Ostpreußen-Warte, Folge 03 vom März 1955

Ostpreußen-Warte
Folge 03 vom März 1955

 

 

Seite 1 und 2  Wiedervereinigung als das Fernziel. Aufstellung landsmannschaftlicher Verbände aus politischen Gründen nicht vertretbar.

Auf einer vom Verband der Landsmannschaften veranstalteten Tagung in Königswinter, an der die Sprecher und Bundesgeschäftsführer aller Landsmannschaften sowie Vertreter der Vereinigten Landsmannschaften der Sowjetzone, der Deutschen Jugend des Ostens, der Bundesbehörden und der Vertriebenenpresse teilnahmen, sprachen am Montag, den 7. März, der Sicherheitsbeauftragte Abgeordneter Theodor Blank und der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Bundestages, Abgeordneter Kiesinger, über Fragen der Außen- und Wehrpolitik. Der Vorsitzende des Verbandes der Landsmannschaften, Dr. Baron Manteuffel-Szoege (MdB), hatte zu dieser Tagung eingeladen, um allen an der Vertriebenenpolitik maßgeblich beteiligten Kreisen die Möglichkeit zu bieten, sich über diese Problematik und in diesem Rahmen über die besonderen Belange der Vertriebenen zu informieren.

 

Abgeordneter Blank skizzierte den Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik in den Gruppierungen vom rechtlichen Status der Souveränität, vom Standpunkt des europäischen Zusammenschlusses und von der Beteiligung am Nordatlantikpakt. Er begründete seine Auffassung, dass soziale Leistungen einerseits und Divisionen andererseits keine echte Alternative darstellen. Nur die nachdrückliche Berücksichtigung beider Fragen gewährleiste sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit. In der anschließenden Diskussion stellte er u. a. fest, dass die Aufstellung landsmannschaftlicher Verbände aus einer Reihe politischer und militärischer Gründe nicht vertretbar ist. Er begrüßte auch die sich in letzter Zeit anbahnende enge Zusammenarbeit zwischen seinem Amt und der Spitzenorganisation der Landsmannschaften sowie der Deutschen Jugend des Ostens, da bei den Mitgliedern dieser Organisationen aus schicksalhafter Erfahrung die Bereitschaft zur Verteidigung der Freiheit besonders lebendig ist.

 

Abgeordneter Kiesinger behandelte die außenpolitische Lage der Bundesrepublik unter dem besonderen Aspekt der deutschen Wiedervereinigung. Es werde ein besonderes Anliegen der deutschen Außenpolitik sein, dafür zu sorgen, dass das Problem der deutschen Wiedervereinigung auf der Tagesordnung der Weltpolitik gehalten wird. Es müsse auch in der Öffentlichkeit bei jeder Gelegenheit angesprochen werden, z. B. durch Symbole, durch eine starke Betonung des Vorpostens Berlin und durch weitere Aktionen in diesem Sinne. Sehr wesentlich sei jedoch dabei, durch fortwährende Aufklärung der westlichen Welt die heute zweifellos noch bestehenden Widerstände und falschen Vorstellungen über Deutschland zu beseitigen und die Länder der freien Welt allmählich davon zu überzeugen, dass die Wiedervereinigung Deutschlands letzten Endes im Interesse der Sicherung und Festigung des Friedens und der Freiheit liege. Kiesinger betonte ausdrücklich, dass die Wiedervereinigung mit den deutschen Ostgebieten und damit die Wiederherstellung des deutschen Vaterlandes unverrückt als Fernziel aller Bemühungen der deutschen Politik bestehen bleibe. Anzustreben bleibe auch der Einschluss der östlichen Nachbarn Deutschlands in das europäische Ordnungssystem. Kiesinger endete mit der Feststellung, dass man sowohl den Westen als auch den Osten von der festen Entschlossenheit des deutschen Volkes überzeugen müsse, dass alle auf die Wiedervereinigung zielenden Bemühungen entsprechend den seit Jahr und Tag vertretenen Auffassungen der Landsmannschaften sich nur auf dem Wege friedlicher Verhandlungen bewegen müssen.

 

Tags zuvor hatte das Sprechergremium des Verbandes der Landsmannschaften in Anwesenheit des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, Prof. Oberländer, und des Staatssekretärs Thedieck vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen einen Arbeitsbericht seines Vorsitzenden, Baron Manteuffel-Szoege, entgegengenommen, aus dem sich ergab, dass durch in letzter Zeit verstärkte Verbindungen zu parlamentarischen Kreisen und zu Bundesbehörden die Arbeit der Landsmannschaften im Interesse der heimatpolitischen, kulturellen und sozialen Anliegen der Heimatvertriebenen noch wirkungsvoller gestaltet werden konnte.

 

Das Sprechergremium beschloss, am 3. Juli in Berlin im Rahmen einer großen Kundgebung des Verbandes der Landsmannschaften und der im Berliner Landesverband der Vertriebenen zusammengeschlossenen Landsmannschaften der vor 10 Jahren erfolgten Vertreibung zu gedenken. An einer der Großkundgebung vorangehenden Delegiertentagung aller Landsmannschaften werden sich u. a. auch die Länderparlamente beteiligen.

 

Die Sprecher billigten ferner den Vorschlag, den diesjährigen „Tag der Heimat“ am 7. August zusammen mit allen Organisationen der Vertriebenen und mit der westdeutschen Bevölkerung durchzuführen. Im Rahmen der Tagesordnung wurde auch die noch nicht völlig geklärte Frage der Konstituierung der Landsmannschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechtes, der Durchführung künftiger Sprechertagungen in Landeshauptstädten und die Verbindung der Landsmannschaften mit den Vertriebeneneinrichtungen beider Kirchen behandelt.

 

 

Seite 1   „Grenzen der Sowjetmacht“. Eine bedeutsame Schrift des Göttinger Arbeitskreises von Prof. Wilhelm Starlinger

Angesichts der vielen, sich oft völlig widersprechenden Prognosen über die Machtkämpfe im Kreml und den zukünftigen politischen Kurs der Sowjetunion, ist man manchmal geneigt, einem bekannten englischen Publizisten beizupflichten, der von vielen „Russlandexperten“ behauptet, sie seien entweder „Dummköpfe oder Schurken“. Ganz zweifellos wurden und werden diese Artikel, Aufsätze und Bücher in lautester Absicht und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Aber ebenso zweifellos sind viele dieser Veröffentlichungen nicht mehr und weniger als vage Spekulationen. Verständlich, denn der hermetisch wirkende Eiserne Vorhang, verbunden mit einer strengen Nachrichtenkontrolle, verhindern jeden Einblick hinter die Kulissen. Das alles trägt dazu bei, uns das Wesen der sowjetischen Großmacht noch unverständlicher und rätselhafter erscheinen zu lassen, als es ist. — Um so begrüßenswerter ist es, dass jetzt, zu einem Zeitpunkt, da das Interesse wieder einmal verstärkt auf die politische Entwicklung in der Sowjetunion gerichtet ist, unter dem Titel „Grenzen der Sowjetmacht“ ein Werk erschienen ist, das geeignet sein dürfte, die Rätsel um die rote Sphinx entschleiern zu helfen. Es stammt aus der Feder des Königsberger Universitätsprofessors Dr. med. Wilhelm Starlinger und ist ein Beiheft zum Jahrbuch der Albertus-Universität in Königsberg, vom Göttinger Arbeitskreis herausgegeben, und im Holzner-Verlag in Kitzingen a. M. erschienen.

 

In überzeugender Weise, werden in diesem Buch die Erfahrungen zusammengefasst, die sich für eine Beurteilung des sowjetischen Staates und seiner Führung aus langer und eingehender Berührung mit hohen sowjetischen Funktionären und Offizieren ergeben, deren Gefangenschaft der Autor teilte. Das Buch ist kein Erlebnisbericht schlechthin, persönliche Erlebnisse werden nur soweit erwähnt, soweit sie Allgemeingültigkeit besitzen oder zur Unterstreichung der gewonnenen Erkenntnisse dienen. Ebenso hat Prof. Dr. Starlinger jede Schwarzweiß-Malerei vermieden, dafür aber mit den geschärften Augen des Arztes wissenschaftlich objektive Beobachtungen angestellt, und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen.

 

Der sowjetische Mensch.

Im sowjetischen Raum lebt heute nach amtlichem Sprachgebrauch der sowjetische Mensch, der aber in Wirklichkeit nur eine Fiktion ist. Er existiert ebenso wenig wie der sowjetische Patriotismus. In Wirklichkeit existieren eine Unzahl von Völkern, Völkergruppen und Volkssplittern, aus der nur ein einziges als Nation geformtes Volk hervorragt: Das Großrussentum. Sein biologisches, militärisches, politisches und kulturelles Übergewicht ist so groß, dass ihm die absolute Führung nicht nur als proklamierter Anspruch, sondern als unabdingbare Wirklichkeit zukommt. Aller Sowjetpatriotismus ist deshalb nichts anderes als Sowjetpatriotismus. Er ist daher politisch und geschichtlich gleichgültig wie ein Ukrainer oder Weißrusse, ein Balte, ein Turkmene oder ein Kirkise denkt, fühlt oder handeln würde, entscheidend ist allein für den Riesenraum des russischen Reiches das Großrussentum. Entscheidend sind deshalb auch die positivierenden und negativierenden Eigenschaften dieses Volkstums. Auf der einen Seite Tapferkeit, Bedürfnislosigkeit, Leistungsfähigkeit, leichte Lenkbarkeit, leichte Entflammbarkeit und die große Fähigkeit zu improvisieren und sich auf eine neue Lage mit Erfolg einstellen zu können. Demgegenüber wirken sich Unberechenbarkeit im Fühlen, Denken und Handeln, periodisch auftretende Initiativlosigkeit bis zur extremen Faulheit, die immer wieder auftretende Unwahrhaftigkeit und Untreue gegen sich selbst und andere und ein unüberwindlicher Hang zur Plan- und Disziplinlosigkeit recht negativ aus. Es ist klar, dass bei einer Neutralisierung der minderwertigen und geschickten Ausnutzung der positiven Eigenschaften durch eine wissenschaftlich geschulte und kalt rechnende Führerschicht diese Menschen im Kollektiv zur höchsten Kraftentfaltung geführt werden können. Und das geschah und geschieht mittels Terror.

 

Die heutige Sowjetunion ist, wie der Verfasser weiter feststellt, ein Raum ohne Volk mit einer Gesamtbevölkerung von 210 Millionen Menschen auf einen ungeheuren Raum von 20 Millionen Quadratkilometern. Die Zahl beruht auf einer sorgfältigen Schätzung, da das Ergebnis der nach dem Kriege durchgeführten Volkszählung so unerwartet gewesen ist, dass man eine Veröffentlichung nicht wagte. Jedenfalls besteht bereits eine Stagnation der Bevölkerung und damit die drohende tödliche Gefahr nicht gegenüber dem Westen sondern dem Osten mit seinem ungeheuer von Jahr zu Jahr zunehmenden biologischen Druck. Diese Entwicklung führt der Verfasser auf die rasende Verstädterung nach dem Kriege und die Landflucht — vor allem der männlichen Bevölkerung — zurück. An zweiter Stelle steht der zerstörende Verschleiß der Frau als Frau durch totalen Arbeitseinsatz bei gleicher Normenforderung und schließlich die Kinder der vieler Millionen Soldaten, und der vielen Millionen Verurteilten, die für viele Jahre ausfallen.

 

 

Die geistige Grundhaltung.

Deutlich lassen sich drei große Bevölkerungsgruppen unterscheiden, 1. die sogenannte schaffende Intelligenz die der mittleren und höheren Partei- und Staatsfunktionäre, die höheren Offiziere der Wehrmacht und des MWD, der die größeren Kolchosenleiter hinzuzurechnen sind. 2. Das frühere Bauerntum, soweit es noch nicht kolchosiert ist und 3. die graue Masse des hin und her geschobenen „Termitenvolkes“, deren Menschentum beherrscht wird vom Kampf ums nackte Dasein. Niemals werden die beiden letzten Menschengruppen dem System gefährlich werden können, solange es in dessen intakter Lenkung bleibt. Nicht nur führungsmäßig, sondern auch konventionell und gesellschaftlich steht die I. Gruppe an der Spitze der Nation. Sie gibt ihr geradezu das Gepräge. Unter ihrer Oberfläche hat bereits ein immer sichtbar werdender Umbruch begonnen, der aus der offiziellen Staats- und Gesellschaftslehre herausführt, sich im wirklichen Leben zu ihnen im Gegensatz stellt, und auf alten Wegen, neuen, im Umriss bereits erkennbaren Zielen, zustrebt. Und wenn man sich auch noch ständig des offiziellen Jargons bedient, so hat man sich doch von der dialektisch-materialistischen Grundhaltung weitgehend entfernt. „Über den Marxismus-Leninismus als solchen diskutiert man nicht mehr, er ist Totem und Tabu zugleich, seine Worte zitiert man zwar täglich, aber planen und handeln muss man im wirklichen Leben, als ob das alles nicht bestünde“. Ein innerliches Ringen um diese Dinge, um ihren seelischen Inhalt, um eine Einheit von Dogma und Wirklichkeit, geschweige von Glauben und Leben wird gar nicht mehr versucht. Die großrussische-nationalmessianische Grundfärbung wurde davon nicht berührt. Prof. Starlinger veranschaulicht sie dadurch, dass er an Dostojewski erinnert „Ja, wir wollen den Frieden für alle Menschen, wir wollen das Heil der ganzen Welt, aber zuerst muss die Welt russisch werden, radikal russisch“. Dieses Wort charakterisiert das messianisch-eschatologisch aufgefasste Sendebewusstsein, das besonders bei der jungen Generation stark ausgeprägt erscheint.

 

Die innerpolitische Führungskrise.

Die innerpolitische Führungskrise, die mit dem Tod Stalins begann und deren Ende vorläufig noch nicht abzusehen ist, ist ein nur schlecht verhüllter Diadochenkampf um die Alleinherrschaft, der nach Meinung des Verfassers jedes außenpolitische Neuengagement solange verhindern wird, so lange er andauert.

 

Eng im Zusammenhang damit geht eine latente Wirtschaftskrise. Die sowjetische Volkswirtschaft steht ganz im Zeichen eines überzüchteten Staatskapitalismus. Die Planwirtschaft wurde soweit, überspitzt, dass, um es ebenfalls überspitzt zu sagen, „kein Nagel eingeschlagen werden soll, der nicht im Staatsplan vorgesehen ist“. Die Machtkämpfe wirkten auf den schon sehr schwerfällig arbeitenden Apparat noch weiter hemmend und störend. Dutzende von Planungs- und Wirtschaftsstellen, Industrieministerien wurden aufgelöst, zusammengeworfen und abermals neu formiert, so dass nach kurzer Zeit innerhalb der neu besetzten, zerrissenen, umgebildeten, verschmolzenen Befehlsstellen niemand mehr wusste, wer eigentlich der Befehlende sei und welche noch, oder schon nicht mehr, Geltung habe. Stockungen in der Materialzufuhr, Arbeitsausfälle auf der einen und ein Übersoll auf der anderen Seite sind die Folgen dieser Desorganisation. Prof. Starlinger hält es deshalb für unwahrscheinlich, dass die russische Wirtschaft zugleich ihre Landwirtschaft sanieren, die Schwerindustrie vergrößern, den notwendigen Konsumbedarf befriedigen und darüber hinaus auch noch Chinas und Nordkoreas wirtschaftliche Forderungen erfüllen kann.

 

Weltpolitische Perspektiven.

Die innen- und wirtschaftspolitische Krise kann nach Ansicht des Autors nur dann gemeistert werden, wenn der außenpolitische Druck verringert wird und eine langfristige gesicherte Friedensperiode unter gleichzeitiger Forcierung des Außenhandels zu erreichen ist. Er hält deshalb die russische „Friedensbewegung für die ganze Welt“ nicht für eine leere Proklamation und maskierte Propaganda, sondern für echt. Ein weiter Raum der Betrachtung ist dem Kräftespiel Sowjetunion-China-USA gewidmet. Die Sowjetunion fühlt sich biologisch und auf lange Sicht gesehen, China in keiner Weise gewachsen. China zählt heute bereits mehr als eine halbe Milliarde Menschen, die sich jährlich um 12 bis 15 Millionen vermehren. Dieses aber bedeutet, dass China unter den gegebenen Bedingungen seines Daseins sich ausbreiten muss, auch nach Norden und Westen. Die Russen haben diese Gefahr bereits erkannt. Trotz aller Beteuerungen des gemeinsamen Zieles sind sie ängstlich darauf bedacht, den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas dadurch aufzuhalten, dass sie ihre Hilfeleistungen in recht bescheidenem Rahmen halten. Hierin sieht der Autor eine große Chance für Amerika und die westliche Welt. Eine großzügige Hilfe für China könnte nach Meinung des Verfassers Mao-tse-tung veranlassen, aus dem Machtblock der toten Front auszuscheren, was das bisherige Kräfteverhältnis grundlegend verändern würde.

 

 

Seite 2   Dr. Ottomar Schreiber gestorben. Der Begründer der Landsmannschaft Ostpreußen wurde in München zu Grabe getragen.

An einem unfreundlichen Februarvormittag hatte sich eine Trauergemeinde von etwa 120 Personen in der Leichenhalle des Münchener Waldfriedhofes eingefunden. Der Boden neben dem Sarg war von einer kaum zahlbaren Menge von Kränzen bedeckt. Auf den Schleifen, unter denen neben dem Schwarz-Rot-Gold der Bundesrepublik das preußische Schwarz-Weiß vorherrschte, las man die Namen des Bundespräsidenten, verschiedener Ministerien und Staatssekretariate des Bundes, der bayerischen Ministerien. Die Landsmannschaft Ostpreußen hatte einen Kranz aus Kiefernästen niedergelegt und die Arbeitsgemeinschaft der Memelländer einen Kranz mit dem Wappen der Stadt Memel.

 

Unter den Männern, die dem Toten die letzte Ehre erwiesen, sah man u. a. Bundesvertriebenenminister Dr. Oberländer, seinen Vorgänger im Amt Dr. Lukaschek, unter dem Dr. Schreiber Staatssekretär war. Staatssekretär Dr. Thedieck vom Kaiser-Ministerium. Vom Vorstand der Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften sah man Dr. von Lodgman und Axel de Vries, die zugleich die Sudetendeutsche und die Baltendeutsche Landsmannschaft repräsentierten. Zahlreich waren die Vertreter der Landsmannschaft Ostpreußen, die vom Sprecher der LO, Dr. Gille, angeführt wurden. Die ostpreußischen Wirtschaftskreise waren durch die Konsuln Haslinger und Koch vertreten. Es sei nicht vergessen, dass auch der ehemalige deutsche Generalkonsul für das Memelland von Saucken gekommen war.

 

Ein Orgelvorspiel (Bach) leitete die Trauerfeier ein. Pfarrer Leitner, jetzt Altdorf bei Nürnberg, leitete seine Rede mit Versen von Simon Dach ein und machte in seinen zu Herzen gehenden Gedenkworten die geliebte Umwelt des Toten, die memelländische Heimat, lebendig. Er sprach von Memel, von der Johanniskirche, vom Ostseestrand mit so schlichter Eindringlichkeit, dass sich nicht nur die wenigen Memeler angesprochen fühlten. Man sah manchen im öffentlichen Leben gehärteten Mann, der sich mit der Hand über die Augen fuhr.

 

Bundesminister Prof. Dr. Oberländer gab in seiner Gedenkrede einen Lebenslauf des Verstorbenen. Dr. Thedieck gedachte des Toten als eines geachteten Kollegen und würdigte besonders die Bonner Tätigkeit Dr. Schreibers. Mit kurzen Ansprachen von Dr. Lodgman und Dr. Gille endete die Trauerfeier. Leise erklang von der Orgel das Lied vom Land der dunklen Wälder.

 

Mit dem Heimgang des Staatssekretärs a. D. Ottomar Schreiber am 6. Februar 1955 haben die Vertriebenen einen Freund und die Landsmannschaften eine der bedeutendsten Persönlichkeiten verloren. Schon als Präsident des memelländischen Landtages zwischen den Kriegen war Dr. Schreiber als ein Vorkämpfer des anständigen Deutschtums im nordöstlichen Eckpfeiler des Reiches weithin bekanntgeworden. Nach dem Zusammenbruch rief er als einer der ersten seine ostpreußischen Landsleute zum Zusammenschluss auf. Er hat als Mitbegründer und erster Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen den Auf- und Ausbau dieser Gemeinschalt mit geschichtlich, wachsendem Zusammengehörigkeitsbewusstsein vollbracht. 1949 zum Leiter des Amtes für Heimatvertriebene innerhalb der Zwei-Zonen-Verwaltung in Frankfurt a. M. berufen, wurde ihm nach Errichtung des Bundesministeriums für Vertriebene das Amt des Staatssekretärs dieses Ministeriums übertragen.

 

In der landsmannschaftlichen Arbeit wie auch in seinem amtlichen und privaten Wirken hat Dr. Schreiber den Gedanken landsmannschaftlicher Gemeinsamkeit und die Pflege des kulturellen Heimaterbes immer wieder vorbildlich vertreten. Die Bedeutung des Verstorbenen reicht weit über die Gemeinschaft der Landsmannschaften und aller Vertriebenen hinaus. Politische, kulturelle und Wissenschaftliche Kreise im In- und Ausland beklagen den Verlust dieses mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik ausgezeichneten Ostdeutschen.

 

Unzählige Nachrufe aus allen Kreisen des Volkes und der Presse betonen, dass die durch Dr. Schreibers Tod entstandene Lücke schwer zu schließen sein wird.

 

Der Vorsitzende des Verbandes der Landsmannschaften, Baron v. Manteuffel. Szoege, schreibt in seinem Nachruf:

 

„Der Verlust traf zunächst seine Landsmannschaft, mit der er sich mit allen Fasern seines Ich verbunden fühlte. Durch persönliche Freundschaft mit seinem Minister Dr. Lukaschek verbunden, war er unermüdlich bestrebt, sein Ministerium in den Dienst der Sache der Vertriebenen zu stellen. Darüber hinaus aber verlieren alle Landsmannschaften und vornehmlich ihr Verband einen weisen Berater, einen guten Freund, dessen Gedenken wir dadurch ehren wollen, dass wir seinem Beispiel nacheifern“.

