränkt. Diese Riege war eine Gründung unseres immer einsatzfreudigen Vereinsturnwarts Adam Lojewski. Es rührte uns geradezu, dass dieser Turner von hohen Graden sich herabließ, uns alte, teilweise recht beleibte Herren von nicht immer gesundheitsfördernder Lebensführung in den einfachsten turnerischen Übungen zu führen. Manche erheiternde Szene würzte seine Arbeit.
Ich trat mein Amt als Gauvertreter während des Gauturnfestes in Treuburg etwa 1930 an. Da ich damals noch eine nur geringe Personenkenntnis innerhalb des Gaues hatte, ist mir die Erinnerung an die Treuburger Tage unklar geworden. Besonders eindrucksvoll war damals die Morgenfeier am wirkungsstarken Kriegerehrenmal. Der Vorsitzende des Treuburger Vereins, damaliger Rektor Klein, sprach zu Hunderten von Turnbrüdern und Turnschwestern. Am Fuße des Denkmalshügels wurden dann die Wettkämpfe durchgeführt.
Ein weiteres Gauturnfest führte uns nach Johannisburg. Noch hatte die Stadt damals nicht den schönen, modernen Turn- und Sportplatz bei der Turnhalle neben der Bahnhofstraße. Kampfplatz war deshalb der Viehmarkt draußen an der Chausee nach Bialla. Auch dieses Turnfest gab ein erfreuliches Bild turnerischer Leistung und turnbrüderlichen Zusammenhalts. Der Verein Johannisburg stellte in Turnbruder Frey einen im ganzen Gau bekannten leistungsstarken Turner. — Am Nachmittag des Festtages setzte sich mein Turnbruder, Freund und Kollege, unser Kreisvertreter Fritz Babbel zu mir in den Wagen. Wir fuhren auf der Gehsener Chaussee zur Stadt hinaus nach Süden. Nach einer Fahrt von etwa 11 km kamen wir an die Abzweigung der Chaussee nach Kumilsko. Wir fuhren eine kurze Strecke hinauf. Dann ließ Fritz Babel mich halten. Wir stiegen aus. Rechts der Straße lag sandiger Kußelwald. Wir gingen zu einer Gruppe weiträumig stehender Kußelkiefern. Hier hatte sich Fritz vor mehr als dreißig Jahren als junger Lehrer seinen ganz persönlichen Übungsplatz angelegt. Hier hatte er Reck und Barren gebaut, die Stämme zweier nebeneinander stehender Kiefern als Sprungständer für Hoch- und Stabhochsprung benutzt Sprunggrube und Anlaufbahn angelegt. Spuren dieser Anlagen waren nicht mehr vorhanden aber der Boden war noch da, auf dem er einst unter dem erstaunten Lächeln der Dorfbewohner unermüdlich übte. Während Fritz sinnend auf der Stätte seines Jugendstrebens stand, kam mir der ganze Reichtum seines Turnerlebens zum Bewusstsein.
Ein weiteres Turnfest führte uns nach Prostken, dessen kleiner Verein unter Führung des Vorsitzenden, Lehrers Otto Willenberg, und seines Turnwarts Max Tobien die Durchführung übernommen hatte. Mit August Winter und zwei anderen Lycker Turnbrüdern fuhr ich einige Zeit vorher nach Prostken, um die Vorbereitungen zu besprechen.
Die Wettkämpfe wurden auf dem „Karl-Krüger-Platz“, einer Waldlichtung 150 m von Deutschlands Ostgrenze durchgeführt. Dieser Platz war eine Stiftung unseres Turnbruders, des Prostker Ehrenbürgers Karl Krüger. Die Platzanlage an der Grenze, inmitten des Waldes gab dem Fest einen besonderen Stimmungsgehalt. Bei den Wettkämpfen holten sich auch die Prostker Turner ihre Eichenkränze. Ihr Vorturner Max Tobien, damals erst 60 Jahre alt, turnte am Reck mit. — Der Feldgottesdienst im Walde, den uns Pfarrer Bachor hielt, wurde schon von der bald darauf einsetzenden nationalsozialistischen Kirchenfeindlichkeit überschattet.
Diese Feststellung gilt nach meiner Erinnerung für alles, was nachher im turnerischen Leben geschah. Darüber konnte auch ein Besuch nicht hinwegtäuschen, den im Frühjahr 1933 der Gauleiter Koch mit seinem umfangreichen Stabe einer Führerbesprechung des Turnkreises I in Pr. Eylau abstattete. Zwar erklärte Koch nach recht geschickten und klugen Ausführungen des Kreisvertreters Babbel sein angebliches Interesse für die Turnerei, aber doch gingen wir mit der bedrückenden Befürchtung auseinander, dass Frische, Frömmigkeit, Fröhlichkeit und Freiheit der DT bedroht waren. Es ist bezeichnend, dass sich der den Nazis nicht genehme damalige Kreis-Oberturnwart während der Anwesenheit Kochs in ein Nebenzimmer zurückzog.
Noch einmal war uns ein Höhepunkt turnerischen Erlebens beschieden, als wir 1934 nach Danzig fahren durften. Es war die letzte von turnfremder Beeinflussung freie größere Kundgebung der Deutschen Turnerschaft. Wenn auch die turnerische Arbeit und das turnbrüderliche Verhältnis der Mitglieder sich kaum änderten, so gebot doch die Lage immerwährende Berücksichtigung des Totalitätsanspruchs der Partei. Ich gedenke in diesem Zusammenhange mit Rührung unseres jungen Turnbruders Helmut Gronen, der noch lange ins tausendjährige Reich hinein, zuletzt als Einziger des MTV Lyck in aller Öffentlichkeit stolz und mutig seine DT-Tracht zeigte.
Damit komme ich wieder zu meinen Turnbrüdern und Turnschwestern unseres MTV Lyck. Schon wiederholt habe ich in diesen Erinnerungen unseren einsatz- und leistungsfreudigen, trotzdem so bescheidenen, von jedem äußeren Ehrgeiz freien Oberturnwart Adam Lojewski nennen dürfen. Unvergessen bleibt mir und Hunderten masurischer Turner unser lieber August Winter, der lange Jahre hindurch die Seele des Vereins war. In persönlichem Umgange, in enger dienstlicher Zusammenarbeit habe ich immer wieder seine restlose Hingabe an die Sache der Deutschen Turnerschaft und besonders an seinen lieben MTV Lyck erkannt und geehrt. Seit 1944 ruht August Winter auf unserem schönen Lycker Friedhof. Männer und Frauen seines Vereins — ich nenne die hervorragenden Gerät- und Bodenturner Ewert und Neumann — haben durch ihre Leistungen nicht nur ihrem Verein sondern auch unserem III. Masurischen-Turngau Anerkennung verschafft.
Mein letzter Gruß gilt dem Soldatengrabe unseres Turnbruders Hugo Lüneberg, der etwa 1932 zu uns kam und durch sein praktisch-turnerisches Können, sein turntheoretisches Wissen und sein turnpädagogisches Geschick die Führung des Turngaues durch seinen Verein rechtfertigte.
Ich schreibe diese Erinnerung nieder auf Bitte meines lieben Turnbruders Adam Lojewski. Niederschrift erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie bringt persönliche Eindrücke aus dem Leben des III. Turngaues und seiner Vereine in der Zeit zwischen den Kriegen. Viele Gestalten, Frauen und Männer, Mädel und Jungen stehen mir vor Augen. Nur wenige von ihnen konnte ich nennen, alle aber grüße ich mit unserem alten Gut Heil! Fritz Neubauer (jetzt Würselen, Kreis Aachen, Kreuzstrafle 1)
Seite 7 Ostern, Schmackostern …
Zum zehnten Male feiern wir nun Ostern seit unserer Vertreibung, fern der geliebten, schönen Heimat. Und Erinnerungen an die Osterzeit von einst steigen wieder auf. Wie war es damals Ostern zu Hause, in der alten Stadt am großen Memelstrome? Oft noch lag um die Osterzeit das Land ringsum unter Eis und Schnee, oder der Eisgang hatte eben auf der Memel eingesetzt und mit ihm eine kilometerweite Überschwemmung; die großartige Frühlingssymphonie unserer Landschaft klang in uns? Und wie feierten wir damals Ostern bei uns?
Schon lange hatten die Auslagen in den Geschäften jeden auf das kommende Fest vorbereitet. Aber den richtigen Auftakt gab erst der Palmsonntag. Vormittags waren Einsegnungen in allen Kirchen und nachmittags setzte eine wahre Völkerwanderung wie im Goetheschen „Osterspaziergang“ über die Königin-Luisenbrücke nach „drüben“ ein, nach Übermemel, um nach alter Sitte an der Uszlenkis und der Kurmeszeris, den toten Memelarmen, „Palmen“ zu pflücken für den Ostertisch und zum Schmackostern. In der folgenden „Stillen Woche“ war möglichst aller Hausputz schon erledigt, nur die frischgewaschenen Gardinen wurden noch am Gründonnerstag aufgesteckt. Gründonnerstag! Noch heute leuchtet ein kleiner Abglanz von diesem Tage bis in die Jetztzeit! Überall gab es zum Nachmittagskaffee „Gründonnerstagskringel“, in allen Dimensionen, mit und ohne Marzipanfüllung, und beim Schmausen dachte wohl niemand daran, dass dieses schmackhafte Gebäck einst vor vielen hundert Jahren als Dank und zur Erinnerung an die Abwendung einer Fieberepidemie gestiftet worden war. Am Gründonnerstag mussten nach alter Überlieferung unbedingt alle Zimmerblumen umgetopft werden, wuchsen und gediehen sie dann doch besser. Und auf dem Lande pflanzte man früher wohl auch junge Bäumchen, hauptsächlich Weiden. Abends war dann das große Ostereierfärben allenthalben, für den zweiten Osterfeiertag.
Bevor die fabrikmäßig hergestellten Ostereierfarben aufkamen, verwendete man selbstgewonnene Farbstoffe dazu; auf dem Lande war es noch bis zuletzt üblich, gekochte Zwiebelschalen zum Färben zu benutzen, sie gaben so eine hübsche braune Farbe, und getrocknete Blaubeeren und Preißelbeeren. Dann noch schnell mit einer Speckschwarte abgerieben, damit die Eierchen auch schön glänzten.
Der Karfreitag, bei uns auch „Stillfreitag“ genannt, stand ganz im Zeichen dieses höchsten Feiertages. Wer Jahr-über nicht in die Kirche ging, am Stillfreitag aber drängte sich eine dichte Menschenmenge vor den schwarzverhängten Altären unserer Kirchen. Mittags gab es eine leichte Eierspeise und alte Leute fasteten wohl auch bis Sonnenuntergang. Es war wirklich ein Tag der Einkehr und voll einer feierlichen spürbaren Mystik.
Dann kam das „letzte Rennen“ für die Hausfrauen auf dem Ostermarkt am Sonnabend. Auf dem Schenkendorfplatz vor dein barocken Rathause, und mochte es auch noch so schneien und stiemen, waren riesige Mengen von „Palmsträußen“ und Immergrün und Töpfe rankenden Bärlapp mit Osterglocken neben unzähligen nahrhaften Produkten aus den umliegenden Dörfern. Aber auch die Backstuben hatten Hochkonjunktur und in jedem Hause duftete es nach frischen Osterfladen. Dann war der erste Ostertag da. Und nun begann ein Schmausen und Trinken und gegenseitiges Besuchen als ob man nur darauf gewartet hätte, denn wir verstanden es dort oben, die Feste zu feiern. Möglichst bis zum dritten Feiertage wurde das Feiern ausgedehnt, obwohl der dritte Ostertag seit dem ersten Weltkriege offiziell nicht mehr bestand; aber auf dem Lande ruhte trotzdem die Arbeit noch immer am „Drittfeiertag“.
Altes Brauchtum zu Ostern hatte sich noch bis zuletzt auf dem Lande, besonders im Memellande, erhalten. Am Ostermorgen noch zur Dämmerung ging man vors Haus um das Himmelsgestirn zu erwarten, das nach altem Glauben beim Aufgang vor Freude über die Auferstehung des Herrn tanzte. Die Mädchen gingen wohl auch Osterwasser aus einem von Osten fließenden Gewässer schöpfen. Kein Wort durfte beim Hin- und Rückwege gesprochen werden. Getrunken feite es gegen Krankheiten und damit gewaschen erhielt es das Gesicht jung und glatt; und in Haus und Stall ausgesprengt brachte das Osterwasser Glück.
Das Schönste aber war wohl das Schmackostern am zweiten Osterfeiertage, nach alten Chroniken eine bis anno 1160 zurückreichende Sitte, der sich bereits die Ordensritter unterziehen mussten und die auch noch bis zuletzt in der Stadt ausgeübt wurde. Mit einer Rute aus Weidenkätzchen, Birken und Kaddig (Wacholder) und mit dem Sprüchlein „Ostern, Schmackostern, bunte Ostern“ schmackosterte man den also Bedachten möglichst im Bett, der nackten Körperteile wegen, und nur ein Geschenk konnte von der Prozedur befreien. Symbolische Bedeutung hatte die Schmackosterrute: Weidenkätzchen bedeuteten Geld, Birken halfen gegen Krankheiten und der stachlige Kaddig sollte alles Unglück abwenden. An manchen Orten begoss man sich auch gegenseitig mit Osterwasser. In der Stadt mussten die Kinder die gut versteckten „Ostereiernester“ vom Osterhasen suchen, während auf dem Lande schon von früh morgens an Kinder durch die Dörfer zogen mit Osterruten in den Händen und in jedem Haus ihre Sprüchlein aufsagten, wofür sie dann mit Ostereiern, Süßigkeiten und „Dittchen“ beschenkt wurden. Verschieden waren diese Schmackostersprüchlein:
„Oster, Schmackoster, bunt Ostere!
Fief Eier, Stöck Speack,
Fom Kooke e Fack,
Denn goah wie gliek weg!“
„Oster, Schmackoster,
Säss (sechs) Eier ute Nest,
Säss Floade ute Loade,
Halwe Brangwien (Branntwein) oppe Dösch,
Denn läwe wie frösch!“
„Oster, Schmackoster, bunt Ostere!
Fief Eier, Stöck Speack,
E Dittke förre Tut (Tüte),
Denn goah öck bool rut!“
„Oster, Schmackoster,
Halwe Floade ute Oawe,
Halwe Brangwien oppe Dösch,
Läwt, Liedkes, nu frösch!“
„Zum Schmackostern komm ich her,
Zu pitschen und zu peitschen,
Dass Dich di Flö nicht beißen!
Gebt mir ein weißes und ein gelbes Ei
Und ein Stück Speck,
Dann geh ich mit Freuden gleich weg!“
In früheren Zeiten war es Sitte, dass auch das Gesinde die Herrschaft schmackosterte. Dazu sagte dann die Dienstmagd das Sprüchlein:
„Zu Ostern bin ich hergekommen,
zu pitschen und zu peitschen.
Gebt mir bunte Eier her,
Sind sie grün oder blau,
Sind sie sie weiß oder greis (grau),
Ich nehm sie alle mit Dank und Fleiß!“
und der Knecht:
„Ich will mein Pferdchen weiterlenken,
Können Sie mir nicht ein Gläschen Branntwein schenken?
Haben Sie nicht Branntwein, so doch Wein,
Das möchte mir noch lieber sein.
Dazu fünf Fladen aus der Lade,
Fünf Dittchen aus der Tasche,
Fünf Eier aus dem Nest!
Wünsch allerseits ein frohes Osterfest!“
Bis vor etwa 70, 80 Jahren war es auf dem Lande Sitte, dass sich zu Ostern Burschen und Mädchen mit bunten Ostereiern beschenkten, die oft sinnig sein sollende Aufschriften trugen:
„Dieses Ei ist kugelrund.
Ich liebe Dich wie ein Pudelhund“.
„Aus Lieb und Treu
schenk ich dieses Ei.
Und ist das Ei entzwei,
Ist auch die Lieb vorbei!“
„Ei du dumme Schutt (Gans),
Dies Eichen legt die Putt.
Dies Eichen aus dem Hühnernest
Schenk ich Dir zum Osterfest“.
„Roskes riechen, Nesseln brennen,
Wer kann falsche Herzen kennen?“
Seite 7 Neuerscheinungen
Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens von Prof. Dr. W. Hubatsch, herausgegeben von Wilhelm Treue im Rahmen der Quellensammlung zur Deutschen Kulturgeschichte. 200 Seiten. 14,50 DM. Erschienen bei „Musterschmidt“, Wissenschaftlicher Verlag Göttingen.
„Die Marienburg“ — von Schmid-Hauke. 80 Fotos — Ganzl. DM 16,80. Der Verfasser, der verstorbene letzte Oberbaurat der Burg, Prof. B. Schmid, gibt hier eine ausgezeichnete Darstellung des Repräsentativbaues des Deutschen Ordens, der Marienburg an der Noga-, Regierungsbaurat Hauke — jetzt Marburg hat die Ergänzung und die Bearbeitung des nachgelassenen Werkes übernommen. Herausgegeben vom Göttinger Arbeitskreis als Band 1 der Sammlung „Deutsche Baukunst im Osten“, erschienen im Holzner-Verlag Würzburg.
Das Archiv für Grundbesitz e. V. befindet sich jetzt in Bad Ems, Römerstraße 34.
Seite 8 Eltern suchen ihre Kinder.
Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg. Ossdorf, Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihrer Heimatanschrift von 1939, Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären!
Steckbrief mit Foto:
Name: Schmidt,
Vorname: Erich,
geb.: 05.08.1943 in Königsberg,
Augen: blaugrau,
Haar: mittelblond.
Der Knabe stammt vermutlich aus Königsberg/Oßtpreußen. Der Vater heißt Erich und war Soldat. Die Mutter, Lucie Schmidt, soll angeblich verstorben sein. Bild Nr. 0808.
Steckbrief mit Foto:
Name: unbekannt, vielleicht Zerber
Vorname: unbekannt, vielleicht Klaus,
geb.: etwa 1944,
Augen: braun,
Haar: dunkelbraun.
Der Knabe soll das Kind der Eheleute Zerber sein, welche in Pillau ein Möbelhaus und eine Tischlerei hatten. Bis 1946/1947 wohnte Familie Zerber in Königsberg-Kohlhof, Straße 1064, Haus Nr. 4. Als die Eheleute starben, kam der Knabe im gleichen Haus zu einer Frau Riebensahn, die bald darauf auch verstarb. Wer kennt andere Verwandte des Kindes? Bild Nr. 01232.
Steckbrief mit Foto:
Name: unbekannt,
Vorname: unbekannt, vermutlich Hannelore,
geb.: 1941 in Insterburg,
Augen: blau,
Haar: dunkelblond.
Hannelore befand sich bei einer Frau Konrad in Mitzlin, Krs. Schlawe/Pommern in Pflege, welche im Juni 1945 verstorben ist. Der Pflegevater soll Soldat gewesen sein. Es wird vermutet, dass die Mutter Broschke, Boschke, Bosch oder ähnlich heißt und aus Ostpreußen stammen soll. Hannelore wurde nach dem Tod der Pflegemutter, Frau Konrad, von einer anderen Frau in Pflege genommen und nach Westdeutschland gebracht. Bild Nr. 2738.
Seite 8 Foto: Die Ordenskirche in Wenden
Seite 8 Erinnerung an eine Heimatkirche
Hörst du manchmal in einer stillen Stunde, wenn du allein mit deinen Gedanken fern von hier — in der Heimat — weilst, noch den vertrauten Klang der Glocken deiner Heimatkirche, wie sie den Tag ausläuteten, während du im Glühen des Abendrotes mit einem glücklichen, zufriedenen Gefühl das letzte Fuder Getreide heimfuhrst, oder wie sie dich allsonntäglich zum Gottesdienst, zur Einkehr mahnten? Hörst du sie noch?! Vielleicht ist ihr Ruf erst jetzt, fern von ihnen, zu deinem Herzen gedrungen?! Ja, vielleicht ergeht es dir ähnlich wie mir, dass du hier in der Fremde stumm manchem Glockenschlage lauschtest und immer wieder neu feststellen musst: Die Glocken zu Hause klangen doch schöner! Und vielleicht taucht bei dem Läuten dieser fremden Glocken vor dir das Bild deiner Heimatkirche auf, wie du sie zum letzten Mal gesehen hast. Verlassen stand sie damals auf dem kleinen Hügel, während in den kahlen Bäumen um sie der Wintersturm heulte und auf der Dorfstraße davor sich Treckwagen an Treckwagen reihte. Wieviel Not und Elend mag die Kirche überhaupt schon gesehen haben seit ihrer Erbauung, wenn man bedenkt, dass sie vielleicht schon 600 oder gar 700 Jahre alt ist; denn der Ursprung zahlreicher ostpreußischer Kirchen stammt aus dem 14. Jahrhundert. Als der Deutsche Ritterorden in das damals heidnische Land gezogen kam, um es für das Christentum zu erobern, hat er neben Burgen viele Gotteshäuser errichtet. So wurde von ihm auch zu jener Zeit die Kirche gebaut, von der ich jetzt erzählen will: nämlich von der Ordenskirche zu Wenden.
Wenden, ein ausgesprochenes Bauerndorf, das zu Beginn des letzten Krieges etwa 800 Einwohner zählte, liegt ungefähr in der Mitte der alten Ordensstraße, die von Rastenburg nach Barten führt. Berührt von den nördlichen Ausläufern des Ural-Ostbaltischen Höhenrückens ist die Landschaft seiner Umgebung leicht gewellt. Die Gründung des Dorfes geht auf den Deutschen Ritterorden zurück; und zwar erfolgte sie 1389 durch den Komtur Friedrich von Brandenburg. Er war es auch, der im selben Jahr den Grundstein zu der Kirche legte, einem Backsteinbau im gotischen Stil mit den typischen Spitzbogenfenstern.
Unversehrt durch Menschenhand hat die Kirche 600 Jahre gestanden, obwohl im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche feindliche Heere an ihr vorbeigezogen sind, von denen manche sie zur Übernachtung benutzt haben. So waren es zuerst die Jagellonen, die nach der Niederlage des Deutschen Ritterordens am 15. Juli 1410 in der Schlacht bei Tannenberg, mit ihren polnischen, litauischen und tatarischen Scharen ins Land einfielen und die meisten Dörfer und Siedlungen verwüsteten und niederbrannten; die Gotteshäuser aber schonten sie. Später kamen während des Siebenjährigen Krieges und zur Zeit der Befreiungskriege russische Truppen durch das Dorf gezogen. Aus Dankbarkeit für die Betreuung der Soldaten durch die dortigen Bewohner schenkte sogar die Zarin Katharina II. nach dem Siebenjährigen Krieg der Kirche einen Kronleuchter, der den russischen Doppeladler trug. Ferner war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auch das napoleonische Heer durch das Dorf gekommen. Selbst die Russen, die den Ort im ersten Weltkrieg besetzten und auf ihrem Rückzug manches Gebäude in Brand steckten, ließen das Gotteshaus unbehelligt. Durch Naturgewalten lediglich, nämlich durch einen sehr starken Sturm, wurde um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts der ursprüngliche Kirchturm abgerissen: bald ersetzte man ihn jedoch durch einen neuen Holzturm.