 

Bundespräsident Prof. Heuss betonte in seinem Beileidsschreiben an die Gattin das Wesen der menschlichen Zuneigung, die nüchtern sachliche Beurteilungsgabe und die menschliche Wärme des Verstorbenen. Bundeskanzler Dr. Adenauer schrieb, seine großen Verdienste für die Eingliederung der Vertriebenen wie vor allem als Bewahrer ostdeutschen Kulturgutes und als Förderer landsmannschaftlichen Lebens werden unvergessen bleiben. Bundesvertriebenenminister Prof. Dr. Oberländer würdigte in einem längeren Nachruf die Verdienste Dr. Schreibers um die Vertriebenengesetzgebung und um sein unermüdliches Eintreten für das Recht auf Heimat. „Er war einer der gläubigsten Verfechter eines sittlichen und moralischen Heimatrechtes der Völker, dem Geltung zu verschaffen, er als seine Lebensaufgabe empfand. Ihr diente er unermüdlich auch nach seinem Ausscheiden aus seinem Amt. Sein Kämpfen verhalf der Auffassung zum Erfolg, dass die Lösung des Vertriebenenproblems ein patriotisches Anliegen des ganzen deutschen Volkes ist“.

 

 

Seite 2   Pariser Verträge vom Bundestag gebilligt.

Nach einer viertägigen, oft sehr leidenschaftlich geführten Redeschlacht wurden vom Bundestag die Pariser Verträge in dritter Lesung und damit endgültig mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der Opposition gebilligt. Dadurch stimmte das Parlament der Bundesrepublik u. a. auch der Wiederaufrüstung Westdeutschlands zu. Gegenüber anderen Verträgen fand das heißumstrittene Saarstatut nur eine knappe Mehrheit, da sich dagegen nicht nur die SPD, sondern auch fast die ganze FDP und eine Mehrheit des BHE aussprachen.

 

Nach der endgültigen Verabschiedung der Pariser Verträge und des Saarabkommens durch den Bundestag müssen die Verträge jetzt auch vom Bundesrat (der Vertretung der Bundesländer) gutgeheißen werden. Erst dann kann Bundespräsident Heuss das Vertragswerk unterschreiben. Für die Bundesrepublik ist der Ratifikationsprozess jedoch erst beendet, wenn die entsprechenden Urkunden darüber in Paris hinterlegt worden sind. — In Kraft treten die Verträge aber erst dann, wenn auch die anderen Vertragspartner ihre Urkunden gleichfalls deponiert haben.

 

Das Pariser Vertragswerk, das insgesamt aus vier Einzelverträgen besteht, wurde von uns mit jeweils verschiedenen Partnern abgeschlossen.

 

Beim Vertrag über die Beendigung des Besatzungsstatuts sind unsere Vertragspartner die USA, Großbritannien und Frankreich. Die gleichen Partner haben wir beim Truppenvertrag, der die Stationierung ausländischer Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik regelt. Im Vertrag über den Beitritt der Bundesrepublik zur Westeuropa-Union und zum Nordatlantikpakt sind folgende Länder unsere Partner: die sechs Mächte Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und Großbritannien; in der NATO werden wir neben Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, Holland Norwegen, Portugal, den USA, Griechenland und der Türkei 15. Mitglied.

 

Beim Saarabkommen schließlich ist Frankreich unser einziger Partner.

 

Den sie betreffenden Teil der Pariser Verträge, die Aufnahmen der Bundesrepublik in die Westeuropa-Union und die NATO, haben bisher folgende Länder noch nicht ratifiziert: Frankreich, die Niederlande, Italien, die USA und Belgien. Die letzten beiden Staaten hatten ihre Zustimmung bis nach der Ratifizierung der Verträge durch Paris und Bonn zurückgestellt.

 

 

Seite 2   Neuer Abänderungsvorschlag zum Altsparergesetz.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Heimatvertriebene, E. Kuntscher, hat — unterstützt von der gesamten CDU-Fraktion — dem Bundestag einen Antrag auf Abänderung gewisser im „Gesetz über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener“ enthaltenen Termine vorgelegt. Bisher war nur der Vertriebene entschädigungsberechtigt, der neben einer Reihe anderer Voraussetzungen nachweisen konnte, dass er bis zum 31. Dezember 1950 seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet (auch Berlin-West) hatte oder nach diesem Termin direkt aus den Vertreibungsgebieten oder als Heimkehrer oder im Wege der Familienzusammenführung zugezogen ist. Vertriebene, die nach diesem Zeitpunkt z. B. trotz Erfüllung aller anderen Bedingungen aus der Sowjetzone zuzogen, erhielten den Berechtigungsanspruch nicht, da sie ja nicht direkt aus den Vertreibungsgebieten kamen. Auch die Vertriebenen waren benachteiligt, die sich in einem anderen Land aufgehalten hatten. Der jetzt vorgelegte Antrag will erreichen, dass die allgemeine Berechtigungsfrist bis zum 31. Dezember 1952 ausgedehnt wird und damit nachträglich auch all die Vertriebenen entschädigungsberechtigt werden, die nach dem 31. Dezember 1950, jedoch vor dem 31. Dezember 1952, nicht direkt aus den Vertreibungsgebieten oder als Heimkehrer oder im Zuge der Familienzusammenführung ins Bundesgebiet gekommen sind.

 

 

Seite 2   Bundestag verbessert Lastenausgleich. Vierte Novelle zum LAG einstimmig angenommen.

In seiner 68. Sitzung hat der Bundestag am 23.02.1955 die 4. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz einstimmig verabschiedet. Die erfreuliche Tatsache der Einstimmigkeit ist als Beweis dafür zu werten, dass die berechtigten Ansprüche der vom Krieg und seinen Folgen so überaus hart betroffenen Teile unseres Volkes auf eine angemessene Entschädigung ihrer Verluste nicht mehr bestritten werden und dass die Beseitigung der noch im LAG enthaltenen Härten als dringende Notwendigkeit anerkannt wurde.

 

Im Einzelnen bringt das 4. Änderungsgesetz folgende Verbesserungen:

 

Der bisherige Stichtag des LAG (31.12.1950) wurde in Anpassung an das Bundesvertriebenengesetz auf den 31.12.1952 verlegt. Vertreibungsschäden können nunmehr alle diejenigen Vertriebenen geltend machen, die bis zum letztgenannten Termin ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder West-Berlin genommen haben. Außerdem können auf Grund der nunmehr erfolgten Änderung auch ausgewanderte Vertriebene, die in der Zeit zwischen Vertreibung und 31.12.1952 mindestens ein Jahr lang ihren ständigen Wohnsitz im Bundesgebiet oder Berlin-West hatten, Lastenausgleichs-Ansprüche geltend machen (§ 12).

 

Die bisherigen Schadensgruppen 1 - 12 des § 246 wurden durch Einschiebung je einer weiteren Schadensgruppe auseinandergezogen, wobei gleichzeitig die Grundbeträge für die Hauptentschädigung angehoben wurden.

 

Beispiel: Für einen Schadensbetrag von RM 1200,-- errechnete sich nach bisheriger Vorschrift eine Hauptentschädigung von DM 800,--. Nach der nun geschaffenen Verbesserung beträgt der Grundbetrag dieser Schadensgruppe DM 1000,--.

 

Bei einem Schaden von RM 7500,-- ergab die bisherige Berechnung DM 2900,-- Hauptentschädigung, die neue Berechnung ergibt DM 3300,--.

 

Die Auseinanderziehung der Schadensgruppen und Anhebung der Grundbeträge gerade in den unteren Schadensgruppen schien deshalb notwendig, weil gerade diese Geschädigtengruppen, die dem sozialschwachen Teil unseres Volkes bzw. dem unteren Mittelstand angehörten, am härtesten von den erlittenen Verlusten betroffen waren.

 

Verlorene Bauspargruppen, Pfandbriefe, Obligationen, Lebensversicherungen, Hypotheken-Ansprüche und Grundschuldenansprüche werden künftig in Höhe der aus dem Altsparergesetz zustehenden Entschädigung auch im Rahmen der Hauptenschädigung des Lastenausgleichs entschädigt.

 

Bisher erhielten Vertriebene nur eine Quote von der den einheimischen Geschädigten auf Grund des Altsparergesetzes zustehenden Entschädigung.

 

Als spätester Fälligkeitstermin für die Auszahlung der Hauptenschädigung wurde der 31.03.1979 festgesetzt. Dadurch wird schon jetzt der Anspruch auf Hauptentschädigung bankmäßig beleihbar.

 

Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau können nach der Neuregelung nunmehr auch ohne Nachweis eines gesicherten Arbeitsplatzes gewährt werden. Auch Rentner, Pensionäre, Kriegerwitwen können künftig solche Aufbaudarlehen für Wohnungsbau erhalten.

 

Anträge auf Kriegsschadenrente wegen Erwerbsunfähigkeit können nunmehr bis 31.12.1955 gestellt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Erwerbsunfähigkeit bereits am 31.08.1953 vorlag. Nach der alten Regelung war eine Antragstellung nur bis 31.08.1955 möglich, wobei die Erwerbsunfähigkeit auf den 01.09.1952 rückwirkend nachgewiesen werden musste.

 

Die Sätze der Unterhaltshilfe wurden erhöht

 

für den Alleinstehenden auf 100,-- DM

 

für den Ehegatten auf 50,-- DM

 

für jedes Kind auf 35,-- DM

 

Die erhöhten Sätze werden rückwirkend ab 01.07.1954 nachgezahlt.

 

Die Pflegezulage, die von bisher DM 37,50 auf DM 50,-- erhöht wurde, wird künftig auch an den Ehegatten gewährt, sofern beide pflegebedürftig sind (bisher war eine Zahlung der Pflegezulage nur an Alleinstehende möglich).

 

Die bisher voll auf die Unterhaltshilfe anzurechnende Elternrente wird künftig bei einem Elternteil mit DM 20,--, bei Elternpaaren mit DM 30,-- von der Anrechnung auf die Unterhaltshilfe freigestellt.

 

Die bisherigen Freibeträge bei Sozialrenten (Invaliden-Rente, Angestellten-Rente usw.) sind im Änderungsgesetz verdoppelt worden.

 

Die Unterhaltshilfe für Vollwaisen wird von bisher DM 45,-- auf künftig DM 55,-- erhöht.

 

Die Krankenversorgung der Unterhaltshilfeempfänger wurde neu geregelt. Unterhaltshilfeempfänger erhalten künftig ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschl. Zahnersatz, Arzneien, Verbands- und Heilmittel, sowie Krankenhausbehandlung nach Art und Umfang der Leistungen der öffentlichen Fürsorge. Die zahnärztliche Fürsorge ist künftig wesentlich verbessert. Eine Aussteuerung ist nicht mehr möglich.

 

Der bisherige Sperrbetrag des Hauptentschädigungsanspruchs bei Bezug von DM 5000,-- auf höchstens DM 3600,-- herabgesetzt worden. Eine weitere Senkung dieses Sperrbetrages tritt in bestimmter Staffelung bei den Unterhaltsdigungsanspruchs? bei Bezug von Unterhaltshilfe ist von DM 5000,-- auf höchstens DM 3600,-- herabgesetzt worden. Eine weitere Senkung dieses Sperrbetrages tritt in bestimmter Staffelung bei den Unterhaltshilfe-Empfängern ein, die

 

a) die Unterhaltshilfe nicht voll, sondern als Aufstockung neben anderen Einkünften (z. B. einer Rente) beziehen,

 

b) die bereits älter sind.

 

Der niedrigste Anrechnungsbetrag beläuft sich auf DM 1500,--.

 

Der Einkommenshöchstbetrag der Entschädigungsrente wird, ebenfalls erhöht, und zwar

 

a) bei Alleinstehenden auf DM 250,-- (bisher DM 200,--),

 

b) der Ehegattenzuschlag von DM 50,-- auf DM 75,--,

 

c) der Zuschlag für Kinder von DM 27,50 auf DM 35,--,

 

d) bei Vollwaisen blieb er auf DM 100,--.

 

Die Entschädigungsrente beträgt im Normalfalle 4 v. H. des Hauptentschädigungs-Grundbetrages. Bisher wurde für jedes weitere am 01.01.1952 vollendete und höher als das 65. Lebensjahr ein Alterszuschlag von ½  v. H. gewährt. Dieser Alterszuschlag ist nun auf 1 v. H. erhöht worden.

 

Vorauszahlungen auf die Entschädigungsrente (§ 281) sind künftig nicht mehr an die Voraussetzungen der Unterhaltshilfe (Einkommenshöchstbetrag der Unterhaltshilfe) gebunden und können bis zu den Einkommenshöchstgrenzen der Entschädigungsrente (s. Ziffer 14) geleistet werden.

 

Die Entschädigungsrente wird künftig auf Lebenszeit gewährt. Bisher wurde sie nur bis zur Aufzehrung des Hauptentschädigungsanspruches gezahlt.

 

Aufbaudarlehen zur Förderung einer landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstelle können künftig auch neben Kriegsschadenrente gewährt werden. Bisher war nur eine der beiden Leistungen möglich.

 

Bei Heimunterbringung von Personen, die Unterhaltshilfe erhalten, bekommt der Geschädigte in jedem Falle DM 17,-- (Ehepaare DM 25,—) Taschengeld, auch wenn die zu beanspruchende Unterhaltshilfe (z. B. wegen Bezugs anderer Renten) diese Beträge nicht erreicht.

 

Wohnraumhilfe wird künftig auch Sowjetzonen-Flüchtlingen gewährt. Diese waren bisher ausgeschlossen.

 

Das Problem der zerschnittenen Städte und Gemeinden entlang der Oder-Neiße-Linie wurde zufriedenstellend geregelt.

 

Fremde Währungen können bei der Schadensfeststellung mit einem höheren als dem Umrechnungssatz auf RM umgerechnet werden, sofern die Kaufkraft der fremden Währung mit dem offiziellen Umrechnungssatz in einem Missverhältnis steht.

 

Beim Währungsausgleichsgesetz für Sparguthaben Vertriebener wurde der Stichtag ebenfalls auf den 31.12.1952 verlegt.

 

Der Altsparerzuschlag beim Währungsausgleich wird in den meisten Fällen erhöht. An die Stelle der Vermutung, dass am 01.01.1940 20 v. H. des letzten nachgewiesenen Kontostandes vorhanden waren, tritt die Vermutung, dass für das Kalenderjahr 1944 nachgewiesene Kontobestände am 01.01.1940 zu 25 v. H., für das Kalenderjahr 1943 zu 33 ½ v. H., für 1942 zu 40 v. H., für 1941 zu 60 v. H. und für 1940 zu 80 v. H. vorhanden waren.

 

Als weiteres Beweismaterial im Währungsausgleich fürr Sparguthaben Vertriebener werden die Vermögensanmeldungen nach Militärregierungsgesetz Nr. 53 anerkannt.

 

 

 

Seite 3   Geschenke aus  Bernstein für das persische Kaiserpaar.

 

Foto: Der Brieföffner, den der Schah als Geschenk der Hansestadt Hamburg erhielt, ist aus Naturbernstein, Rotgold und Elfenbein, gearbeitet.

 

Foto: Aus Bernstein ist die Schmuckkassette angefertigt, die Bürgermeister Sieveking als Geschenk der Stadt Hamburg Kaiserin Soraya überreicht. Es wurden besonders interessante Natursteine verarbeitet. Die Kassette wurde in der Bernstein-Manufaktur, deren Sitz jetzt die Hansestadt Hamburg ist, angefertigt

 

Aus Bernstein sind Kassette und Brieföffner gearbeitet, die Bürgermeister Sievekingg als Geschenke der Stadt Hamburg Seiner Kaiserlichen Majestät Mohammed Reza Pahlavi, Schahinschah von Iran, und Kaiserin Soraya im Hamburger Rathaus überreichte.

 

Die Bernstein-Kassette für die Kaiserin ist aus mattwolkigem Naturbernstein in

regelmäßiger Mosaikarbeit angefertigt. Die drei rundlaufenden Wulstprofile sind aus interessanten, gewölkten Natursteinen. Die Außenseite des Deckels trägt das Große Hamburger Staatswappen in ausgesägter Goldschmiedearbeit.

 

Bei dem aus Naturbernstein, Rotgold und Elfenbein gearbeiteten Brieföffner, einem bezaubernd-schönen Stück, liegt der Hauptreiz in der farbigen Wirkung des Materials, das alle Nuancen vom honiggelben bis zum dunkelgeflammten Stein aufweist.

 

Beide Arbeiten wurden in der Bernstein-Manufaktur in Hamburg angefertigt.

 

Die aparten Bernsteingeschenke werden die Kaiserlichen Majestäten erfreuen, denn Persien hat das Gold des nordischen Meeres zu allen Zeiten geehrt und geliebt. Seit Mohammed seinen Jüngern befahl, nur Gebetsketten aus echtem Bernstein zu tragen, sind im Laufe der Jahrtausende Millionen von Bernsteinketten im Roten Meer versenkt worden. Nach jeder Wallfahrt nach Mekka muss der Gläubige seine Bernsteinkette in das Meer werfen. Das gilt noch heute wie zu Zeiten Mohammeds.

 

Einst, als der Bernstein noch von deutschen Händen aus der Samlandküste aus der Ostsee oder der „blauen Erde“ gehoben wurde, exportierte die Staatliche Bernsteinmanufaktur sehr viel „deutsches Gold“ nach Persien. Auch heute legt der Iran auf echten Bernstein guten Wert, während sich der übrige Orient schon zum größten Teil mit Kunstbernstein begnügt. Weil aber der Bernstein heute Seltenheitswert hat, ist der Export nach Persien gering. Aber noch immer wandert echter Bernstein von Hamburg nach Teheran.

 

Staatsgeschenke aus Bernstein waren zu allen Zeiten geschätzt. Der Große Kurfürst wie der Alte Fritz haben den gekrönten Häuptern ihrer Zeit kunstvolle Arbeiten aus Bernstein verehrt. Selbst in den Königsgräbern von Mykenä wurde Schmuck aus Ostseebernstein entdeckt. So überreichte Bürgermeister Sieveking den Kaiserlichen Majestäten ein wahrhaft „königliches Geschenk“.

 

 

Seite 3   Das Grab in der Heimat. Von Gerhard Kamin.

Während draußen der Schnee fällt und immer mehr die Erde zudeckt, gehen heute, an „seinem“ Geburtstag, die Gedanken zurück in das Land in der Stille, in dem er nun zwanzig Jahre, verschont von dem Leid des Irrens und des Krieges, in heimatlicher Erde neben seinem und meinem Walde ruht.

 

Dass er mein Freund und Bruder war, ein Kind der Wälder und ein Erbe jahrhundertealter Forsttradition, dass wir zusammen in „unserem“ Wald groß wurden, er als der darin Beheimatete und für seine Pflege Bestimmte, ich als der über alles Maß Beschenkte und ohne Verdienst Ausgezeichnete, dem alle Schulferien das Paradies der Stille öffneten, der Jagden, des Lebens an Gottes grünem Schoß ... Es ist wie alles andere unserer 15-jährigen Freundschaft bis zu seinem schrecklichen Tode ein Stück eines Erlebens, gewesen, das, je älter ich werde, mit umso größerer Gewalt die Stunden der Stille, die Träume, die Gedanken, ja das Denken überhaupt erfüllt und mit der Forderung überfällt: ist etwas wenigstens von dem Schwur übriggeblieben, den wir uns als Kinder und junge Menschen im Walde gaben, jedes Mal wenn wir uns nach den Ferien trennten: Licht in die Welt zu bringen, Trost, Freude, den Frieden und die immer gegenwärtige Verheißung unseres Waldes?

 

Sein sechzehnter oder siebzehnter Geburtstag war es. Ich kam aus Königsberg, seit Jahren schon in der Schulzeit von ihm getrennt, den eine Zeitlang Hauslehrer und dann die Lehrer einer Aufbauschule in der Nähe unseres Waldes betreuten.

 

Es war nicht mehr der Wald am Kurischen Haff, den wir als Kinder erlebt hatten, sondern der andere und viel größere am Zehlaubruch mit dem scheinbar endlosen Revier und den vielen Förstereien. Albrechtshausen... Steinwalde... Biberswalde ... Kienbruch... Rosengarten... Wir kannten sie alle, wir waren in einem stolzen und doch wohl demütigen Sinn die „Herren“ des Waldes, wir kannten die Reviere so gut wie ihre Bestände, die Waldarbeiter und Scharwerker so gut wie die Namen der Gutsherren aus den anliegenden Gutshäusern, und es war in allen Jahren niemals anders gewesen, als dass wir in dem Augenblick, als der Wagen uns vom Bahnhof in unser Reich der Stille fuhr, an seinem Rande abstiegen und an einer der Wegschneisen andächtig verhielten, am „Radacker“ und „Fuchshügel“ zum Beispiel oder an „Martinsruh“ und „Fritzensrast“ Namen, die wir selbst den Wegen gegeben hatten und die für uns mit der Geschichte und den Erlebnissen unserer Kindheit eng verwoben waren.

 

Nun war es Februar und ein Winter wie der dieses Jahres in der Fremde. Kälte und Schnee, der wochenlang bleigraue Himmel über der Heimat, und es war sein Geburtstag.

 

Die anderen, Freunde und Freundinnen aus seiner Schule, waren schon da, als ich ankam, allein, im Schlitten von einem der unvergesslichen Kutscher die über zehn Kilometer weite Strecke vom Bahnhof zur Försterei gefahren.

 

Unvergessene Gesichter jenes schönen Februartages, hoffende, gläubige, fröhliche Jugend Ostpreußens, wunderbare Stille des verschneiten Forsthauses mitten in den hohen Kiefernbeständen des „Schwarzstubbens“, meines geliebten Jagens, in dem ich im Jahr vorher einen Adler zu schießen versuchte.

 

Im großen Esszimmer unter den Geweihen der gedeckte Tisch, die Kuchen und Torten, die vielen Tassen und Teller, und um den Tisch herum der Kranz der brennenden Kerzen. Draußen der Wind in den Baumkronen, dicht am Hause das tiefe, geheimnisvolle Rauschen, das ich Jahre hindurch in allen Ferien erlebt habe. Die feierliche Stille am Tisch, die anfangs leisen Gespräche, die langsam zunehmende Fröhlichkeit, das Lachen auf den Gesichtern der Mädchen, die Spiele danach, die scheinbar endlosen Berichte über Schule und Lehrer, die ersten Lieder, die heimlich getauschten Blicke und in allem und unvergesslich: seine Fröhlichkeit, sein Lachen, seine kindliche Freude und sein Wunsch, uns heute an seinem Geburtstag mit dem ganzen Frohsinn und der Freigebigkeit seines Wesens zu beschenken. So war er in seinen besten Stunden: wie sein Vater ein Schenkender und Beglückender, einer, der für Stunden wenigstens das sein möchte, was er und ich uns für unser Leben ersehnen: das Leben den Menschen zu verschönen, ihnen in allem Dunkel ein Licht zu sein, eine Freude, eine Hilfe. Er sieht mich während seiner unerschöpflichen Anekdoten, jede mit der Komik und Derbheit seiner unverbildeten Kinderseele vorgetragen, immer wieder an. „Wir zwei“, denkt er, aber er sagt es nicht, er prüft nur an meinen Blicken, ob ich mit ihm zufrieden bin, wie er es immer getan hat.

 

Alle müssen am nächsten Morgen wieder zur Schule in die Stadt. Was uns gehört, ist

dieser Abend und vielleicht — wenn die Eltern es erlauben — ein Teil der Nacht.

 

Unvergesslich unsere gemeinsame Wanderung durch den nächtlichen, tief verschneiten Wald. Wir stapfen über die Waldwiese den Bibergraben entlang, der Mond steht fahl hinter einem Wolkenschleier, der Schnee um uns herum flimmert wie das Wasser eines großen Sees. Wir jungen Menschen sprechen wenig, die Mädchen juchzen hin und wieder auf, sie folgen ein Stück hinter uns, eine andere Welt, so unbekannt und geheimnisvoll für uns wie alles, was uns umgibt.

 

Der Wald Ostpreußens, die eigentümliche Sprache seiner Kinder, ihre Fröhlichkeit und Verhaltenheit, ihre Treue zueinander, ihre Freundlichkeit und enge Verbundenheit: alles umgab uns wie das Geheimnis eines eigenen und großen Schicksals, und keiner ahnte, wie zwanzig Jahre später, verwüstet oder der versunkene Traum eines Märchens sein würde, was einmal Wirklichkeit und Besitztum gewesen.

 

Der Abend dann im Forsthaus, die halbe Nacht. Spiele und Fröhlichkeit, Ernst und Freude, und immer näher rückend der Augenblick des Abschieds. Um Mitternacht die Verteilung auf die verschiedenen Schlafräume, ein verstohlener Händedruck hier und dort auf halber Treppe, das von fern nun herüberklingende Lachen der Mädchen, die Stille. Fünfzehn oder mehr junge Menschen unter demselben Dach, zu seinen Ehren, den wir alle lieben und von dem wir nicht wissen, wie bald wir ihn verlieren.

 

Ich schlafe mit ihm in unserer Stube. „War es gut?“, fragt er vor dem Einschlafen. Werden sie es nicht vergessen?“

 

Am frühen Morgen fahren wir sie in zwei Schlitten zu ihrer Schule in die Stadt. Es sind 17 Kilometer und wohl ebenso viele Grade Frost. Die Glocken klingeln beim Trab der Pferde, der Wald steht weiß bereift in seinem dichten Schneekleid königlich neben den Wegen, eine Welt der Schönheit ohnegleichen. Alle sind stiller als am Tage vorher und ein bisschen traurig, weil es nun zu Ende ist und der Alltag wieder mit allen Mühen und Nöten beginnt.

 

Es war sein letzter Geburtstag, den wir so feiern durften. Eine Krankheit, für die ich bis heute keinen Namen gefunden, warf das Grauen und die Nacht über sein Leben, und acht Jahre später, zwei Tage nach seinem letzten bestandenen Forstexamen, legten sie ihn unter dem Halali und dem fassungslosen Schmerz vieler Menschen in die Heimaterde. Ihn, den Sohn eines der bekanntesten Forstmänner Ostpreußens, den Hünen an Gestalt und den so zarten Freund der Tiere und der Menschen, der mir 15 Jahre hindurch Bruder und Hüter unseres Waldes gewesen war, den ich zum letzten Mal in seinem grünen Rock als Hüter des Waldes auf der Kurischen Nehrung sah und dessen Grab für mich alles umschließt, was für mich die unvergessliche Schönheit von Kindheit, Heimat, Geborgenheit und unerfüllter Sehnsucht umschließt.

 

Sein Grab ist eines unter tausenden, die heute unsere Gedanken suchen. Eines der vielen, die eine Sehnsucht begruben und in der Sehnsucht — über Raum, Zeit und schmerzliche Erfahrung hinweg — eine Hoffnung und Zuversicht für sich pflanzten.

Geschrieben am 19. Februar 1955.

 

 

Seite 3   Robert Budzinski gestorben

Die Nordostdeutsche Künstler-Einung gedenkt des bekannten ostpreußischen Malers und Schriftstellers Robert Budzinski, der am 27. Februar 1955 seine hellen, vergnügten Augen für immer schloss.

 

Er verbrachte nach der Flucht 1945 seine letzten Jahre in Marburg/Lahn, wo er noch im vergangenen Jahr aus Anlass seines 80. Geburtstages eine Kollektivausstellung durchführte. Wie in seiner Heimat machte er auch heute noch in seiner temperamentvollen Art lichtumflossene Aquarelle, machte Steinzeichnungen und Holzschnitte, die fast immer Motive seiner schönen Heimat und ihrer Menschen zeigten. Als Begründer des „Wandervogels“ in Ostpreußen dokumentierte er seine große Liebe zur Natur, in der er sich stets Gott nahe fühlte und in seiner fröhlichen Art gern mit der Jugend wanderte und Schönes erlebte. Wer kennt nicht seine schriftstellerischen Arbeiten, meist selbst illustriert wie: „Entdeckung Ostpreußens“, „Der Mond fällt auf Westpreußen“ sowie den Roman: „Kehr um“. In markanter Linienführung schuf er eine Sammlung von 6 Holzschnitten unter dem Titel: „Der Sieg des Lebens“. Bis zu seinem letzten Tag blieb er geistig frisch. Nach einer kurzen Grippe nahm ihm der Tod den Pinsel aus der Hand. An einem frühlingshaften Tag mit strahlender Sonne haben wir ihn bei Vogelgezwitscher auf dem schönen Marburger Friedhof zur ewigen Ruhe gebettet. Ida Wolfermann-Lindenau

 

 

Seite 4 und 5   Heimat und Heimatlosigkeit in der landsmannschaftlichen und politischen Sicht. Von Ludwig Landsberg.

Wir werden in unsere Heimat hineingeboren. Für das Heimaterlebnis bedeutet die Kinderheimat alles. Das ist natürlich nicht in dem Sinne zu verstehen, dass Ort und die Stunde der Geburt für das Heimaterlebnis maßgebend seien. Maßgebend ist bestimmt ein viel längerer Zeitraum, sind vielleicht unsere ersten zehn Lebensjahre, aber doch in dem Sinne, als dieses unser erstes und ursprüngliches Heimaterlebnis ist, das für unser ganzes Leben unsere Fähigkeit, heimatliche Bindungen herzustellen, bestimmt.

 

Man kann sagen: „In die erste Heimat werden wir hineingeboren, und wir müssen sie bejahen. Die zweite Heimat müssen wir bejahen, damit sie uns geschenkt wird“.

 

Ist das richtig, so wird dadurch eigentlich nur bestätigt, dass für den Menschen Erlebnisse umso entscheidender sind, je früher sie liegen und dass sie, je später sie liegen, umso weniger die eigentliche Erlebnissphäre erreichen. Trotzdem glauben viele für das Heimaterlebnis andere Gesetze aufstellen zu dürfen. Das lässt sich nur daraus erklären, dass vielen Menschen ihr eigenes Heimaterlebnis erst bewusst wird, wenn sie in Gefahr sind, die Heimat zu verlieren. Mir ist es unmöglich, ursprüngliche Heimat und zweite Heimat einander gleichzusetzen, wie es alle die Menschen tun, die behaupten, dass es eine heimatliche Bindung auch an dem Ort gibt, den wir uns zum Mittelpunkt unseres beruflichen und familiären Lebens bestimmen, ja dass Heimat im eigentlichen Sinne die Summe aller sozialen Beziehungen, in denen wir Menschen leben, ist. Von dieser Einstellung ist es dann nur ein kleiner Schritt, ein schicksalhaft bestimmtes Heimaterlebnis zu bejahen, das alle erfasst, die in einer bestimmten Landschaft und in bestimmten Traditionen leben. Man sollte sich aber davor hüten, derartige Bindungen mit dem Heimaterlebnis zu verquicken. Die Bindung an Grund und Boden, an die Tradition vieler Geschlechter bedeutet gewiss viel, sie formt das Heimaterlebnis und prägt den Menschen stärker. Aber für das Heimaterlebnis bleibt trotzdem die Kinderheimat ausschlaggebend. Die Menschen, die in das Ruhrgebiet vom ersten Weltkrieg aus dem Osten zuzogen, werden von den nachkommenden Vertriebenen und Flüchtlingen als „Einheimische“ empfunden. Wenn man sie aber selbst befragt, so antworten die meisten, dass der Ort ihre Heimat sei, an dem sie geboren und aufgewachsen sind. Wenn es also wirklich so etwas wie eine zweite Heimat gibt, so wird sie doch immer noch von der Kinderheimat überschattet. Ebenso selbstverständlich empfinden sich aber die Kinder, die im Ruhrgebiet geboren sind, als Einheimische.

 

Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass im Westen eine Vertriebenenjugend heranwächst, die sich an die Heimat ihrer Eltern nicht mehr gebunden fühlt. Die deutsche Jugend des Ostens hat das ganze klar erkannt und daraus die einzig mögliche Folgerung gezogen, dass für ihre jüngeren Mitglieder der Osten nicht mehr Heimat, sondern nur noch politische Verpflichtung sein kann. Diese Erkenntnis ist für die ganze Heimatpolitik von größter Bedeutung. Denn nichts ist bedenklicher, als wenn sich das Heimaterlebnis des einzelnen in Heimatressentiment verwandelt, oder wenn wir ein Erlebnis anzusprechen suchen, zu dem sich der einzelne vielleicht verpflichtet fühlt, das er aber nicht gehabt haben kann. Wir geraten dadurch in einen Strudel unwahrhafter Gefühle, in dem sich alles verwirrt. Es ist deshalb nicht berechtigt, wenn die ältere Generation der Jugend wegen ihrer mangelnden Bindung an die alte Heimat Vorwürfe macht, sondern wir müssen fragen ob wir nicht Heimatressentiments herausfordern, indem wir die Vertriebenen und Flüchtlinge als eine besondere Gruppe sehen, indem wir die landsmannschaftliche Absonderung unterstützen und indem wir nicht nur die Existenz, sondern die Berechtigung einer politischen Vertriebenenbewegung anerkennen — einer Bewegung übrigens, die weitgehend die Quittung auf Fehler ist, die Kirche, Verwaltung und Gesellschaft gemacht haben und deshalb die Gefahr in sich birgt, nicht die positiven Werte zu pflegen, sondern sich negativ festzulaufen.

 

Ich glaube, wir können diese grundsätzlichen Fragen nicht beantworten, ohne der anderen Frage nachzugehen, unter welchen Umständen Heimatressentiments entstehen. Es ist, glaube ich, eine bekannte Tatsache, dass sich etwa der Düsseldorfer so lange ausschließlich als Düsseldorfer fühlt, wie er nicht etwa zu hören bekommt, die Rheinländer seien oberflächlich, leichtsinnig und unzuverlässig; in dem gleichen Augenblick, in dem das geschieht, besinnt sich der Düsseldorfer auf sein Rheinländertum, das ihm bis dahin gar nicht bewusst war. Sehr ähnlich geht es Protestanten in katholischen Gebieten und umgekehrt. Auf einer ähnlichen Grundlage ist die Arbeiterfrage — und nach 1945 die Situation der „verfolgten Nationalsozialisten“ entstanden. Das vollzieht sich immer wieder und vollzieht sich eben jetzt vor allen Augen an den Vertriebenen und Flüchtlingen. Das bestätigen uns auch unsere Eingliederungsuntersuchungen. Jede geglückte Existenzgründung, jede geglückte Ehe mit einem Einheimischen schwächt das Gefühl Vertriebener, ein Mensch minderen Rechts zu sein, ab. Jede missglückte Existenzgründung, jede missglückte Ehe, jedes unfreundliche Verhalten der unmittelbaren Umgebung unterstützt dieses Gefühl oder ruft es hervor. Jede Begegnung mit Vertriebenen und Flüchtlingen muss daher darauf achthaben, nicht Empfindlichkeiten zu verletzen. Die Vertriebenen und Flüchtlinge machen uns immer wieder den Vorwurf, dass man sie als Menschen nicht genügend achte und glaube, wirtschaftliche Hilfeleistungen an die Stelle echter Partnerschaften setzen zu können.

 

Ressentiments stehen der Anpassung und Eingliederung mehr entgegen, als alle wirtschaftlichen Tatsachen. Sie machen den Menschen das Leben unerträglich. Ich meine daher, dass es die primäre Aufgabe jeder Staatsführung ist, ihnen keinen Vorschub zu leisten, und ich scheue mich nicht, zuzugeben, dass nach meiner Ansicht in dieser Richtung in der Vergangenheit viel versäumt worden ist.

 

Aber unlösbar wird für den Staat diese Aufgabe, wenn — wie es tatsächlich geschieht — die Organisationen der Vertriebenen und Flüchtlinge sich in ihrer Existenz von den Heimatressentiments abhängig machen und glauben, sie pflegen zu müssen, um sich in ihrer Existenz behaupten zu können.

 

Es ist das ein Vorgang, der sich bei allen Interessenverbänden wiederholt und der wie kein anderer dem sozialen Frieden abträglich ist. Von Seiten einer Regierungsstelle kann man dagegen nur immer wieder sagen, dass gar keine echten Interessenkollisionen bestehen, dass man sehr wohl dem einen nutzen kann, ohne den anderen zu schaden und dass jede vernünftige Maßnahme immer der Allgemeinheit zugutekommt. Vielleicht dürfte es, um das erfolgreich sagen zu können, eines besseren Kontaktes zu den einzelnen Verbänden und Organisationen und des persönlichen Vertrauens. An der Pflege dieser Beziehungen haben es aber die Kirche und der Staat in gleicher Weise fehlen lassen. So entsteht die Gefahr der Rückwendung, wie sie am „Tag der Heimat“ immer wieder in jenen nach dem Kriege entstandenen Liedern und Gedichten durchbrach, die alle auf den Tenor gestimmt sind: In der Heimat leuchten die Sterne heller, scheint die Sonne wärmer, duften die Blumen süßer, nur dort kann man leben und glücklich sein. So entsteht, was noch viel bedenklicher ist, die Versuchung, mit unseren Gefühlen und mit unserem Heimatrecht „Politik“ zu machen. „Das Recht auf die Heimat“ wird politisiert und die Sehnsucht vieler Menschen nach Rückkehr in die alten Verhältnisse der Agitation preisgegeben. Dabei sollte man nach unseren bösen Erfahrungen nach 1933 gerade in dieser Hinsicht sehr viel vorsichtiger sein und über nichts mit mehr Zurückhaltung und Nüchternheit sprechen als über diese Fragen. Ich glaube daher, dass man einer Heimatpolitik entgegentreten muss, die sich in eine gesamtdeutsche Politik nicht einfügt und die in ihrer letzten Konsequenz die Interessen einer Gruppe und — auch das lässt sich nicht ausschließen — höchst persönliche Wünsche und Träume über das allgemein menschliche, das deutsche und europäische Interesse stellt. Es ist leicht, die Zustimmung einer Vertriebenenversammlung dafür zu erhalten, dass man von unserem unanzweifelbaren Anspruch auf die Heimat und von unserer Rückkehr in die Heimat spricht. Aber damit ist verantwortlich gar nichts geschehen. Ich will nicht missverstanden werden: Ich teile die Überzeugung, dass wir unseren Anspruch auf die von fremden Mächten besetzten Gebiete nicht aufgeben dürfen. Ich bejahe die Möglichkeit einer friedlichen Rückkehr und lehne es ab, damit zu spekulieren; denn es gibt niemanden, der für sich in Anspruch nehmen kann, alle politischen Konstellationen der nächsten Monate oder gar Jahre vorherzusehen. Aber ich meine, dass diese Rückkehr nicht angestrebt werden kann als die Lösung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Vertriebenen und erst recht nicht um der Befriedigung der Ansprüche der einzelnen Vertriebenen und Flüchtlinge willen. Die Vertriebenen und Flüchtlinge müssen, um den Weg in die Heimat für sich innerlich freizumachen, den Gedanken an eine Restauration überwinden. Die politischen, nationalen und sozialen Verhältnisse von vor 1945 in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten lassen sich nicht wieder herstellen. Sie müssen neu erlebt und gestaltet werden.

 

Damit soll aber nichts gegen die Berechtigung landsmannschaftlicher Arbeit gesagt sein. Den Verbänden bleibt die Pflege des inneren Zusammenhalts der Vertriebenen vorbehalten. Nur in ihrem Schoße können diese Probleme ausgetragen werden. Sie werden auch nur getragen von der Sehnsucht unserer Landsleute nach ihrer Heimat zukunftsträchtig bleiben. Es wäre deshalb nichts törichter, als die Rückkehr der Deutschen in die Gebiete jenseits der Oder-Neiße allein zu einem gesamtdeutschen Problem zu stempeln, ohne die seelischen Kräfte der Vertriebenen mit einzubeziehen und zu glauben, dass dann dieses Problem mehr als ein Requisit in der großen Politik sein könnte.

 

Die landsmannschaftliche Arbeit hat mehr als die Aufgabe, die zerstreut lebenden Vertriebenen und Flüchtlinge zu sammeln. Sie bedeutet mehr als ein wesentlicher Halt für die, die isoliert leben. Sie vermag mehr als den Vermassungstendenzen unserer Zeit entgegenzutreten, indem sie die nachbarschaftlichen Beziehungen, die Tradition und das häusliche Brauchtum pflegt. Aber die Landsmannschaften sind dabei stets in Gefahr, sich im Kleinen zu verlieren und unwahrhaftig zu werden, etwa wenn sie ein Heimatlied proklamieren, das, sowie es in den Kreisen der Vertriebenen heute gesungen wird, erst hier dazu erhoben und damit zu einem Ersatz für die verlorene Heimat gemacht wurde, wenn sie der Jugend den heimischen Dialekt erhalten wollen oder eine Tracht einführen, die selbst in der Heimat niemand getragen hat, vor allem aber, wenn sie dem Heimatgefühl, das nun einmal für jeden Menschen an andere tausend kleine Erlebnisse gebunden ist, eine Wendung ins Politische geben wollen.

 

Ich glaube, wir müssen um der Sauberkeit unserer Auseinandersetzung willen Heimatverlust und Vertriebenenschicksal voneinander trennen. Beide brauchen nicht nur miteinander zu gehen, sondern sind sogar durchaus verschieden. Es ist ein durchaus normaler Vorgang, dass der Mensch seinem Elternhaus entwächst. Dieser Vorgang vollzieht sich sehr unterschiedlich mit oder gegen unseren Willen. Aber selbst dann, wenn er ganz gegen unseren Willen — etwa erzwungen durch die politischen Verhältnisse geschieht, bedeutet er noch lange nicht Heimatverlust. Im Gegenteil, wir haben die Erfahrung gemacht, dass Heimat ein unverlierbarer Besitz ist. Der Ausspruch eines jungen Mädchens, das mir einmal sagte: „Es haben offenbar diejenigen am meisten Heimat verloren, die am wenigsten Heimat besessen und diejenigen am wenigsten Heimat verloren, die am meisten besaßen“, trifft vollkommen zu.

 

Heimatverlust und Vertreibung sind zwei getrennte Tatbestände. Einen echten Heimatverlust haben nur die Kinder erlitten, die in den entscheidenden Jahren die Flucht erlebten und die wechselnden Schicksale und Aufenthalte mit ihren Eltern teilen mussten. Wir wissen heute noch nicht, wie sich das bei ihnen auswirken wird, aber heute schon sind wir erschüttert über die innere Bindungslosigkeit und Unruhe dieser Jugend. Wir sollten uns darüber klar sein, dass wir mit der Umsiedlung das gleiche Schicksal noch einmal über viele Familien und Kinder bringen, von den aus der sowjetischen Besatzungszone fliehenden Familien, die jahrelang wechselnde Lageraufenthalte durchmachen müssen, gar nicht zu sprechen.