Als dann aber Ende Januar 1945 erneut das russische Heer heranrückte, wurde durch Artilleriebeschuss das Kirchendach erheblich beschädigt. Nicht genug hiermit, als die Truppen in das Dorf eindrangen, richteten sie auch das Kircheninnere grundlos arg zu. Die großen Altarfiguren, die den Glauben, die Liebe und die Hoffnung symbolisierten, wurden mutwillig zerstört; die kleinen Fensterscheiben schlug man teils ein, teils dienten sie als Zielscheiben für die Maschinenpistolen. Die Orgelpfeifen brachen die Soldaten mit Gewalt heraus und zogen damit sinnlos auf ihnen blasend im Dorfe umher.
Zehn Jahre sind seitdem verflossen. Notdürftig sind die größten Schäden von den Polen, die sich inzwischen dort niedergelassen haben, behoben worden. Ein katholischer Pfarrer hält jetzt, wie in vielen anderen ostpreußischen Kirchen, den sonntäglichen Gottesdienst in polnischer Sprache. — Die Orgel aber, sie begleitet mit ihrer weichen, warmen Musik keinen Gemeindegesang mehr; für immer ist sie verstummt. Ihr Klang tönt nur noch in unseren Herzen fort. Die Glocken ... wann werden sie uns wieder grüßen? H. Rutkewitz.
Seite 8 Der tolle Rapp
Die Klein-Angerapper Begüterungen gehörten einst den Herren von Rappe. Einer von ihnen, so heißt es, war besonders wild und herrisch. Er habe ein böses Leben geführt, angefüllt von Leidenschaften und Unrecht. Und da er endlich einen jähen Tod gefunden hatte, müsse sein Geist immer noch an den Stätten seiner Untaten herumirren. So spuke er bald im alten Herrenhaus in Klein-Angerapp, bald im großen Park des schönen Gutes; ein andermal höre man wiederum sein Stöhnen und Klagen am Mausoleum in der Luschnitz, wohin man sowohl vom Festsaal des kleinen Schlosses als auch von der behäbigen Kirche in Szabienen sehen konnte, oder am Galgenberg am anderen Ende des Dorfes, wo es zur Wassermühle und zum See gehe. Ja, hier am See höre man nächtlich mitunter ein furchtbares Fluchen und gottloses Schelten, — dann wisse man: der tolle Rapp geht um.
In der Tat hat „der tolle Rapp“ es zu seinen Lebzeiten arg getrieben gehabt und alte Papiere auf dem Staatsarchiv in Königsberg wussten noch davon zu erzählen. Der Klein-Angerapper Herr hatte damals die Gerichtsbarkeit über Tod und Leben über alle seine Leute, und wenn der tolle Rapp einmal jemanden dabei erwischte, der unerlaubt aus dem fischreichen See ein paar elende Fische herausgeholt hatte, dann ließ er ihn etwa im See eingraben, so dass er eben mit dem Mund über das Wasser reichte; wehe dem armen Menschen, der vom aufgereckten Stehen schwach und müde wurde, — er musste ertrinken. Wehe dem, der da solch hartes und meist auch sehr kaltes Bad nehmen musste, wenn ein unguter Wind die sonst so flache Wasserfläche bewegte: er konnte auch bei größtem Geschick die Luft nicht so bei sich behalten, konnte den Atem nicht so einteilen, dass er nicht doch einmal Wasser schluckte, und dann war es um ihn geschehen. Der tolle Rapp ritt aber auf seinem Pferd auf und ab, und wer seinem Opfer helfen wollte, musste selber dran glauben. Einmal ließ er eine junge Frau, die ihr erstes Kindlein erwartete, und deren Mann gestraft wurde, so hart prügeln, dass sie zu Schaden kam. Es geschah dann freilich auch, dass bei Nacht und Nebel die Mühlenwehre gesprengt waren und alles Wasser zur Angerapp eilte: der Wittbach konnte die Fluten kaum fassen und die niederen Wiesen zwischen dem Park des Herrenhauses und der Luschnitz überschwemmten, so dass der Weg vom Hof zum Friedhof oder gar nach Antmeschken oder Zargen ganz unter Wasser standen. Aber was konnten die Leute schon tun? Der Zorn des tollen Rapp hatte nur neue Nahrung bekommen und mag sich noch schlimmer ausgetobt haben, als es die alten Akten zu sagen wussten.
Eins aber muss noch berichtigt werden: mit diesem tollen Rapp starb das Geschlecht aus, — der Hof kam nach kurzem Wechsel in den Jahren der Pest an einen Herren von Laue, der dann erst das jetzige Herrenhaus erbaut hat, einen prächtigen Hof, von dem Lucanus gern erzählte. (Das Pfarrhaus in Szabienen, zu dessen Kirche die Klein-Angerapper Herren Patron waren, hat einen ganz ähnlichen Grundriss.) Das Mausoleum in der Luschnitz aber bauten erst die Herren von Fahrenheid, die von dem Nachfolger von Laues die Begüterungen erbten, und Generationen hindurch hier ihre letzte Ruhe fanden. Wie schon 1914/1915, so erst recht jetzt wird der Russe wohl die Stätte des Todes erbrochen und geschändet haben.
Von den Rapps fand sich aber schon längst keine Spur. Pastor Helmut Walsdorff
Seite 8 Mit Foto. Dr. Schiebries 40 Jahre im Schuldienst
40 Jahre im Dienst der höheren Schule vollendete am 31. März 1955 Oberstudiendirektor Dr. Schiebries. Am 04.04.1892 zu Königsberg i. Pr. geboren, bestand er Ostern 1910 die Reifeprüfung an der Königlichen Oberrealschule auf der Burg und studierte an der Albertina Neuere Sprachen, Deutsch und Religion. Für die burschenschaftlichen Ideale Ehre, Freiheit, Vaterland begeistert, wurde er Mitglied der Königsberger Burschenschaft Germania, der er stets die Treue gehalten hat.
Am Ende seines 8. Semesters promovierte er zum Dr. phil. und stand mitten im Staatsexamen, als der erste Weltkrieg begann, den er zunächst als Kriegsfreiwilliger, später als Reserveoffizier der alten kaiserlichen Armee bis zum Ende mitmachte.
Kurz nach dem Kriege war er als Studienassessor, dann seit 1921 als Studienrat an der Bessel-Oberrealschule zu Königsberg/Pr. tätig, wo er sich mit besonderer Liebe für die neueren Sprachen, vor allem für das Französische, einsetzte. Auf Grund seiner Bekanntschaft mit dem Berliner Professor Dr. Doegen, der ein Vorkämpfer für die Schallplatte im Unterricht war, hat er sich in Wort und Schrift für die Verwendung der Schallplatte und später des Rundfunks in den verschiedenen Schulfächern eingesetzt. Nach längerem Auslandsaufenthalt in Frankreich und England hielt er laufend im Ostmarkenrundfunk Vorträge zur Einführung in die westeuropäische Kultur. Als Pädagoge war er für alle neuzeitlichen Fragen des Unterrichts interessiert und wurde vom Provinzialschulkollegium schon in jungen Jahren fortlaufend zur Abnahme von Extraneerreifeprüfungen und zur Ausbildung von Studienreferendaren und Mittelschullehrern herangezogen. 1928 wurde er mit dem Aufbau einer Oberschule in dem kleinen ostpreußischen Städtchen Gerdauen beauftragt und fand hier für sein organisatorisches Talent ein reiches Feld. Stets auf die Förderung der Leibesübungen bedacht, nahm er an einem Lehrgang an der Spandauer Hochschule für Leibesübungen teil und wirkte auch auf diesem Gebiet anregend auf die Jungen und Mädel, die bei den Provinzialmeisterschaften im Schlagball manche Ehrenurkunde nach Hause brachten: ca. 80 Prozent waren Frei- und Fahrtenschwimmer. Die musikalischen Veranstaltungen der Schule zeigten eine beachtliche Höhe und waren ebenso wie die Sportfeste in der ganzen Stadt beliebt.
Für die nationalsozialistische Regierung war Dr. Schiebries als Schulleiter nicht tragbar und brachte die Jahre 1934 bis 1944 in einer Studienratsstelle am Oberlyzeum und staatl. Gymnasium Osterode/Ostpreußen zu, wo er trotz seiner wohlbekannten Gegnerschaft zum Regime sich bei den Schülerinnen und Schülern besonderer Liebe erfreute.
Nach der Flucht aus Ostpreußen wurde er 1946 mit der Leitung der Theodor-Storm-Oberschule in Husum/Nordsee beauftragt, an der er heute noch tätig ist.
Seite 8 Kulturnachrichten
In der NWDR-Sendereihe „Vom deutschen Osten“ will der stellvertretende Intendant des NWDR-Funkhauses Hamburg, Dr. Hilpert, (früher Königsberg) west-ostdeutsche Patenschaftsverhältnisse schildern. Die dankenswerte Einrichtung wurde begonnen mit der Sendung „Stadt Neumünster, Kreis Lötzen, ein Bericht über zwei alte Städte und ihre neuen Beziehungen“.
Louis Kolma begeht am 9. April 1955 in Berlin seinen 65. Geburtstag. Gebürtiger Rastenburger, wandte er sich nach dem Oberrealschulbesuch dem Zahntechnikerberufe zu, den er jedoch aufgab, um sich völlig der Schriftstellerei hinzugeben. Seine phantasiereichen Erzählungen, die er zumeist unter dem Decknamen „Heinz Ramlok“ erscheinen ließ, stehen im Strome des Lebens, sind obendrein kurzweilig. Er ist ein guter Genosse freundlicher Stunden. Mit Paul Wegener schuf er den Film „Der Blinde“. Von seinen Romanen seien erwähnt „Der Kriegsblinde und die Sängerin“, „Schicksalswege des Lebens“, „Wenn Liebe und Treue vereint“ sowie „Falscher Verdacht“.
Seite 9 10. April 1945. Die letzten Tage Königsbergs
Foto: Trümmer über Trümmer in der Schloßstraße
Foto: Die zerstörte Wassergasse zu Königsberg. Aufn.: Archiv
Man schreibt den 30. Januar 1945. Das erst unmöglich Erscheinende und später dann unvermeidlich gewordene war eingetreten: Der stählerne Ring um Königsberg war geschlossen. Zur Festung erklärt, sollte Ostpreußens Hauptstadt ohne Rücksicht auf seine Einwohner und die Tausenden von Flüchtlingen, die in ihren Mauern Zuflucht gesucht hatten, laut Führerbefehl bis zum letzten Mann und zur letzten Patrone verteidigt werden. Als der nächste Tag heraufdämmerte, grau und unlustig, jagt die sowjetische Artillerie ihre ersten Granatsalven als Morgengruß in die Stadt. Bald darauf dröhnten Flugzeugmotoren und die Häuser Königsberg erbebten unter den Detonationen der Fliegerbomben. Welle auf Welle folgt; der anglo-amerikanische Fliegerangriff hat noch zahlreiche lohnende Ziele übrig gelassen. Es gibt viele Tote unter den Soldaten und Zivilisten. Die Straßen sind leer gefegt von Menschen und das, was man in einer belagerten Festung als Leben bezeichnet, spielt sich unter bombensicheren Kellergewölben ab. Eine tiefe Niedergeschlagenheit hat sich der Bevölkerung bemächtigt, man hofft auf eine Entsetzung der Stadt und glaubt doch andererseits nicht daran, weiß oder ahnt, dass es sich um ausgestreute Gerüchte handelt, um die Bevölkerung so lange wie möglich zu beruhigen. Die Moral der Truppen lässt zu wünschen übrig, bei jeder Einheit gibt es Drückeberger, die sich von ihrem „Haufen“ abgesetzt haben und in versteckten Häuserruinen und Kellern mit leichtfertigen Mädchen Exzesse begehen.
Noch einmal wird der eiserne Ring gesprengt
Die Situation ändert sich, als General Lasch zum Festungskommandanten ernannt wird. Der General war zu Beginn des Ostfeldzuges noch Regimentskommandeur bei einer vielfach bewährten ostpreußischen Infanteriedivision, hatte an der Eroberung von Riga hervorragenden Anteil und war dafür mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet worden.
General Lasch griff schnell und energisch durch. In kurzer Zeit entstand an der Peripherie der Stadt ein gut gegliedertes Verteidigungssystem mit Schützen- und Panzergräben, Verhauen und Barrikaden. Waffen und Munition wurde herbeigeschafft und die gelockerte Disziplin in kurzer Zeit durch drakonische Maßnahmen wieder hergestellt. Soldaten, Volkssturm und Zivil haben in kurzer Zeit ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Ein Aufatmen geht durch die Bevölkerung und die Herzen der Verzagten erfüllen sich mit neuem Mut, als am 5. Februar ein Ausfall aus der Festung zum Erfolg führte. In den frühen Morgenstunden dieses Tages waren Kampfeinheiten der 1. ostpreußischen Infanteriedivision und der fünften Panzerdivision ohne Artillerievorbereitung aus dem Raum Juditten zum Angriff angetreten, hatten mit kühnem Angriffschwung Metgethen, die idyllisch am Waldsaum gelegene Gartenstadt Königsberg genommen und die Straße nach Pillau freigekämpft, über die sich im Februar noch ungezählte von Flüchtlingen retten konnten. Unter den Angreifern befanden sich zahlreiche ostpreußische Jungen, sechzehn- und siebzehnjährige aus Königsberg und Flüchtlinge aus der Provinz, die kurzfristig ausgebildet, mit Gewehr und Handgranate von Deckung zu Deckung vorwärtsstürmen und selbst die alten Kameraden durch ihren Angriffsgeist mitreißen. Viele dieser Jungen fielen in diesem Kampf um die Befreiung der Heimat und fanden ihr Grab in heimatlicher Erde auf dem Luisenfriedhof in den Hufen.
Die Freude über den erfolgreichen Vorstoß wird aber auch nach einer anderen Richtung
hin getrübt. Nur wenige Tage war Metgethen von den Soldaten der Roten Armee besetzt, aber lange genug um jedes weibliche Wesen viele Male zu schänden und unter den Männern ein grauenvolles Blutbad zu verrichten. Ein bestialisches Inferno, das zu schildern die Rücksicht auf unsere Landsleute verbietet, die sich in einer ähnlichen Lage befunden haben.
Während die Verteidigungsvorbereitungen zielbewusst fortgesetzt werden, nimmt das Leben in den Stadtbezirken, die außerhalb der Reichweite der sowjetischen Geschütze liegen, wieder beinahe normale Formen an. Geschäftsleute öffnen ihre Ladentüren und auch die Gaststätten werden wieder besucht. Inzwischen ist es Ostern geworden, das erste Grün lugt zaghaft in den Vorgärten zwischen Trümmergestein hervor, viele Königsberger lockt das milde Wetter zu einem österlichen Spaziergang und auf dem Schlossteich schaukeln sogar ein paar Kähne, besetzt mit Soldaten und ihren Mädchen. Es sollten die letzten friedsamen Tage für die Königsberger Bevölkerung bleiben. Denn auch der Feind war nicht untätig gewesen, hatte ungeheure Massen an Verstärkungen und Material herangezogen.
Der Sturm bricht los
Schon wenige Tage nach dem Fest beginnt eine gewaltige Kanonade. Die Luft ist erfüllt vom Zischen und Bersten der Granaten. Die Verluste, die aus den einzelnen Abschnitten gemeldet werden, wachsen stündlich und bei der erdrückenden Übermacht ist es nicht verwunderlich, dass der Feind immer tiefer in das Verteidigungssystem eindringen kann. Stehen doch den schwachen Verteidigern dreißig Divisionen, zwei Panzerkorps und eine Luftflotte gegenüber. Das ist ein Verhältnis von 1 zu 8. Tiefe Einbrüche können die Sowjets bei Ponarth und Juditten erzwingen. Dadurch fällt die einzige Ausfallstraße wieder in die Hand des Feindes, und Königsberg ist erneut von der Außenwelt abgeschnitten. Auch die Straßen innerhalb der Stadt bieten einen trostlosen Eindruck, Granaten haben die Straßendecke aufgerissen, Schuttmassen liegen darüber, umgestürzte Fahrzeuge, dazwischen tote und verwundete Zivilisten und Soldaten.
Der Tragödie zweiter Teil
Hoffnungs- und ausweglos erscheint den geängstigten Menschen das Dasein, eine Katastrophenstimmung hat sich aller bemächtigt, auf die der Einzelne recht unterschiedlich reagiert ... Während die einen in ernster innerer Sammlung und im Gebet die Kraft zu finden hoffen, für das, was ihnen bevorsteht, suchen andere im Alkohol Betäubung und Vergessen. Wieder andere geben sich einem zügellosen, hysterischen Lebenshunger hin, der sie angesichts des bevorstehenden Unterganges, gleichsam im Anblick des Todes ergriffen hatte. Man will zum Schluss noch einmal in vollen Zügen, bis zur letzten Nagelprobe das Leben genießen, bevor alles zu Ende ist. Viele Menschen aus allen Gesellschaftsschichten wählten den Freitod. Wer will hier Richter sein!
Weltuntergangsstimmung herrscht auch im „Blutgericht“, dem Quartier der Parteileitung. Der Parteigewaltige selbst, der Gauleiter Erich Koch, hatte schon Ende Januar seine Hauptstadt verlassen und seine neue Residenz in Neutief aufgeschlagen, weil er dort, wie er sich ausdrückte, einen besseren Überblick über die Geschehnisse im Samland hatte, das noch allein von ganz Ostpreußen übrig geblieben war. Und während hier der Stab der zurückgebliebenen Parteiführung bei reichlichen Mengen von Alkohol drakonische Maßnahmen gegen Drückeberger beriet und über einen Ausfall auf eigene Faust beratschlagte, kämpfte in seinem Gefechtsstand im Keller der zerstörten Universität am Paradeplatz General Lasch einen schweren inneren Kampf zwischen militärischen Pflicht- und Ehrgefühl und reiner Menschlichkeit. Indessen nimmt die Zerstörung der Stadt stündlich zu, muss Stellung auf Stellung geräumt werden. Soll der Kommandant, den aussichtslosen Kampf fortsetzen, der schließlich nichts anderes ist, als sinnloses Blutvergießen, soll er die Kapitulation anbieten, um dadurch wenigstens für die Zivilbevölkerung eine mildere Behandlung zu erreichen. Nach langen Gewissenskämpfen entscheidet er sich für die Kapitulation. Doch die politische Führung erkennt die Kapitulation nicht an, SS und Partei setzten den aussichtslosen Kampf fort und auch die Hoffnung, die General Lasch auf die Ritterlichkeit und Großmut der Sieger setzte, erwies sich als trügerisch.
Die Königsberger Bevölkerung entging nicht dem ihr im Voraus zugedachten Schicksal, der Plünderung, Misshandlung, Schändung und vielfach dem Tod. Die Kämpfe um die Stadt Königsberg haben ungefähr der Hälfte der Ende Januar noch in Königsberg befindlichen Zivilbevölkerung das Leben gekostet. Militär und Volkssturm haben rund zwei Drittel ihres Bestandes verloren.
Seite 9 300-jähriges Jubiläum der „Kronprinzer“
Das ehemalige Grenadier-Regiment Kronprinz (1. Ostpreußisches) Nr 1, errichtet d. d. Königsberg 1655 durch Friedrich Wilhelm Kurfürst von Brandenburg, dem die Geschichte die Bezeichnung „der Große“ beilegte, wird in den Pfingsttagen 1955 sein 300-jähriges Jubiläum begehen. Diese Feier soll in Duisburg stattfinden, wo gleichzeitig unsere alte Garnisonstadt Königsberg ihr 700-jähriges Bestehen feiern wird. Am Pfingstmontag, dem 30. Mai 1955, ist ein Treffen der alten Soldaten aller ehemaligen Königsberger Truppenteile geplant. Die Kronprinzer feiern gemeinsam mit den Kameraden unseres Traditionsregiments IR. 1. Am Nachmittag soll eine soldatisch-historische Gedenkstunde im Stadttheater stattfinden. Der Abend ist einem großen Standortbierabend vorbehalten, welcher vom VDS, Ortsgruppe Duisburg, ausgestaltet wird. Der Große Zapfenstreich eines Musikkorps vom Bundesgrenzschutz lässt die Jubiläumsfeiern ausklingen.
Alle ehemaligen Kronprinzer werden hiermit zur Teilnahme aufgerufen, besonders auch die aus dem Industrierevier an Rhein und Ruhr. Das Regiment hat in Friedenszeiten wie auch im 1. Weltkrieg einen Teil seines Ersatzes aus dem rheinisch-westfälischen Industrierevier erhalten. Vielfach waren es Ostpreußen, die selbst oder deren Eltern „oberwärts“ gegangen waren, weil die hohen Barlöhne der aufblühenden Industrie sie lockten. — Wir wollen der schönen Friedensjahre in Königsberg gedenken und der Zeiten des letzten gemeinsamen Kampfes: 1914 bei Gumbinnen, bei Tannenberg, an den Masurischen Seen und vor Warschau; 1915 in den Karpaten (Zwinin), Vormarsch durch Galizien und Wolhynien, die schweren Kämpfe am Styr; 1916 vor Verdun (Fort Vaux) und in den Waldkarpaten; 1917 Vormarsch in die Bukowina, Gefechte an der rumänischen Grenze; 1918 die große Schlacht in Frankreich, in der Champagne und an der Laffaux-Ecke des Damenweges, schließlich die Rückzugskämpfe von der Aisne zur Maas in einer Haltung, die der Kronprinz, unser Regiments-Chef in seinen Erinnerungen so anerkennend hervorhebt.
Kronprinz-Grenadiere! Meldet Euch an mit Anschrift, Dienstgrad und Dienstzeit sowie Kompanie im Regiment bei Kamerad Johannes Christ in Essen-Rüttenscheid, Paulinenstraße 83/5, oder bei Oberst a. D. CE Graf zu Eulenburg in Göttingen, Elbingerstraße 9a. Alles Weitere wird dann rechtzeitig bekanntgegeben.
Seite 9 Landsleute, bitte herhören!