 

Das Problem der meisten Vertriebenen und Flüchtlinge aber ist nicht der Heimatverlust sondern dass sie vertrieben wurden aus ihrem Besitz, ihrer Stellung, aus allen sozialen und menschlichen Bindungen, dass sie unbekannt und einsam in einer fremden Umgebung neu oft in einem Alter beginnen mussten, indem wir normalerweise keine neuen Freundschaften mehr schließen. Das wird sofort überzeugend klar, wenn wir uns vor Augen halten, dass in dieses Schicksal sehr viele Menschen hineingerissen wurden, die gar keine heimatlichen Bindungen an den Osten besitzen, die in der heutigen Bundesrepublik aufgewachsen und die nicht aus, sondern in ihre Heimat zurückvertrieben wurden, und trotzdem oft die Repräsentanten der Vertriebenen- und Flüchtlingsschicksale sind. Sie können das nur sein, weil dieses Vertrieben werden aus allen sozialen Bindungen und der Heimatverlust durchaus zweierlei ist. Wir müssen daher auch die Konsequenz ziehen, dass das Grundproblem der Vertriebenen (und erst recht der Flüchtlinge) insbesondere der wirtschaftlich erfolglosen, nicht die Wiedergewinnung der Heimat, sondern die Aufgabe ist, die sich jedem von uns stellt, mit dem Schicksal der erzwungenen Flucht, der Armut, der sozialen Degradierung, der Einsamkeit fertig zu werden. Die Aufgabe zu erfüllen ist sehr schwer, viel schwerer, als die ahnen können, denen sie nicht selbst gestellt ist.

 

Jeder Misserfolg, und auch ein Misserfolg, der nichts mit der Vertreibung zu tun hat, wirft oft um Jahre wieder zurück. Man muss das selbst durchmachen, um es richtig zu verstehen.

 

Prof. Möbus von der Hochschule für Politik, Berlin, hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Vertreibung ein Problem des verletzten Selbstbewusstseins ist und dass jeder Mensch, um gesund leben zu können — gesund auch im körperlichen Sinne — der Möglichkeit bedarf, sich zu bewähren und sich von seiner Umwelt bestätigt zu sehen. Beides ist den Vertriebenen und Flüchtlingen oft versagt.

 

Wir wissen, wie sehr den Vertriebenen und Flüchtlingen um ihre Anerkennung zu tun ist. Wir kennen ihren Fleiß und ihren Ehrgeiz. Wir wissen auch, dass dieser Ehrgeiz sich überschlagen kann. Von Bismarck, Villigst, hat mit Recht davor gewarnt, dass die Vertriebenen „die Hennecke des Westens werden“. Überraschend für jeden Soziologen waren die guten Arbeitsleistungen der Vertriebenen, die guten Schulleistungen der Jugendlichen, ihre allgemein auffallend geringe Kriminalität selbst unter den ungünstigsten Voraussetzungen, der starke Zusammenhalt der Familien, die schwerster Belastung ausgesetzt waren. Das alles findet seine einfache Erklärung darin, dass sich der Fremde bewähren muss, um bestehen zu können. Schlimm aber ist es, wenn die Möglichkeit der Anerkennung fehlt. Auch dieses Schicksal müssen noch heute sehr viele Vertriebene und Flüchtlinge tragen, nicht nur die Abgelehnten in Berlin, die kein Recht auf Arbeit haben und jene, die keine Dauerarbeit finden, sondern alle, die keine Möglichkeit haben, ihre Fähigkeit zu beweisen.

 

Staatssekretär Dr. Schreiber hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Vertriebenen an die Stelle der Ostarbeiter getreten sind, dass sie die Arbeit tun müssen, die die Einheimischen nicht tun wollen. Allein in Nordrhein-Westfalen müssen etwa 90 000 frühere Angestellte und Beamte heute als Arbeiter ihr Brot verdienen. Ihnen allen wird es sehr schwer gemacht, die soziale Anerkennung zu finden, die sie suchen. Am Wehsten aber tut es, jenen Menschen zu begegnen, die aus dem übergroßen Wunsche, sich zu bewähren, versagen. Menschen, die ganz zweifellos in der gleichen Situation früher sich bewährt hatten und heute verzagen. Hier gibt es nur eine Heilung: die Hilfe und das Vertrauen der Mitmenschen.

 

Aber gerade an diesem Vertrauen, an der häufig so berechtigten Anerkennung fehlt es. Wir können ja nicht übersehen, wie unterschiedlich heute überall in der Gesellschaft diejenigen behandelt werden, die Erfolg, Vermögen, Einfluss, Beziehungen und eine entsprechende Stellung haben und die, denen das alles fehlt. Ich glaube, das müssen sich auch die Kirchen vorhalten lassen. Wir wissen andererseits, wieviel größer das Ansehen jedes Vertriebenen und Flüchtlings in der alten Heimat war und wie er darauf aus ist, das zu beweisen. Unter wenigem leiden gerade die Besten mehr darunter, dass alle ihre Aussagen angezweifelt werden. Aus dem Wunsche heraus, bekannt und anerkannt zu werden, behaupten viele manchmal mehr über ihr früheres Leben als sie eigentlich verantworten können. So kommt es zu dem Vorwurf der Einheimischen, dass schließlich alle Vertriebenen Großgrundbesitzer und Hausbesitzer gewesen sein möchten.

 

Aus dieser Situation aber gibt es nur eine Heilung: den Erfolg, die Anerkennung. Im Grunde ist das das Kennzeichen aller modernen sozialen Probleme und es wäre schlecht, wenn der Staat und die Gesellschaft an dieser Tatsache vorbeigingen. Für die Haltung der evangelischen Kirche lässt sich sagen, dass viele Einzelpersonen sich des Problems mit großer Aufopferung angenommen haben, und insbesondere die evangelischen Akademien immer wieder in besonderen Arbeitstagungen darauf hingewiesen haben, wie sehr es darauf ankommt, den einzelnen Vertriebenen und Flüchtling in seiner Not zu sehen, ihn anzusprechen und ihm Gelegenheit zur Aussprache zu geben. Ich denke dabei besonders an die Arbeit der evangelischen Kirche in den Berliner Aufnahmelagern, die ganz von diesem Gesichtspunkt geleitet ist. Ich denke aber andererseits auch daran, welche „Innere Mission“ in den Flüchtlingslagern ganz allgemein zu leisten wäre und wieviel Arbeit in ihnen ungetan bleibt.

 

Ich bin der Ansicht, dass die evangelischen Landeskirchen in der Behandlung des Vertriebenen- und Flüchtlingsproblems nicht immer eine glückliche Hand hatten. Sie haben das Problem zu einseitig als Betreuungsproblem gesehen. In dieser Richtung wurde viel geleistet. wurde damit aber das Problem in seinem eigentlichen Gehalt nicht erfasst und nicht praktiziert. Die Anerkennung und Berücksichtigung der heimatlichen Ostkirchen innerhalb der Gesamtkirche ist nicht klar. Immer wieder vorweist man die einzelnen Vertriebenen und Flüchtlinge auf ihre neuen Wohngemeinden und in diesem engeren kirchlichen Bereich wird das Problem oft übersehen. Nichts aber vertragen die Vertriebenen und Flüchtlinge weniger als „übersehen“ zu werden. Tut man das, so wird man sie binnen kurzer Frist gegen sich haben.

 

Ich möchte hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Ich weiß nicht, ob heute noch Flüchtlingsgottesdienste der richtige Weg sind. Ich weiß nicht einmal, ob eine besondere Vertriebenen- und Flüchtlingsseelsorge erforderlich ist. All das widerspricht meinem Gefühl. Es ist aber gewiss notwendig, dass die Kirche sich offensichtlich mit diesen Problemen beschäftigt, dass sie diese an die Pfarrerschaft heranträgt und wo sie in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, für sie spricht. Es könnte ihr vielleicht sonst ähnlich gehen wie vor 80 Jahren mit dem Arbeiterproblem. Wir wissen, dass das niemals wieder gutzumachen war.

 

Es wäre aus der richtigen Erkenntnis des Flüchtlingsproblems erforderlich, das Eigenleben und das Selbstbewusstsein der Vertriebenen zu stärken, ohne dabei zu befürchten, dass diese sich absondern. Nach meiner Erfahrung sind nur die in der Gefahr sich abzusondern, die sich nicht aufgenommen, nicht anerkannt, nicht geachtet und nicht herangezogen fühlen. Gebt daher den Vertriebenen und Flüchtlingen eine Aufgabe; erkennt sie und ihre Leistungen freimütig an; holt sie heran. Wir sind so arm an Menschen, die bereit sind zu helfen und mitzumachen. Gebt den Vertriebenen und Flüchtlingen Gelegenheit dazu, sich zu bewähren, hört ihnen zu, auch wenn das Eure Geduld beansprucht. Es ist das wenigste, was wir für den anderen Menschen tun können, dass wir ihn wirklich ernst nehmen. Mir scheint, die Vertriebenen und Flüchtlinge in der Kirche fühlen sich nicht ernstgenommen und dessen bedürfen sie am meisten, solange ihnen äußerer Erfolg verwehrt bleibt. Sie klagen immer wieder darüber dass sie seitens der Kirche keinen Rückhalt finden vor allem nicht gegenüber der ansässigen Gemeinde und gegenüber den Behörden. Das ist das Übel, dem entgegengetreten werden muss. Ich glaube, es bietet sich heute der Kirche eine große Chance. Bald ist sie ungenutzt vorübergegangen und das ließe sich nicht wieder gutmachen!

 

(Den vorstehenden Beitrag entnehmen wir mit freundlicher Erlaubnis des Herausgebers der Zeitschrift „Der Remter“, Blätter ostdeutscher Besinnung, Verlag Hannover, Andreasstraße 2 A – IV.)

 

 

Seite 4   Ostpreußischer Dorfwinter. Von Otto Losch.

Spät wird es hell und dunkel früh,

Die Bäume ducken sich, mit Schnee beladen,

Und auf dem Dorfweg liegt er bis zum Knie,

Steil steigt der Rauch in kerzengraden Schwaden.

 

Doch eine Stelle weiß ich. die ist freigefegt vom Schnee,

Und die d‘rauf tummeln sind nicht tuch- und pelzumwickelt.

Ich hör des Glückes Fröhlichkeit und seh

Mädels und Jungs, die Backen rot vom Frost geprickelt.

 

Vom Lärm der Kinder klirrt des Teiches Eis,

Mit Stöcken schwunkend, sausen sie auf ihren Schlorren:

Der kleine Dorfjung braucht nicht Schlittschuh, denn er weiß

Auf einem Stückchen Zaundraht lässt es sich am besten schorren.

 

 

Seite 5   Aus den Landsmannschaften

Berchtesgarden

In der Jahreshauptversammlung der Ostpreußen, Westpreußen und Pommern in Berchtesgaden erstattete der erste Vorsitzende, Marian Hepke, den Jahresbericht. Er konnte darauf hinweisen, dass die Vereinigung nach innen wie außen eine erfreuliche Stärkung erfahren hat Das bewiesen auch die Berichte der Schriftführerin und des Kassenwarts, ebenso die einmütig erfolgte Wiederwahl des gesamten Vorstandes. Als Jugendreferentin wurde Frau Hinterbrandner gewählt. — Am 30. Januar beging die Vereinigung gemeinsam mit den Landsmannschaften der Sudetendeutschen und der Schlesier einen großen Faschingsball unter dem Motto: „Wie s daheim war“— Die Februarsitzung am 13. Februar stand auch im Zeichen der „Narrischen Zeit“. Sie brachte heitere deklamatorische und musikalische Darbietungen. — Am 19.02. vereinte die Adalbert-Sifter-Vereinigung, die sich die kulturelle Betreuung aller Heimatvertriebenen zur Aufgabe gemacht hat, einen großen Kreis Interessierter zu einem Vortrag von Professor D. Dr. Koch, Direktor des Osteuropa-Institutes der Universität München (Früher Königsberg und Breslau) über das Thema „Deutsch-Slawische Nachbarschaft“. Aufgebaut auf einem wohlfundiertem Wissen, erfüllt von Kenntnissen aus persönlichem Erleben mit den Völkern des Ostens, war der Vortrag eine klare Sicht über die Situation und die Zukunft des Ostens. Er beantwortete aus der Schau des Gelehrten die aktuellen Fragen der Gegenwart.

 

 

Bornhausen.

Dem Fastnachtsessen der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen am 12. März soll eine von Kreisobmann Papendick, Seesen, gestaltete Kulturstunde unter dem Motto „Wir tragen die Heimat im Herzen“ vorangehen. Der anschließende „Bunte Abend“ wird Dichtergaben ostpreußischer Humoristen bringen.

 

 

Langelsheim.

Im Mittelpunkt des Heimatabends der Ostdeutschen Landsmannschaft am 12. März im „Hotel Zur Sonne“ wird ein Lichtbildervortrag von Mittelschullehrer Budzinski, Seesen, über „700 Jahre Königsberg“ stehen. — Das Kurzreferat über „Aktuelles zum Lastenausgleich“ hat Max Wilbudies von der Ostpreußengruppe Seesen übernommen.

 

 

Lübbecke in Westfalen.

Die hiesige Landsmannschaft war am 2. Februar zu ihrer Monatsversammlung zusammengetreten, die von dem Sprecher Rektor a. D. Hardt geleitet wurde. Er beleuchtete die letzte russische Note in Bezug auf unsere heimatlichen Erwartungen. Dann wurde die vom Bundestag beschlossene Gesamterhebung der Verluste der deutschen Bevölkerung aus den Vertreibungsgebieten und die dazu nötigen Erhebungen erörtert. Schließlich besprach man die Veranstaltung einer heimatlichen Fastnachtsfeier, und eine Fahrt zur Teilnahme an der 700-Jahr-Feier der Stadt Königsberg zur Pfingstzeit in Duisburg.

 

 

Seesen am Harz.

Zu einer „Reise nach Königsberg“ hatte die Familie der Ost- und Westpreußen am 5. März den großen Saal des Ratskellers bis zum letzten Platz gefüllt. Nach zehnjähriger Trennung wurde der Vortrag von Mittelschullehrer Budzinski, illustriert durch schöne, klare Lichtbilder, zu einer erlebnisreichen Wanderung durch die 700-jährige Ostmetropole. Frau Lina Fahlke brachte dazu „Königsberger Redensarten“ und Charakterdarstellungen „Königsberger Handelsfrauen“ in formvollendeter Inszenierung. Obmann Papendick hatte den Heimatabend durch eine ergreifende Totenehrung für den verewigten Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft Ostpreußen, Dr. Ottomar Schreiber, eingeleitet. — Die Kulturstunde zum Westpreußen-Abend am 2. April wird Hilfsschullehrer Fenske unter dem Motto „Altpreußische Osterbräuche“ gestalten.

 

 

Flensburg. Das deutsche Lied In Wort und Bild.

Dieses Leitmotiv zog sich durch das Programm der letzten Mitgliederversammlung der Flensburger Ostpreußen. Ein umfangreiches Repertoire schöner deutscher Volkslieder bot der Ostpreußen-Pommernchor unter seinem verdienten Chorleiter Riedel den zahlreich erschienenen Landsleuten. Trotz vieler Abwanderung durch Umsiedlung usw. ist es dem Dirigenten gelungen, seinen Chor zu einem Klangkörper zu machen, der durch seine natürliche und gekonnte Vortragsweise gefiel und starken Beifall erhielt. Dieser Beifall galt auch ganz besonders dem langjährigen Dirigenten. Zwischen den Gesangsdarbietungen des ersten und zweiten Teiles des Programms gab es eine besondere Überraschung. Eine durch Jugend verstärkte Gruppe des Chores verstand es mit großem Geschick viele alte liebe Volkslieder durch lebende Bilder auf der Bühne darzustellen. Gesichtsausdruck und Haltung, auch bei den Jüngsten, machten der fleißigen und liebevollen Regiearbeit der Frau Lehmann ein hübsches Kompliment.

 

Der 2. Vorsitzende, Hiller, hatte zu Beginn des gelungenen Abends mit ganz besonders ehrenden Worten des Begründers der Flensburger Ostpreußenfamilie, Schulrat a. D. Babbel, gedacht, der vor kurzem seinen 75. Geburtstag feiern konnte und kurz vorher mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden war. Hiller teilte weiter mit, dass er ein zum 10-jährigen Gründungstag der Landsmannschaft Ostpreußen gestiftetes Ehrenzeichen als erstem dem Vorsitzenden zu seinem Ehrentag im Namen der Ostpreußen überreicht.

 

Tief gerührt dankte Schulrat a.D. Babbel für alle ihm zuteil gewordenen Ehrungen und sagte: „Aus der Anerkennung von ihrer Seite darf ich zu meiner Freude entnehmen, dass meine Tätigkeit nicht umsonst gewesen ist. Ich bin tief beeindruckt von den vielen Glückwünschen, die mir zu den beiden Ereignissen übermittelt wurden“. Nach dem gemeinsam gesungenen Ostpreußenlied folgen die Bekanntmachungen durch den 3. Vorsitzenden, Bocian. Ein reicher Terminkalender für die kommenden Wochen wurde den Landsleuten vermittelt. U. a. am 05.03.1955 Versammlung der Königsberger mit Neuwahlen in der Ostdeutschen Heimatstube. Auf dem Programm der nächsten Mitgliederversammlung der Ostpreußen in der Nikolaischule steht eine Dichterlesung von Chr. Jensen, Eutin, „Der deutsche Osten in der Dichtung“. Am 19.03.1955 „Tanzabend mit Einlagen“ in der „Neuen Harmonie“. Die Jahreshauptversammlung findet im April statt. Hierbei wird der Vorstand neu gewählt. Zur 700-Jahrfeier Königsbergs soll versucht werden eine Sonderbusfahrt von Flensburg zu starten. Anmeldungen hierzu bis Mitte März im Büro des KvD.    Armoneit.

 

 

Seite 5   Patenschaft für Landkreis Pr. Eylau.

Der Landkreis Verden wird anlässlich der Übernahme der Patenschaft für den ostpreußischen Landkreis Pr. Eylau im Verdener Heimatmuseum eine „Ostpreußische Stube“ einrichten. Ferner will die Patenstadt eine Verdener Straße nach Pr. Eylau benennen. Im Rahmen eines Heimattreffens am Tage der Patenschaftsübernahme wird ein Mahnmal im Bürger-Park enthüllt werden.

 

 

Seite 5   Wenn das Leid zu Ende …. Von Frieda Strauß

Es geht der Weg über Berge und Höhn,

Nur Spuren im Schnee, nur Spuren im Schnee,

Ich weiß, du bist hier gegangen,

Und wo am Abhang die Tannen stehen,

Wie einsame Wächter, nach Osten sehen,

Wo die Sonne ersteht im Feuermeer,

Von dort kommst du her, von dort kommst du her,

Dort wart' ich auf Dich voll Verlangen,

Und strecke nach Dir meine Hände

Einst, einst, wenn das Leid zu Ende.

 

 

Seite 5   Unsere Leser schreiben:

Deutsche Bundespost und die anderen.

In der Presse der Vertriebenen und aber auch noch in anderen westdeutschen Zeitungen wird immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Deutsche Bundespost für die Erhaltung des gesamtdeutschen Gedankens kaum etwas tut. Sie ist ja auch dafür bekannt, dass unsere deutschen Briefmarken, welche seit 1945 herausgegeben werden, einer starken Kritik unterworfen sind, weil andere Staaten mit weitaus schöneren Ausgaben aufwarten. Nun haben zahlreiche Kräfte im Bundesgebiet an das Gewissen der Deutschen Bundespost appelliert und sie darum gebeten, den deutschen Osten auf Markenbildern uns Deutschen immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Unser Herr Bundespostminister hat auf die verschiedensten Eingaben erklärt, das ginge aus bestimmten Gründen nicht. Ja, er nennt uns diese Gründe nicht und gerade die möchten wir sehr gerne wissen und erfahren. Vielleicht werden wir darüber auch noch unterrichtet. Wir lassen uns aber immer wieder von der Sowjetzone beschämen, ja, es ist wirklich so. Man mag das auslegen wie man will. Da erhalte ich dieser Tage eine Ansichtskarte aus der Sowjetzone. Sie ist gedruckt vom Volkskunstverlag in Reichenbach i. V., also nach meinem Empfinden wohl von einem staatlich gelenkten Betrieb hergestellt, und die Vorderseite zeigt unter der Devise „Schöne deutsche Heimat“ die Ansicht des Marktes der alten deutschen Stadt Nürnberg. Ich frage den Herrn Postminister der westdeutschen Bundesrepublik: „Warum sind solche Möglichkeiten in der Sowjetzone denkbar — aber bei uns nicht?“ A. Gitter

 

 

Prof. Dr. Wolfgang La' Baume, der langjährige Direktor des Danziger Museums für Naturkunde und Vorgeschichte, beging in Marburg (Lahn) seinen 70. Geburtstag. Im Jahre 1938 verließ er nach 27-jähriger Tätigkeit Danzig und übernahm die Leitung des Landesamtes für Vorgeschichte in Königsberg.

 

 

Seite 5   Vertriebenenausweise beantragen!

Die Bundesregierung hat eine Rechtsverordnung verabschiedet, durch welche die von den einzelnen Bundesländern ausgestellten Flüchtlingsausweise am 31. März 1955 ihre Gültigkeit verlieren. Wir machen unsere Leser darauf aufmerksam, bei den zuständigen Stellen die Ausstellung der neuen Ausweise nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes zu beantragen. Die Bedeutung des Ausweises liegt darin, dass er zum Nachweis der Vertriebenen- und Flüchtlingseigenschaft dient.

 

 

Seite 5   Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen.

Anschrift: Wilhelm Alm, Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33, Postscheckkonto: Hannover 11 60 75.

 

Der Tod hat auch in unseren Reihen wiederum Ernte gehalten.

 

Am 11.01.1955 starb in Seelscheid (Siegkreis) im 83. Lebensjahr, Otto Klinger, vom Turnverein Marienwerder; und

 

16.02.1955 in Hamburg im 72. Lebensjahr Arthur Meissner, vom Zoppoter Turnverein.

 

Lebenslang dem deutschen Turnen treu verbunden, unermüdlich in Einsatzfreudigkeit und Dienst an der turnerischen Gemeinschaft werden sie uns stets ein Vorbild bleiben und nie vergessen werden.

 

Das Bundesverdienstkreuz erhielt an seinem 75. Geburtstage unser Sprecher und Familienvater, der letzte Kreisvertreter des Kreises I Nordost der Deutschen Turnerschaft Fritz Babbel, jetzt in Flensburg.

 

Neben vielerlei anderen Verdiensten ist damit zuletzt seiner fast 60-jährigen turnerischen Führungsarbeit eine uns hoch erfreuende Anerkennung zuteil geworden. Mit unserem herzlichen Glückwunsch verbinden wir die Hoffnung, dass er noch recht lange frisch, fromm, fröhlich, frei zum Besten unserer Gemeinschaft wirken, aber auch in Gesundheit mit seiner Gattin und im Kreise seiner Kinder die Feierabendstunden seines Lebens fröhlichen Herzens genießen kann.

 

Den Lenzgeborenen gelten unsere herzlichsten Geburtstagsglückwünsche! Auf ein wiederum vollendetes Jahrzehnt blicken zurück:

 

am 18.03.1955:  Alwine Pohlmann-Hoffmann, Zoppot (30 Jahre);

 

am 08.03.1955: Erich Schröter, Allenstein;

 

am 12.03.1955: Elsa Jacubzig-Jankowski, KTC Kbg.;

 

am 21.03.1955: Horst Bendig, Marienburg;

 

am 28.03.1955: Frau Bartsch-Turowski, Ortelsburg (sämtlich 40 Jahre);

 

am 29.03.1955: Frau Elsa Knuth, KTC Kbg. und Kurt Schröder, KMTV Kbg. (50 Jahre);

 

am 08.03.1955: Hedwig Eitner-Kapornik, KTC Kbg. (60 Jahre) und

 

am 31.03.1955: Fritz Hübner, KMTV Kbg. (70 Jahre).

 

Sein 75. Lebensjahr vollendet am 16.03.1955: Fritz Meyer, Marienburg und Tiegenhof.

 

Ihnen allen ein kräftiges Gut Heil!

 

 

Der KMTV 1842 Königsberg trifft sich anlässlich der 700-Jahrfeier der Stadt Königsberg (Pr) in der Patenstadt Duisburg Pfingsten 1955 zu einer Stunde der Begegnung. Hierzu sind auch die Angehörigen aller anderen Turn- und Sportvereine unserer Heimat herzlichst eingeladen. Treffpunkt und genaue Zeit werden noch bekanntgegeben und auch im Programm für die 700-Jahrfeier veröffentlicht werden.

 

 

Der MTV Lyck 1877 trifft sich voraussichtlich im Juli 1955 zu einem Wiedersehen anlässlich des großen Kreistreffens von Lyck in der Patenstadt Hagen (Westf.). Das Anschriftenverzeichnis mit gedrucktem Nachtrag ist noch in größerer Anzahl vorrätig und für Besteller versandbereit. Onkel Wilhelm

 

 

MTV. Lyck

Die Stadt Hagen hat freundlicherweise die Patenschaft für den Kreis Lyck übernommen. Die offizielle Übernahme erfolgt voraussichtlich im April mit einem Festakt zwischen der Stadtverwaltung und geladenen Gästen. So wollen auch wir Turner des MTV. Lyck unser diesjähriges Wiedersehen auf das große Lycker Treffen im Laufe des Sommers (Juli) verlegen. Bis zum 1. Juni bitte ich um Zusage, wer von den Turnerinnen und Turnern nach Hagen kommt. Das „Land der tausend Berge“, mit seinen Wäldern, Flüssen, Seen und Burgen lockt so mit den Naturschönheiten, und uns aus dem „Land der tausend Seen“ werden die Eindrücke in Hagen eine Erholung des Herzens sein. Helmut Gronen, (20a) Celle, Hugo-Weg 2 I

 

 

Seite 5   Wir gratulieren!

Im Monat März 1955 können die nachfolgend aufgeführten betagten Mitglieder der Ostpreußenfamilie in Flensburg ihren Geburtstag feiern:

 

Am 01.03.1955: Herr Rudolf Jakubeit, Bundesstraße 4. Früher: Labiau (Ostpreußen), 71 Jahre.

 

Am 02.03.1955: Frau Auguste Ahlrep, Heinz-Krey-Lager. Früher: Schlagakrug, Kreis Johannisburg, 74 Jahre.

 

Am 02.03.1955: Frau Martha Diester, Kepplerweg 17. Früher: Königsberg, Rudauer Weg 30, 80 Jahre.

 

Am 03.03.1955: Frau Katharina Weinberg, Friesische Straße 113. Früher: Neidenburg (Ostpreußen), Feldstraße, 72 Jahre.

 

Am 05.03.1955: Frau Wilhelmine Wendling, Mühlenholz 29. Früher: Königsberg, Mitteltragheim 35, 80 Jahre.

 

Am 07.03.1955: Frau Anna Captuller, Tapezierermeister-Witwe, An der Reitbahn 12. Früher: Königsberg (Pr.), Haberberger Neue Gasse 36/37, 84 Jahre.

 

Am 08.03.1955: Frau Maria Zorn, Pregelstieg 2. Früher: Königsberg (Pr.), Hagenstraße 7, 73 Jahre.

 

Am 10.03.1955: Herr Richard Stahnke, Lager Kielseng. Früher: Kampen, Kreis Lötzen, 72 Jahre.

 

Am 13.03.1955: Herr Eduard Posedda, Resselweg 12, 72 Jahre.

 

Am 14.03.1955: Frau Auguste Naggies, Mützelburglager. Früher: Gilge, Kreis Labiau, 91 Jahre.

 

Am 14.03.1955: Herr David Pauleit, Burgstraße 9, 77 Jahre.

 

Am 16.03.1955: Herr August Kroß, Ochsenweg 30. Früher: Semen, Kreis Bartenstein, 76 Jahre.

 

Am 16.03.1955: Frau Helene Langhans, Duburger Straße 86, 70 Jahre.

 

Am 22.03.1955: Frau Henriette Orlewski, Tarup, Kreis Flensburg, 81 Jahre.

 

Am 22.03.1955: Herr Gustav Prange, Fruerlundlücke 13. Früher: Königsberg (Pr.), Auguste-Viktoria-Allee 12, 73 Jahre.

 

Am 27.03.1955: Frau Hedwig Koslowski, Mühlenholz 49, früher Königsberg (Pr.), Luisenallee 70, 73 Jahre.

 

Am 30.03.1955: Frau Berta Farnsteiner, Brixstraße 57. Früher: Blockwalde, Kreis Schloßberg, 80 Jahre.

 

Am 30.03.1955: Frau Else Kursch, Mommsenstr. 5. Früher: Königsberg (Pr.), Hintertragheim 38, 75 Jahre.

 

Am 31.03.1955: Elise Kossack, Neustadt 41. Früher: Königsberg (Pr.), Neue Reiferbahn 3, 78 Jahre.

 

Der Vorstand und die ganze große Familie der Ostpreußen in Flensburg gratuliert ihren Geburtstagskindern aufs allerherzlichste und wünscht ihnen einen gesegneten Lebensabend. Armoneit.

 

 

Am 29.03.1955 wird Frau Ida Rosenberg aus Braunsberg, Ritterstraße 25, jetzt Uerdingen (Rhl.), Kurfürstenstraße 69, Altersheim, 78 Jahre alt.

 

 

Seite 6   Eine Handvoll Erde vom Weichselstrand. Von Marian Hepke

Durch ein ungewöhnliches Geräusch aus ihrer Nachtruhe geweckt, schreckte die Bäuerin als erste hoch und richtete sich halb in ihrem Bette auf. Dann spürte sie, dass auch ihre Tochter, die in dem Bett dicht neben dem ihren lag, in das Dunkel horchte.

 

„Was ist das?“, fragte die Frau leise. Ein Knacken war zu hören, als gäben die Stufen der alten Stiege, die von der Dachkammer des niedersächsischen Bauernhauses hinunterführte, unter dem Gewicht vorsichtig tastender Schritte nach. Dann knarrte der Schlüssel im Schloss der Tür, die zum Hof hinausführte. Jemand schien das Haus zu verlassen.

 

„Johannes“, ließ sich halblaut die Stimme der Tochter hören. Es klang, als stellte sie mit der Nennung des Namens eine Frage.

 

„Was treibt er mitten in der Nacht?“, fuhr die Mutter jetzt barsch heraus.

 

Statt einer Antwort hörte die Frau, dass die Tochter das Deckbett zurückschlug, sich erhob, ohne Licht zu machen unerschrocken zur Tür schritt, diese öffnete, zur Küche ging. Von dort konnte sie den Hof überblicken. Nach wenigen Minuten kam sie zurück, legte sich wieder nieder.

 

„Nun?“, fragte die Bäuerin.

 

„Johannes“, erwiderte das Mädchen. Es klang wie aus sehr trockener Kehle gesprochen. „Er ging über den Hof auf das Feld. Einen Beutel trug er in der Hand“.

 

„Mit einem Beutel war er damals auch gekommen. Jetzt geht er nachts auf und davon!“, brummte die Bäuerin. Es klang wie ein Stoßseufzer, aus Bitterkeit und Verachtung gemischt. Und nach einer Weile, als das Mädchen weiterhin schwieg, grollte es in das Dunkel: „Jetzt sind wir wieder allein!“

 

Die Frau drehte sich der Tochter zu, die ruhig atmend neben ihr lag. Sie spürte, dass auch das Mädchen nicht schlafen konnte. Dort drüben hatte früher der Bauer gelegen, dachte die Frau. Seit er in Russland geblieben, schlief die Tochter, kräftig und voll erblüht, in seinem Bett. Das Mädel muss heiraten, überlegte klar und nüchtern die Bäuerin. Was ist ein Hof ohne Bauer?

 

Erst hatte es Ukrainer und Holländer als Knechte gegeben. Als diese nach dem Kriege heimzogen, waren entlassene Soldaten gekommen, die geholfen hatten. Einige hatten richtig zugepackt bei der Arbeit, die meisten jedoch mochten nur essen in jener kargen Zeit damals. Und schließlich war einer nach dem anderen fortgezogen. Dann war Johannes gekommen. Ein großer, kräftiger Bursche. Ein Bauernsohn, wie er gesagt hatte, damals, als er sich gemeldet. Das mochte stimmen, überlegte die Bäuerin. Sonst hatte er nicht viel geredet, der Johannes, selbst nicht darüber, woher er gekommen, oder was seine Eltern besessen, wann und wo er seinen Armschuss bekommen. Sie hatte auch nie gefragt. Heute mochte mancher nicht reden, hatte vielleicht etwas zu verschweigen. Er war ehrlich und arbeitsam, das genügte. Geschwätzige Leute waren ihr sowieso zuwider.

 

Die Frau legte sich auf die andere Seite. Sie konnte nicht schlafen. Das war überhaupt eine Zeit, fuhr es ihr durch den Sinn. Der eigene Mann blieb irgendwo am Kaukasus, andere kamen in Massen, erzählten große Geschichten. Konnten viel erzählen: Wer wollte das alles nachprüfen. Da war der Johannes ein anderer gewesen. Er hatte eine ordnende Art. Still, fast verbissen arbeitete er. Hart, aber wie ohne — die Bäuerin suchte nach

einem Wort, doch konnte das rechte Wort nicht finden, das zu der Arbeit des Burschen gepasst hätte. Sie musste zugeben: Die Arbeit war ihm von der Hand gegangen.

 

Sie konnte vergleichen. Die Ukrainer und der Holländer hatten auch tüchtig geschafft, aber gleichgültig. Ebenso waren die Soldaten gewesen. Johannes war anders. Er schuf verbissen. Oder verbittert, dachte die Bäuerin. Verbittert, ja, das war das Wort. Warum nur?

 

Der Bauer hatte mit hellen Augen, mit Freude gearbeitet, mit Liebe. Ganz gleich, ob verbittert oder verbissen, überlegte die Frau, der Johannes hatte wie ein richtiger Bauer geschafft. Schade, dass er nun fort war. Es war eben kein Verlass auf diese Leute, die nach dem Kriege überall aufgetaucht waren und nicht recht wussten, wo sie hingehörten. Schade um Johannes. Es schmerzte sie der Gedanke, dass der junge Bursche nun fort sein sollte.

 

Schließlich verfiel die Bäuerin in einen Halbschlaf.

 

Doch als die beiden Frauen am Morgen an die Arbeit gingen, war Johannes auf dem Hof. Er putzte die Pferde, schirrte sie an.

 

„Was ist mit Dir, Johannes?“, fragte die Bäuerin streng. „Wo warst Du heute Nacht?“

 

„Draußen“, sagte der junge Mann. Aber es klang eigentlich nicht mürrisch, sondern fast fröhlich.

 

Die Bäuerin runzelte die Stirn. Johannes schlug mit den Zügeln den Pferden leicht auf den Rücken, schnalzte mit der Zunge, die Tiere zogen an, und pfeifend schritt er hinter ihnen her, um das Feld zu pflügen.

 

Als er am Mittagstisch saß, und seine Augen die der Tochter trafen, schien es dieser, als habe er einen fröhlichen Schalk im Blick, gleich einem Jungen, dem ein Streich geglückt ist.

 

Nachdem Johannes die Küche verlassen hatte, fragte das Mädchen die Mutter: „Was hat er nur?“

 

„Weiß man, was solche Leute haben“, brummte die Bäuerin.

 

In der späteren Zeit jedoch wunderte sich die Frau, dass man Johannes jetzt fröhlich pfeifen hörte.

 

Nach einigen Monaten hatte Johannes die Tochter geheiratet. Am Erntetag trugen die beiden jungen Leute eine Garbe goldgelbes Korn zum Altar. Behutsam bauten sie sie neben all den Früchten und Garben auf.

 

„Korn aus dem Boden der Weichselniederung“, sagte Johannes geheimnisvoll und strahlend in der Sakristei zum Pfarrer.

 

„Hier an der Elbe?", fragte dieser erstaunt.

 

„Ich habe im letzten Herbst die alte Heimat mit der neuen vereint“, gestand Johannes. „In einem Futtersack, den wir 1945 für den Treck mitgenommen hatten, fand ich eine Handvoll Erde, die von unserem Hof stammen musste. Kinder hatten sie wohl beim Spielen dort hineingeschüttet. Sie tun oft unbewusst Sinnvolles. So kam Erde vom Weichselland hierher. Nun habe ich sie mit dem Elbeboden vermählt. Und von dem Tage an war ich daheim“.

 

Er drückte seine junge Frau an sich, dann schritten sie in das Kirchenschiff hinab. Die Orgel begann ein Vorspiel, die Gemeinde setzte zum Gesang ein: „Herr, die Erde ist gesegnet“. Johannes stand noch stumm in seiner Bank, und es dauerte eine Weile bis er mit lauter Stimme einfiel ... „unser Warten ist gekrönet, unser Herz hast Du erfreut!“

 

 

Seite 6   Aufbaudarlehen für Wohnungsbau

für Geschädigte, die nicht selbst bauen wollen, und Bauherren, die Wohnungen für solche Geschädigte bauen wollen.

 

1. Einen Antrag auf ein Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau kann ein Geschädigter stellen:

 

a) um eine Wohnung des sozialen Wohnungsbaues (Eigenheim, Eigentumswohnung, Mietwohnung) für seinen Eigenbedarf am Ort des gesicherten Arbeitsplatzes zu erlangen, oder

 

b) um als Wiederaufbau- oder Ersatzbauberechtigter die Kaufanwartschaft auf ein Eigenheim bzw. eine Eigentumswohnung oder ein Dauerwohnrecht zu erwerben.

 

2. Bevorzugt werden bei der Bewilligung von Aufbaudarlehen die Geschädigten mit besonderer sozialer Dringlichkeit und Bauvorhaben mit besonderer volkswirtschaftlicher Förderungswürdigkeit.

 

3. Nach den Vorschriften des Lastenausgleichs müssen die Geschädigten, die nicht selbst bauen, in ihren Anträgen auf Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau Bauherren benennen, die bereit und in der Lage sind, Eigenheime oder Wohnungen für die Geschädigten zu bauen.

 

4. Andererseits müssen Bauherren, wenn ihnen nachstellige öffentliche Mittel bewilligt werden sollen, auch die Restfinanzierung nachweisen. Für die Siebung dieser Restfinanzierung werden gerade die Aufbaudarlehen an die einzelnen Geschädigten gewährt

 

5. Daraus geht hervor: dass sowohl die wohnungsuchenden Antragsberechtigten Geschädigten daran interessiert sind, einen für sie geeigneten Bauherrn zu finden, wie auch umgekehrt die Bauherren daran interessiert sind, für ihre Bauvorhaben geeignete Geschädigte zu kennen, denen ein Aufbaudarlehen bewilligt werden kann.

 

6/a) Zu diesem Zweck liegen bei den Ausgleichsämtern der Kreis- bzw. Stadtverwaltungen Listen aus, in die sich Antragsberechtigte Geschädigte eintragen können. Diese Listen stehen den Bauherren jederzeit zur Einsicht offen,

 

b) Ebenfalls liegen bei den Ausgleichsämtern Listen aus, in die sich diejenigen Bauherren eintragen können, die Antragsberechtigte Geschädigte zur Sicherung der Restfinanzierung suchen.

 

Diese Listen stehen jederzeit den Geschädigten zur Einsicht offen.

 

7. Zum Zwecke der schnelleren Fertigstellung der für die Geschädigten bestimmten Wohnungen können mit Einverständnis der Geschädigten die von ihnen zu beantragenden Aufbaudarlehen auch Bauherren unmittelbar vorweg zugeteilt werden.

 

Wer von der Eintragung und Einsicht in die Liste Geberauch macht, kommt schneller zum Zuge.

 

Welches Ausgleichsamt ist zuständig?

Die Frage, welches Ausgleichsamt zuständig ist, muss für zahlreiche Anträge nach Lage des Einzelfalles entschieden werden. Hiervon werden in erster Linie Fälle betroffen, in denen ein Antragsteller Schäden an mehreren Orten geltend macht, oder in denen mehrere Geschädigte Schäden an gleichen Vermögensgegenständen (Wirtschaftsgütern) oder an Anteilsrechten an Kapitalgesellschaften, für die ein Steuerkurswert nicht besteht oder nicht bestanden hat, oder an Rechten an Wertpapier-Forderungen geltend machen. Auch in Erbfällen besteht oft die Notwendigkeit, ein Ausgleichsamt unter mehreren auszuwählen.

 

Diese und ähnliche häufig vorkommenden Fälle sind jetzt in ausführlichen Durchführungsbestimmungen des Bundesausgleichsamtes zusammenfassend klargestellt worden. Danach ist die Zuständigkeit weitgehend auf die Kreisebene der Lastenausgleichsverwaltung verlagert und das Wahlrecht der Antragsteller erweitert worden. Die bisher übliche Regelung, dass das Bundesausgleichsamt in überregionalen Fällen über die Zuständigkeit der Ausgleichsämter entschied, wurde mit dem Ziele der Vereinfachung und Beschleunigung fallen gelassen.

 

Geschädigte, die über die Amtszuständigkeit im unklaren sind, wenden sich zwecks Aufklärung in jedem Fall an das für ihren ständigen Aufenthalt zuständige Ausgleichsamt; Antragsteller, die im Zeitpunkt der Antragstellung keinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik oder Berlin West haben, an dasjenige Ausgleichsamt, in dessen Bereich sie zuletzt ständigen Aufenthalt hatten.

 

Rückfragen beim Bundesausgleichsamt sind als Folge dieser Neuregelung zwecklos, da sie an die zuständigen Ausgleichsämter weitergeleitet werden müssen; sie verzögern nur die Bearbeitung.

 

 

Kein Lastenausgleich für Gesundheitsschäden.

Wer als Flüchtling im Zusammenhang mit Vertreibungsmaßnahmen Schäden erlitten hat, kann bekanntlich Lastenausgleich verlangen. Kürzlich forderte ein Vertriebener vom Staat Lastenausgleich auch dafür, dass er bei seiner Ausweisung aus der Heimat schwere gesundheitliche Schäden davongetragen hatte. Die Behörden verweigerten ihm die beantragte Ausgleichszahlung. Daraufhin verklagte er den Staat vor dem Landesverwaltungsgericht Hamburg.

 

Seine Klage wurde abgewiesen (V a VGL 478/54). Schaden im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes sei nur ein Verlust bestimmter Wirtschaftsguter, z. B. Verlust von Wohnraum und Verlust der beruflichen oder sonstigen Existenzgrundlage. Gesundheits- und Körperschaden falle nicht darunter. Derlei gelte auch dann nicht als „Vertreibungsschaden“, wenn die Schädigung durch die Ausweisung aus der Heimat bedingt sei. „Das Lastenausgleichsgesetz will nur Einwirkungen der Vertreibung auf das Vermögen oder die Existenz, soweit diese wirtschaftlich umschrieben ist, entschädigen. Gesundheitsschäden aber sind nicht anders zu bewerten als Kriegsbeschädigungen“. Hierfür könne Lastenausgleich nicht gefordert werden.

 

 

Seite 6   66 Prozent der bäuerlichen Gesindekräfte – Heimatvertriebene.

In einem Referat, das der Frankfurter Soziologe, Prof. Dr. Neundörfer, vor dem Hauptausschuss des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge gehalten hat, führt er u. a. aus, dass die Leute Not in der ansässigen mittelbäuerlichen Landwirtschaft ein paar Jahre lang durch die Vertriebenen und Flüchtlinge verdeckt war, dass es aber nicht so aussehe, als ob sich noch einmal eine größere Gruppe von Menschen bereitfände, bäuerliche Knechts- und Magdarbeit zu tun. Er sagt dann wörtlich: „Von den 600 000 Gesindekräften, die es heute im Bundesgebiet noch gibt, sind 2/3 Heimatvertriebene, und wir wissen aus einzelnen Untersuchungen, dass sich darunter kaum mehr junge Menschen befinden, sondern in großem Umfange Alte, die keine andere Erwerbschance mehr sehen. Stark sind auch Halbfamilien vertreten, die hier in der an sich unregelmäßigen und an keine ganz feste Arbeitszeiten gebundenen Tätigkeit die Möglichkeit haben, den Familienhaushalt mit einer Arbeit zu verbinden, und denen auch eine naturale oder teilweise naturale Entlohnung für die Aufrechterhaltung ihres Haushaltes von Nutzen sein kann. Junge Menschen findet man höchstens noch in der Situation eines ersten Unterschlupfes, etwa nach dem Überschreiten der Grenze aus der sowjetisch besetzten Zone, aber überall deutlich mit der Tendenz, sobald als möglich in eine andere Tätigkeit hinüberzuwechseln. Die Antwort auf diese Situation in den bäuerlichen Betrieben heißt Rationalisierung und Rückzug auf die familieneigenen Kräfte, wobei auch in zunehmendem Maße nur mit dem Hoferben und dessen Frau auf lange Zeit gerechnet werden kann.