Infolge der vielen Posteingänge und Krankheit war es uns nicht möglich, rechtzeitig unseren Märzbericht einzusenden. Immer wieder gehen hier verschiedene Anträge auf Bescheinigungen ein, die wir ohne Aktenunterlagen nicht wunschgemäß erledigen können. Die Annahme vieler Landsleute, dass wir aufgrund etwa vorhandener geretteter Steuerakten den Einheitswert von Grundstücken bescheinigen können, ist irrig. Auch diese Unterlagen konnten nicht rechtzeitig nach dem Westen des Reiches verlagert werden. Ferner ist es uns beim besten Willen zu helfen nicht möglich, über die Größe der genutzten gewerblichen Räume Auskunft zu geben. Dasselbe gilt auch für Anfragen über den Nachweis vermieteter Wohnräume und Angabe der Namen der Mieter. Wer von den Landsleuten diesen Nachweis dem Ausgleichsamt gegenüber zu führen hat, muss, falls er keine amtlichen Unterlagen besitzt, sich an das ehem. Kataster- oder auch Grundbuchamt wenden, vorausgesetzt, dass eine Verlagerung der Akten stattgefunden hat. Inwieweit seiner Zeit die Wohnraumerhebung in Königsberg durch das Statistische Reichsamt stattgefunden hat, kann von hieraus nicht gesagt werden, da die Sachbearbeiter seiner Zeit zum Wehrdienst eingezogen waren.
St.-O.-Insp. Gronwald, St.-Insp. Sauerbaum, St.-O.-Sekr. Hellwig, Rechn--Direktor Schadagies, Angest. Krüger vom „Städtischen Statistischen Amt Königsberg“, die damit zu tun hatten, sind nach der Besetzung Königsbergs durch die Rote Armee verstorben.
Die Lagerhauserhebung wurde 1938, die Forsterhebung 1937, die Bodenbenutzungserhebung jährlich, ebenso die Fischereierhebung, durchgeführt. Die Prüfung der Angaben wurde von einer Kommission vorgenommen. Wenn diese Unterlagen beim Statistischen Reichsamt Berlin nicht durch Kriegseinwirkungen verlorengegangen sind, dann wäre vielen Landsleuten geholfen, wenn die Ausgleichsämter, die Auskunft dort erhalten, diese wichtigen Unterlagen zur Einsicht anfordern würden. Eine Anfrage dorthin des einzelnen Landsmannes ist zwecklos und nicht erfolgversprechend, es ist Angelegenheit der Ausgleichstellen.
Von verschiedenen Landesversicherungsanstalten werden wir immer wieder um Bescheinigungen angegangen, welche Invalidenbeiträge für den und den Arbeitskameraden verwendet worden sind. Wir haben schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass wir keine Personalakten haben und dass jeder, der nicht im Besitze von Quittungsbüchern ist, diese rechtzeitig beim zuständigen Versicherungsamt neu zu beantragen hat und nicht erst bei Eintritt des 65. Lebensjahres oder Arbeitsunfähigkeit diese Bescheinigung haben möchte. Wie enttäuscht nun wieder die letzten Antragsteller sind, gibt uns Veranlassung, nochmals darauf hinzuweisen, den nicht einfachen Beschaffungsweg zu beschreiten. Die Angestelltenkameraden und -kameradinnen stellen ihren Antrag bei der Bundesversicherungsanstalt, Berlin-Wilmersdorf, Ruhrstraße 2, um Ausstellung einer Bescheinigung über die bis Dato verwendeten Angestelltenversicherungsbeiträge. Vor- und Zuname, Geburtsdatum und Geburtsort muss im Antrage angegeben sein.
Frau Gertrud Böhnke, Fritz Skories, Frau Minna Rieck, Otto Kurandt und Heinz Trempenau haben im April 1955 Geburtstag. Da sie zu unserem engeren Kreis gehören, gratulieren wir an dieser Stelle aufs herzlichste. Möge ihnen das neue Lebensjahr alles Gute bringen.
Anschriftensammelstelle der Königsberger Magistratsbeamten, -Angestellten und -Arbeiter (16) Biedenkopf, Hospitalstraße 1
Seite 10 Unsere Leser schreiben:
Geschichtliche Richtigstellung
Ich erhebe gegen die Bezeichnung des verstorbenen Herrn Dr. Schreiber in der März-Nummer der „Ostpreußen-Warte“ als Gründer der Landsmannschaft Ostpreußen Einspruch. Die Gründung ist von der von mir gegründeten und inspirierten „Zentralstelle der heimattreuen Ost- und Westpreußen“ und von mir selbst in jahrelanger Arbeit vorbereitet und in die Wege geleitet worden. Herr Dr. Schreiber war bei der Gründungstagung am 3. Oktober 1948 genauso Gast wie alle übrigen Teilnehmer der Tagung. Dass er dabei zum ersten Sprecher der Landsmannschaft erwählt wurde, ist ein anderes Ding. Es liegt mir fern, die Verdienste des Herrn Dr. Schreiber in seiner Tätigkeit als erster Sprecher zu verkleinern, wir „Heimattreuen“, die wir mit heiligem Ernst und unter heißer Hingabe unserer besten Kräfte auf den heimatpolitischen Zusammenschluss unserer vertriebenen Landsleute in der damals doch gefahrvollen Zeit hingearbeitet haben, lassen uns unsere eigenen Verdienste nicht beeinträchtigten, dies umso weniger, als die Gründung der Ost- und westpreußischen Landsmannschaft für die übrigen Landsmannschaften und damit für das ganze Gebäude der landsmannschaftlichen Vertretung grundlegend wurde.
Alle Dokumente über die Vorbereitungen zur Gründung und die Gründung selbst sind vollzählig in meiner Hand, dieselben werden von mir sorgfältig aufbewahrt und später einem ostpreußischen geschichtlich - wissenschaftlichen Institut zur ehrenvollen geschichtlichen Aufbewahrung übergeben werden.
Im Namen und zu Ehren meiner alten Mitkämpfer. Fregattenkapitän a. D. Hundertmarck, Wittgirren Kummerfeld-Hauen, im März 1955 b. Pinneberg i. Holst.
... das wir alle schätzen
Gern erkläre ich mich bereit, ab 1. April 1955, zunächst für die Dauer eines Jahres, zwei Exemplare der Ostpreußen-Warte zu bestellen, wovon ich eins zur Werbung In Bekanntenkreisen zu verwenden gedenke. Ich hoffe, dass viele Freunde der uns lieb gewordenen Heimatzeitung in Kürze dasselbe tun werden, damit auch auf diese Weise einem Blatt, das wir alle schätzen, finanziell und ideell geholfen werden. Luise Kalweit, Studienrätin a. D., Flensburg
Seite 10 Der fernen Frau. Von Pfarrer Leitner. (Geschrieben während der russischen Gefangenschaft in Königsberg)
Wenn ich die Straßen einsam gehe
Du gehst mit mir,
wenn ich am Fenster sinnend stehe,
Du stehst bei mir.
Wenn durch die müden Tage zittert
Der Sehnsucht Schmerz,
wenn Leid die Seele pflügt und schüttert
Dir schlägt mein Herz.
Wenn Nacht das Grauen gnädig hüllet,
Du reichst die Hand,
Dein liebes Bild die Traumwelt füllet
Bis an den Rand.
Dorthin zu Deiner weiten Ferne schwingt sich
Schwingt sich mein Lied,
der Reigen aller hellen Sterne
mich zu Dir zieht.
Achtung! Kameraden des ehem. Artillerieregiments A. R. 1 mit L./A. R. 37!
Wir kommen alle mit unseren Frauen und Hinterbliebenen zum großen Pfingsttreffen am 29.05.1955 nach Duisburg!
Bedeutende Fahrpreisermäßigung! Hat Herbert Klaus, Wuppertal-Elberfeld, Gartenheim 13. Ihre genaue Anschrift mit Angabe der ehem. Abteilung und Batterie? Wenn nicht, dann bitte postwendend mitteilen! Auf ein frohes Wiedersehen in Duisburg am Rhein und mit herzlichen Ostergrüßen Ihr Herbert Klaus
Wir gratulieren
Der Pfarrer i. R. Franz Schibalski, aus Neuhausen, Ostpreußen, jetzt Bornhausen 2 über Seesen, wird am 6. Mai 1955, 82 Jahre alt.
Suchanzeige
Frau Maria Schädlich, geb. 29.01.1893 in Rössel, Ostpreußen. Letzter Wohnort Königsberg/ Pr., Nasser Garten 40. Sie wird gesucht von ihrem Sohn Heinz Schädlich, der ebenfalls in der Ostzone wohnt.
Einsendungen zwecks Weiterbenachrichtigung gegen Unkostenerstattung sind an Gd. Mstr. i.R. Artur Liedlke, Brühl-Vochem, Frohnhofweg 4, zu richten.
Seite 10 Programm für Duisburg
Die Vorbereitungen für die Durchführung der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg in der Patenstadt Duisburg sind in vollem Gange. Das Amt für Stadtwerbung und Wirtschaftsförderung, das Presseamt und das Amt Königsberg der Stadt Duisburg haben alle Hände voll zu tun, um den Zehntausenden von Königsbergern, die Pfingsten nach Duisburg kommen werden, die Tage der 700-Jahrfeier so erlebnis- und erinnerungsreich wie möglich zu machen. Die Veranstaltungsfolge anlässlich der siebenhundertsten Wiederkehr des Gründung der Stadt Königsberg, verbunden mit dem großen Treffen aller Königsberger, beginnt bereits am Freitag, dem 27. Mai, und dauert bis Montag, 30. Mai. Aus dem Festprogramm, das in seinen Grundzügen schon feststeht, veröffentlichen wir nachstehend in Stichworten folgende Einzelheiten:
Freitag, den 27. Mai: Kammerkonzert des Königsberger Komponisten Prof. Erich Riebensahm um 19 Uhr in der Aula der Schule Obermauerstraße.
Sonnabend, den 28. Mai: Empfang der Abordnung der Stadt Königsberg durch die Duisburger Stadtvertretung.
Wiederanbringung der Immanuel-Kant-Gedenktafel.
Ausstellung von ostpreußischem und Königsberger Schrifttum in der Stadtbücherei. Ausstellung von Dokumenten, alten Stichen, Fotos und Stadtansichten von Königsberg im Niederrheinischen Heimatmuseum.
Ausstellung von bedeutenden Werken — Gemälden und Plastiken — ostpreußischer Künstler im Städtischen Kunstmuseum.
Festakt im Stadttheater mit Ansprachen von Oberbürgermeister Seeling und Prof. Dr. Rothfels-Tübingen, früher: Königsberg, unter Mitwirkung des Städtischen Sinfonieorchesters.
Universitätsakt im Festsaal des „Duisburger Hof" mit Vorträgen von Prof. Dr. Heimsoeth-Kiel und Prof. Dr. Schieder, Köln. (Kant und Haman: „Der Schicksalsweg Königsbergs und Ostpreußens“.
Festkonzert im Stadttheater unter Mitwirkung von Kapellmeister Seidler: Aufführung des neuen sinfonischen Werkes von Otto Besch (Stadt. Sinfonieorchester). Duisburger Festspiel 1955 unter der künstlerischen Leitung von Wilhelm Michael Mundt. Aufführung des im Auftrag der Stadt Duisburg geschriebenen Schauspiels „Königsberg“ von Hans Rehberg. Das Festspiel wird mehrfach aufgeführt.
Bunte Abende in den Festsälen „Rheinhof“. Heimatabende in der Aula Obermauerstraße und in der Aula Landfernmann-Gymnasium.
Sonntag, den 29. Mai: Gottesdienste in den Duisburger Kirchen. Pfarrer Hugo Linck und Pfarrer Dr. Hoppe halten die Gottesdienste ab.
Kundgebung und Treffen im Duisburger Stadion in Wedau.
Sondertreffen der Königsberger Vereinigungen.
Um 11 Uhr und um 21 Uhr jeden Tages erklingen vom Turm der Salvatorkirche die beiden Königsberger Choräle.
Das Festprogramm wird sich möglicherweise noch in einigen Punkten ändern. Das genaue Programm veröffentlichen wir in unserer nächsten Ausgabe.
Königsberger! Rüstet schon jetzt zu dem großen Festtag unserer alten, lieben Heimatstadt!
Hufenoberschule Königsberg
Treffen 1. Pfingstfeiertag, 15.00 Uhr, Lokal Fasoli, Duissernplatz 11. Anmeldungen an Oberschullehrerin H. Schmidt, (21b) Soest i. W., Wilhelm-Morgner-Weg 16. Privatnachtquartier vermittelt Studienrätin Dr. Kaun, Duisburg, Gerhart-Hauptmann-Straße 25.
Seite 10 Im Königsberger Stadttheater. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.
IV.
1839.
Es gab noch Leute in Königsberg, die ihn von Angesicht gekannt hatten, den kleinen Kammergerichtsrat, obwohl er seit 1904 nicht mehr nach Königsberg gekommen war und schon 17 Jahre unter seiner großen Grabplatte auf dem Jerusalemer Friedhof in Berlin schlummerte. Damals hatte er während eines dreiwöchentlichen Aufenthaltes achtmal das Theater am Kreytzenschen Platz besucht, das nun auch der Vergangenheit angehörte. Es war nach dem Bau des mächtigen Stadttheaters Konzerthaus geworden und im verflossenen Jahre abgebrochen worden, weil dort nun die Mauern der neuen Altstädtischen Kirche nach des Berliner Baudirektors Schinkel Entwurf gen Himmel strebten.
Der damalige Regierungsrat Hoffmann also hatte damals neben zahlreichen Konzerten die Stücke auf der Bühne gesehen: „Der alte überall und Nirgends“, „Das rote Käppchen“, „Je toller, je besser“, Don Ranudo da Colibrades“, Kotzebues „Sonnenjungfrau“, „Die Räuber“ und die damals erst kürzlich entstandene „Wallstein“-Trilogie des Herrn Friedrich von Schiller in Weimar.
Ja — und dann war Hoffmann Kapellmeister, Theatermaler und -maschinist in Bamberg geworden, hatte musikalische Werke geschrieben, darunter die Oper „Undine“, die später, mit großartigen Dekorationen des genannten berühmten Herrn Schinkel ausgestattet, in Berlin 14 mal aufgeführt wurde, bis der Brand des Opernhauses alles zerstörte. — Aber noch bizarrer hatte sich des wunderlichen Mannes Lebensweg weiter gestaltet Er war Schriftsteller geworden — ein schnellberühmter dazu, der durch seine skurrilen Schauergeschichten sich den Namen des Gespensterhoffmann erworben hatte, und es trotzdem fertig gebracht, in Berlin Kammergerichtsrat zu werden. Über sein Leben dort und seine alkoholischen Exzesse mit seinem kongenialen Freunde, dem berühmten Schauspieler Ludwig Devrient, im Weinhause von Lutter und Wegener waren ja jetzt noch, so lange nach seinem Tode, die tollsten Geschichten im Schwange! — übrigens weilte Devrient seit sieben Jahren auch nicht mehr unter den Lebenden; aber seines großartigen Gastspieles vom Jahre 1818, wo er den Lear, den Shylock, und den Franz Moor gespielt hatte, entsannen sich die älteren Königsberger noch voller Begeisterung.
Der vielseitige Dichter E. T. A. Hoffmann also, der Mozart so liebte, dass er ihm zu Ehren seinen dritten Vornamen Wilhelm in Amadeus umwandelte, hatte in seinen „Fantasiestücken in Callots Manier“ ein seltsames Erlebnis seines ‚Reisenden Enthusiasten' berichtet, das um die „Oper aller Opern“, Mozarts „Don Juan“ herumgeisterte und halb gespenstisch spannend war, halb aber eine kühne und begeisterte Musikkritik und Nachdichtung von Mozarts Oper enthielt, welche das erste verständnisvolle Urteil über den großen Meister der Töne und seine Musik überhaupt abgab.
Besonders prickelnd aber war Hoffmanns Auffassung von Donna Anna, die er ganz dem Zauber des dämonischen Don Juan, diesem Symbol urgewaltiger Zeugungskraft, verfallen sieht: Denn sie, die einzige, ihm ebenbürtige Frau, scheint bestimmt, Don Juan aus seinen faustischen Trieben zu erlösen, zu entsühnen, durch Liebe soll sie ihn seine Göttlichkeit bewusst werden lassen. Doch unaufhaltsam geht die Tragödie ihren Weg, denn für den, im höchsten Frevel Donna Anna verderbenden Don Juan kommt die Rettung zu spät — und sie, die im Augenblicke des Genusses in den Flammen heißer Liebe aufloderte, wird nun von vernichtendem Hasse verzehrt, so dass nur des Verführers Untergang ihrer gemarterten Seele Ruhe bringen kann. — So lässt mehr der tief verletzte Frauenstolz und die gekränkte Liebe, als der ruchlose Mord an ihrem Vater sich mit Donna Elvira, der verlassenen Geliebten, und ihrem eigenen schwächlichen Bräutigam Don Ottavio zu gemeinsamen Racheschwur verbünden — Liebe wird zu Hass und der Hass ertrinkt in Liebe —. So treibt Donna Anna die Vergeltung vorwärts, die Don Juans Leben zum großen Schicksal macht. Zwar nimmt der Himmel Donna Anna die Rache dann ab — dennoch aber ist ihr Leben mit seinem Untergang für immer vernichtet.
Und genau diese selbe Auffassung der Donna Anna sahen nun die staunenden Königsberger heute, im Jähre 1839, unter der Direktion Anton Hübsch, vor ihren Augen auf der Bühne des Stadttheaters sich abspielen!
Die Ouvertüre mit ihren toddrohenden furchtbaren D-Moll-Dreiklängen, unter denen dennoch unbesiegbar in D-Dur neues Leben hervorflutet, ist verrauscht. Der Vorhang hebt sich: Donna Anna, von Don Juan, den sie zuerst für ihren Verlobten hielt, verführt, versucht im Mond-durchglänzten Park den Mann, der ihre Liebe so lodernd weckte, zu erkennen und festzuhalten — der Gouverneur kommt auf ihren Hilferuf — er wird von Don Juan erstochen — unerkannt entflieht der Mörder — ungeheure Klage weint aus dem Orchester — Donna Anna steht erstarrt — ihre Klage um den toten Vater jammert zugleich um den entflohenen und heißbegehrten Geliebten, ist ein Weheschrei ungesättigter Lebensglut, ist das echt weibliche Bestreben, den in einer Liebesnacht zum leidenschaftlich Geliebten Gewordenen festzuhalten — in Ottavios Armen erwacht Donna Anna aus der Ohnmacht ihres Schmerzes. — Unter scheidenden Trompetenklängen rast der Schmerz durchs Orchester, der in dem Racheduett mit Ottavio sich steigert zu furchtbarer und erhabener Leidenschaft —. Donna Annas Stimme erbebt angstflehend, von gebrochenen Akkorden geleitet, von trotzigen Septimen, schluchzenden Synkopen, schauerlichen Pausen des Orchesters — ein Bild erschütternder Verzweiflung, denn — sie hat den Mörder ihres Vater» erraten!
Und dennoch muss jeder es Donna Annas Worten, ihrem schwer und beklommen hervorgestoßenem Gesang, ihrem Leiden-erschöpften Antlitz glauben: Nur der eine Wunsch beherrscht sie: den Entflohenen wiederzufinden, um sich zu rächen? Nicht doch — ganz allein nur, um ihn zu haben, sich an ihn zu klammern, ihn an sich zu fesseln, den faustischen Menschen, den Dämon, der sich auflehnt gegen die Gesetze der Menschheit, weil sie zu klein für ihn sind und er ihren Rahmen sprengt — er, der einen andern Maßstab verlangt und der Hölle Schach bietet — niemand kann dieser Donna Anna glauben, dass sie Don Juan wiederfinden will, um sich kleinlich an ihm zu rächen —.
In atemloser Spannung sind die Zuschauer der unerhörten Frau dort oben auf der Bühne gefolgt — dem Gast der Dresdner Hofoper, der Hochdramatischen, der Primadonna, die, erhaben und weiblich zugleich, von der ersten Scene ab in ihrer Erscheinung, in ihrem Ausdruck, in ihrem Spiel, in ihrer Nachschöpfung — nein — Neuschöpfung sogleich die Idee, die sie sich von ihrer Aufgabe gemacht hat, feststellt, so fest hinstellt, dass ein Missverstehen ihrer Absicht von vornherein unmöglich wird. Nichts von der Gepflogenheit anderer Künstler, erst am Gange der sich entwickelnden Ereignisse den Charakter der Rolle herauszuarbeiten — hier, bei diesem wohldurchdachten Spiel, ist von Anbeginn kein Zweifel, wie Donna Annas Charakter und Seele aufzufassen sei. — Und so groß ist die mitreißende und zwingende Überzeugungskraft der Sängerin, so groß der Glutstrom ihrer poetischen Begeisterung, dass niemand von all den lauschenden Hörern sich dieser Auffassung zu entziehen oder innerlich zu widersetzen wagt, die er sein Leben hindurch nie wieder vergessen wird. —
Und der Literaturkundige findet die Bestätigung dieser Auffassung in den Quellen, aus denen der jüdische Textdichter Emanuele Conegliano, der nach seinem Übertritt zur katholischen Kirche Abbate wurde und sich Lorenzo da Ponte nannte, schöpfte. Es sind dies ein Capriccio dramatico des Giovanni Bertati vom Karneval des Jahres 1787 — am 29. Oktober desselben Jahres erlebte „Don Giovanni“ in Prag seine Uraufführung — und eine Komödie des Tirso de Molina. Dieser, ein Mönch, der eigentlich Gabriel Tellez hieß und ein Zeitgenosse Lope de Vegas war, und einer der besten Dramatiker Spaniens, schrieb 1634 „El burlador de Sevilla y conviado de piedra“.
Auf der Bühne folgt nun eine Verwandlung der anderen: Leporellos Registerarie — Elviras Arie — Don Juans „Champagnerarie“, seine Selbstkritik und Anweisung an Leporello für das Fest. Don Juans Verführung Zerlines: „Reich mir die Hand mein Leben, komm auf mein Schloss mit mir ...“, Elviras geglückter Versuch, Don Juans Kreise zu stören.
Und jetzt tritt sie wieder auf, die wunderbare Frau, die heute die Donna Anna creiert, Donna Anna weiß es nun mit dem Instinkt des liebenden Weibes, dass Don Juan ihr Liebhaber war und der Mörder ihres Vaters, aus den dumpfen Noten des Basses erhebt ein schneidendes Motiv als Ausdruck des Abscheus und des Entsetzens, und sie stachelt Ottavio zur Rache auf: „Du kennst den Verräter, zur Rache ruft Ehre ...“ eine Arie mit wahrhaft stolzer, fast königlicher Linienführung.
Es folgt Don Ottavios Arie, das Fest beginnt, die drei berühmten untereinander verflochtenen Tänze im Ballsaal, Zerlinens Angstschrei, Don Juans Kampf mit den drei zur Rache verschworenen Masken im gewaltig dahindonnernden Finale, das die Gesamtheit der Streichinstrumente in hin stürmenden Passagen in Anspruch nimmt, während die Gesangstimmen wie Blitze hüpfen und zucken ...
Pause!