 

 

Seite 6   Geschichte des Masurischen Turngaues.

Foto: Gauturnfest des Masurischen Turngaues 1920 in Lyck. Aufmarsch der Turner und Turnerinnen auf dem Marktplatz zu den allgemeinen Freiübungen

Der Kreis I Nordost der Deutschen Turnerschaft umfasste vor dem 1. Weltkriege die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen und den Regierungsbezirk Bromberg von der Provinz Posen. Das ganze Gebiet war in Turngaue aufgegliedert. Nach Fortfall des durch den Friedensvertrag an Polen fallenden „Korridors“ und Überleitung des westlich davon verbliebenen Teiles an den Turnkreis III b - Brandenburg - bestand der Kreis I aus den Gauen: Memelland, Ostpreußen Grenz- und Memelgau, Masurischer Gau, Ostpr. Mittelgau, Allegau, Pregelgau, Drewenzgau, Unterweichselgau, Netzegau und Gau Freie Stadt Danzig.

 

Leider sind die Unterlagen für die Geschichte, der einzelnen Gaue fast gänzlich verloren gegangen. Aus seinem persönlichen Erleben und Erinnern hat aber der letzte Oberturnwart des Männer-Turnvereins Lyck, Adam Lojewski, in dankenswerter Weise wesentliche Angaben zur Geschichte des Masurischen Gaues gemacht in seiner kurzen Niederschrift, die hier im Wortlaut folgt:

 

„Der III. Masurische Turngau wird um 1880 gegründet sein. Folgende Vereine gehörten ihm an: Männerturnverein Johannisburg, Goldap, Lyck und Treuburg. Im Laufe der Jahre traten dann noch folgende Vereine bei: Männerturnverein Gehlenburg (früher Bialla), Prostken, Turn- und Sportverein Arys und Mierunsken und schließlich der Frauenturnverein Goldap. Bis zum Weltkrieg 1914/1918 war das Amt des Gauvertreters verbunden mit dem des Gauturnwarts. Einer der rührigsten Gauvertreter und Gauturnwarte war der Lehrer Anbuhl aus Treuburg und sein Nachfolger, der Kreiswiesenbaumeister Kostka aus Treuburg. Vertretungsweise hatte diese Ämter eine Zeit lang Bolz- Goldap.

 

Nach dem Weltkrieg 1914/1918 trennte man diese Ämter. Als Gauvertreter wurde Sanderling- Arys und als Gauoberturnwart Pahle - Arys gewählt. Später übernahm dann das Amt des Gauvertreters der Gewerberat Dr. Beyer aus Lyck; Gauoberturnwart wurde Batt - Goldap. Dieser war sehr rührig und hat es verstanden, Leben in den Gau hineinzubringen. Schulrat Neubauer aus Lyck war der letzte Gauvertreter. Zum Gauturnfest im Jahre 1902 in Treuburg erschien der Männerturnverein Johannisburg mit einer „Kanone“. Von diesem Turner wurde gesagt, dass er zu Hause sämtliche Turngeräte habe und jeden Tag fleißig übe. Um an den Turnstunden des Johannisberger M.T.V, teilnehmen zu können, musste er von seinem Wohnort, der einige Kilometer von Johannisberg entfernt lag, immer mit dem Rad hin und zurückfahren. Bei dem erwähnten Gauturnfest ist der betreffende Turner als erster Sieger im Zwölfkampf hervorgegangen. Es ist unser letzter Kreisvertreter Fritz Babbel gewesen.

 

Im Jahre darauf, also 1903, fand in Johannisberg ein Gautreffen verbunden mit einem Wettkampf im Fünfkampf statt. Auch aus diesem Wettkampf — Schreiber dieser Zeilen hat den Weltkampf mitgemacht — ist Fritz Babbel als erster Sieger hervorgegangen. Das waren Anfangserfolge unseres späteren Siegers auf deutschen Turnfesten und letzten Kreisvertreters.

 

In den einzelnen Vereinen war der Turnbetrieb recht rege. So besaß z. B. der MTV Treuburg bereits im Jahre 1900 eine große und neuzeitlich eingerichtete Turnhalle. Das Verhältnis der Vereine zueinander war sehr gut. Die Gauturnfeste des Masurischen Turngaues waren wahre Volksfeste. In jeder Feststadt wurden die Turner aufs Beste aufgenommen. Die Feststädte waren immer reichlich geschmückt und die Turner und Turnerinnen wurden mit Blumen Überschüttet“.

 

 

Seite 6   Eine Millionen „Praktische Ratgeber“.

Die vom Bertelsmann-Verlag herausgegebene Buchreihe „Praktische Ratgeber“ erreichte seit Erscheinen des ersten Bandes vor zwei Jahren eine Gesamtauflage von über einer Million. Am erfolgreichsten waren das moderne Nachschlagbuch „Ich sag Dir alles“, von dem über 330 000 Exemplare verkauft wurden, der „Bertelsmann Weltatlas“ mit einer Auflage von 220 000 und die „Deutsche Rechtschreibung“ mit rund 140 000 Exemplaren. Knapp 100 000 Bände wurden vom „Praktischen neuen Kochbuch“ verkauft, während das „Praktische Gartenbuch“ die 100 000-er Grenze bald erreichen wird.

 

 

Seite 7   Glatteis/Von Wanda Wendlandt. (Fortsetzung und Schluss)

„Nä – nä – scheen Dank ook! Aower nu ös wörklich jenoog! – Se weete jao mien Dochter, eck zier mi nich un laot mi nich nödije, aower dat kann eenem ook manches maol rein to väl ware, säd jen Buer wie m de Föder Mäst oppe Buuk full. Scheen Dnk ook välmaol!“ Mutter Loneit deckt schützend die Hände über ihre Kaffeetasse. „Nu hebb eck Enne Kaffee alle Ehr un Achtung anjedohne, nu war eck noch dissem letzte Kremel Glomsflaode verputze und denn sön wi so wied, wi de Mutterke säd! – Dat mott eener aower sejje: Kooke-backe, dat vastaohne Se, mien Dochter, dat könne Se bäter wi ons ohl knäkschäw‘ je Kaoter dat Muuse! Dis Glomsflaode – mi is jliek ganz weekmödig jeworde be et Eete: Ackraod wi To-huus schmeckd de, ackraod wi ons Mutterke dem ook ömma backd, möt Korintes so väl wi im Saomer Fleege oppe Bottermelk! Dao ös bei orndlich wat böne, dat sitt eener jliek – dat ös nich so, wi wenn ons Line eenem backd – Se weete jao, mien Dochter, mien Cesine, de ös ömma so e böske väl spaorsaom, rein all e bät nätschieterig, de wöll ömma uut Peerdschiet Dwarg backe! – Na, dat ös aower fein, mien Dochterke, dat du dien Mutterke all so good to Hand jeihst un all von ganz alleen de Dösch awriemst! Nu haol man noch dem Wäschkodder un wäsch dem Plaar hier op, wo eck e hät äwerjepladdert hebb, denn et jeiht nuscht äwer de Reinlichkeit, säd jen ohl Wiew un kehrd alle Wihnachte ehr Hemd öm“. – „Nun müssen Sie uns aber auch endlich erzählen, was Ihnen eigentlich zugestoßen ist – das interessiert uns doch, liebe Mutter Loneit!“ – „Jao, dat wär eck Ju nu man vatelle un Ju ware sehne, dat kömmt alles bloßig von dat, dat kein Ehrfurcht nich mehr ös önne Welt!

 

Ju weete doch, dao wo eck möt mien Cesine waohn, dao annem Huuske värbie de Wech, dao jeiht doch de Foothstieg e ganz End däg bargaw. Nu ehrjistre, wi dat so e doll Schneestieming weer, dat kein Buer nich sienem Hund ruterjaogt, dao weer natierlich de Schnee aller bargdaohl jejaogt un dao weer bold e good Schleedebaohn an onsem Huus värbie. Na un denn duert dat ook nich lang, denn were ute ganz Jejend de Junges tohope und denn jing dat was haste was kannste, ömma dem Barg daohl. Dat weer e Jejuch un Jekrisch, doller als wenn e Haowke Schow Krahje oppe stött! Na un oppem glatte Footstieg, an onsem Huus värbie, dao hadde se doch öm Handömdrelle e ganz lang Schorrbaohn jemaokt, dat jing Ju doch möt Hu-i-i! un Hei-di-i-i! dem ganze Barg runder. Dat weer Di e Vajneeje, to kicke, un eck mott sejje, mi juckde rein mine ohle Hinderbeene, dat se dat ook noch emaol probeere wulle un miene Ooges kickde gaonich mehr oppem ohle Sock, wo eck steppe wull — bloßig ömma ute Fönster rute in dat grote Vajnöje bute! „Nu kick doch bloß, Lina“ säd eck to mien Cesine, wi de önne Staow rönkeem, „nu kick doch bloßig, wat söck de Bengels väre fein Schorrbaohn jemaokt häwe, dat jeiht ömma wi möt Schnodder jewichst!“ — „Na das mecht ich den aberst bald verpirrt haben wollen“ säd de Lina bloßig, wi se bloßig ute Fönster jekickd had. , Na nu laot doch dem Kind dem Popp — wi weere doch ook emaol Kinder" säd eck, aower de Lina heerd nich un eck heerd ehr römromohre önne Köch. Naoh e Wiel seh eck ehrbute möt e groot Emma voll Sand. Na nu funge de Junges an to weimre un to prosche un to pranzle, aower de Lina blew unberehrt, wie e Uhl mangke Krahjes nehm söck dat ut! Möt großaortije Jebärde spöckt se dem Schöffel önne Emmer un spänkert de Sand ön grote Baoges dem Barg runder. Na de Junges de stunde jao nu benaut als wenn de Kiekel ehr de Botter vonne Brot jehackd hadde. Ons Lina rauhd nich eher, als bät de Emmer leddich weer un stölpt em toletzt ook noch öm mödde oppe Schorrbaohn, um demm kehm se stolz wi e Siejesförscht bargop jeklabastert un stüert forsch ön uns Huusedär rön. Bute önne Tuuß treckd se ehrem Pij aw un denn keem se rön: „Die sind bedient — die schorren nich mehr vor unsre Haustür!“

 

Eck hadd miene Ooges op mienem ohle Sock jehatt, aower nu kiekd eck wedder ruter. „Sittste sittste! säd eck nich: jöw dem Jung dem Föddel nich!“ reep eck dao — denn bi ons Line mott eck mi ömma betähme un mi fein un jebildet utdröcke, dao kann eck nich ömma fri vonne Läwer wech schabbre wi eck dat bi Enne kann, sonst vadrells se glieks ömma de Ooges jejen dem Himmelke, fohld de Knäwels tohope un lejjt dem Dätz scheef: „Ich bitte Dir doch, Guste, benimm Dir nich immer! Was sind mich des bloßich immer fier Ausdricke! Also nu kickde wi Beide ruter ute Fönster — un wat glow Ju, wat wi dao to kicke hadde? — Dao hadde doch de krätsche Junges ehrem längste Lulatsch anne Hinderbeene jepackd un fohrwarkte möt dem dem Barg daohl, dat he möt sienem Naosch un de breede Träningsböxe, wi se de nenne, de ganze Sand wech un de Schorrbaohn wedder spegelblank fejd, solang jing dat op und daohl. Na, eck kunn jao nu nich andersch, eck mußd lache, dat mi de Ooges traonde un bät eck mi dem Buuk hohle mußd! Aower ons Line, jnietsch wi e ohl Kobbel, krej e ganz spötz witt Näs: „Na denn wer ich man sie das missen noch besser verpirren!“ muhld se, wi de Lost bute möt Jejuch un Jekriesch nu noch doller als värdem losjing. „Aower laot de doch noch e Wielke, Lien! Laot se doch, bät de erscht Hött värbie ös, denn kannst Du doch ömma noch streie!“ Aower ons Lien heerd nich un eck heerd ehr römrementre önne Köch un önne Asch römklaue. Und denn weer dat wi värdem: Wi e Uhl mangke Krahjes ön ehrem jriese Pij nehm söck ons Lien ut, wi se dao preislich dem Barg runderschwäkt un rechtsch un linksch möt de Flochtes flatterd un ehre Gaowes utdeeld: Fingerdick Asch un Kaohles, wo de Junges am blankste jefejt hadde, dat nu an kein

Schorre äwerhaupt nich mehr to denke weer! Na de ohle Junges de stunde jao nu wi ons ohl Fido, wenn eener em sienem Marksknaoke möt noch wat dran wechjenaohme häwt.

 

Aower wi dat all diester weer, dao heerd eck dat doch bute oppe Wech ruschle und pladdre on eck segg to ons Lien: Op dat buute rejent? On wi eck denn morjens rutkick, dao ös doch de ganze Wech dem ganze Barg runder dick möt Ies befraore un spegelblank. Und sehne Se, mien Dochter, dat ös, wat eck segg: Et ös kein Ehrfurcht nich mehr önne Welt! Denn dat de krätsche Junges söck booßde, obschonst se nich öm Recht un nich ermächtijt, wi ons ohl Amtsversteher tohuus öma säd, were, söck e Schorrbaohn ackraod vär ons Huusdär to maoke — dat se söck boßde dat kann eck jao vastaohne, denn eck si jao ook emaol jung jewäse! Aower dao nu heimlich Emmerwies Waoter runder to plauksche — sejje Se sölwe: Dat ös doch kein Ehrfurcht nich mehr? — Aower et kömmt noch bäter!

 

Eck hadd mi doch värjenaohme, all jistre bi Enne to kaome, weil eck doch all so lang nich mehr jewäse weer un eck rein all e Janker hadd, maol wedder möt e vanönftije Mönsche to kose un frie vonne Läwer wech mi uut to plachandre, denn möt ons Lien — na, Se weete jao all!! — „Line“ sejj eck, wi eck rutkick un de Bescherung un dem Wech blank wie e Naosch find, „nu kick Di bloßig dat an, Line! — Aower dat helpt aller muscht nich, eck mott gaohne!“ „Du bist mich wohl — —! Du wirst mich nich!!“ krischt dao ons Line un schloj de Händ äwre Kopp tohope. „Line“ sejj eck, „eck häw mi dat värjenaohme, un wat eck mi värjenaohme häw dat führ eck ook uut! Dao behaupt eck mien Stöck!“ Na de Lien de lameteerd denn noch wat tohop, aower eck leed mi nich koppschie maoke, eck maokd mi torecht un treckd mi forsch mine ohle Ponsorre äwer. — To streie had wi jao nu nuscht nich mehr kein Sand nich un kein Asch nich, ons Lien had söck fortzig ganz und gaor vautgaowt. „Nu help de leewe Gottke ons alle dröttije!“ säd Jen Tepper, wi e mött e Dutz Schiewes önne Aorm de Luchtetrepp runderkullert“, säd eck, wi eck ute Huusedär ruter oppe Glatties trample mußd. Na eck pirzeid jao nu wi e Katt op Nätschelle un wenn ons Lien mi nich so spieltähnig naojeschult had — denn weer eck vleicht doch ömjekihrt, denn dat weer all noch blanker wi op manche Naosch! Aower eck häw ook mien Stolz un so schwierd eck jejen de Husewand un dao längs un denn anne Tuun lang, ömma sachtkes — sachtkes! Un bät dao jing et denn jao ook, aower denn weer da nuscht nich wider, wo eck mi an haole kunn un dao stunn eck nu wi e Oss oppe Parkett! — Eck kickd mi öm: Dao kömmd so e Gnarpel mött e Schlädke dem Barg runderjeschorrd: „Omache — jeht schlecht, nich? — Wollen Sie nich lieberst mit meinem Schlitten den Berg runterfahren?“ Na eck äwerlejd mi dat nich lang, denn schlecht jefaohre ös ömma noch bäter wi good Foot jegange: „Dankscheen ook, mien Jungke! Mich vleicht ganz good sön!“ un huck mi röchtig ropper un nestel mi torecht, so good da geiht. „Na nu moßd aower ook good lenke und man nich önne Graowe!“ ermaohn eck em, denn eck denk doch, de huckd söck runder mi un ward stiere. Aower dao göwt de krätsche Gnarbachel doch dem Schlade e Bugger un de faohrt aw möt mi wi de Diewel möttem Dokter Faust! Eck keem gaonich to Besönnig, dao weer eck all unde — und röchtig! kröjt de Schläde dao doch e Schlieser un rietz! lijt he röm — un praatz! lijj eck önne Graowe! — Nu sejje Se, mien Dochter: Jöwt et noch Ehrfurcht önne Welt? — Jöwt et noch: Vor einem grauen Haupte sullst Du aufstehen un sullst die Alten ehren!? — „Heere Se“ mußte wi sejje to ons Vaoderke on ons Mutterke, denn wi ons Mutterke säd: Wo erscht ös Du ös ook bold ohl Suu!“

 

Mutter Loneit zieht ihr Bein unter dem Tisch vor und nestelt an ihrem Strumpf. „Dao sehne Se, mien Dochter, de ganz Schänbeen ös dick, als wenn he Junge krieje sull — op dem sie eck henjeschlaoge“. „Oh! das tut wir wirklich von Herzen leid, liebe Mutter Loneit! — Immerhin aber haben Sie großes Glück gehabt, dass es nicht schlimmer abgelaufen ist — Gottlob! dass Sie nichts gebrochen haben und heut immerhin schon laufen können, wenn auch nur mühsam und unter großen Schmerzen. — Wie sind Sie denn aber gestern den Berg wieder hoch und nach Hause gekommen?“

 

— „Na, de Gnarpel keem mit naojerennt, wi he seej, wat passeert weer, na un dao mußd he mi oplaode un denn dem Barg wedder hochkarjole. Un eck kann Ju sejje: Oddentlich awmarache mußd he söck oppe glatt Ies, denn eck hebb mien Jewöcht un de Barj ös steil, he mußd söck awmarache un awströpe wi e Maodeschieter, de Gnarbachel, un oppe Näs jeflaoge ös he nich to knapp daobie un toletzt rennd em de Schweet vonne Steern un de Bloot ute Näs und dat weer denn sien jerecht Straof“. — „Ach, Mutter Loneit, der Junge war doch denn wirklich nicht schlecht! — Vielleicht war er gar nicht unter denen, die das viele Wasser auf die Schorrbahn gegossen haben — und vielleicht hat er es gar nicht bös gemeint, als er Sie allein den Berg runterfahren ließ, und vielleicht —". — „Vleicht!! Vleicht!!! Dat sön Spötzfindigkeite von Se, mien Dochter! See weete jao, eck haol väl von Enne un heer väl op dat, wat Se sejje, aower hier un ön dissem Fall mott eck sejje: Dat kömtt bloßig von dat kein Ehrfurcht nich mehr ös önne Welt! — Un wat Se sejje, dat sön Spötzfindigkeite: Vleicht! Vleicht! Vleicht! — „Dat ös mi to spötz!“ säd de Uhlespegel, wi he önne Hache jeschäte hadd un sull et uutlöcke“.

 

 

Seite 7   Reklame

Bernstein das Geschenk für alle Ostpreußen.

Schmuck in neuzeitlicher Form. Gebrauchsgegenstände, Ketten aus geschliffenen Natursteinen. Erinnerung- und Ehrennadeln. Reparaturen. Vorzugsangebote: Bernstein-Manufaktur, Hamburg 36, Neuer Wall 10, II

Bernstein – Erzeugnisse schmückten seit Jahrzehnten die Gabentische unserer verlorenen ostpreußischen Heimat. Festtage, Familienereignisse, Jubiläen, Betriebsveranstaltungen sowie besondere Ehrungen wurden zum Anlass genommen, um durch Überreichung kunstvoll verarbeiteter Bernsteingaben die Verbundenheit des ostdeutschen Menschen mit seiner Heimat zum Ausdruck zu bringen. Unsere Landsleute sehen in diesem Material auch heute noch, trotz des Verlustes der einzigen Rohstoffquelle der Welt, den urdeutschen Werkstoff, der zum Sinnbild wehmütiger Erinnerungen geworden ist. Er erscheint ihnen nicht nur als Schmuck schlechthin, sondern als Stück ihrer verlorenen Heimat und schlägt darüber hinaus zugleich eine Brücke zum neuen Gastland.

 

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg – Osdorf, Blomkamp 51 unter Angebe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939, Landsleute, helft mit, das Schicksal der Vermissten aufzuklären.

 

Neuhausen bei Königsberg: Karin Edeltraut Nahodil, geb. 31.05.1944 in Neuhausen, von ihrer Mutter: Anna Gertrude Nahodil, geborene Kantimm, geb. geb. 21.01.1920. Außerdem wird die Großmutter Anna Johanna Kantimm, geb. 15.12.1897, gesucht. Karin und ihre Großmutter wurden zuletzt in Seerappen von einer Bekannten gesehen.

 

Rositten, Kurische Nehrung, Kr. PreußischEylau: Wolfgang Werner Borchert, geb. 26.02.1940 in Königsberg, von Erika Stache, geborene Gerwien, geb. 05.04.1928.

 

Osterode, Hohensteiner Weg 8: Elfriede Grams, geb. 04.02.1936, Inge Grams, geb. 28.08.1937. Margot Grams, geb. 1936, Helga Grams, geb. 09.1942, von ihrem Vater: Erich Grams, geb. 14.01.1904.

 

Schippenbeil, Kr. Bartenstein, Rastenburger Straße 6: Elly Faust, geb. 26.05.1938 in Schippenbeil, von ihrem Vater: Herbert Faust. Das Kind ging am 12. März 1945 in Swinemünde verloren.