Der erst in diesem Sommer neu angeschaffte und als Überraschung seit Beginn der Spielzeit erstrahlende Bronzekronleuchter wird entzündet und die beiden halben Kristallkronleuchter vor den Spiegelnischen der Seitenwände spenden wieder ihr Licht. Die Uhr auf der einen, die transparente Ankündigung der Vorstellung auf der andern ziehen wieder die Blicke auf sich: es ist Bellinis „Romeo und Julia“ mit derselben Gasten, die heute die Donna Anna so faszinierend spielt. Ein immer stärker werdendes Gemurmel im Zuschauerraum wird zum Geplauder und sucht den ungeheuren Eindruck des Erlebten zu verarbeiten. Denn solch eine Auffassung der Donna Anna hat noch niemand den Königsbergern geboten, wie es die berühmte Primadonna. —
Doch stille! Es läutet zum dritten Male. Zum zweiten Akt setzen die Geigen rauschend ein, das dramma giocoso kommt zu seinem Recht. Verwandlungen — dann der Friedhof — Posaunen und Holzbläser: „Dein Leben endet schon, ehe der Tag kommt!“ ruft eine Grabesstimme. Leporello liest die Grabschrift auf dem Monument des Komturs: „Die Rache erwartet hier meinen Mörder“. Don Juan, selbst ein Dämon, lacht der Dämonen und ladet in frecher Verblendung das Steinbild zu Gaste. Die steinerne Gestalt nickt und ein schauriges Ja! dröhnt durch die drohenden Klänge des Orchesters.
Und dann geht das Verhängnis unter den entsetzlichen Akkorden der Geisterwelt seinen Gang. Der Boden erbebt unter des steinernen Gastes donnerndem Tritt, Don Juan schreit durch den Sturm, den Donner, die Blitze sein trotziges, furchtbares Nein! Aus dem dicken flammenden Höllenbrodem ruft mit hohler Stimme der Chor der Geister sein Verdammungsurteil, in Qualen der Hölle, die die Musik mit erschütternder Gewalt versinnbildlicht, windet sich Don Juan, ein fürchterliches Krachen, eine hochlodernde Flamme, er ist versunken — Leporello liegt halbtot unter dem Tisch.
Wieder Donna Anna, bleich, das Auge erloschen, ihre Bitte an Don Ottavio, der neben einer solchen Donna Anna erst recht zum Schemen zusammenschrumpft: „Lascia, o caro, un arm' ancora alle sfoge del mio cor!“ lässt wirklich nicht auf übergroße Liebe schließen! von den Lippen dieser Frau da oben auf der Bühne aber, im Tone herzzerreißender Klage, mit dem Ausdruck unerhörten Schmerzes gesungen, zwingt sie jeden, es zu glauben, dass ihre tiefe Leidenschaft für den in Höllenflammen versunkenen Don Juan sie zurückschauern lasse vor der Verbindung mit ihrem so biederen, so makellosen und, ach, so langweiligen Verlobten -.
Fortsetzung folgt
Seite 11 Hugo Kaftan: Der Große Kurfürst und sein Generalmarinedirektor.
Feste Groß Friedrichsburg
Nach verhältnismäßig glücklicher Fahrt, während dieser drei Soldaten und zwei Seeleute starben, gingen die beiden Fregatten am 27. Dezember 1682 am Kap der drei Spitzen vor Anker. Major von der Groeben fand nach längerer mühsamer Rekognoszierung den auf einer vorspringenden Landzunge gelegenen Berg Mamfro als besonders geeignet zur Anlage eines Forts.
Inzwischen hatte Groeben in feierlicher Weise von dem Berge Mamfro und dem umliegenden Gebiet Besitz ergriffen und zunächst sechs Geschütze aufstellen lassen.
Am 1. Januar 1683 brachte Kapitän Voß die große Kurfürstlich Brandenburgische Flagge vom Schiffe, die mit Pauken und Schalmeien aufgeholt, mit allen im Gewehr stehenden Soldaten empfangen und an einem hohen Flaggenstock aufgezogen wurde.
Dabei wurde mit 5 scharf geladenen Stücken das Neue Jahr geschossen, denen jedes Schiff mit fünf antwortete und Groeben wieder mit drei dankte. Und weil der Name des Großen Kurfürsten in aller Welt groß war, wurde auch der Berg der „Große Friedrichsberg“ genannt.
Groeben berief seine Offiziere und die Häuptlinge in sein Zelt und begehrte sich der Treue der Schwarzen durch einen Eid zu versichern. Diese verlangten, mit ihnen Fetische zu saufen. Da Groeben einwilligte, ward eine Schale mit Branntwein hergebracht und mit Schießpulver durchrühret. Daraus musste er Gesundheit trinken, die Häuptlinge folgten ihm nach und beschmierten mit dem Rest den Gemeinen die Zunge, damit sie auch getreu bleiben möchten.
Wie zu erwarten, versuchten die missgünstigen Holländer, die in der Nachbarschaft Besitzungen hatten, den unerwünschten Nebenbuhler zu vertreiben. Ein Angriff des von den Holländern aufgewiegelten Negerstammes von Adom erstickte im Kartätschenfeuer der Brandenburger.
Alsdann konnte der Ausbau der Feste Groß Friedrichsburg ohne wesentliche Störungen vor sich gehen.
Als von der Groeben auf dem „Morian“ — der „Churprinz“ - nahm Kurs nach Westindien — die Heimreise antrat, konnte er einen „Traktat“ mit sich führen, den er mit 14 Häuptlingen des Antastammes abgeschlossen hatte.
So endete diese zweite Expedition mit einem vollen Erfolg. Des Gr. Kurfürsten und seines Generalmarinedirektors Pläne und Wünsche waren erfüllt worden: „Brandenburg-Preußen hatte seine erste Kolonie erhalten“.
Gesichert wurde der Platz durch die Dorotheen-Schanze. Eine weitere Befestigung erstand in der Landschaft Anta bei Taccarary, ferner die Sophie-Louise-Schanze von Taccarama.
Auf Grund eines Vertrages mit dem Sultan von Arguin stand dem Gr. Kurfürst für seinen überseeischen Handel ein Küstenstreifen von 700 km zu Verfügung. Das vorher von den Franzosen verlassene Fort Arguin auf einem Felseiland wurde stark ausgebaut und war geraume Zeit hindurch der größte Stapelplatz für den internationalen Gummihandel.
Wie weltumspannend die Kolonialpläne des Gr. Kurfürsten waren, beweist die Niederlassung auf der Insel St. Thomas an der Küste Amerikas, die er erwarb, und seine Vorbereitungen zur Gründung einer „Ostindischen Handelsgesellschaft“.
Auch eine Expedition nach China und Japan plante er auszurüsten. Der Tod setzte jedoch der Ausführung seiner Pläne ein Ziel.
Des Großen Kurfürsten letzten Jahre und Ausklang.
König Ludwig XIV. von Frankreich widerrief am 22. Oktober 1685 alle durch Edikte und Verfügungen den Reformierten gemachten Zugeständnisse und gebot diesem Widerruf gemäß, dass alle reformierten Kirchen in seinem Reich unverzüglich zerstört werden sollten.
Den Reformierten wurde bei Todesstrafe und unter Androhung der Einziehung des Vermögens jede Art von gemeinsamer Religionsübung, sogar in Privathäusern, verboten; den Predigern, welche ihre Religion nicht abschwören wollten, wurde bei Galeerenstrafe befohlen, binnen 14 Tagen Frankreich zu verlassen. Etwa 400 000 fleißige und tüchtige Bewohner verließen Frankreich. Gegen 20 000 Seeleute und Matrosen gingen ins Ausland.
Am meisten Ehre und Vorteil gewann dabei der Kurfürst von Brandenburg. Schon am 9. November 1685 erließ er eine Bekanntmachung, durch welche er die flüchtigen Protestanten in sein Land einlud: er ließ ihnen freie Wahl des Wohnortes, gab ihnen Bauplätze in Städten und Dörfern, unterstützte sie in der Einrichtung von Fabriken und stiftete für sie ein eigenes Konsistorium.
Berlin gewann übrigens durch die Einwanderung merklich an Regsamkeit, Bildung und großstädtischem Wesen.
Die letzten Jahre Friedrich Wilhelms waren durch längere Krankheiten und häusliche Misshelligkeiten gestört; Kurprinz Friedrich stand mit der zweiten Gemahlin seines Vaters, der holsteinischen Prinzessin Dorothea in üblem Einvernehmen und verließ deshalb mehrmals den Hof.
Die Sorge um die Zukunft seines Lebenswerkes ließen den großen Fürsten auch auf seinem letzten Krankenlager nicht zur Ruhe kommen. Und oft entrangen sich Worte des betrübten Zweifels, aber auch des festen Glaubens seinem gequälten Herzen:
„Wird mein liebstes Werk, die Schifffahrt und die Kolonie zuschanden werden an dem Neid von ganz Europa? Werde ich noch einmal einen Krieg führen müssen? Ich bin alt und müde, aber mein Werk muss ich führen. Wird Österreich mir halten, was es versprach? Ich denke, es wird es nicht tun. Ich habe so vieles verloren, so vieles nicht erreicht — und doch so Unendliches gewonnen. Wenn alles vergeht, was mir allein, was zu meinem sterblichen Leibe gehört — das Werk bleibt! Noch ist nichts davon fertig — wird vielleicht nie fertig sein. Aber da ist doch eines wahren Herrschers wahre Heimat. Das Einzelne vergeht — das Ganze muss bleiben. — Brandenburg-Preußen — viele Große müssen an dir bauen! Der Fürst, der im Jahre 1675 eine Münze mit der Umschrift prägen ließ:
„Dormiendo vigilo“ —
während ich schlafe wache ich — schloss am 9. Mai 1688 seine Augen für immer zum ewigen Schlaf.
Bei dem Sohn und Nachfolger des Großen Kurfürsten, der für maritime und koloniale Bestrebungen kein Interesse hegte, fiel Raule im Jahre 1698 völlig in Ungnade und kam, damals bereits sechsundsechzigjährig, auf dreieinhalb Jahre nach Spandau in Haft.
Die Zahl der Widersacher war zu groß und der üblen Verdächtigungen und Verleumdungen waren zu viel. Was in Friedrich Wilhelms Zeiten ein Unding war, unter seinem Sohn ward es Ereignis. Der Begründer der brandenburgisch-preußischen Marine und Kolonien, der Heimat und Vermögen geopfert hatte, nur um einem wahrhaftigen Fürsten und einer bedeutungsvollen Lebensaufgabe zu dienen, wurde mit dem Kerker belohnt. Die ihm vorgeworfene Untreue wurde ihm nicht bewiesen; sicher dagegen ist, dass die maritimen Unternehmen nur blühten, wenn Raule sie führte. Raule zog dann nach Hamburg, wo er noch bis zu seinem Tode für die afrikanische Kompanie tätig war. Er starb dort am 7. Mai 1707 in Kümmernis und Elend.
Die afrikanische Kompanie geriet immer mehr in Verfall. Acht Jahre lang blieben die Besitzungen und Garnisonen in Afrika ohne Verbindung mit dem Mutterlande. Der Schutz der Handelsflotte durch eine starke Kriegsmarine fehlte. Und so wurde der brandenburgische Besitz an der Guineaküste am 17. Januar 1718 für 6000 Dukaten an die Holländisch- Westindische Handelskompanie verkauft.
Die Engländer, zurzeit, die Besitzer des Landes, haben Gr. Friedrichsburg freilegen lassen. Sie ist nicht spurlos verschwunden. Noch heute ragen wuchtig die steingefügten Mauern empor als beredtes Zeugnis für die Tatkraft und den Unternehmungswillen des Gr. Kurfürsten seines Generalmarinedirektors. Ende
Seite 11 Vor zehn Jahren
In den deutschen Gebieten jenseits der Oder und Neiße betrug die Zahl der Deutschen Ende 1944: 11 924 000
Nach der Flucht, Anfang Mai 1945: 4 400 000
Die heutige Bevölkerung an inzwischen eingewanderten Polen beträgt: 5 000 000
an zurückgebliebenen Deutschen: 835 000
Jeder sechste Bewohner Ostdeutschlands ist im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung umgekommen: Es flüchteten: 5 039 000
es kamen auf der Flucht um 500 000
es wurden von 1945 - 1949 ausgewiesen: 3 500 000
es kamen bei der Besetzung 1 Ostdeutschlands um: 1 600 000
Seite 11 Foto: Agnes Miegel feierte am 9. März 1955, ihren 76. Geburtstag.
Seite 11 Sie hat den Kranz uns wohl formiert. Vom Brauchtum unter der ostpreußischen Richtkrone. Von Hermann Rink.
Das Bauen eines Wohnhauses ist ein wichtiges Unternehmen. Wieviel hängt für das Wohlbefinden des Menschen von seinem Heim ab! Es ist zu verstehen, dass die Menschen von jeher von dem ewigen Lenker aller Dinge ihre Geschicke zu erfahren suchten, welches der beste Bauplatz sei. Die Ureinwohner Ostpreußens, die heidnischen Pruzzen, suchten auf manche Weise von ihrem Gotte Perkunos darüber Andeutung zu erhalten. In seinem Schutz befahlen sie auch den begonnenen Bau und endlich das fertige Gebäude. Mit dem Siege des Christentums wurden diese Gebräuche nicht beseitigt, sondern nur christlich umgedeutet. Der fertige Bau wurde jetzt in Gottes Schutz gestellt und ihm dankte man für den Beistand bei der Arbeit; denn unsere Religion lehrt uns: „Wo der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen“. Von alters her war es auch Sitte, die Vollendung des Werkes durch ein Freudenfest zu feiern. Dass man zu diesem Feste Nachbarn und Verwandte einlud, war eine Selbstverständlichkeit; denn auf dem Lande herrschte noch vielfach die gute Sitte, durch unentgeltliche Hilfeleistung Nachbarn oder Verwandten das Bauen zu erleichtern. Bis zur Zeit der Vertreibung pflegten noch in manchen Gegenden unserer Heimat sämtliche Bauern des Dorfes einen oder mehrere Tage umsonst Steine, Sand, Holz und sonstige Baumaterialien heranzufahren und zum Herrichten boten sich freiwillig viel fleißige Hände an.
In früheren Zeiten dauerte das Richtfest eines großen Bauernhauses gewöhnlich zwei Tage. In manchen Landstrichen wurde ähnlich wie bei Hochzeitsfesten ein besonderer Einlader ausgesandt.
Die eigentliche Feier war natürlich in einem Nachbarhause, sie begann kurz nach Mittag, wenn das Haus gerichtet war. Unter Vorantritt der Musikanten begaben sich alsdann die jungen Leute nach dem Hause, wo der Kranz gebunden war und zur Aufbewahrung lag. Ein Zimmermann forderte mit folgenden Worten den Kranz ab:
„Glück, ihr Jungfern in diesem Haus!
Wer nicht hereingehört, der geh hinaus!
Ich hin ausgesandt von unserm Bauherrn,
zu holen von den Jungfern
ein schönes Kränzelein
das gemacht ist von Rosen und Blumen fein.
Die Jungfern wollen sich nicht lange bedenken,
und uns mit einem Kränzlein und einer Flasche
Flasche Bier beschenken.
Lustig, Musikanten!" (Aufforderung zum Spielen. Es wird ein Strauß gebracht.)
„Ihr schönen Jungfern,
geht mir mit solchem Strauß;
ein Kranz soll an das Haus!“ (wirft ihn weg).
Die Mode ist von Anfang an gewesen,
bringt mir den Kranz nun her!
Vexieren müsst ihr mich nicht,
denn das geziemt sich für Jungfern nicht!“ (Der Kranz kommt.)
„Das Herz im Leibe lacht mir schon,
dieser Kranz ist schön geziert.
Nun kann ich haben auch mein Pläsier
und mit Fräulein ….. haben meinen ersten Tanz all hier!
Nun wollen wir mit Glück und Frieden
aus diesem Hause scheiden.
Wer nun mit uns will fröhlich sein,
der folge diesem Kranz!
Lustig Musikanten!“
Der Zug begab sich nun nach dem Neubau. Vielfach wurden auch die oben angeführten Verse fortgelassen und die jungen Mädchen brachten den Kranz ohne Aufforderung. Beim Neubau waren alle Geladenen und viele Neugierige versammelt. Ein junges Mädchen (Tochter oder Dienstmagd des Hauses) übergab, nachdem sie ein Gedicht gesprochen, den Kranz dem Zimmermannsmeister oder dem ältesten Gesellen, damit ihn dieser auf den First des gerichteten Hauses befestigte. Der Kranz pflegte gewöhnlich die Kronenform zu haben und auf einer kurzen Stange befestigt zu sein. Blumen und Bänder gaben ihm ein munteres Aussehen. Außerdem hing im Kranz eine Flasche Branntwein, die von den Zimmerleuten geleert und dann durch einen Wurf gegen das Fundament des Hauses geschellt wurde. Der Werfer musste gut zielen, denn nur dann, wenn es viel Scherben gab, konnte man auf Glück im Hause rechnen.
Nachdem der Zimmermann den Kranz übernommen hatte, sprach dieser den eigentlichen Richtspruch. Ein alter Spruch, der vom ersten Gesellen gesprochen werden musste, lautete: „Nach Stand und Würden allerseits hochgeehrte Anwesende! Da ich heute die Ehre habe, erstens vor unserm hochgeehrten Bauherrn, zweitens vor unserm Meister und drittens vor meinen Nebengesellen nach Aufrichtung dieses neuen Baues und Aufsteckung eines Kranzes eine Rede zu halten und meinen Glückwunsch abzulegen, so bitte ich im Voraus alle, die hier gegenwärtig sind, mir meine Fehler und Irrtümer zu vergeben, die etwa dabei vorkommen können!
Sehr geehrte Herrn und Frauen!
— Die Jungfern schließ ich ein —
Sie stehen hier und schauen,
wie dieser Bau, von unsrer Hand gemacht,
mit Glück recht schön zu Ende wird gebracht.
Der Höchste sei zuerst gelobt und gepriesen
für alle Güte, die er uns dabei erwiesen.
Sein Segen hat dies Haus erbaut,
wohl dem, der immer nur ihm fest vertraut!
Wir Menschen können nichts erschaffen und vollenden
und würden unsern Fleiß gewiss umsonst verschwenden,
hülf er nicht mit uns baun. Er gibt uns ja Verstand,
Geschicklichkeit und Kunst, er stärket unsre Hand.
Das Werklein würde bald zerfallen,
gab er nicht sein Gedeihn. Ihm muss ein Danklied schallen
von Alt und Jung, von Weib und Mann;
denn Großes hat der Herr getan.
Der Bau, den wir hier aufgeführt,
ist seiner Allmacht Werk; drum sei, wie sich's gebührt,
ich sag es noch einmal, von allen insgesamt
ein Opfer ihm gebracht, das bis zum Himmel flammt.
Vermag ich's nicht, mit süßen Weisen
und schönen Worten ihm zu preisen,
doch kommt mein Dank aus einer freien Brust,
und das gefällt ihm schon, er sieht es mit Lust.
Auch schicken sich die hochstudierten Worte
für keinen Zimmermann. Ich steh an diesem Orte
nach Handwerksbrauch und deutscher Art,
zu sagen, was mein Herz in seinem Grund verwahrt.
Herr Gott, du Schöpfer dieser Welt,
der alles, was da lebt, erhält,
beschütze diesen neuen Bau in Gnaden
vor Feuer und vor Wasserschaden,
vor Stürmen und vor Ungewittern,
die seinen festen Grund erschüttern.
Beschirme unser Vaterland
und jedes Alter, jeden Stand.
Du wolltest auch segnen dieses Haus
und die drin gehen ein und aus.
Du wolltest unserm Bauherrn geben
ein langes und gesundes Leben.
Auch seine Gattin wollest du bedenken,
ihr brave Söhne und Töchter schenken.
Ja, alle segne, Gott, in dieser Zeit
und nochmals dort in Ewigkeit!
Gott, der alles geben kann,
dem wir uns mit Vertrauen nah'n,
der wolle doch nach seinem Willen
auch diese Bitte noch erfüllen
zum Lobe seiner Majestät
und Macht und Huld, die nie vergeht!
Hochgeehrter Bauherr! Ich frage Sie vor aller Welt,
ob Ihnen dieser Bau gefällt.
Wir wünschen Ihnen ein erfreulich „Ja“!
Wär aber noch ein Fehler dran,
so zeigen sie ihn gütigst an.
Wir wollen ihn nach ihrem Willen
verbessern und ihr Wünschen stillen.
Gefällt er unserm Bauherrn wohl,
weil er gemacht ist, wie er soll
mit Fenstern, Türen, Riegeln, Pfosten,
so wird er ihm ein Mahl und Trinkgeld kosten.
Wer bauen will an Gassen und Straßen,
muss Kluge reden und Narren tadeln lassen.
Noch darf ich auch, wie leicht ist zu ermessen,
die wackre Hausfrau nicht vergessen.
Die Jungfer Tochter schließ ich ein,
wie sich's gebührt und schickt mich ein,
Sie hat den Kranz uns wohl formiert,
mit Blumen und Bändern schön geziert.
Ich stecke diesen Kranz all hier
dem Bauherrn auf zur Ehr und Zier.
Gut schmeckt hierzu ein Gläschen Wein!
Frisch, Kamerad, schenk mir ein!
Vivat!
Er lebe wohl und grün und blüh
gesegnet werd ihm jede Mühe.
Sein Haus bewohne der Genuss
und alles Guten Überfluss.
Es wohn auch drin zu Gottes Preis
die Einigkeit, die Ordnung und der Fleiß.
So gab ich diesen Bau in Gottes Hand,
was Unfall ist, sei von ihm abgewandt.
Bewahr es Gottes Vaterhut
vor Brand und Sturm und Wasserflut.
Zum Schluss sein sie von mir mit Dank verehrt,
dass meinen Spruch sie freundlich angehört.
Auch großen Dank für alle Gaben
soll unser werter Bauherr haben.
Hab ich gefehlt in meinen Sachen,
so sehn Sie es mit Nachsicht an.
Wer's besser kann, mag's besser machen,
ein Schelm macht's besser als er kann“.
Nach dieser offiziellen Feier gab man sich der Fröhlichkeit hin. Sobald das Festmahl eingenommen war, begann der Tanz.
So war es einst bei uns daheim und wir summen in diesem Gedenken wohl leise die altvertraute Melodie:
„Wie's daheim war, ist ein Zauber mild,
ist ein heimlich farbenreiches Bild,
Wenn ein Blick, ein Wort, wenn's dein Sehnen stillt,
ist es nur, weil etwas drinnen quillt ...“ Hermann Rink
Seite 12 Kindelbeer – Reine Maleer. Von Wanda Wendlandt
Ostre Zweit-Fierdag, meende Se, mien Dochter? – Nä, dao kann eck leider nich kaome! – Dat ös mi e grot Schoade, oawer eener kann joa nich möt eenem Naosch op twe Hochtiede danze!“ Mutter Loleit legt ihr freundliches rosiges Altweiblein-Gesicht in tragikomische Kummerfalten, was so drollig aussieht, dass ich lachen muss: „Aber Mutter Loneit, das ist doch weiter gar nicht schlimm! Da kommen Sie eben an einem andern Tag zu uns. Ich hatte nur gedacht, dass es hübsch wäre, wenn Sie auch unsere anderen ostpreußischen Bekannten mal kennenlernen, die sich für den 2. Ostertag angesagt haben. –
Aber das können wir ja immer noch ein andermal arrangieren, wenn Sie diesmal schon versagt sind, das ist doch wirklich kein Malheur!“ „Kein Maleer, sejje Se? — „Denkste Puppe!“ wie Enne kleenst Marjellke ömma sejjt — de truutst Krät häwt manchesmoal Uutdröcke, dat eener noch op siene ohle Doag schmustre mott! — Kein Maleer nich? — E Reine Maleer ös dat, wo mi awhöllt, bi Enne to Enne Osterschmaus to koahme! — Nä, wat ös mi dat bloßig schoad, wat kann eck mi nu bloßig booße, dat eck doa all tojesejjt hebb! Et weer mi all ömmer goanich möt — de ganz Jesellschaft nich un ehr Önloading nu erscht recht goanich! — Se weete joa, mien Dochter, eck si ömma noch so e bät vonne ohl Mod: „Reinen Arsch!“ säd jen Kanter „oder eck doh keinen Schlag nich op!“ — „Ich weiß gar nicht recht, wovon und von wem Sie sprechen, Mutter Loneit?“ — „Nä, dat könne Se ook nich weete, mien Dochter, denn Se weete joa, et ös nich mien Mod, äwer de Lied to kose! Solang se mi tofräd loate, kömmer eck mi e Schiet öm se un stöck mien Näs nich ön ehre Mästhuupes! Eck säd joa all, de ganz Jesellschaft ös mi nich möt! — Oawer ons Line — Se weeten, mien Cesine — de weer joa all als Kind so schabberig un plachanderich, de reinst Därpsbessem weer dat: Möt Hans un Hinz un allem un jedem Matschke pie! Na un doa ös se ook bijebläwe, denn wat als Peerdsäppel oppe Welt kömmt, ward meindag kein Groavesteener nich! — Na un doa häwt se söck mötte Jesellschaft anjefrunschelt un nu häwt ons de Jesellschaft op Kindelbeer to Oostre önjeloade. Mi weer dat joa von Anfang an nich möt, oawer ons Lien säd, wo se doch ons negst Noawersch sön, un wo dat doch good jemeent von se ös.
„Ich bitte Dir doch, Guste, wie kannst Du denn? — Du wirst mich doch nich? Wo die Leute uns so mit liebliche Wörter eingeladen haben, da kannst Du ihnen doch nich mit Bah! un Buh! vor ihren Kopf stoßen! Ich bitte Dir doch — wo Du doch sonst immer so auf Manieren halten willst, das sind mich doch aberst keine Manieren nich!“ — Na, dat wöll eener söck denn doch nich sejje loate, un denn hebb eck doch so sachtkes kleen bie jejäwe, obschonst mi dat goanich möt ös, dat mi de Jesellschaft oppe Kindelbeerschmaus jebäde häwt!“ — „Aber warum denn nicht, liebe Mutter Loneit? —
Es ist doch sicher freundlich gemeint von den Leuten, und vielleicht finden Sie dort nette Gesellschaft und es gibt ein hübsches Plauderstündchen für Sie! — Was sind denn das aber für Leute? Sie haben mir ja noch nie von denen erzählt — und, ist dieses ihr erstes Kindchen?“— „Nä, eck hebb Enne noch nuscht nich vatellt, eck säd joa all, mien Mod ös et nich, äwer Lied to kose — dat weete Sie joa! — De erscht Kind? — Ih wo doch! — „Kinder bringt der Weihnachtsmann — Fallerii — falleraa“ heerd eck ehrjistre e poar staroßje Marjelles luuthals singe. Na de seeje mi joa nich mehr doanaoh uut, dat se noch annem Wihnachtsmann qlowde, eener kunn de dat all anne luchtre Ooges awkieke, dat de all an manche Zyrupstopp jelöckd hadde! — Na, se mötte joa ook rein — eener kunn joa dat all möt oapenboare Ooges sehne, wi de de Hoawer önne Noasch spöckt: rein öm Uutschmeres jinge se, alles Marjelles wi de Beem. Ön nuscht nich to dohne! — On nuscht nich wieder to heere, alle Doag von Lieben un Kissen, önne ohle Radjos un Kinos — un wenn nich von dat de Red ös, denn stelle se dem Radjo aw! — To mien Tied, wat mußd dao eener alles varöchte, vär Dau un Dag mußd eener ute Poose kruupe on söck rehire, knapp dat eener Tied funn to e Muulvoll to Ate: „Dat Äte jönn eck Ju joa geern, man bloß nich de Tied!“ säd ons Voaderke ömma. So manches Moal wurd eenem dat denn doch to väl un eener kunn knapp dem Aowend terwachte, stockständermeed kroop eener denn önne Bocht un docht an nuscht nich wieder: Wenn de letzt Foot noch nich önne Bedd weer denn weer eener ook all verreist! — Aower hiedjedaogs, dao ös dat denn all toväl, dat se e paor Stunde sökk beschäftije, wi se dem nenne: Beschäftijung muss nich in Arbeit ausarten! spieltähne se denn. Un Manche, de kaome tiedläwens ganz un gaor ohne Aorbeit uut. Un de häbbe denn de meiste Kinder — un betrachte denn dat ook noch als e suur Stöck Aorbeit! On von so e Sort ös de Jesellschaft möttem Kindelbeer ook! — On sowat ös mi nich möt, denn eck si noch vonne ohl Mod!
Herrjemersch nä! wenn eener so denkt, wi sowat de lewe Tied dootschleiht! Na un wenn se denn dem lewe Dag so römjeoojaohnt häbbe, denn kruupe se vär Langwiel önne Pose un stelle dem Radjo an, denn möt Musik jeiht alles bäter — Na un denn ös dat doch kein Wunder nich mehr, wenn de Babies anjeschorrt kaome wi de Braodäppels ute Rehr!
Na un towat ook nich? — Se kenne jao ook von dat läwe! Vär jedem Kind krieje se jao ömma höchere Toolaoge un dat nenne se denn sozjal! Von dree Kinder kann so e Wiew läwe und bruukt nuscht nich mehr to done. Kinder Kinder! wat sön dat fär Tiede! — To mien Tied, dao weer dat doch e Schand vär e leddje Marjell, e Kind to häbbe, un wenigstens denn, wenn wat to erwachte weer, wurd jefriet un et keeme denn Fiefmonats- odder schlömmstenfalls Dreemonatskinder oppe Welt. On ons Vaoderke säd ömma: „Schlecht Vaogel, wo sien Kinder nich ternährt!“ Wer keine Kinder ternähre wöll un nich fär se aorbeide, sull söck keine anschaffe — denn de bringt jao nich unversehens de Wihnachtsmann: To mien Tied wurde de noch ömma värbestellt un dat ward jao ook hiedjendaogs noch nich andersch jeworde sön, obschonst söck all so väl jeändert häwt!
Joa joa, von so e Sort ös de Kindelbeer ook un dat ös mi nich möt! — Reine Maleer! Nä, un wat se denn noch opstelle möttem Noahmes jäwe! To mien Tied, doa jeew et nich solche Finesse, doa wurde de Junges Fretz un Kardel un Mechel jedofft un de Marjelles Lise un Lina un Minna. — Aower hiedjedaogs, wer am wenichste undre, Naosch behuckd, je hecher wöll de motte Naomes rut. To mien Tied, dao weer jao ook all maol eener, wo höcher ropp wull un de nennd denn sien Kinder naoh e Prinz odder e Prinzeß — oawer dat weer denn doch ganz eenfach: Doa heete denn de Junges Willem un Frötz un Heinrich un de Marjelles Lowies un Fridrike un Auguste ackraod wi eck.
Oawer dat fung joa all doamöt an, ook all oppe Land möt solke äwerkandidelte Naomes to Hitlersch Tiede, dat eener bloßig mötte Ohres schlackre kunn! Dao weer eck doch emaol bi onsem Melker oppe Kindelbeer, eck weer to Paodstaohne jebäde un hadd ook dem Doofkleedche mötjebraocht, all säwe Maol weer de all bi onsem Melker önne Jebruuk jewäse. Dao hurkd de ohl Oma, stockedoof weer se, hindre Kachel un kickd de Toröchting to un fraogt mi op eenmaol, wi denn de nie Kindke eejentlich jedofft wäre sull. „Na. Sigrid doch, weete Se denn dat noch ich?“ schrie eck ehr önne Ohre. Dao wackelt doch de Ohlke so möttem Kopp vär söck hen un wuit so stöll vär söck: „Jao jao, se grien! Se
grien! — Wat ware se nich griene: Säwe Kinder un denn noch alles Marjelles!“
„Es ist aber wirklich nett von Ihnen, liebe Mutter Loneit, dass Sie Ihrer Cousine zuliebe diesen Taufschmaus mitmachen, trotzdem Ihnen die Leute nicht sehr liegen. — Wie heißt denn der kleine Täufling und ist es ein Mädelchen oder ein Junge?“ — „Wie de Naome heet hebb eck Enne jao all jesejjt, aower ob dat nu e Naome fär e Jung odder e Marjell ös, kunn ook de Line nich maol sejje. Aower vleicht kenne Se dem odder könne wenigstens uutklamiesre, ob et e Jungesnaome ös?“ „Aber denn müssen Sie ihn mir doch erst sagen?“ „Aower dat hebb eck doch all! Reine Maieer!“ „Was ist denn reines Malheur? Der Name?“ — „Jao jao — Reine Maleer!“ — „Das ist ja spaßig! Denn nennen Sie ihn mir doch?“ „Na eck sejj doch all ömma: Reine Maleer!“ „Was? — Das soll doch nicht etwa der Name sein?“ — „Na joa — dat hebb eck doch all so väl maol jesejjt!“ — „Aber Mutter Loneit, das ist doch kein Name?“ — „Dat sejj eck jao ook, mien Dochter! Oawer wer kann fär de Verröcktheit vonne Lied!“
„Einen solchen Namen habe ich aber auch mein Leben lang noch nicht gehört!“ — „Joa joa, mien Dochter: „De Welt ward alle Doag varöckter, säd de Diewel“ nu sehne se ook all mienem Zoagel fär e Parpendickel an!“ — „Sie müssen sich unbedingt verhört haben, liebe Mutter Loneit! Hat Ihre Cousine Ihnen wirklich den Namen so gesagt? Und hat sie denn nicht wenigstens gefragt, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?“ — „Aoh, Se weete jao, mien Dochter: So e ohl Jumfer häwt mehr Nosse als e ohl Kutschpeerd! De michte joa noch möt Sesstig söck so ziere als wenn se noch kein Aohning nich von dat hebbe, dat et tweeerlei Mönsche jöwt! — Dat weer ehr so schaneerlich jewese, säd se, to fraoge, ob et e Jung odder e Marjellke ös. Rein tom Lache: To schaneerlich — wo se doch sonst so pannkebratsch ös möt de Jesellschaft!“ — „Reine Maleer? — Also das kann auf keinen Fall stimmen, obwohl es ja wirklich jetzt ausgefallene Namen genug gibt! — Reine Maleer — Reine Marieer — Reine — Sagen Sie, Mutter Loneit, kann der Name nicht vielleicht „Renee Marleen“ heißen?“ — „Na, dat wöll eck nu jao nich ganz un partu awstriede, dat de Line vleicht ook so jesejjt häwt! — Obschonst eck fär mien Deel dat fär val passiger hohl: Reine Maleer — denn fär mine Ooge ös et dat — eck estemeer dat als e reine Maleer: All veer Kinder un noch nich verfriet! — Nä nä, eck si noch vonne ohl Mod: „Reinen Arsch“ säd jen Kanter „oder eck doh kein Schlag nich op!“ Sowat ös mi nich möt!“
Seite 11 Das kranke Bein. Von Dr. Lau
„Ja, Ohmche“, so sagd der Herr Doktor Krause,
„Nu gehn Se man wieder beruhigt nach Hause“,
„Ihr Mann muss noch ein paar Wochen liegen“,
„Denn werden wir das mit dem Bein schon kriegen“,
„Der Pänexpeller wird eingerieben“,
„Dann hab ich noch Blutegel aufgeschrieben“,
„Die muss er nehmen, die kühlen das Blut“,
„Ein altes Mittel, das tut ihm gut“.
„Na joa“, sagd de Ohmche, „dat war wi schon moake“,
„De Hötz mott doch rut ut dä ohle Knoake." —
Am nächsten Morgen um dreiviertelzehn
Missd Ohmche all wieder beim Doktor gehn.
Dem Busen voll Ärger, de Plautz voll Zorn,
So nahm se dem Doktor sich nu aufes Korn:
„Sö häbbe mi doa joa wat Scheenet verschräwe,
„Datt hadde Se man missd sölwst erläwe!“
„Öck häbb se terschnäde, gekoakt on gewellt“,
„On häbb de dorche Maschien gedrellt“,
„Öck häbb se paneert on möt Zippel gebroade“,
„Se weere warraftig ok herrlich geroade“,
„Doch, denke'S, Herr Doktor, he hät se gefräte?“
„He hät mötte Pann oppem Möst se geschmäte!“
Seite 11 Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (21)
Liebe ostpreißische Landsleite!
Nu is aber wirklich mit eins Friehling geworden. Das kam so plötzlich, dass einer gar nich Zeit hädd, sich langsam umzustellen. Ich mißd mittem Rucks de Pelzwest ausziehn, wo ich noch aus die Heimat gerettet hab, und de Emma ihre wollne Bixen. Aber das Wetter täuscht, wir haben sich nämlich bei die Gelegenheit orndlich verkiehlt. Nu tröppelt de Tuntel wie e Wasserhahn, wo nich ganz dicht is, der Kopp is dick wie e Patscheimer, bei es Husten denkt einer, einer hat statt de Gurgel e Reibeisen im Schlung, und in die alte Knochen ziept und zoddert der Reismandichtig. Nei, es is wirklich kein Vergniegen. Und wenn aufe Straß rausgehst, denn versinkst im Modder bis anne Knöchel oder mußt von ein trocknes Stellche aufes andre hopsen, dass von weitems aussiehst wie e Pogg, blos e bißche greesser. Der Graben, wo sonst still und friedlich durchs Dorf plimpert, is e reißender Strom geworden und rennt iebre Ufer. So hat der Friehling auch seine Schattenseiten, und am meisten hat unser Bauerochse davon abgekriegt, indem dass sein Keller vollgelaufen is und de Kartoffel rumschwimmen wie die Kahnchens bei die Segelregatta. Aber das is noch nich alles, es kommt noch viel doller. Vor e paar Tag wolld er nämlich seine Bäumchens spritzen, dass ihnen nich de Läuse auffressen. Dazu hädd er sich so e gelbes Zeig auße Droscherie gekauft, mit Wasser aufgelöst, und nu wollld er die Soße mitte Gießkann verspritzen. Bei die kleinen ging das auch ganz gut, aber bei die greeßeren mißd er seine wacklige Leiter ranstellen. Und wie er geradzig obensteht und spritzt, kommen zwei Hundchens angerannt wo auch vom Friehling behoppst waren. Se heben Beinche und gnurren und zergen sich und sehen in ihre Begeisterung gar nich dem Bauerochse auf die Leiter. Und wie sie sich freehlich iebereinander kullern, schubsen se gegne Leiter, die kippt um, und rietz liegt unser Bauerochse unten. De Knochen blieben ganz, blos de linke Schulter hädd er sich e bißche verruckst. Aber die scheene gelbe Soß hädd er mittenmang innes Gesicht gekriegt. Nu missen Se wissen, dass de Farb echt is, und deshalb sieht er nu aus wie e Zitronenfalter. Er hat sich denn de Backen mit Sandpapier gescheiert, aber davon wurd es bloß noch schlimmer. Jetz is er bunt wie e Papagei und traut sich gar nich untre Menschen. De Hundchens haben auch e bißche was von dem Segen abgekriegt, aber bei die is es nich so zu sehen, weil se sowieso e buntes Fell haben. Ja, so is das: Der Mensch versuche de Gießkann nich! Aber der Mensch soll sich auch annem ersten April e bißche vorsehen, dass er nich aufem Leim gefiehrt wird. Se wissen ja noch, wie es mir zu Haus mal gegangen is mit das Eilpaket, wo ich mir de Zung äußern Hals schleppd und wo nachdem Ziegelsteine drin waren. Noch viel schlimmer ging es aber dem Peischan. Der hädd fuffzig Eier aufgekauft und im Rucksack gestoppt und wolld se nu in Insterburg verscheiern, es war nämlich kurz vor Ostern. Und ausgerechnet suchd er sich dem ersten April fier die Fahrt nach Insterburg aus. Inne Laurinatsche Friehsticksstub aufem Alten Markt, wo er nu zuerst einkehrd, um sich zu stärken, hädden sich all e paar Spaßvögel versammelt und allerlei Ieberraschungen parat, und nu lauerden se „wie e Kiekel opp Schnodder“ auf einem, wo dadrauf reinfallen solld. Da kam ihnen der Peischan gerad zurecht. Er war ja bekannt wie bunter Hund, und se wußden, dass er e orndlichem Spaß vertragen konnd. „Mensch, Peischan“, sagd gleich einer, wie er reinkam, „hat Dir e Schornsteinfeger eins fiere Freß gehauen? Du bist ja ganz schwarz aufe linke Back!“ Und wie der Peischan nu am Spiegel geht un dreinkickt, da brillen se aller: „April, April!“ Dafier solld er nu e Schnapsche kriegen, wo all eingegossen aufe Tonbank stand. Aber wie er ihm grappscht, sagt einer: „Trink ihm nich, da is Pitroljum drin!“ „Ihr denkt, Ihr könnt mir noch emal innem April schicken, dass ich meinem Schnaps nich krieg!“ — sagt der Peischan, nimmt das Glas und fängt mit eins an zu husten, dass er sich rein zerwirgen mißd. Da war nämlich wirklich e bißche Pitroljum drin. Nu solld er wenigstens e gute Ziehgarr kriegen, aber weil er misstrauisch geworden war, wolld er ihr nich nehmen, weil er dachd, da is womeeglich Sprengstoff drin. Deshalb war er nich zu bewegen, ihr anzustecken, bis der Matzkau sich die Ziehgarr innes Gesicht stoppd. Nu freid der Peischan sich im Stillen all auf das Feierwerk. Aber es kam und kam nich. Der Matzkau paffd die Ziehgarr mit großem Genuss und pusd dem Peischan dauern dem Rauch untre Nas, bis er dem Stummel innem Aschbecher zerdrickd. Es war kein Sprengstoff nich drin gewesen. Dem Peischan bosd das mächtig, und nu wolld er sich gemietlich am Tisch hucken und dem Ärger mit e paar Tulpchens Bier runterspielen, aber da rief der Wirt: „Huck Dir nich auf dem Stuhl, der hat e wackliges Bein, das könnd abbrechen!“ Nu dacht der Peischan, so lauerden all drauf, dass er dem Stuhl umdrehd und visetiert, dass sie wieder „April, April!“ brillen konnden. Dem Gefallen wolld er ihnen aber nich tun, nu hädden sie ihm genug anne Nas rumgehehrt. Drum duckt er sich forsch mitten Rucks rauf, und da lag er auch patärr mitten mang em Eierkuchen, denn der Fuß war wirklich wacklig gewesen und hädd dem Peischan mit die fuffzig Eier nicht mehr ausgehalten. Seit die Zeit ging der Peischan am ersten April nich mehr auße Stub raus, er hädd ein fier alle Mal genug von die April-Ieberraschungen. Da wir geradzig von die Eier sprechen, muss ich Ihnen noch schnell e dolles Ding erzählen, was hier innes Dorf passiert is. De Frau Wiestefeld — se nennen ihr blaue Minna, weil se so mit Vornamen heiß und blaue Backen hat, es gibt hier so viele Wiestefelder, dass der Spitznamen neetig is — hädd ihre Nachbarin, de Frau Bode („Mannekäng“, weil se sich so doll mit ihre Hiften peerscht), wochenlang de Hiehner weggefangen und eingesperrt, bis se ihre Eier los waren. Auf die Art kam se zu sehr preiswerte Ostereier. De Mannekäng hädd ihr zwar schwer im Verdacht, konnd aber nuscht nich beweisen. Aber se simmelird auf Rache. Wie vorgtem Sonntag nu bei die blaue Minna Einsegnung war, schickd se ihr e scheene Tort rieber. Die war mit Krem garniert, indem dass se mitte Kuchenspritz allerhand Kringels und Schleifchens raufgekleckert hädd. Aber in dem Krem huckd die Rache, denn se hädd ihm mit Abfiehrpulver verriehrt. Nu könnnen Se sich vorstellen, was passiert! Einer nachem andern kriegd Bauchschmerzen und verschwand. Zuletzt war das e Rennerei und e Betrieb vor das bewusste Hausche, als wenn da was umsonst gab. Die Leite missden diräkt wieder Schlange stehen wie innem Krieg mit Raucherkarten. Nu war de Festesfreide im Eimer, und zuletzt huckd de ganze Einsegnungsgesellschaft ieberall rum wo bloß einigermaßen zu hucken ging, hintrem Stall, inne Ecken und anne Speicher. Inne Stub huckd bloß noch de Mannekängsche einsam aufem Schäslong. Se war die einzige, wo nich mußd, weil indem dass sie von die Tort nuscht gegessen hädd. Sehn Se, und das war falsch, denn auf die Art kam es raus. Nu wollen ihr fuffzehn Konfirmatzjohnsgäste wegen Körperverletzung belangen, und de blaue Minna hat e Stickche von die verdächtige Torte beschlagnahmt und bei das Gesundheitsamt zur Untersuchung eingereicht. Und das ganze Dorf lauert nu all dadrauf, dass de Mannekängsche eingespundt wird. Zu die Gerichtsverhandlung fahren wir aber auch hin, sagd de Emma. Weil es nu sachtche auf Ostern geht, will ich endlich auch mein Osterei auswickeln: Dem Preis fier dem scheensten ostpreußischen Spaßche kriegt Frau Elli Treinies-Krogh in Hamburg-Schnelsen, Hauptstr. 62. Er ist all unterwegens! Herzlichen Glickwunsch und vielen Dank an alle andern, wo mir geschrieben haben. Schreiben Se man weiter, es giebt bald wieder was. De Frau Treinies-Krogh hat gleich fimf Spaßchens eingeschickt, und davon sollen Se auch e bißche was profetieren: De Ballschuhnsche hat all siebzig aufem Puckel und rackert sich noch ab, bis se mit eins anfängt zu lahmen. Schmalz und Gänsefett helfen nuscht, zuletzt is se all ganz krumm wie e Flitzbogen und muss beim Doktor gehen. Der verschreibt ihr was zum Einreiben und sagt zuletzt: „Aber nasse Fieße missen Se vermeiden!“ Nu geht se zu Haus und wurracht weiter, aber es will und will nich besser werden. Wie se nu nach drei Monate wieder beim Doktor kommt, sagt se: „Herr Doktor, ich hab nu all Borke zwisch'ne Zehen, ich hab ausgemist und Kartoffel ausgebuddelt, und beis Schlafengehen behalt ich Strimfe und Schuhe an, nich ein einziges Mal hab ich mir die Fieße gewaschen, bloß dass se nich nass werden sollten. Aber es hilft alles nuscht!“ Und noch einem: Wenn der alte Dunskat besoffen is, kann er nich das Maul halten. Denn kommt alles raus, was er gesindigt hat. „Mein Ohler“, sagt deshalb de Dunskatsche, „hätt e Muul wie e Wundertüt. Jedet Woort ös e Äwerraschung!“ — Womit ich Ihnen frohe Ostertage winsche mit viele bunte Eierchens. Lassen Se sich man orndlich schmackostern, dass se hibsch gesund bleiben! Und vergessen Se man auch nich das Osterwasser, wo e scheenem Täng macht. Aber Se missen es vor Sonnenaufgang holen und de Zung anbinden. Wenn einer auch bloß e Wortche spricht, is der ganze Osterzauber inne Sohlen.