 

Wilkendorf, Kr. Rastenburg, bei Familie Schiller: Waltraut Warschun, geb. 12.06.1937. Inge Warschun, geb. 08.03.1940, und Claus-Dieter Warschun, geb. 22.12.1941, von ihrer Mutter: Berta Warschun, geborene Bannasch, geb. 20.12.1910.

 

Arnau bei Königsberg, Kreis Samland: Gerhard Aust, geb. 21.11.1937 in Palmburg, von seiner Tante: Minna Klein, geborene Aust, geb. 30.11.1892

 

Böttchersdorf, Kreis Bartenstein: Frieda Nitsch, geb. 23.07.1933 in Groß-Schönau und Christel Nitsch, geb. 24.06.1936 in Groß-Schönau, von ihrem Vater: Otto Nitsch, geb. 02.04.1887

 

Eydtkau, Kreis Ebenrode: Erich Waldemar Räder, geb. 26.08.1935 in Insterburg, von seiner Mutter: Charlotte Schulz, geborene Räder, geb. 02.05.1914. Erich Waldemar Räder war bis Mai 1944 bei Herrn Fritz Scheffler in Klein-Haldenau in Pflege und wurde dann vom Fürsorgeamt nach Eydtkau, Kreis Ebenrode in Pflege gegeben. Der Name der Pflegeeltern ist unbekannt.

 

Gerdauen, Danziger Straße 19: Erwin Job, geb. 20.05.1935 in Gerdauen, von Ewald Job, geb. 02.05.1913. Angeblich soll Erwin nach dem Tode der Eltern in ein Kinderheim gekommen sein. Wohin ist unbekannt.

 

Hirschberg, Kreis Allenstein, bei Sobotta: Horst Drews, geb. 18.09.1938 in Hirschberg, von seinem Onkel: Anton Drews, geb. 06.02.1911

 

Königsberg, Alter Graben: Heinz Funkat, geb. im September 1939 in Königsberg, von seinem Onkel: Emil Funkat, geb. 15.05.1920. Heinz wohnte bis März 1948 in Hagenwalde bei Groß-Baum, Kreis Labiau. Bei ihm befand sich seine Mutter: Elli Funkat, geborene Fechter.

 

Königsberg, Hinter Lomse 21: Elisabeth Küssner, geb. etwa 1933 in Königsberg, und Vera Küssner, geb. etwa 1942 in Königsberg, von Bruno Neusesser.

 

Königsberg-Rosenau, Jerusalemer Str. 11a: Doris Petereit, geb. 30.08.1933 in Königsberg, von Helene Petereit.

 

Königsberg, Karlstr. 9 - 10: Alfred, Kaschulla geb. 29.07.1935 in Königsberg, von seinem Vater: Paul Kaschulla, geb. 25.01.1900.

 

Königsberg, Laptauer Str. 19, oder Schleiermacherstr.: Hannelore Dams, geb. 15.10.1935 in Tilsit, von ihrem Vater: Arthur Dams. Hannelore kam angeblich 1946 in Königsberg in ein Waisenhaus.

 

Königsberg, Ostendorfstr. 3: Siegfried Konietzko, geb. 19.02.1938 und Waltraut Konietzko, geb. 19.02.1940, von ihrer Mutter: Margarethe Konietzko, geborene Gromball, geb. 16.02.1915. Die Kinder befanden sich am 30. Januar 1945 auf dem Dampfer „Memel“.

 

Königsberg-Ponarth, Straße 1820: Herbert Backschat, geb. 24.05.1933 und Wolfgang Backschat, geb. 09.08.1937, von ihrem Vater: Fritz Backschat.

 

Königsberg, Tamnaustr. 26/27: Hildegard Haaske, geb. 28.03.1935 in Königsberg, von ihrem Vater: Fritz Haaske, geb. 19.10.1903.

 

Königsberg, Tapiauer Str. 10: Günter Janke, geb. 04.06.1938 in Königsberg und Ingrid Janke, geb. 19.11.1939, von ihrem Vater: Ernst Janke, geb. 09.10.1904.

 

Königsberg, Tapiauer Str. 50: Günther Janke, geb. 04.06.1938 in Königsberg und Ingrid Janke, geb. 19.11.1939 in Königsberg, von ihrer Mutter: Erna Zwillus.

 

Königsberg, Ziegelstr. 13a: Melitta Heinrich, geb. 22.10.1938, von Elisabeth Ballasus. Melitta befand sich Ende 1947 im Infektionskrankenhaus Königsberg, Yorkstraße.

 

Königsberg, Zintener Str. 73: Elvira Klein, geb. 01.07.1936 in Jesau, von ihrer Mutter: Marianne Klein, geb. 25.05.1913.

 

Laschnicken, Kr. Insterburg: Heinz Gindler, geb. 31.05.1936 und Herta, Gindler, geb. 09.02.1939, von ihrem Vater: Franz Gindler, geb. 31.08.1905. Die Kinder sind am 19.02.1945 mit der Mutter in Gotenhafen gesehen worden.

 

Mecken, Kr. Ebenrode: Herbert Viehöfer, geb. 23.12.1936 in Mecken, von seinem Vater: August Viehöfer.

 

Alt-Illischken, Post Taplacken, Kr. Wehlau: Karl-Heinz Aukthun, geb. 25.05.1934, Erika Aukthun, geb. 15.05.1936, und Georg Aukthun, geb. 14.01.1942 von ihrem Vater: Karl Aukthun, geb. 03.10.1894.

 

Bartkengut, Kr. Neidenburg: Erwin Piratzki, ,geb. 16.11.1936, von seiner Tante: Auguste Wallerwitz, geborene Kokoska, geb. 23.08.1907.

 

Gilgenburg, Kr. Osterode, Markt 10: Heinz Jesussek, geb. 05.03.1938, und Fredi Jesussek, geb. 20.02. 1943 in Gilgenburg, von ihrem Vater: Fritz Jesussek, geb. 24.02.1912.

 

Königsberg, Albertstr. 14: die Geschwister Rüdiger Purwin, geb. 29.12.1940, Regina Purwin, geb. 23.04.1942 und Karin Purwin, geb. 1943, von ihrem Vater: Gerhard Purwin, geb. 10.06. 1911. Außerdem wird die Mutter Herta Purwin, geborene Klein, geb. 27.11.1913, gesucht.

 

Königsberg, Neuer Markt 9/10: Joachim Hans Georg Liß, geb. 22.12.1940, von seinem Vater: Friedrich Liß. Beim Kind befand sich die Mutter Christel Liß, geborene Windt,

 

Königsberg, Roonstr. 14: die Geschwister Erwin Floth, geb. etwa im August 1937, Dora Floth, geb. 27.06.1941 und Günther Floth, geb. 16.08.1943, von ihrem Vater: Bruno Floth, geb. 22.06.1914.

 

Königsberg, Tapiauer Str. 66: Helga Hannemann, geb. 03.06.1937 in Königsberg, von ihrem Onkel: Alfred Kampowski, geb. 09.06.1909.

 

Liebemühl, Kr. Osterode, Erich Binder, geb. 09.11.1934 in Hamborn, von seiner Schwester: Gerda Göbler, geb. Binder.

 

Memel, Dohlenstr. 3: die Geschwister Helmut Grigaitis, geb. 10.09.1934, Ruth Grigatis, geb. 26.02.1935, Algert (vielleicht Schreibgfehler: Albert), geb. 07.10.1940 und Irmgard Grigatis, geb. 27.02.1942, von ihrer Mutter: Helene Grigaitis, geborene Schikainski. geb. 28.08.1912.

 

Neidenburg, Umsiedlerlager Tannenberg: Leonid Heubel, geb. 25.02.1935 in Kiew, von seiner Großmutter: Eugenie Heubel, geborene Reichmann, geb. 23.04.1880.

 

Palmburg, Landkreis Samland: Claus Hannemann, geb. im März 1935 und Paul Hannemann, geb. 1937, von ihrem Onkel: Alfred Kampowski, geb. 09.06.1909.

 

Pothainen, Kr. Mohrungen: Horst Keuchel, geb. 10.03.1939, von seiner Mutter: Anna Wist, geborene Krause, verwitwete Keuchel, geb. 05.03.1919. Horst befand sich zuletzt in Splittenen, Kr. Bartenstein.

 

Reichau, Kr. Mohrungen: Karl-Heinz Brost, geb. 15.12.1935 in Reichau, von seinem Großvater: Ferdinand Lange, geb. 19.11.1874.

 

Rollnau. Kr. Mohrungen: die Geschwister Herbert Fischer, geb. 16.02.1936, Heinz Fischer, geb. 03.04.1937 und Siegfried Fischer, geb. 24.08.1941 in Rollnau, von ibrem Vater: Gustav Fischer, geb.02.01.1899.

 

 

 

Seite 8   Wer kennt diese Kinder? Steckbriefe mit Fotos.

Name: unbekannt,

Vorname: Heinrich,

geb.: etwa 1943,

Augen: blaugrün,

Haar: dunkelblond.

Der Knabe soll in einer Klinik in Frauenburg/Ostpreußen, gewesen sein.

Bild Nr. 26

 

 

Name: unbekannt,

Vorname: Irene,

geb.: etwa 1941,

Augen: blau,

Haar: hellblond.

Das Kind kam im April 1945 mit einem Transport nach Dassow in Mecklenburg. Es hatte einen Klebestreifen um den Arm mit der Aufschrift: „Irene“. Es sprach einen ausgesprochenen ostpreußischen Dialekt.

Bild Nr. 856

 

 

Name: Wach,

Vorname: Erhard,

geb.: etwa 1941,

Augen: braun,

Haar: dunkelblond.

Erhard Wach und sein Bruder Frank-Udo Wach, geb. 1943, suchen die Mutter Gertrud Wach, welche in Königsberg, Syvernstraße 9, in der Gärtnerei Meier tätig gewesen ist.

Bild Nr. 277

 

 

Seite 8   Schulrat Albert Czyborra 75 Jahre alt. Mit Foto.

Dieser in Ostpreußen altbekannte und infolge seiner fachschriftstellerischen Veröffentlichungen bis Schleswig-Holstein und Rheinlnd nicht unbekannte Schulmann ist am 17. April 1880 in Gr.-Wessolowen, Kreis Angerburg, geboren aus einem sehr alten Freibauerngeschlecht, das von 1540 bis zur Vertreibung im genannten Dorf ansässig war. Im Lehrerseminar Karalene (Insterburg) beendete er 1900 seine Berufsausbildung, bestand dann in auffallend schneller Reihenfolge vier weitere pädagogische Prüfungen bis zur Rektorprüfung mit zwei Fremdsprachen und besuchte die Albertina in Germanistik und Kunstgeschichte. Schon 1906 war er Rektor an der Stadtschule in Drengfurt und wenige Jahre später an der Volks- und Mittelschule in Tapiau. Nach zweijähriger Frontdienstzeit bei der Infanterie wurde er 1916 als zweiter ostpreußischer Erzieher mit seminaristischer Grundausbildung vom Wilhelminischen Unterrichtsministerium in den ostpreußischen  hauptamtlichen Kreisschulaufsichtsdienst berufen.

 

Seine Fürsorge galt auch der schulentlassenen Landschuljugend, deren Weitererziehung nach dem ersten Weltkrieg brach lag. Das Oberpräsidium beauftragte ihn mit der Kursusausbildung für ländliche Fortbildungsschullehrer für Ost- und Westpreußen und mit der Herausgabe der gesamten Fortbildungsschulliteratur für die Provinz. Auf diesem Gebiet hielt er auch laufend Rundfunkvorträge und veröffentlichte eine Reihe von pädagogischen Abhandlungen in dem von Professor H. Sohnrey geleiteten Landbuchhandlung-Verlag in Berlin. Die hier von ihm erschienenen Richtlinien wurden in vielen Kreisen als Unterrichtsgrundlage in andern Provinzen Preußens gebraucht. Auch hat er jahrelang an Professor Ziesemer-Königsberg für die Schaffung des ostpreußischen Wörterbuchs laufend plattdeutsches Sprachgut geliefert.

 

Im ganzen hat Schulrat Czyborra, der die Kreise Ragnit und Rastenburg verwaltete, vier Heimatbücher, zwei Schülerheimathefte, zwei Lehrpläne, zwei Lesebücher und ein Musikheft allein herausgegeben und war, als federführender Mitarbeiter an der Herausgabe des ostpreußischen Lesebuchwerkes „Muttersprache – Mutterlaut“ mit vier „Elchheften“ beteiligt. Sein Fortbildungsschullesebuch für Jungen: „Ostpreußenheimat“ erlebte zehn Auflagen, sein entsprechendes Buch für Mädchen „Maria – Martha“ (Mariensinn und Marthafleiß) war bis zum Rheinland amtlich eingeführt. Sein Heimatbuch „Zwischen Mauersee und Alle“ (Kreis Rastenburg) haben ostpreußische Regierungen amtlich empfohlen. Seine Heimatschriften zeigen starke, tiefe Wurzeln in der Wirklichkeit, den gesunden Geruch unserer Heimaterde und ein echtes Volksleben.

 

Während seiner Internierung in Dänemark half Schulrat Czyborra am Aufbau des deutschen Flüchtlingsschulwesens mit und unterrichtete unsere Vertriebenenkinder in einer Volks- und einer Oberschule. 1947 nach Rieseby, Schleswig-Holstein zurückgekommen, wurde er in den Ruhestand versetzt und arbeitet im Vorstand des Bundes der Heimatvertriebenen mit. Immer zeichnete ihn eine unverwüstliche Arbeitskraft aus, eine gleichbleibende Hilfsbereitschaft und unerschütterliche Gerechtigkeit.

 

 

 

Seite 8   Der Hirsch in der Kirche zu Liebemühl

In dem Seitengang an der Liebemühler Kirche, der den alten Turm mit dem neuen Bau verband, waren aus der um die Jahrhundertwende abgebrochenen Ordens-Kirche allerlei ältere Stücke würdig aufgehoben: da sah man an der Stirnwand dieses Ganges an der Turmseite den alten, schweren Taufstein. Man hatte ihn schon damals aus dem Gebrauch genommen, als der berühmte Königsberger Bildschnitzer Isaak Riga den schönen Tauf-Engel schnitzte, zu dem ihm nach der Sage des Bürgermeisters Tochter Modell gestanden hat. Über diesem uralten Taufstein hing aber ein vielleicht gleichaltriges, holzgeschnitztes Kruzifix. Da sah man in dem Gang weiter eine große Tafel, auf der die Namen aller Geistlichen vermerkt waren, die in Liebemühl gelebt hatten. Da sah man auch ein schmuckloses Totenschild, das davon erzählte, dass hier, in Liebemühl, der ehemalige lutherische Bischof Pomesaniens, Johann Wigand, gestorben sei. Von der Decke dieses Ganges hing dann aber eine eigentümliche Lichterkrone herab, — das mächtige Geweih eines kapitalen Hirsches, das früher in der alten, bescheideneren Kirche seinen Platz gehabt hatte, dort nun aber nicht hängen konnte und deshalb die häufigen Besucher dieses „Kreuzgangs“ erfreute, sofern sie überhaupt aufschauten und das Geweih bemerkten.

 

Es ist nicht verwunderlich, dass um solch eine merkwürdige Trophäe sich bald ein Kranz von Sagen rankt. Liebemühl war ja von großen Waldgebieten umgeben. In Faltianken, Pillauken und Tharden saßen Förster. Der Prinzenwald, nach der Flucht im Januar 1945 von vielen der Totenwald genannt weil dort der klirrende Frost und der hohe Schnee dem Tod eine furchtbare Ernte bescherte, — dahinter die Taberbrücker und Jablonker Forsten, die Waldgebiete am Eyling-, am Drewenz-, am Bärting- oder weiter am Röthloffsee, die Waldstücke bei Bogunschöwen und bei dem Finkensteiner Jäskendorf gaben Wild allerlei Art beste Lebensmöglichkeiten. Man hatte oft genug stolze, prachtvolle Tiere gesehen. Aber dann war ein Hirsch beobachtet, so wunderbar und so ansehnlich wie man ihn seit Menschengedenken noch nicht erblickt hatte, und schon wuchs das Verlangen, ihn zu erlegen, zu einem festen Plan. Aber das wahrhaft königliche Tier war klug. Es ahnte die bösen Gedanken der Menschen. Es wechselte von Wald zu Wald. Es schwamm durch breite Gewässer. Hatte man heute aus dem Süden des Gebietes von zuverlässiger Seite die Nachricht bekommen, dass der Freund sich dort aufhielte, so war in wenigen Stunden aus einem Dorf im Norden die sichere Kunde eingetroffen, dass man ihn eben dort gesehen hätte. Es schien unmöglich zu sein, seiner habhaft zu werden, soviel man sich auch darum bemühte. So musste ein großes Aufgebot versammelt werden; denn nun war die Jagd nach diesem edlen Tier schon eine Ehrensache geworden. Enger und enger zog sich der Kreis seiner Feinde, schon blieb nichts anderes übrig, als mit einem kühnen Satz durch das geöffnete Saalfelder Tor in das friedliche Städtchen hineinzujagen. Eben jetzt sollte ein unrühmlicher Schuss das stolze Tier treffen, das sich vergebens nach seinem schützenden Wald umsah. Mit letzten Kräften wandte es sich rechter Hand am Pfarrhaus vorbei. Die Kirchentür war geöffnet. Vom Turm herab klang festliches Geläute. Sollte es eine Hochzeit geben? War das Brautpaar unterwegs zum Altar? Es war ein Sterbegeläut. Und vor dem kostbar geschmückten Altar verendete der zu Tod getroffene Herr des Waldes. Aber nun war es gewiss, dass sich niemand dieser Trophäe rühmen sollte, und so wurde das Geweih als Lichterkrone in die Kirche gegeben.

 

Wir wissen von vielen ostpreußischen Kirchen ähnliche Sagen. In vielen Gotteshäusern des waldreichen Landes hingen ähnliche Kronen aus Hirschgeweihen oder aus Elchschaufeln, dankbare Gaben gesegneter Jäger. Pastor Helmut Walsdorff

 

 

 

Seite 8    Land der Liebe. Von Olga Klitsch

Land der Liebe, Land der Lieder,

das so schön und golden war ...

Ist mir doch, als ob du wieder

näher rücktest Jahr um Jahr.

 

Unvergessenes! Aller Wandlung

trotzend, klingt mir noch im Ohr

deiner Sprache Laut. Erinnerung

leuchtet hell wie nie zuvor.

 

Heimat! Deine Wälder rauschen

orgelnd mir im Herzen tief,

meiner Seele schmerzlich Lauschen

stillend, wenn das Heimweh rief.

 

Land der Kindheit! Land der Liebe!

Wie du mich noch heut beglückst!

Und wenn sonst mir nichts mehr bliebe,

aller Sehnsucht mich entrückst.

 

 

 

Seite 8    31. Mai 1955 Einsendeschluss für die Carl-Bertelsmann-Stiftung

Der Einsendeschluss für Bewerbungen junger deutscher Autoren um ein Stipendium aus der Carl-Bertelsmann-Stiftung wurde auf den 31. Mai 1955 festgelegt. Die Stiftung wurde vom Bertelsmann-Verlag in Gütersloh auch im zweiten Jahr ihres Bestehens mit 50 000 DM ausgestattet, die an zehn junge Autoren in Monatsbeträgen von 400 DM auf die Dauer eines Jahres vergeben werden sollen. Auskunft über die einzureichenden Unterlagen kann beim Bertelsmann-Verlag Gütersloh, eingeholt werden. Die Bekanntgabe der durch die Jury zuerkannten Stipendien wird im September erfolgen.

 

 

 

Seite 9   Das große Sterben. Die Seuchenepidemie von 1945/1947 in Königsberg.

In einem Beitrag zum Jahrbuch der Albertus-Universität in Königsberg (Herausgeber er Göttinger Arbeitskreis, erschienen im Holzner-Verlag) schildert Wilhelm Starlinger den Verlauf der Großseuchenbewegung von 1945/1947 in Königsberg. Der bekannte Universitätsprofessor, der bis zu seiner Verschleppung in die Sowjetunion als leitender Arzt an der Spitze des Seuchenkrankenhauses stand, und dem es wohl in erster Linie zu danken ist, dass die Seuchen einen relativ „glimpflichen“ Verlauf nahmen, unternimmt es in diesen Darlegungen vom Gesichtspunkt der sanitär-hygienischen und klinischen Epidemiologie den Ablauf der aus dem Ostraum hereingebrochenem Epidemien aufzuzeichnen. Ohne auf die wissenschaftliche Seite und ihre Folgerungen einzugehen, veröffentlichen wir im Folgenden eine kurze Inhaltsangabe, die unsere Leser sicherlich interessieren dürfte.

 

Königsberger Passion

Für die Bevölkerung, die die harten Straßenkämpfe überlebt hatte, begann nach der Eroberung der Stadt eine wahre Leidenszeit, eine Zeit schwerster leiblicher und seelischer Not. Viele der Familien waren auseinandergerissen, der Wohnraum auf das äußerste beschränkt, sodass Tausende in den Kellerlöchern der zerstörten Häuser hausen mussten. Vor allem aber litten die Königsberger bittersten Hunger. Vierhundert Gramm sehr wasserreiches Brot blieb bis zum Sommer 1946 die einzige, aber nicht regelmäßige Versorgung und kam nur dem kleinsten Teil der Bevölkerung zugute. Es wurde Fleisch von längst vergrabenen und wieder ausgegrabenen Tieren gegessen und selbst vereinzelte Fälle von Kannibalismus wurden festgestellt. In den Wintern gesellte sich zu dem furchtbaren Hunger auch noch die Kälte. Das Holz genügte kaum zum Kochen einer wässrigen Suppe und in dem schwersten Winter 1946/1947 starben in mancher Nacht ganze Familien an Hunger und Entkräftung. In gleicher Weise begünstigten die allgemeinen hygienischen Verhältnisse die Ausbreitung von Seuchen, besonders von Typhus und Fleckfieber. Im Herbst 1945 lebte Königsberg allein aus seinen Brunnen, die größtenteils stark verunreinigt waren. Man wusch sich mit dem Wasser aus den Bombentrichtern, wobei Seife vielfach ein besonderer Luxusartikel war, und weil der Weg zum Pregel oft zu weit und zu gefährlich war, konnte die Wäsche nur selten gewaschen und gewechselt werden. Eine allgemeine Verlausung war die natürliche Folge dieser Zustände. Zugleich nahm auch die Rattenplage derartig zu, dass sogar Menschen im Schlaf von diesen Tieren überfallen wurden. Vergegenwärtigt man sich weiter, dass die Kanalisation zerstört und zunächst noch keine Bedürfnisanstalten vorhanden waren, dass ferner auch keinerlei Desinfektionsmittel für die Bevölkerung zur Verfügung standen, dann wird es auch dem Laien klar, in welchem Ausmaß diese Verhältnisse der Ausbreitung ansteckender Krankheiten Vorschub leisten mussten.