Herzliche Heimatgrieße Ihr Ernst Trostmann Landbriefträger z. A.
Seite 13 Eltern suchen ihre Kinder
Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg - Osdorf. Blomkamp 51 unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939, Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.
Schillmeysen, Kreis Heydekrug: Kurt-Bruno Kurpeik, geb. 08.06.1934, von seinem Pflegevater: Michel Wallendschus
Soldau, Kreis Neidenburg: die Geschwister Mariechen Giesbrecht, geb. 21.07.1937, Katherine Giesbrecht, geb. 19.01.1939 und Johann Giesbrecht, geb. 11.01.1941, von Tina Giesbrecht.
Waldrode, Kreis Ortelsburg: die Geschwister Meinhard Lissek, geb. 23.04.1933, Günther Lissek, geb. 09.09.1937, Werner Lissek, geb. 02.05.1940, von ihrer Schwester: Gertrud Lissek, geb. 15.04.1929
Wehlau, Oppener Straße 9a: Eva Olepp, geb. 05.07.1936, Elsa Olepp, geb. 23.01.1938 und deren Mutter, von Elsa Behr. Frau Olepp ist zuletzt mit ihren beiden Töchtern im Lager Taplacken, Kreis Wehlau, gesehen worden.
Wildenberg, Kreis Ortelsburg: Ingrid Schwarz, geb. 02.05.1941 und Hans-Jürgen Schwarz, geb. 03.06.1943, von Hildegard Schwarz, geborene Völlger, geb. 23.10.1920
Willenberg, Kreis Ortelsburg, Gartenstraße 22: die Geschwister Alois Bialowons, geb. 04.02.1933, Sabine Bialowons, geb. 28.01.1935, Edmund Bialowons, geb. 07.06.1937 und Herbert Bialowons, geb. 14.11.1940, von ihrem Vater: Adam Bialowons, geb. 19.11.1906
Winsken, Kreis Neidenburg: Dieter Nickel, geb. etwa 1938 und Inge Nickel, geb. 1939, von ihrem Großvater: August Nickel, geb. 05.08.1872
Allenstein, Pfeiferstraße 3, bei Kuhlmann: Waltraud Wagner, geb. 24.10.1934, von seiner Mutter: Hedwig Wagner, geb. 26.05.1912
Bischofsburg, Kreis Rössel, Schützenweg 36: Helmuth Fahl, geb. 20.05.1937 in Königsberg, von seinem Vater: Josef Fahl. Helmut Fahl war im April 1945 auf einem Schiff, das in Höhe der Halbinsel Hela auf eine Mine lief und sank.
Klein-Bartelsdorf, Kreis Allenstein: Josef Koszecsza, geb. 08.12.1936 in Klein-Bartelsdorf, von Klara Peter, geborene Gotzhein, geb. 31.10.1918
Seenwalde, Kreis Ortelsburg: die Geschwister Walter Domrath, geb. im August 1933, Ehrentraut Domrath, geb. im September 1936 und Wilhelm Domraht, geb. 29.03.1943 in Seenwalde, von ihrer Tante Emma Spriewald, geb. 02.02.1919 in Finsterdamerau
Sechshuben, Kreis Gerdauen: Horst Gnidenke, geb. 11.04.1937, von Anna Gnidenko, geborene Müller, geb. 25.09.1901 in Sechshuben. Horst Gnidenko war am 30.04.1945 in Thorn, Westpreußen
Soffen, Kreis Lyck: Hildegard Naporra, geb. 04.04.1911 und die Mutter Ida Naporra, verwitwete Schmiegel, von ihrer Schwester und Tochter, Renate Schmiegel, geb. 12.12.1933 in Soffen, Kreis Lyck
Saalfeld, Kreis Mohrungen: die Geschwister Erika Steiner, geb. 06.04.1939, Eberhard Steiner, geb. 07.07.1940 und Karl-Heinz Steiner, geb. 24.04.1944, von ihren Eltern: Fritz Steiner und Herta Steiner. Welche Flüchtlingsfrau hat am 23.01.1945 die drei Kinder auf ihrem Wagen gehabt? Eberhard hatte eine große Narbe am rechten Kniegelenk. Er zog den Fuß beim Gehen etwas nach. Die Geschwister Steiner werden vielleicht von einem großen Garten, von Pferden und Kühen und auch von einem Franzosen „Rano“ erzählt haben.
Saalfeld, Kreis Mohrungen: Siegfried Bolz, geb. 1935 und Waltraut Bolz, geb. 1941 in Saalfeld, von ihrem Onkel: Hans Saretzki, geb. 20.09.1919
Saalfeld, Kreis Mohrungen: Hans-Joachim Flakowski, geb. 29.04.1940 in Osterode, von seiner Tante: Frieda Erlhofer, geborene Rilk.
Saalfeld, Kreis Mohrungen, Posthaus: Dieter Pochert, geb. 21.05.1933 und Werner Pochert, geb. 22.06.1934 von seinem Vater: Herbert Pochert
Saalfeld, ehem. Horst-Wessel-Weg 17: Renate Brehm, geb. 29.10.1939 in Saalfeld, von ihrer Tante: Berta Wetzer, geb. 08.09.1914 in Saalfeld.
Schmauch, Kreis Preußisch-Holland: Grete Weihrauch, geb. 09.05.1936, von ihrer Mutter: Frieda Weihrauch, geb. 01.07.1903. Die gesuchte Grete Weihrauch wurde in der Nähe des Heimatortes Schmauch verwundet und kam zum Hauptverbandplatz Döbern. Von dort ist sie mit unbekanntem Ziel weitertransportiert worden.
Gallinden, Kreis Osterode, Ostpreußen: Gerhard Hoffmann, geb. 18.01.1938, von seinem Vater: Karl Hoffmann, geb. 22.06.1896. Der gesuchte Sohn Gerhard Hoffmann flüchtete mit seiner Mutter Frieda Hoffmann und einem älteren Bruder und wurde in Kuppen, Kreis Mohrungen, von seiner Mutter getrennt. Er ist mit einem Treckwagen der Gemeinde Seemen, Kreis Osterode weitergefahren. Welcher Teilnehmer der Trecks der Gemeinde Seemen kann Angaben über den Verbleib des Gerhard Hoffmann machen?
Heilsberg, Neustadtstraße 29: die Geschwister Alfred Peterson, geb. 15.12.1936 und Gudrun Peterson, geb. 02.01.1945, sowie die Eltern Alfred Peterson und Hedwig Peterson, von ihrem Bruder und Sohn, Horst Peterson, geb. 06.12.1933 in Heilsberg.
Jägertal, Kreis Insterburg, bei Gerlach: Heinz Hoffmann, geb. 28.12.1937 in Dannenberg, Elchniederung, von seiner Mutter: Erna Klüß, verwitwete Hoffmann, geb. 07.06.1921
Kobbern, Kreis Bartenstein: Leanda Rottraut Rieck, geb. 26.07.1939, von ihrer Mutter: Frieda Matzkies, geborene Rieck, geb. 19.03.1915 in Frisching.
Königsberg, Kapornerstraße 17c: Irmgard Kock, geb. 01.04.1944 in Königsberg, von ihrem Vater: Erich Kock, geb. 08.12.1912 in Königsberg.
Königsberg, Lawsker Allee 97: Elfriede König, geb. 25.11.1939, Eva König, geb. 04.03.1941 in Königsberg, von ihrer Tante: Anna Hinz, geb. 16.12.1904
Königsberg, Vorderanger 10: Gert GünterJurkschat, geb. 02.05.1942 und seine Mutter: Gertrud Jurkschat. In der Familie Jurkschat sollen noch eine Tochter Elsa Jurkschat und ein Sohn Walter Jurkschat sein.
Linde, Kreis Gerdauen: Ruth Bohnau, geb. 25.11.1934 und Ursula Bohnau, geb. 14.10.1938 in Nordenburg, von ihrer Stiefmutter: Gertrud Bohnau, geborene Schubert, geb. 27.02.1911
Roggen, Kreis Neidenburg: Elfriede Dembeck, geb. etwa 1939, Wilhelm Dembeck, geb. etwa 1941 und Heinz-Helmut Dembeck, geb. etwa 1943 in Roggen, von ihrem Onkel: Heinrich Dembeck, geb. 17.01.1914
Saadau, Kreis Ortelsburg: Irene Rogdahn oder Bogdahn, geb. 20.09.1938, von ihrer Tante: Lisbeth Bogdahn oder Rogdahn, geb. 11.01.1907
Maraunen bei Zinten, Kreis Heiligenbeil: Waltraud Gehrmann, geb. 06.11.1938 und Dietrich Gehrmann, geb. 14.02.1940 in Maraunen, von ihrem Vater: Gustav Gehrmann, geb. 18.07.1903. Die Kinder waren im Frühjahr 1946 in Menturren, Kreis Darkehmen, Ostpreußen, im Waisenhaus.
Memel: Gisela Renate Schmidt, geb. 1944, von Johanna Karl. Giselas Mutter, Herta Schmidt, soll 1945 in Danzig-Langfuhr gewesen sein.
Preußisch-Arnau, Kreis Samland: Gisela Aust, geb. 18.06.1934, von ihrer Mutter: Margarete Aust, geborene Zigahn, geb. 07.02.1904. Gisela ist mit Frau Else Böhntke, geb. Gehlhaar, aus der Siedlung Warengen bei Groß-Meidenau geflüchtet.
Emilienthal bei Liebemühl, Kreis Osterode, bei Willutzki: Elisabeth Zimmermann, geb. 24.06.1938 in Düsseldorf, von ihrer Großmutter: Wilhelmine Zimmermann. Das Kind Elisabeth Zimmermann war bei Frau Sayk in Pflege, die Anfang 1945 bei der Familie Willutzki in Emilienthal bei Liebemühl wohnte.
Königsberg, Gottschedstraße 42: Rosemarie Wien, geb. 23.06.1936, von ihrer Mutter: Käte Wien, geborene Preuss. Rosemarie Wien ist vermutlich im Jahre 1947 nach Litauen gegangen.
Königsberg, Hermannsallee 14: Peter Browarzick, geb. 08.02.1936, von seinem Bruder: Dieter Browazick. Peter Browarzick soll im Herbst 1947 nach Litauen gegangen sein.
Königsberg-Lauth, Siedlung 40: Friedrich Haller, geb. 26.11.1943 in Königsberg-Lauth, von seinem Vater: Friedrich Haller.
Liebenfelde, Kreis Labiau: Ingrid Funk, geb. 19.06.1935 in Königsberg, von ihrer Mutter: Frieda Funk. Ingrid kam im Jahre 1947 nach Königsberg in das Waisenhaus Kalthof und von dort auf eine Kolchose in der Nähe von Königsberg.
Mothalen bei Alt-Christburg, Kreis Mohrungen: Joachim Woelk, geb. 11.05.1934, in Mothalen, von seiner Großmutter: Emma Ziesmer, geborene Paetzke
Neidenburg, Hindenburgstraße: Günter Eckert, geb. 06.08.1939, von seiner Tante: Hedwig Bergen, geborene Eckert.
Ortelsburg (geschrieben steht Oertelsburg): Kurt-Horst Gutt, geb. 20.10.1934 in Motgarben, von seinem Vater: Paul Gutt, geb. 16.09.1903
Ortelsburg (geschrieben steht Oertelsburg), ehem. Erich-Koch-Straße 23: Klaus Chmielewski, geb. 21.01.1938 und Detlef-Rüdiger Chmielewski, geb. 13.03.1944, von ihrer Mutter: Margarete Chmielewski, geborene Pidun. Klaus war 1944 in Wartenburg, Kreis Allenstein, im Waisenhaus
Osterode, Ostpreußen, Fritz-Tschezilien-Straße, Siedlung bei Baumgart: die Geschwister Ursula Sawatzki, geb. 15.09.1936, Manfred Sawatzki, geb. im Oktober 1938 und Harald Sawatzki, geb. im November 1939 in Osterode, von ihrem Vater: Karl Sawatzki, geb. 26.04.1906
Ramsau bei Allenstein: Bernhard Flanz, geb. 22.03.1936 in Wanne-Eickel, von seiner Mutter: Anna Flanz, geborene Jakubek
Seubersdorf, Kreis Mohrungen: Günther Teschner, geb. 25.08.1938, von seiner Tante: Ida
Neumann, geborene Teschner
Schönwiese, Kreis Heilsberg: Gerhard Baehr, geb. 15.05.1935, von seinem Bruder: August Baehr, geb. 27.02.1931. Der gesuchte Bruder Gerhard Baehr wurde auf der Flucht bei einem Bombenangriff schwer verletzt. Er kam in ein Lazarett in Peterswalde, Kreis Braunsberg.
Waldburg, Kreis Ortelsburg: Dietmar Schweda, geb. 10.07.1943, von Emilie Schweda, geb. 08.08.1916
Waplitz, Kreis Ortelsburg (geschrieben steht Oertelsburg): Bruno Bombeck, geb. 21.08.1936 in Waplitz, von Martha Bombeck, geb. 10.11.1902
Wildenau, Kreis Ortelsburg (geschrieben steht Oertelsburg): Bernhard Sender, geb. 15.08.1939 in Wildenau, von seiner Mutter: Ottilie Sender, geborene Bach, geb. 17.06.1919. Anfang April 1945 war Bernhard mit seiner Tante Maria Gusek und seinem Vetter Willi Gusek in Danzig.
Tilsit, am Teich: Brigitte Kirpschus, geb. 14.03.1934, Gerhard Kirpschus, geb. 27.08.1935 und Ingrid Kirpschus, geb. 08.10.1936 in Tilsit, von Margarethe Krips, geborene Kirpschus, geb. 30.11.1894
Wehlau, Kleine Vorstadt 1: Karl-Heinz Woelky, geb. 14.03.1940 in Wehlau, von seiner Mutter: Marie Woelky, geborene Schulz, geb. 23.03.1916
Brandenburg, Kreis Heiligenbeil: Ruth Kutschka, geb. 1940 in Brandenburg, von ihrem Vater: Walter Kutschka, geb. 23.01.1907
Drugehnen, Kreis Samland: die Geschwister Siegfried Schulz, geb. 11.06.1938, Ulrich Schulz, geb. 03.07.1939, Dieter Schulz, geb. 11.06.1940 und Brigitte Schulz, geb. 16.12.1941 in Drugehnen, von ihrem Vater: Paul Schulz, geb. 17.12.1912
Gerdau Adlig bei Zinten, Kreis Heiligenbeil: Rosemarie Arndt, geb. 05.10.1938, von ihrem Vater: Friedrich Arndt, geb. 13.01.1900
Göttkendorf, Kreis Allenstein: Johannes Nigbur, geb. 16.04.1933 und Hildegard Nigbur, geb. 05.10.1941 in Göttkendorf, von ihrem Vater: Anton Nigbur, geb. 27.01.1903
Kahlholz, Kreis Heiligenbeil: die Geschwister Günter Skielo, geb. 1935, Rudi Skielo, geb. 1937, Inge Skielo, geb. 1939 und Wolfgang Skielo, geb. 1941 in Kahlholz, von ihrem Vater: Karl Skielo, geb. 14.04.1906
Kleeburg, Kreis Elchniederung: Klaus Klunkat, geb. 27.06.1938, von Herta Klunkat, geb. 25.05.1906
Kleinrödersdorf, Kreis Heiligenbeil: Fritz Mindt, geb. 12.07.1933 und Ingrid Mindt, geb. 31.08.1939 in Kleinrödersdorf, von ihrem Bruder: Otto Mindt, geb. 03.07.1920
Klein-Warschen, Kreis Elchniederung: die Geschwister Eva-Maria Elbing, geb. 25.01.1937, Edith Elbing, geb. 20.02.1938, Helga Elbing, geb. 08.02.1939, Erika Elbing, geb. 28.07.1940 und Karl-Heinz Elbing, geb. 14.05.1942 in Klein-Warschen, von ihrem Großvater, Ludwig Elbing.
Königsberg, Rosenauerstraße 39: Gisela Pustan, geb. 11.03.1943, von ihrer Schwester: Waltraut Pustan, geb. 30.09.1936 in Königsberg. Gisela ging auf der Flucht 1945 von Pillau verloren.
Königsberg-Moditten: die Zwillinge Lydia Lembert und Luci Lembert, geb. 26.07.1943, von ihrem Vater: Rudolf Lembert, geb. 22.10.1910
Lakendorf bei Heinrichswalde, Kreis Elchniederung: Horst Kimenus, geb. etwa 1939, von seinem Bruder: Herbert Kimenus, geb. 1941 und von seinem Bruder: Helmut Kimenus, geb. 1938
Lindental bei Heinrichswalde, Kreis Elchniederung: Benno Lutat, geb. 03.04.1935 in Lindental, von seinem Vater: Hermann Lutat, geb. 03.03.1895. Benno Lutat ging im Oktober 1940 nach Litauen.
Lossau, Gemeinde Glaubitz, Kreis Sichelberg: Otto Schulz, geb. 1933 und Alma Schulz, geb. 24.12.1936, von ihrem Bruder: Bernhard Schulz, geb. 04.05.1930
Neuendorf, Kreis Gerdauen: Diethelm Holldack, genannt Dieter, geb. 05.11.1935, von seinem Vater: Richard Holldack
Neuwiese, Kreis Labiau: Erika Zirpner, geb. 25.02.1934, von ihrem Vater: Fritz Zirpner, geb. 05.06.1890
Nordenburg, Kreis Gerdauen: Reinhard Gröning, geb. 26.09.1939 in Nordenburg, von seinem Vater: Otto Gröning
Nordenthal, Kreis Gerdauen: Gerhard Sticka, geb. 03.10.1934 und Lothar Sticka, geb. 21.09.1936 in Nordenthal, von ihrem Vater: Joseph Sticka
Osterode, Ostpreußen: die Geschwister Inge Schulz, geb. etwa 1934 in Allenstein, Jürgen Schulz, geb. etwa 1938, vermutlich in Allenstein und Erika Schulz, geb. etwa 1936, vermutlich in Allenstein, von ihrer Schwester: Marlene Schulz, geb. 23.10.1935. Inge Schulz war zuletzt in Osterode, Hindenburgstraße 22, bei der Großmutter, Frau Neumann. Die Geschwister Jürgen und Erika waren in Waisenhäusern.
Gut Pöhlen bei Schönbruch, Kreis Bartenstein: die Geschwister Erika Ewert, geb. 14.02.1934, Helga Ewert, geb. 04.02.1936, Gertrud Ewert, geb. 1940 und Gerhard Ewert, geb. 1943 auf Gut Pöhlen, von ihrer Mutter: Anna Ewert
Reuschenfeld, Kreis Gerdauen: Rudi Keiwel, geb. 11.09.1935 in Wolfshöhe, Kreis Gerdauen, von ihrer Mutter: Hildegard Keiwel, geborene Frohnert, geb. 13.02.1919. Die Brüder Keiwel sollen in Litauen sein. (Es wurde nur ein Sohn gemeldet oder er wurde vergessen aufzuschreiben)
Rippen, Post Ludwigsort, Kreis Heiligenbeil: Harry Klotzky, geb. 02.02.1935 in Rippen, von seinem Vater: Erwin Klotzki, geb. 14.11.1906
Schneckenmoor, Kreis Elchniederung: Edith Lehmann, geb. am 07.10.1935, Horst Lehmann, geb. 04.02.1937 und Monika Lehmann, geb. 05.05.1941, von ihrer Tante: Gertrud Ida Netschio. Die Kinder wurden zuletzt Anfang Januar 1945 mit ihrer Mutter auf der Flucht auf dem Wege nach Labiau gesehen.
Schwengels, Kreis Heiligenbeil: Erwin Altenberg, geb. 1935, von seiner Mutter: Anneliese Altenberg.
Untereisseln, Kreis Tilsit- Ragnit: Elfriede Vorwallner, geb. 24.09.1939, Erika Vorwallner, geb. 25.03.1941 und Bruno Vorwallner, geb. 09.06.1942 in Untereisseln, von ihrem Vater: Max Vorwallner, geb. 04.01.1903
Allenstein, Dorotheenhaus: Horst Wohlgemuth, geb. 11.08.1939, von seiner Großmutter: Maria Scheidler, geb. am 24.08.1875
Arnsdorf, Kreis Heilsberg: Wilhelm Haupt, geb. 09.08.1934 in Tilsit und Annemarie Haupt, geb. 29.01.1936 in Tilsit, von ihrer Mutter: Elsa Haupt
Battatron, Kreis Heilsberg: Anna Kather, geb. 05.04.1935 in Wengaithen, Ursula Kather, geb. 30.11.1937 in Schönwiese und Hugo Kather, geb. 27.03.1939 in Battatron, von ihrem Vater: Franz Kather, geb. 21.09.1909. Die Kinder kamen im September 1944 durch die NSV in das Kinderheim Rastenburg.
Crossen, Kreis Preußisch-Holland: Gerhard Granke, geb. 11.12.1935 in Rogehnen, von Emma Pohl, geborene Gruhn. Gerhard Granke ist auf der Flucht am 24. Januar 1945 in Tiegerhof-Fürstenau verloren gegangen. Er wurde im April 1945 in Bromberg-Kaltwasser mit einem Herrn Hermann Jeschke gesehen.
Gerdauen, Marktplatz, bei Frau Hermann: Edith Ragnit, geb. 22.09.1934 in Prenzlau, von Elli Lindemann
Groß-Lüdtkenfürst, Kreis Heiligenbeil: Willi Blumenthal, geb. 30.03.1938, von seinem Onkel: Albert Blumenthal, geb. 19.11.1901. Willi Blumenthal soll nach dem Tode seiner Großmutter im Jahre 1947 in Schleichow, Pommern, gewesen sein.
Guttstadt, Kreis Heilsberg, Glottauer Vorstadt 42: Ewald Riediger, geb. 22.08.1935, von seiner Mutter: Maria Riediger, geborene Baxmann, geb. 10.01.1908
Königsberg, Gluckstraße 4 oder Steindammer Wall 7a: Dieter Kathens, geb. 14.09.1933, von seiner Tante: Anni Schenkel, geborene Reimann.
Königsberg-Ponarth, Speichersdorfer Straße 161; Christel Bonaus, geb. 27.06.1937 in Königsberg, von Heinz Bonaus, geb. 19.07.1915. Christel Bonaus war zuletzt in Königsberg in einem Waisenhaus.
Seite 13 Suchdienst – Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.
Anfragen und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung) an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a. zu richten.
Gertrud Wolf, aus Augam über Zinten, für Erich Wolf, geb. 02.08.1911 in Hamburg.
Familie Tolksdorf, aus Auhof, Kreis Braunsberg, für Josef Tolksdorf, geb. 25.09.1894.
Familie Skubski, aus Bredingkem, Kreis Rössel, für Franz Skubski, geb. 20.12.1918 in Rastenburg.
Maria Schön, aus Emilienhorst-Friedheim, Kreis Preußisch-Holland, für Wilhelm Schön, geb. 11.05.1917 in Neudollstädt.
Erna Schackowski, aus Engelshöhe, Kreis Wehlen, für Emanuel Schackowski, geb. 27.01.1911 in Jannowitz
Ernst Roetcher, aus Fischhausen, Stadtrandsiedlung, für Günther Roetcher, geb. 19.11.1922 in Fischhausen
Otto Totzlowski, aus Frankenau, Kreis Rössel, für Josef Totzlowski, geb. 20.11.1921 in Kremersdorf.
Emma Stiewski, aus Froben, Kreis Neidenburg, für Paul Stiewski, geb. 10.04.1904
Friedrich Subbkus, aus Gallhofen, Post Goldschmiede, für Paul Subbkus, geb. 05.03.1914
Familie Staudurra, aus Gonzewo, für Konrad Staudurra, geb. 13.06.1913 in Simanowitz
Maria Sengotta, aus Graventhien, Kreis Preußisch-Eylau, für Bruno Sengotta, geb. 07.02.1923
Luise Thoma, aus Großbaum, Kreis Labiau, für Ernst Thoma, geb. 14.09.1907 in Scharlehn
Helene Stipulkowski, aus Gr.-Mückenhausen, Kreis Neidenburg, für Julius Stipulkowski, geb. 30.08.1905 in Klein-Koschlau
Friedrich Schafstädt, aus Gut Kalgen, Kreis Königsberg, für Walter Schafstädt, geb. 12.09.1925
Familie Stars, aus Heydekrug, Wiesenstraße 6, für Werner Stars, geb. 28.05.1921 in Heydekrug.
Ernst Sternbeck, aus Hohenkränig, Kreis Königsberg, für Gottfried Sternbeck, geb. 29.12.1920 in Hohenkränig
Auguste Müller, aus Horn, Kreis Mohrungen, für Ernst Müller, geb. 14.03.1900 in Saidschen
Johanna Skambraks, aus Insterburg, Hindenburgstraße 68, für Hans Gustav Skambraks, geb. 28.03.1922 in Insterburg.
Karoline Tomuschat, aus Insterburg, Pregelberg 3, für Willi Tomuschat, geb. 21.12.1914 in Insterburg
Familie Strombowski, aus Johannisberg, bei Königsberg, Fleischerstraße 3, für Rudolf Strombowski, geb. 19.11.1925 in Gehlenberg.
Helene Przybilski, aus Karstuden, Kreis Ortelsburg, für Josef Przybilski, geb. 09.11.1908 in Karstuden.
Anna Schulera, aus Korschen, Kreis Rastenburg, Hindenburgstraße, für Gustav Schulera, geb. 17.04.1905 in Baslack.
Marie-Luise von Sichart, aus Königsberg, Kastanienallee 5, für von Wolfgang Sichart, geb. 12.11.1913.
Auguste Sewald, aus Königsberg, Langgasse 3, für Johannes Sewald, geb. 27.06.1901 in Königsberg.
Waltraud Rapczyeski, aus Königsberg, Samlandstraße 45, bei Pinnau, für Stanislaus Rapczyeski, geb. 21.09.1898 in Posen.
Familie Stelter, aus Königsberg, für Walter Stelter, geb. 18.05.1916 in Königsberg.
Frieda Wittrin, aus Linkuhnen, Kreis Elchniederung, für Fritz Wittrin, geb. 01.10.1896 in Zinten.
Familie Sakulowski, aus Lötzen, für Ernst Sakulowski, geb. 1924/1926.
Familie Spanjehl, aus Louben, Kreis Samland, bei Frau Ids, für Kurt Spanjehl, geb. 08.05.1898 in Lisdau.
Apolonija Skudra, aus Malta, Kreis Rositten, Ges. Miskeres, für Franciseks Skudra, geb. 03.06.1922 im Kreis Rositten.
Johann Breschek, aus Niedenau, Kreis Neidenburg, für Karl Sender, geb. 20.06.1900 in Grünfließ.
Martha Kauper, aus Metergütern, Kreis Heideburg, für Otto Tautrin, geb. 23.09.1909 in Lautschen, Kreis Heideburg.
Friederike Dold, aus Metgethen, Kreis Königsberg, Birkenweg 25, für Otto Schaffran, geb. 30.10. (Jahreszahl nicht angegeben) in Korehlen.
Gustav Tolksdorf, aus Miggen, Kreis Preußisch-Eylau, für Fritz Tolksdorf, geb. 16.05.1924 in Sarausen
Maria Strickies, aus Memel, Oberstraße 22, für Johann Strickies, geb. 02.02.1910 in Memel.
Gustav Notzel, aus Lindendorf, für Heinz Tolkendorf, geb. 11.02.1927 in Ziegelberg.
Helene Torowski, aus Orlow, Kreis Gr.-Werder, für Otto Torowski, geb. 20.12.1924 in Orlow.
Minna Thomas, aus Osterode, Graudenzer Straße 33, für Hans Thomas, geb. 05.12.1903.
Margarete Sendatzki, aus Radomin bei Neidenburg, für Otto Sendatzki, geb. 18.07.1904 in Muschaken.
Maria Traschke, aus Rauschen, für EmilTraschke, geb. 24.03.1906.
Emma Zierulies, aus Ruckerneese, Kreis Elchniederung, für Otto Zierulies, geb. 26.10.1906 in Herdenau.
Hans Heer, aus Salzbach 17, über Rastenburg, für Friedrich Maier, geb. 05.01.1921 in Reichenau.
Pauline Siwulski, aus Srharnigk. Kreis Seeburg, für Johann Siwulski, geb. 20.08.1909.
Julius Erlbacher, aus Spioli, Kreis Zichenau, für Oskar Stiem, geb. 15.08.1911 in Spioli.
Lenchen Schmidt, aus Stegmannsdorf, über Wormditt, Kreis Braunsberg, für Walter Schmidt, geb. 15.01.1908 in Kauschen.
Maria Ruschkowski, aus Sternsee, Post Bischofsburg, für August Ruschkowski, geb. 25.11.1894 in Sternsee.
Franz Terkowski, aus Sternsee bei Rösselm (geschrieben steht Rösel), für Paul Terkowski, geb. 08.07.1926 in Sternsee.
Henriette Zisewski, aus Theerwisch, Kreis Ortelsburg, für Albert Zisewski, geb. 12.03.1916 in Theerwisch.
Hermann Teschke, aus Waltershausen, Kreis Neidenburg, für Willi Hermann Teschke, geb. 20.10.1919 in Waltershausen.
Familie Pogorzelski, aus Zeisen, Post Stradauen, Kreis Lyck, für Wilhelm Pogorzelski, geb. 29.10.1906 in Plowzien.
Dorothea Wiechmann, geb. Wiechert, geb. 02.09.1895, früher Georgstraße 7, Dipl.-Kaufmann und Wirtschaftsprüfer. In Königsberg vermisst seit 1945.
Johann Sadowski, aus Mühlack, Kreis Rastenburg, für Otto Sadowski, geb. 19. 08.1913 in Mühlack.
Friedrich Zyweck, aus Neidenburg, Heimstettenweg, für Walter Zyweck, geb. 03.06.1929 Neidenburg.
Eugen Müller, aus Neidenburg, Deutsche Str. 15, für Erwin Müller, geb. 06.09.1916 in in Neidenburg.
Ludwig Rudnik, aus Puppen, Kreis Ortelsburg, Gumbinnen, für Walter Rudnik, geb. 22.01.1926 in Puppen.
Anna Saager, ,aus Rauschen, Kreis Königsberg, für Ernst Saager, geb. 25. 07.1907 in Thiergartsfelde.
Michaele Zuzija, aus Rositten, für Janis Zuzija, geb. 09.01.1917 in Rositten.
Wilhelm Zeimer, aus Skarzinnen, Kreis Johannisburg, für Hermann Zeimer, geb. 18.04.1899 in Skarzinnen.
Marta Rzegucha, aus Wahrmdorf, Kreis Rensburg, für Erich Rzegucha, geb. 17.05.1923 in Wahrmdorf.
Valentin Schrade, aus Waltersmühle, Kreis Heilsberg, für Hubert Schrade, geb. 22.07.1926 in Gronau.
Michael Sendrowski, aus Wartenburg, Allensteiner Str. 19, für Artur Sendrowski, geb. 14.03.1919 in Kl.-Lemkendorf.
Liesbeth Müller, ,aus Wehlau, Klosterplatz 3, für Alfred Müller, geb. 30.05.1916 in Gelsenkirchen.
Eduard Zimmermann, aus Wildenau, Kreis Ortelsburg, für Heinrich Zimmermann, geb. 19.09.1909 in Wildenau.
Albert Meyer, aus Wöterkeim, Post Schrammbehnen, Kreis Eylau, für Fritz Meyer, geb. 25.04.1900.
Martha Riedel, aus Zechern, Kreis Heilsberg, für Rudolf Riedel, geb. 27.08.1918 in Neuendorf.
Seite 14 Zur Eingliederung älterer Angestellter. Neue Richtlinien der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung
Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat einen Runderlass herausgegeben, der die Unterbringung älterer Angestellter betrifft, über die Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme hinaus soll durch besondere Maßnahmen die Vermittlung der älteren Angestellten gefördert werden.
Die Arbeitsämter sind danach angewiesen, sich mit Betrieben in Verbindung zu setzen, um ihnen qualifizierte und geeignete Kräfte aus den Reihen der älteren Angestellten vorzuschlagen. Ein entsprechender Aufruf ist von der Bundesvereinigung des Deutschen Arbeitgeberverbandes an die Arbeitgeber ergangen. Die Arbeitgeber werden aufgefordert, bei Neueinstellungen die Berufserfahrung der älteren Angestellten zu nützen und die Auswahl in Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern vorzunehmen. Um diesen Personenkreis unterzubringen, ist Voraussetzung, dass die vorgeschlagenen Bewerber für den vorgesehenen Arbeitsplatz in vollem Umfang geeignet sind. Bei älteren Angestellten, die berufsentwöhnt sind oder deren Kenntnisse nachgelassen haben oder nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügen, hat das Arbeitsamt zu prüfen, ob ihnen geeignete Fortbildungsmaßnahmen vorgeschlagen werden sollen. Diese beruflichen Bildungsmaßnahmen sollen auf eine möglichst breite Grundlage gestellt und den besonderen Bedürfnissen der Betriebe und den besonderen Bedürfnissen der Angestellten angepasst werden. Als Beispiele werden angeführt Lehrgänge in Buchführung, Lehrgänge für Betriebswirtschaftslehre, für Kontorpraxis, für Spediteure, für Verwaltungsangestellte, Lehrgänge in Form sogenannter Übungsfirmen, zur Fortbildung in Fremdsprachen, Refa-Lehrgänge, Lehrgänge in Kurzschrift und Maschinenschreiben. Von besonderer Wichtigkeit ist, dass das Arbeitsamt bei Angestellten, die in verkehrsungünstigen Bezirken wohnen, die Einrichtung von Internatslehrgängen zu prüfen hat. Wenn für einen Lehrgang die ausreichende Zahl von Teilnehmern nicht vorhanden ist, soll Einzelförderung in größerem Umfang gewährt werden, und zwar im Rahmen des § 137 AVAVG. Bewährt haben sich hiernach Unterstützungen für die Fortbildung in Buchhaltung, Kurzschrift, Maschinenschreiben, Plakatschrift, Dekoration, Steuerwesen oder zum Erwerb eines Führerscheins. Es sollen ferner die in den Arbeitsämtern vorhandenen Übungsschreibmaschinen den arbeitslosen älteren Angestellten weitgehend nutzbar gemacht werden. Die Fortbildungslehrgänge sollen auch für die Werbung zur Einstellung älterer Angestellter genutzt werden. Es empfiehlt sich, Arbeitgeber zu Abschlussveranstaltungen solcher Lehrgänge einzuladen.
Bei den Personengruppen, die erst in der Kriegs- und Nachkriegszeit aus anderen Tätigkeiten in die Angestelltenberufe gekommen sind, und nicht über die entsprechende Vorbildung als Angestellte verfügen, ist eine Umgruppierung in andere Berufsgruppen vorzunehmen, wenn sie die Möglichkeit einer Vermittlung in einen anderen Beruf erleichtert. Ein Zwang soll bei solch einer Umgruppierung nicht ausgeübt werden. Eine intensive vertrauensvolle Arbeitsberatung auch für berufsfremd tätige Angestellte wird anempfohlen. Unter bestimmten Voraussetzungen können Anlernvorschüsse zur Erlernung der vollen Fertigkeit im Beruf gewährt werden. Bei der Gewährung von Arbeitsplatzkrediten ist weiter darauf hinzuwirken, dass ältere Angestellte in erster Linie berücksichtigt werden. Ebenso ist bei der Umsiedlung dieser Personenkreis soweit wie möglich mit einzubeziehen.
Für diese Vermittlung der älteren Angestellten sind die Möglichkeiten, die sich aus den Richtlinien der Arbeitsaufnahme ergeben, voll auszuschöpfen. Dies gilt besonders für die Gewährung der Vorstellungskosten, die nach dem Erlass für den Personenkreis der älteren Angestellten großzügig anzuwenden sind. Die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter sollen die Stellenanzeigen ohne Altersangaben machen und ferner die Angestellten anhalten, Bewerbungen sorgfältig zu erstellen. Auch im Rahmen der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge soll geprüft werden, inwieweit geeignete Maßnahmen für diesen Personenkreis durchgeführt werden können. In Betracht kommen hierbei Archiv-, Kataster-, Vermessungs- und statistische Arbeiten.
Seite 14 Aus den Landsmannschaften
Delligsen. Der große Heimatabend der landsmanschaftlichen Gruppe der Ost- und Westpreußen am 14. Mai 1955 in der Gaststätte Thomas wird von der Kreisgruppe Seesen unter Leitung von Schulrat a. D. Papendick gestaltet werden. Einem feierlichen Auftakt mit gesamtdeutschem Bekenntnis und Gedenken für Dr. Schreiber wird eine Kulturstunde unter dem Motto „Wir tragen die Heimat im Herzen“ folgen. „Mai und Wandern“ ist das Thema des 2. Teils, der als offenes Singen mit frohen Liedern im Kanonstil und Vortrag der schönsten Frühlingsgedichte aus der Gemeinschaft erwachsen wird.
Seesen a. H. Ein erneuter Höhepunkt in der Reihe der Veranstaltungen der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen war die Kulturstunde am letzten Wochenende über „Altpreußische Osterbräuche“. Hilfsschullehrer Fenske gab in tiefschürfenden Ausführungen eine wissenschaftlich fundierte Sinndeutung der Sitten und Gebräuche des altpreußischen Raumes zwischen Weichsel und Memel. Wie verzaubert lauschten die dankbaren Zuhörer im „Paradies der Erinnerund“. Es war wieder wie zu Hause. Frau Lina Fahlke ergänzte den Vortragenden durch urwüchsige Gedichte und plattdeutsche Lesungen über „Schmackostern" und „Osterwoater“. — Der nächste Heimatabend am 7. Mai 1955 wird im Zeichen der Tonfilme „Rominter Heide“, „Masuren“ und „Jagd in Trakehnen“ stehen. — Anmeldungen zur großen Harzrundfahrt am 5. Juni 1955 nimmt Landsmann Lux entgegen.
Seite 14 Landsmannschaftliche Jugend
Auf der Tagung der landsmanschaftlichen Jugend der LM Ostpreußen, die auf Einladung des Kulturreferenten Grimoni im März in der Ostdeutschen Akademie Lüneburg durchgeführt wurde, kamen die generationsbedingten Unterschiede stark zum Ausdruck. Es wurde festgestellt, dass das Misstrauen der Jugend in der Hauptsache ein Protest der Jungen gegen, die Art und Weise ist, mit der viele Eltern das Bewusstsein der Zugehörigkeit zur alten Heimat in einem Teil zu erzwingen, im anderen mit falschen Mitteln einseitiger Darstellungen zu wecken versuchen. Die unentbehrliche Mithilfe der Eltern bei der Jugendarbelt liegt in der Hauptsache in der Wahrung des Wesenhaften des heimatlichen Lebensstils im Familienleben.
Seite 14 Ostpreußen-Bücher
Pepita die Geschichte eines Trakehner Pferdes. Von Herbert von Böckmann. Ganzleinen 4,80 DM
„Die Marienburg“. (Band 1 der Sammlung „Deutsche Baukunst im Osten“. 112 Seiten Text, 18 Abb. im Text, 2 Karten und 29 Bildtafeln mit 72 Kunstdruckabbildungen. Ihre Baugeschichte dargestellt von Bernhard Schmid — Aus dem Nachlass herausgegeben ergänzt und bearbeitet von Karl Hauke. Ganzleinen. Preis 16,80 DM,
Dokumente Europäischer Leistung, in den Heimatgebieten der deutschen Vertriebenen. Band 3 der Sammlung „Deutsche Baukunst im Osten“. 60 ganzseit. Bilder und Text. Ganzl. Preis 6,-- DM
Liebes altes Königsberg, von Wilhelm Matull. — Ein Buch der Erinnerungen. 192 Selten. Preis 5,80 DM 17.
Südd. Klassenlotterie
Ihr Landsmann Klawiter gibt Ihnen in der heutigen Beilage etwas Interessantes zu lesen. Sollte die Schrift nicht beigelegen haben, so wollen Sie diese bitte von dem Staatlichen Lotterieeinnehmer Theo Klawiter in Garmisch, Buntes Haus 2/17, anfordern.
Seite 14 Familienanzeige
Am 22. März 1955 feierten wir unsere Silberhochzeit. Georg Alfred Stiemert und Frau Maria Anna, geborene Bollbach. Königsberg-Charlottenburg, Ostpreußen, Bahnstraße 6. Jetzt: Langen i. Hessen, Bürgerstraße 35
Dem ungenannten Freunde aus Göttingen sei für seine Spende herzlicher Dank! Pastor Vonthein. Kiel-Russee, Dorstraße 112
Seite 14 Suchanzeigen
Gesucht werden: Erwin Sadowski, aus Johannesberg bei Goldap; Ernst Purwin, aus Widminnen, Kreis Lyck. Mit beiden bin ich in Russland zusammen gewesen, wir sind durch meine Verwundung getrennt worden, wer Auskunft geben kann, bitte melden bei Fritz Petrick, Ahlten (Hann.), Bahnhofstraße 20.
Dr. oder Studienrat, Vorname Max?, Meyer, aus Rastenburg, Oberteichstr. 14, soll sich 1945 aus Gefangenschaft nach Hamburg abgesetzt haben. Wird gesucht von Frau Emma Hilger. Jetzt Wolfsburg- Laagberg, Sudetenweg 4 F.
Wer kann Auskunft über meine Eltern und Geschwister geben, aus Königsberg/Pr. Rudolf Max Reisewitz, geb. 24.05.1877; Anna Valeska Reisewitz, geb. 13.02.1885; Emil Reisewitz, geb. 08.08.1905, Feldpostnummer 30 907; Erna Reisewitz, geb. 24.03.1907; Otto Reisewitz, geb. 10.07.1909, Feldpostnummer: 55 739 Lgpa Ffm.; Siegfried Werner, geb. 25.10.1932; Frau Marie Hasenpusch, aus Schoenfließ bei Königsberg; Frau Helene Kasper, geb. Schoenfeld, aus Königsberg, Löbn. Langgasse 6. Um Auskunft bittet Walter Reisewitz, aus Königsberg Brodbänkenstr. 10a, jetzt: Wolfsburg. Kreis Gifhorn. Laagbergstr. 212.
Seite 15 Familenanzeigen
Jäh und unerwartet verließ uns am Freitag, dem 11. Februar 1955 früh, mein innigstgeliebter Mann, unser über alles geliebter Vati, unser lieber Bruder und Schwagerm Walter Teppner, Abteilungsleiter in der Vers. Deutscher Ring — Hann. im 52. Lebensjahr. Sein Leben war innigste Liebe zu den Seinen und stete Pflichterfüllung. In tiefster Trauer: Alma, Inge Teppner geb. Knüppel. Jürgen Treppner und Ingrid Treppner, als Kinder. Erich Treppner, Kurt Treppner und Hildegard Teppner. Fallingbostel (Wildungstr. 3), Hannover, Hamburg. Früher: Königsberg/Pr., Krausallee 10
Nach langem, mit unendlicher Geduld ertragenem Leiden ist unsere liebe, herzensgute Tochter, Schwester, Enkelin, Nichte und Cousine, Marie-Luise Weström von uns gegangen. Die 24 Jahre ihres Lebens waren Schmerzen und Leid. Nun ist sie erlöst und lebt weiter in unseren Herzen. Im Namen aller Angehörigen: Gertrud Weström, geborene Liebau. Willensen, Kreis Osterode. Früher: Köngsberg.
Mein lieber Mann, unser guter Vater, Bäckermeister Karl Frick, früher: Königsberg, Preußen, Steindamm 165/67, ist am Dienstag, dem 8. März 1955, im Alter von 61 Jahren, nach kurzem schweren Leiden unerwartet von uns gegangen. Sein Leben war ein Kampf, ein Feierabend war ihm nicht mehr vergönnt. In tiefer Trauer im Namen aller Angehörigen: Erna Frick, geborene Muhlack. Frankfurt (Main), Neue Mainzer Straße 2
Der Herr über Leben und Tod erlöste am 11. Februar 1955 meinen herzensguten Vater, lieben Schwiegersohn, Bruder, Schwager und Onkel, Justizobersekretär i. R. Auguft Hensellek, geb. am 20. August 1873 in Passenheim, Kreis Ortelsburg, von seinem langen, mit großer Geduld ertragenen Leiden. In stiller Trauer Edith Hensellek, techn. Mittelschullehrerin und Angehörige Königsberg Preußen, Mitteltragheim 2, jetzt: Eltville (Rhein), Bertholdstraße 18
Am dritten Sonntag nach Verlassen ihrer Heimatstadt Königsberg Preußen, gab meine geliebte Schwester, Charlotte Urban, geboren am 09.01.1901, gestorben am 18.03.1945, ihre Seele in Gottes Hand zurück, für ihre geschwächte Gesundheit waren die Bedingungen unseres Fluchtweges zu hart. Sie fand ein einsames Notgrab in Nemitz, Hinterpommern. In immerwährendem Gedenken: Helene Urban. Königsberg, Preußen, Wallenrodtstraße 43, jetzt: Strang Nr. 82. Kreis Osnabrück
Unvergessen. Büchsenmachermeister Alfred Fritz, geboren am 27.04.1899, gestorben am 10.03.1952. Maria Fritz, geb. Treptau. Ernst-Alfred Fritz. Karl-Heinz Fritz. Siegfried Fritz. Hedwig Fritz, geb. Roesler, als Mutter. Allenstein, Ostpreußen,Liebstädter Str. 23/24, jetzt: Spork-Eichholz, Detmold, Werrebogen 9
In steter Liebe und stiller Trauer denken wir an die lieben Toten unserer Familie:
Hauptlehrer und Kantor Louis Schliwsky, geb. 30.04.1880, gestorben am 26.03.1945, beim Angriff Danzig-Langfuhr. Lehrer Hans Schliwsky, geboren am 11.04.1913, gestorben am 04.02.1945, Russeneinfall Ostpreußen. Leutnant der Luftwaffe Martin Schliwsky, geboren am 06.08.1916, gestorben am 10.03.1939, Flugzeugunglück in Cottbus. Abiturient, Obergefreiter Ulrich Schliwsky, geboren am 04.02.1924, gefallen am 05.04.1945 im Schwarzwald. Margarete Forkert, geborene Schliwsky, geboren am 22.10.1914, gestorben am 26.03.1945, beim Angriff Danzig-Langfuhr. Hauptmann Alfred Forkert, geboren am 08.07.1908, gestorben am 5. Mai 1957, Kriegsgefangenschaft Russland.Die betrübten Angehörigen. Martha Schliwsky, geborene Schulz. Reinhold Schliwsky und Frau Waltraut mit Rüdiger Schliwsky und Gudrun Schliwsky. Dr. med. Bernahrd Schliwsky und Frau Angela mit Gabriele Schliwsky, Frankfurt/M. Ida Schliwsky, geb. Latza mit Meinhard Schliwsky, Ostpreußen. Wolfgang Forkert. Hildegard Hauffe, geb. Forkert. Otto Forkert, Forst (sowj. bes. Zone) Heimat: Brandenburg, Ostpreußen und Pörschken, Kreis Heiligenbeil, jetzt: Altstädten/Allgäu, Hinnang 25
Für immer unvergessen! Architekt Fritz Rehs, geboren am 13.01.1893, gestorben im April 1945; Sigrid Rehs, geboren am 22.05.1931, gestorben am 09.09.1945. Wolfgang Rehs und Frau Jutta, geborene Meltzer. Lena Rehs und Margret Rehs. Familie Reo Rehs. Königsberg, Preußsen, Appelbaumstraße 13. Jetzt: Karlsruhe, Sophienstraße 154
Zum zehnjährigen Gedenken! Über den Sternen, da finden sich wieder Wesen, die feindlich das Schicksal getrennt, dort sinkt die hemmende Scheidewand nieder, Seele und Seele sich freudig erkennt. Hart und bitter hat mir das Schicksal meine Lieben aus der Familie gerissen. Meinen lieben Mann und herzensguten Vater, unseren lieben Bruder, Schwiegersohn, Schwager, Onkel und Vetter, den Bauer Adolf Pannek, geboren am 27.08.1894, gestorben am 27.03.1945; meine einzige, geliebte Tochter, Elfriede Pannek, geboren am 25.01.1928, gestorben am 10.05.1945. Beide starben am Ural. – Das Schicksal meines hoffnngsvollen, einzigen Sohnes, des Jungbauern und Soldaten, Theodor Pannek, geboren am 17.12.1923, vermisst seit 31.12.1942. In unvergesslichem, tiefen Leid im Namen aller Verwandten: Amalie Pannek, geborene Pokojewski. Manchengut, Kreis Osterode. Jetzt: Ostgroßefehn 355a über Aurich/Ostfriesland.
Zum zehnjährigen Todestag gedenke ich in Liebe und Dankbarkeit meiner lieben Frau und Mutter, Maria Olbricht, geborene Riemann sowie meiner Kinder Hannelore Olbrecht und Edith Olbrecht, die am 13. April 1945 mit der „Karlsruhe“ bei Stolpmünde gesunken sind. Julius Olbricht. Ursula Schlunke, geb. Olbricht und Familie. Königsberg/Preußen, Stägemannstr. 33a, jetzt: (2) Niemegk, Kr. Belizig (Mitteldeutschland) Treuenbrietzener Str. 2 und teichstr. 4
Meinem Sohn zum Gedenken: Oberarzt Dr. med. Georg Laaser, geboren am 18.10.1915, gefallen am 10.02.1945. Er hat mein Leben unsagbar reich gemacht. Dr. med. Charlotte Laaser, geborene Rogge. Königsberg Preußen. Worpswede bei Bremen
Zum zehnjährigen Gedenken. Der Herr hat sie mir gegeben. Er hat sie mir genommen. Der Name des Herrn sei gelobt. Am 26. März 1945 gab mein lieber guter Sohn, Hans Mattern, geboren am 30.07.1918, Flugzeugführer in einem Nachtgeschwader, sein hoffnungsvolles Leben für's Vaterland. Seit Januar 1943 ist sein einziger Bruder, mein lieber, guter Sohn, Waldemar Mattern, geboren am 10.01.1920, Feldwebel, bei Stalingrad vermisst, auf den ich noch fest hoffe. Wer weiß etwas über sein Schicksal? Sie waren mein einziges Glück, mein ganzer Lebensinhalt. In Liebe und tiefer Wehmut: Anna Mattern. Großgarten, Kreis Angerburg, jetzt: (21b) Leudringsen, Krs. Iserlohn Hauptstraße 50
Nach langem, mit großer Geduld getragenem Leiden verschied heute im 83. Lebensjahr mein getreuer Bruder, unser geliebter Onkel und Großonkel, Oberst a. D. Victor Seraphim, Ritter des E. K. II und I., des Ritterkreuzes, des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern und anderer Orden. Hildegard Seraphim, geb. Seraphim. Dr. jur. Erhard Seraphim. Dr. phil. Hans-Günther Seraphim. Lydia Seraphim, geborene Füchtner. Rosemarie Seraphim, geborene von Eichmann. Elsa Seraphim, geborene aus dem Bruch. Die Neffen, Großneffen und Nichten. Eßlingen/N., den 4. März 1955, Pfaffenackerstraße 8. Die Einäscherung fand am 7. März1955, 16.30, in Eßlingen, Krematorium Ebershalder Friedhof, statt.
Am 6. März 1955 verschied im 81. Lebensjahr in der Sowjetzone unser lieber Turnbruder, der
Oberschullehrer a. D. Johannee Gudjons. Der Königsberger Männerturnverein von 1842 und mit ihm die ganze Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen haben dadurch einen weiteren schweren Verlust erlitten. In ehrender Liebe und Anerkennung gedenken wir der hohen Verdienste des Verstorbenen, der sein ganzes Leben in erster Linie in den Dienst an der deutschen Jugend gestellt hatte. Sein unermüdliches Wirken in Schule und Turnvereinen auf dem Gebiet der Leibeserziehung im Rahmen der Gesamterziehung ist ein zeitloses Vorbild für alle Turnerführer und ein unvergängliches Denkmal in den Herzen aller, die ihn kannten. Königeberger Männerturnverein von 1842. Wilhelm Alm
Seite 16 Landrat Dr. von Poser 75 Jahre alt. Mit Foto
Der frühere Landrat des Kreises Ortelsburg, Dr. Viktor von Poser, konnte am 23. März 1955, seinen 75. Geburtstag in Kiel, Jungmannstr. 17, feiern. Landrat a. D. Dr. von Poser ist bekannt geworden durch seine beispielhafte Tätigkeit für die Kreiswaldbewegung. Als Muster für ganz Preußen galt der von ihm geschaffene Kreiswald des Kreises Ortelsburg mit ca. 6000 Morgen. Die Gebung des Bauernwaldes und die Erziehung der Jugend zum Walde waren seine großen Ziele.
In dem Beiheft I zum Jahrbuch der Albertus-Universität zu Königsberg berichtet Landrat Dr. von Poser unter dem Titel „Kreiswaldungen und forstliche Jugenderziehung“ aus seiner Lebensarbeit. Die Schrift ist vom Göttinger Arbeitskreis herausgegeben und im Holzner - Verlag-Würzburg erschienen (55 Seiten, DM 4,80).
Seite 16 Frühling daheim.
Langsam floss der kleine Bach in mehreren Windungen durch die große Wiese. Die Märzsonne und der Ostwind hatten mit den Resten des Winters aufgeräumt, der Schnee war geschmolzen und hier und da rieselten die kleinen Wasserbäche der getauten Schneemassen in den Wiesenbach, der die Leik, so hieß die große Wiese, in zwei Hälften teilte. —
Man hatte die Leik vom alten Gras befreit und abgebrannt und nun begann sie wieder zu leben. An mehreren Stellen traten schon die ersten grünen Spitzen des neuen Grases hervor. Die kleinen weißen Blüten des zarten Gänseblümchens belebten die große Wiese wie leuchtende Punkte. Wärmende Sonnenstrahlen hatten auch schon am Bach die Sumpfvergissmeinnicht zum blühen gebracht und mit ihren himmelblauen Sternchen schmückten sie den Bachrand. Zitronenfalter machten ihre ersten Ausflüge und wurden durch das leuchtende Gelb des Huflattichs, der vereinzelt an dem Bachhang sein Blühen zur Schau trug, angezogen. Die alten Weidenbäume waren im vollen Blühen und der Aufenthaltsort der summenden Bienen, die ihren Winterschlaf beendet hatten. —
Die Natur lebte auf, die Äcker, welche die Leik eingrenzten, waren schon im Herbst mit der Roggensaat bestellt worden; es duftete nach neuer Erde und das zarte Grün der Saat reihte sich in das Farbenmosaik der großen Wiese und des Bachhanges und dem grau-blau des Bachwassers ein. Darüber das zarte Blau des Himmels mit den wandernden Wolken, welche die Frühlingswinde in Bewegung hielten.
Der trillernde Gesang der Lerchen, die wieder in den Ackerfurchen wohnten und die jubilierend zum Firmament stiegen in unendlicher Höhe war wie ein Dankgesang an den Allmächtigen. —
Frühmorgens trat ich meinen Wanderweg in den Frühling an. Rötlich stieg allmählich die Sonne im Osten auf. Tautröpfchen saßen wie Perlen an den jungen Grashalmen und die Luft war frisch. Die Natur lag noch im Schlaf. Mein Wanderweg führte mich über den großen Acker. Mit leisen Schritten ging ich behutsam die Furchen entlang; plötzlich ein krächzendes „Kiwitt — Kiwitt“ und mit raschem Flügelschlag flog ein Kiebitzmännchen vor mir auf. Noch einige Schritte und ich stand vor dem Nest, aus dem ängstlich das Kiebitzweibchen aufschreckte; mit ausgebreiteten Flügeln beschützend die Eier, aus denen bald die Jungen herausschlüpfen sollten. Vorsichtig umging ich das Vogelnest und kam an dem kleinen Birkenbusch vorbei, mehrere Junghasen trieben dort ihr Spiel und sättigten sich an der frischen Grasnarbe. —
Im grau-violetten Farbenschein lag nun vor mir unser herrlicher großer Mischwald, wohl noch mit kahlem Geäst, aber schon schwellenden Knospen im grünlichen Schimmer. Mit seinem gesunden Baumbestand an Eichen, Ellern und Erlen und vereinzelt Buchen und Linden. Hochgewachsen stand hier und da auch der Tannenbestand in seinem satten Dunkelgrün und in den Lichtungen gediehen im „Kindergarten“ die jungen Stecklinge der Laub- und Nadelhölzer zum Wiederaufforsten. Die gurrenden Stimmen der wilden Tauben klangen an mein Ohr, mit schnellen Flugbewegungen überflogen sie die Spitzen der Waldbäume. Hell schimmerten die weißen Stämmchen der jungen Birken, deren elastisches Geäst sich im Morgenwind wiegte. Dort, wo im Walde im Herbst das Blattwerk in Verwesung übergegangen war, belebte die zart-lila-blaue Farbe der Leberblümchen den grau-braunen Waldboden. Sie wuchsen dort üppig, aber sie ließen auch noch Platz der weißblühenden Anemone und dem Hasenklee. —
Zwei Rehe wechselten in graziösen Sprüngen über den Weg. Im großen Bruch knackten die herabgefallenen und morschen Äste, — majestätisch stand ein Elch dort, anscheinend nahm er im Bruchwasser ein Frühlingsbad. Am Wegrand des großen Waldweges erfreuten die mehrfarbigen Blüten des Lungenkrautes, die wilden Veilchen, Vogelmiere und das gelbe Sternblümchen. Sie gehörten noch in meinen Strauß. Die Sonne war schon höher gestiegen, das Musizieren der vielen Waldvögel begleitete mich. Von weitem hörte ich den Schall der Mittagsglocke auf dem Gutshof. Nun musste ich den Heimweg antreten. Meine Mitbringsel war der bunte Frühlingsstrauß. O, und wie war er farbenfreudig! Der Weg ins Haus führte mich aber noch durch den Gutspark zum „großen Rasen“; dort standen vereint im frischen grünen Gras Krokus, der hell-leuchtende Märzbecher und die zarten Perlblümchen. Im Geäst der alten Kastanie vor der Auffahrt hielten die Stare ihre Musikproben ab. —
Und von der Rabatte an der Südseite des Gutshauses pflückte ich mir die ersten Veilchen; sie wurden mit den zarten grünen Blättchen zu einem Sträußchen geordnet und bekamen ihren Platz in einer kleinen Kristallvase auf dem alten Flügel im großen Gartenzimmer. — O, wie sie dufteten! — Ich schlug den Flügel auf und sang ein Frühlingslied. — Ja, ein Dankeslied an die Natur. —
Die Sonne hatte ihren Tageslauf beendet und war wie ein großer roter Ball am westlichen Himmel über dem Walde im Weltall versunken. Oft hinterließ sie ein eigenartiges Farbenspiel im zartesten Pastell. Die Abendluft war kühl und gewürzt mit dem Duft der lebenden Erde. Ein Zug Wildenten in geordnetem Fluge zog am Abendhimmel vorüber, sie verschwanden schnell wie kleine Pünktchen am Horizont. — Dämmerung trat ein und legte sich wie ein schützender Schleier über die schlafende Landschaft. Die Sterne blinkten auf und der Mond brach durch die Abendwolken. —„Nun ruhen alle Wälder...“
Und der weite Sternenhimmel wurde zum Hüter der Nacht über der schönen östlichen Landschaft im Frühlingszauber. Christel Papendick
Langelsheim. Den Heimatabend der „Ostdeutschen Landsmannschaft“ am 30. April im Gasthof „Zur Sonne“ wird Schulrat a. D. Papendick mit seiner Seesener Kreisgruppe unter dem Leitgedanken „Wir singen den Frühling ein“ gestalten.
Seite 16 Warum August die alten Griechen nicht leiden konnte.
Eine lustige Geschichte aus dem alten Ostpreußen / Erzählt von Julius Konrad Beckmann.
Zwei Zeichnungen: Die Zeichnungen sind entnommen aus: „Pepita“, der Geschichte eines Trakehner Pferdes, von Herbert v. Böckmann. Erschienen im Holzner-Verlag.
Wenn heute der Briefträger die Postsendung durch den Türschlitz in den Kasten an der Flurtür gleiten lässt, hat bestimmt niemand bei diesem Vorgang das Gefühl einer besonderen Begebenheit.
Vor einem Menschenalter dagegen war das Erscheinen des Postboten noch ein kleines Ereignis, und das besonders auf dem flachen Lande.
Jedes Mal, wenn der bärtige Mann mit der prallgefüllten Umhängetasche mit einem Krückstock und Pelerine um die Mittagszeit über den Hof des Gutes Szameitschen zum Herrenhaus schritt, schaute August, der Pferdeknecht, sehnsuchtsvoll hinter ihm drein. Einmal im Leben einen Brief zu erhalten, war einer seiner brennendsten Wünsche. Hei, wie würden die Leute die Köpfe zusammenstecken und ihn beneiden, wenn der Postbote eines Tages zum Stall kommen würde und fragen: Sind Sie Herr August Krauledat? Ich habe einen Brief für Sie. — Jawoll, Herr Krauledat, würde er sagen, denn das wusste August, dass auf jedem Brief vor dem Namen des Empfängers das Wörtchen „Herr“ stehen musste.
Eines Tages nun sollte es tatsächlich geschehen, dass Augusts Wunsch in Erfüllung ging. Zwar fragte der Postbeamte ihn nicht viel nach seinem Namen, denn der Inspektor hatte August einfach über den Hof herangerufen. Trotzdem war sein Stolz grenzenlos.
Als er nach dem Mittagessen, das er als Lediger in der Leutestube des Gutshauses schnell vertilgt hatte, das Schreiben mit seinem alten Taschenmesser aufschnitt, fiel ihm zuerst einmal ein rundes Amtssiegel auf. Aber dann war Holland in Not, denn August hatte in der Dorfschule wohl auch einmal lesen und schreiben gelernt, aber das war schon lange her.
Nach bewährter Methode fing er zu buchstabieren an. Die Druckschrift des Stempels ging noch allenfalls. Da war nichts zu rütteln, der Brief war vom Amtsgericht Darkehmen. Den handgeschriebenen Inhalt zu entziffern, war schon schwieriger. Ange Ange, klagt klagt, — Angeklagt. Wegen wegen, Sachbe Sachbe, Schädigung Schädigung, Sachbeschädigung??? — Damit wusste er nichts anzufangen.
„Kunn dat v'leicht heete „Zachbeschädigung'? Zach heet mien Schnieda“, so überlegt er, „dee, wo mie grönlachtige Hoos gemoakt hewwt. Dee ohle Büx, wo hernach noch utgefahlt wär. Na wacht, du Aaskreet! Äwer dem hebb eck noch goarnuscht gedoahne!“
Mühselig buchstabiert er weiter und stellt fest, dass er zu Donnerstag in kommender Woche zu einem Termin im Amtsgericht zu erscheinen hat. - - -
In aller Frühe macht sich August reisefertig. Fein sieht er aus mit seinem blauen dicken Rock und der ziegelroten Weste mit den blanken Nickelknöpfen, dem gelb-rot-grün gewürfelten Halstuch und der grauen Stiefelhose. Die langen Stiefel hat er ordentlich mit Tran eingerieben. Sie riechen in weitem Umkreis. Als er aufgerufen wird, sieht er sich in einem Zimmer zwei Herren gegenüber. Alles ist sehr feierlich. Die Herren haben lange schwarze Mäntel an mit sehr weiten Ärmeln, beinahe wie bei einem Begräbnis, denkt er. Dann wird er nach seinen Personalien gefragt. Und dann sieht ihn der eine der Herren — das muss wohl der Oberste sein — ganz streng durch seine Brillengläser an und sagt:
„Angeklagter, geben Sie zu, am 20. Juli dieses Jahres im Park des Schlosses von Beynuhnen die Statue der Venus von Milo lädiert zu haben?“
Hätte einer unsern August in Chinesisch angesprochen, wäre der Erfolg der gleiche gewesen. Mit aufgerissenen Augen starrte er den Richter an und krazte sich verbiestert am Kopf.
„Wat segge Se doa, scheenstet Herrke? Nuß von de Mihl? Eck sull — wie segge opp Pladditsch ‚Nät‘ — eck sull Nät von de Mähl gestoahle hebbe? Dat is doch rein ohnmäglich! Eck sie doa nie nich oppe Mähl gewese un Nät wasse doa ook goanich! Nee, scheenstet Herrke, eck weet von nuscht. Eck hebb noch nie nich gestoahle un noch keinem Minsche nich bedroage“.
Soviel der Herr sich auch Mühe gab, August blieb dabei: Eck weet von nuscht.
Schließlich wird es dem Richter zu bunt und er wendet sich an den neben ihm sitzenden Protokollführer.
„Herr Aktuarius, sprechen Sie bitte mit dem Mann, Sie können ja wohl plattdeutsch“.
„Nu horch mal too, August“, sagt dieser freundlich. „Wärscht du in diesem Soamer in Beynuhne?“
„Joa, scheenstet Herrke!“ „Wärscht du ook im Schlott?“ „Joa, scheenstet Herrke, dat war eck“.
„Doa in em Park, doa stoahne doch so veele groote witte Poppkes. Hest du doa nich dem eene witte Poppke de Näs affgeschloahne?“
„Joa, scheenstet Herrke, wat sull eck leege, dat hebb eck gedohne“.
„Na, August, denn vertell mi moal, wie dat gekoahme is“.
„Scheenstet Herrke, eck besup mi sonst nie nich. Äwer an jennem Dag hadd eck doch toveel gedrunke. Un wie eck da so in em Park de witte Poppkes besach, doa stunn doch mit eenmoal so e nacktiges Frugensmisch vor mi, de hadd ook rein garnuscht von Kleedasche an. Dat ärgert mi nu dunnemals und eck seed: Kreet, schämst du di goanich? Wärscht du di nich v'leicht Kleedasche antheene? — Un wie de nackte Margell da immer nich opphöre wull, doa ward eck doch so bossig, dat eck mienem Pitschesteel namm un er vor em Dassel schlog“.
„August, wat du doa gedohne hest, dat is sehr sehr schlimm. Mottst du denn immer glieks schloahne, wenn di wat ärgert? Dem Poppke is nu kaputt un nich mehr to bruke“.
„Nee, scheenstet Herrke, doa hebbe Se recht, dat war schlecht von mi. Äwer eck war denn ook vom nächste Jahrmarkt für dree Gille e anderet sehr scheenet Poppke köpe, foartzig eent mit Kleedasche, sön Se denn tofrede?“
„August, dat is nich genoog. De Poppkes von Beynuhne sinn von de ohle Grieche gemoakt un solke Poppke sin sehr düer“.
Kopfschüttelnd vernimmt August, dass er wegen mutwilliger Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von fünf preußischen Talern verurteilt ist. - - -
Von seiner Sehnsucht nach Briefen war er geheilt. Außerdem hatte er eine Stinkwut auf die alten Griechen.
„De ohle Grieche sin Bedrägersch“, pflegte er zu sagen, wenn die Sprache auf sein Erlebnis kam. „Fief Dahler för e nackte Popp!“
Auch schlagen tat er nicht mehr so leicht und selbst wenn der störrische Nebenwallach ihn immer wieder beim Pflügen aus der Furche ging, nahm er nicht sofort die Peitsche, sondern schimpfte nur: Heitsch, du Ohler Griech!
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