 

 

Die deutschen Seuchenkrankenhäuser

In der durch Waffenwirkung stark zerstörten Univ.-Nervenklinik, wohin bereits die restliche Infektionsabteilung des Städt. Krankenhauses mit einigen Schwestern und Kranken gebracht worden war, wurde auf Anordnung der Besatzungsmacht am 21. April 1945 das erste deutsche Seuchenkrankenhaus unter Leitung von Prof. Dr. Starlinger auf Befehl der Besatzungsmacht eröffnet; unter kaum vorstellbaren primitiven Verhältnissen. Es fehlte an allem. Weder Wasser noch Kanalisation, weder eine Küche noch eine Wäscherei waren vorhanden, ebenso fehlten Beleuchtung und Beheizung vollständig. Die Gebäude befanden sich in einem total verwahrlosten Zustand und waren von ihrem früheren Inventar fast vollständig entblößt. Das Personal bestand aus wenigen Vollschwestern, zwei deutschen und einer litauischen Ärztin, die sofort gemeinsam ans Werk gingen. Bergungskommandos wurden ausgeschickt, um das Fehlende zu ergänzen und zu beschaffen und schon nach kurzer Zeit konnten Küche und Wäscherei wieder behelfsmäßig in Gang gesetzt, Fenster und Türen ersetzt und fast jedem Kranken ein Bettplatz zugewiesen werden. Ende Mai und im Juni stieg die Kurve der Typhuserkrankungen steil an, sodass das Haus für die Neuzugänge nicht mehr ausreichte. Nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen stellte deshalb die Besatzungsmacht zunächst das frühere Garnisonlazarett I in der Yorckstraße und etwas später dann auch noch das St. Elisabeth-Krankenhaus der Grauen Schwestern, dessen Leiter Prof. Starlinger bis zur Einnahme Königsbergs gewesen war, zur Verfügung. Von neuem wurde das Personal, vor allem im Yorck-Krankenhaus von der Last der Nebenarbeit fast erdrückt, aber auch dieses Mal wurde es geschafft, obwohl die Zahl der Kranken fast 2000 erreicht und das DSK seine höchste Belegungsfähigkeit erreicht hatte.

 

Die Verpflegung erfolgte durch die Besatzungsmacht und war völlig unzureichend. Im Durchschnitt erhielt die tägliche Lieferung pro Kopf 400 g Brot, dazu etwas Fisch, manchmal einige Konserven, wenige Gramm Zucker und Fett, im Durchschnitt 1000 Kalorien. Das Personal erhielt auch weiterhin nur 400 g Brot, aber ab Sommer 1946 Barbezahlung, die bei Ärzten bis 900 bei Schwestern bis 600 und bei Helfern zwischen 200 und 400 Rubel betrug, zu einer Zeit, als Brot im freien Handel etwa 180 Rubel je Kilo kostete. Am 30. August 1946 erfolgte die Umwandlung der DSK, die bis dahin die Rotkreuzflagge gezeigt hatten, in das „Kaliningrader Städtische Infektions-Krankenhaus“. Professor Dr. Starlinger wurde durch eine sowjetische Direktorin ersetzt, blieb aber bis zu seinem endgültigen Ausscheiden im März 1947 als beratender Arzt tätig.

 

 

Allgemeine Todesursachen überwogen Seuchensterblichkeit.

Es muss überraschen, dass trotz aller günstigen Vorbedingungen für eine weitgehende Infektionsgefahr für die Bevölkerung die Seuchensterblichkeit, so niederdrückend sie im Einzelnen auch war, längst nicht die Sterblichkeitsziffer der allgemeinen Todesursachen erreichte. Die deutsche Bevölkerung Königsberg zählte nach sehr vorsichtigen Schätzungen im April 1945 noch rd. 100 000 (110 000 von Versorgungsämtern und Wehrmachtsdienststellen geschätzt) sie dezimierte sich bis zum Frühjahr 1947 auf rd. 25 000. Es starben in diesem Zeitraum 75000 Menschen, also 75 v. H. der gesamten Bevölkerung, dabei betrug die Seuchenmorbidität (Erkrankungsziffer auf die Gesamtbevölkerung an Ruhr, Typhus, Fleckfieber usw. 10 400 Personen, wobei nur 2600 Fälle zum Tode führten. Das ungeheure Massensterben der Königsberger Bevölkerung war also wesentlich weniger auf die Seuchenausbreitung als vielmehr auf die furchtbaren Lebensbedingungen zurückzuführen, die für fast 73 000 Menschen den Tod zur Folge hatten.

 

 

 

Seite 9   Fundgrube für Bücherliebhaber

Manche Bücherliebhaber unter uns Vertriebenen haben ihre Studien- und Sammelleidenschaft auf alte Bücher aus ihrer engeren und weiteren Heimat konzentriert. Auf diese Weise entstehen Privatsammlungen über das Schrifttum des deutschen Ostens, die zur Erhaltung der geschichtshaltigen und kulturreichen Tradition einen wesentlichen Beitrag leisten und eines Tages einen großen Wert darstellen. Da antiquarische Bücher über den deutschen Osten und Südosten im Westen sehr zerstreut sind und teilweise sehr selten sind, ist hier eine reizvolle Aufgabe für den leidenschaftlichen Liebhaber auf den manche Entdeckerfreuden warten. Eine Fundgrube bietet ihnen das Antiquariat „Volk und Heimat“, München 15, Schubertstr. 2, das auf das Schrifttum des deutschen Ostens und Südostens vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer spezialisiert ist und das Interessenten gern kostenlos Bücherlisten zusendet.

 

 

 

Seite 9   Erzählerwettbewerb

Einen Erzählerwettbewerb hat der Göttinger Arbeitskreis, Göttingen, Sternstraße 2, ausgeschrieben. Verlangt werden Arbeiten, deren Handlung ostdeutsche Charakterbilder zeichnen oder die ostdeutsche Landschaft lebendig machen. Als besonderer Themenkreis wird eine Dokumentation der Menschlichkeit während der Flucht oder der Austreibung vorgeschlagen Für die besten Einsendungen werden Preise in Höhe von 500, 300 und 200 DM ausgesetzt. Die Manuskripte sollen möglichst nicht mehr als 100 bis 120 Schreibmaschinenzeilen umfassen. Einsendeschluss ist am 30. Juni 1955.

 

 

 

Seite 9   Verbotene Zone Goldap.

An der Demarkationslinie, die in Ostpreußen den polnisch verwalteten südlichen Teil hermetisch von dem sowjetisch verwalteten nördlichen Teil abschließt, herrscht tiefes Schweigen. Braunsberg, Gronau, Tiefensee und andere kleine Ortschaften, an denen die Linie verläuft, sind verlassen. Die Häuser wurden größtenteils niedergerissen. Auf beiden Seiten der mit Stacheldrahtverhauen und tiefen Gräben versehenen Grenzlinie zieht sich eine tote Zone hin, die von Niemandem betreten werden darf. Sogar polnische Bauern, die in dem zehn Kilometer breiten Niemandsland ihre Äcker bestellen wollen, dürfen das Gebiet nur unter polnischer Militärbewachung betreten.

 

 

Foto: Dohnaturm mit dem Roßgärter Tor Aufn.: Foto Pohle

 

 

Seite 9   Wer kommt nach Duisburg?

Nachstehend wird eine neue Aufstellung derjenigen Königsberger Gruppen und ihrer Sprecher oder Beauftragten bekanntgegeben, die sich Pfingsten 1955 in Duisburg treffen wollen. Die Angehörigen dieser Gruppen, die an den Sondertreffen teilnehmen wollen, werden gebeten, das ihrem Sprecher oder Beauftragten sofort mitzuteilen. Stadt Duisburg Patenstadt für Königsberg

 

I. Königsberger Behörden und Dienststellen

 

1. Stadtverwaltung Königsberg, Stadtverwaltung Duisburg, Auskunftsstelle Königsberg

 

2. Königsberger Werke und Straßenbahn G.m.b., Otto Laaser, Duisurg, Alte Schanze 67

 

3. Berufsfeuerwehr Königsberg, Oberbrandmeister Ernst Monien, Düsseldorf, Stoffeler Broich 50

 

4. Städtisches Gesundheitsamt Königsberg (Pr), Amtsrat a. D. Fritz Sommer, Hamburg 39, Lorenzgasse 11

 

5. Regierung und Oberpräsidium Königsberg, W. Nöckel, Düsseldorf-Oberkassel, Barmer Straße 23

 

6. Provinzialverwaltung Ostpreußen, Landesoberinspektor a. D. Max Borgmann, (21) Witten-Ruhr, Augustastraße 3

 

7. Kreisverwaltung Samland in Königsberg, Reg.-Oberinspektor a. D. Ehlert, (24b) Aumühle, Bezirk Hamburg, Bürgerstraße 3

 

8. Kreissparkasse Samland, 50 Jahre, Sparkassenrendant Helmut Ratensperger, Arnsberg, Nordring 11

 

9. Industrie- und Handelskammer Königsberg, Hauptgeschäftsführer Dr. Georg Olschinka, Bonn, Markt 26/32

 

10. ehem. Reichsarbeitsdienst Arbeitsgaue I und XXXIX (Ostpreußen) sowie RAD weibliche Jugend Bezirk I, Martin B. Eisenbeck, (23) Aurich, Königsberger Str. 360

 

11. Landesversicherungsanstalt Ostpreußen, Verwaltungsoberinspektor Kurt Blankenstein, Münster/Westf., Bischopinkstr. 33

 

12. Allgemeine Ortskrankenkasse Königsberg, Verwaltungsdirektor i. R. Otto Schulz, Bad Homburg v. d. H., Haberweg 14

 

II. Königsberger Betriebe

1. Königsberger Allgemeine Zeitung, Lisbeth Hensel, Bückeburg, Herminenstr. 18a

 

2. Königsberger Wach- und Schließgesellschaft, Franz Ranglack, Gundelfingen/Donau, Gänseiweg 8

 

3. Waggonfabrik L. Steinfurt, Horst Hilger, Duisburg, Hohe Straße 60

 

4. Fa. Walter Bistrick, Uhrenhaus Walter Bistrick, (14a) Stuttgart 0, Haußmannstr. 70

 

5. Bank der Ostpr. Landschaft Königsberg, Elfriede Stein, Bonn, Julius-Plücker-Str. 12

 

6. M. Hiller vorm. Michelly (später Papierwaren-Industrie), Erich Peikowski, Angelbeck über Quakenbrück, Hasenknie

 

III. Königsberger Schulen

1. Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof, 1. Pastor Werner Weigelt, Hamburg-Bergedorf, Hermann-Löns-Höhe 23; 2. Horst Hilger, Duisburg, Hohe Straße 60

 

2. Friedrichskollegium, Dr. Hanswerner Heincke, Düsseldorf, Karolingerstraße 89

 

3. Vereinigung ehemaliger Schüler und Lehrer des Löbenichtschen Realgymnasiums (später Oberschule für Jungen) Königsberg (Pr.) e. V., Rechtsanwalt Dr. Kurt Schubert, Hamburg 11, Gr. Burstah 31

 

4. Hufengymnasium, Oberstudienrat Dr. Erich Peschties, (21b) Soest/Westf., Brüderstraße 37

 

5. Bessel-Oberschule, 90 Jahre, Oberstudiendirektor i. R. Max Dehnen, (23) Diepholz, Eschfeldstraße 21

 

6. Burg-Oberschule, Regierungsrat Kurt Erzberger, Düsseldorf, Regierung

 

7. Wilhelm-Oberschule (Wilhelms-Gymnasium), Dietrich Pohlmann, Freiburg/Br., Vogesenstraße 19

 

8. Körte-Oberschule, 30 Jahre, Oberstudienrat Heinrich Klingenburg, (22a) Essen Billrothstraße 20

 

9. Hufen-Oberschule für Mädchen, Oberschullehrerin H. Schmidt, (21b) Soest/Westf., Wilhelm-Morgner-Weg 16

 

10. Vereinigung ehem. Königin-Luise-Schülerinnen, Oberstudiendirektor Hans Reich, Detmold, Leopoldstraße 7

 

11. Vereinigung ehemaliger Sackheimer Mittelschüler, 35 Jahre, Vorsitzender Herbert Minuth, Düsseldorf, Suitbertusstraße 34

 

12. Vereinigung ehemaliger Haberberger Mittelschüler e. V., Paul Grimmert, Dortmund, Liebfrauenstraße 3

 

13. Steindammer Knabenmittelschule, Helmut Preikschat, Hannover, Rampenstraße 5

 

14. Staatsbauschule Königsberg, 1. Staatl. Ingenieurschule für Bauwesen, Essen, Robert-Schmidt-Straße 1 (Patenschule), 2. Stadtbaumeister a. D. Karl Kaiser, (24a) Winsen an der Luhe, Tönnhäuserweg 8a

 

15. Ostpr. Mädchengewerbeschule Königsberg, Direktorin a. D. Gertrud Brostowski, Kassel-K., Zum Berggarten 26

 

16. Bismarck-Oberlyzeum, Dr. E. Büge, Dortmund, Meißener Straße 17 1

 

7. Verein ehemaliger Altstädtischer Mittelschüler, Walter Dagott, Duisburg, Gitschiner Straße 75

 

IV. Königsberger Vereinigungen

1. Spielvereinigung Rasensport Preußen 05 e. V., 50 Jahre, Ernst Witt, (23) Aurich, Fischteichweg 2.

 

2. ASCO Königsberg, Hans Schemionek, (23) Sulingen, Lange Straße 75

 

3. Sportvereinigung Prussia-Samland, Bruno Romahn, Hamburg 39, Heidberg 19

 

4. VfK, Franz Schierwagen, Benthe über Hannover, Waldstraße 112

 

5. Königsberger Männerturnverein von 1842, Wilhelm Alm, (23) Oldenburg i. O., Gotenstraße 33

 

6. Ruderverein „Prussia" e. V., Hans Schröter, Kiel, Paul-Fuß-Straße 22

 

7. Königsberger Schwimmvereine KSC 01, Prussia, Hansa, Baltia und Wasserfreunde, Hermann Rathgen, Frankfurt am Main, Dorfelder Straße 6

 

8. Ruder-Club „Germania“, Max Kroll, Hamburg 21, Weizenkamp 2

 

9. Königsberger Lehrergesangverein mit Frauenchor, Erich Büttner, (22c) Marienheide (Rheinland), Schmitzwipper

 

10. Königsberger Männergesangverein, Erich Munk, Bremerhaven - G, Bergstraße 19 1

 

1. K. d. St. V. Tuisconia Königsberg, Verband im C. V., Amtsgerichtsrat Zagermann, Duisburg, Fischer-Straße 57

 

V. Ehemalige Wehrmacht

1. ehem. Generalkommando I. A. K., Dr. G. Bülle, (22a) Kempen (Niederrhein), Bahnhofsplatz 1

 

2. ehem. Luftgaukommando I und Außenstellen, Wilhelm Gramsch, Celle, Waldweg 83

 

3. ehem. 1. Infanterie-Division, General der Inf. a. D. Grase, Einbeck, Friedrich-Ebert-Straße 1/3

 

4. ehem. Inf. Regt. I (Traditionsträger des Gren. Regt. Kronprinz, 300 Jahre), Oskar Weiß, Düren, Rütger von Schewen-Straße 64

 

5. ehem. Gren. Regt. Kronprinz, C. E. Graf zu Eulenburg, Brunkensen Bez. Hannover

 

6. ehem. ostpr. Heeresartillerie, Werner Munk, Duisburg, Felsenstraße 91b

 

7. ehem. Artl, Regt. I mit I. Artl. Regt. 37, Oberst a. D. Pasternack, (22b) Flensburg, Neustadt 51

 

8. ehem. Kür. Regt. 3, Oberstltn. a. D. von Elern, Königswinter, Siebengebfrgsstr. 1

 

9. Kameradschaft Sanitätskorps, Artur Gerigk, Düsseldorf, Ringelweide 7

 

10. ehem. 3. Batterie Leichte Flakabt. 71 Königsberg-Neuendorf, Joachim Biedekarken, Göttingen, Düsterer Eichenweg 60

 

11. ehem. Heeresbekleidungsamt Königsberg, Otto Geffke, (22b) Wallmerod (Oberwesterwald)

 

VI. Verschiedene Gruppen

1. Königsberger Handwerk, Bäckermeister Heinrich Berg, Vorsitzender der Vertretung des ostpreußischen Handwerks, (20a) Leese Nr. 5, Kreis Nienburg (Weser)

 

2. Pillauer, Hugo Kaftan, (22a) Vluyn Kreis Moers, Feldstraße 21

 

3. Landkreis Königsberg (Pr.), Fritz Teichert, Helmstedt, Gartenfreiheit 17

 

4. Königsberger Künstler, Frau Ida Wolfermann, Marburg (Lahn), Rotenberg 24a

 

 

 

Seite 10   Vor 10 Jahren…..  Braunsberg – Pillau – Celle. Von Evelyn Dohnke.

Ja, 10 Jahre sind es her. Und doch steht uns noch alles deutlich vor Augen, was wir damals erlebten im Jahre 1945, als wir unsere ostpreußische Heimat verlassen mussten! Vater war Soldat; er befand sich in Königsberg und wir, meine Mutter und ich lebten in Braunsberg, das bisher wenig vom Kriege mitbekommen hatte. Waren bei Kriegsanfang auch noch einige Luftalarme gewesen, so verstummten diese dann für lange Zeit, um uns dann, beim Kriegsende, umso mehr aufzurütteln und uns den Ernst des Krieges so recht vor Augen zu führen.

 

Den schrecklichsten Tag erlebten wir am 5. Februar 1945, als russische Flieger unsere Stadt bereits im Morgengrauen bombardierten und auch unser Haus in Trümmer legten. Den ganzen Tag über dauerte der Bombenterror. Wir hatten, nachdem unser Haus getroffen war, im Keller eines Nachbargebäudes Zuflucht gefunden und saßen dort dicht nebeneinander zusammengekauert. Aber das Haus blieb unversehrt und wir konnten es, als es am Abend ruhiger wurde, verlassen und ein anderes Quartier suchen. Wie eine traurig lodernde Fackel leuchteten die brennenden Überreste unseres Hauses durch die dunkle Nacht.

 

Am nächsten Morgen ging ich, obwohl Tiefflieger ständig über dem Gestütgelände kreisten, durch unseren Park, um mir die Folgen des Angriffs anzusehen. Fürchterlich sah es dort aus. Die einst so sorgsam gepflegten Rasenflächen waren mit riesigen Bombenkratern übersät. Überall versperrten die starren, aufgedunsenen Leiber toter Treckpferde die Wege. Es war ein schauerlicher Anblick und die gebrochenen Augen dieser armen unschuldigen und so elend ums Leben gekommenen Kreaturen hafteten lange in meinem Gedächtnis.

 

Wir verließen die Stadt des Grauens bald. Nur 10 Tage blieben wir noch bei Bekannten in Braunsberg, um uns dann der großen Völkerwanderung anzuschließen, die gen Westen zog. Stalinorgeln und Panzerabwehrgeschütze donnerten dumpf in der Ferne. Treckwagen auf Treckwagen zog an uns vorbei.

 

Unser Gestüttreck war schon lange fort. Bei eisiger Kälte hatte er Ende Januar das Frische Haff überquert. Wir waren zurückgeblieben, weil uns die Strapazen des Trecks unüberwindlich erschienen und hatten auch später das Glück, auf bequemere Art herauszukommen. Nach einigen Wochen, die wir in Heiligenbeil verbrachten, gelang es uns, mit einer „Ju“ zunächst nach Pillau zu kommen. Unzählige Bauernpferde irrten herrenlos in den Straßen der alten Hafenstadt herum, weil ihre Besitzer Pferd und Wagen zurücklassen mussten, da ihnen nur noch der Seeweg zur Flucht offen war. Der Landweg nach Danzig war längst durch russische Truppen abgeriegelt und daher unpassierbar.

 

Von Pillau aus hatten wir noch am Abend unseres Ankunftstages Gelegenheit, mit einem kleinen Frachtdampfer vom Hafenbecken III aus abzufahren. Abschied von Ostpreußen — wohl für immer! Ich war 15 Jahre alt und begriff noch nicht alles, was reifere Menschen bei diesem Abschied empfanden, aber ich wusste, dass jene Stunde immer zu den bedeutungsvollsten meines Lebens gehören würde. Es war Nacht. Am Hafen blinkten vereinzelte Lichter. Immer mehr Menschen kamen an Bord. Greise und Frauen mit weinenden, müden, hungrigen Kindern suchten sich im Laderaum unserer „Erna“ ein bescheidenes Plätzchen. Trübe blinkte die kleine Lampe an der Balkendecke. Drei Tage lang schaukelten wir auf der Ostsee, ständig in Gefahr, von Minen oder Tieffliegern gesprengt oder getroffen zu weiden. Ich schlief schlecht, nährte mich fast nur von trockenem Brot, ein wenig Speck und angekochtem Wasser und hoffte, dass wir bald an Land gehen könnten.

 

Endlich kam die Insel Rügen in Sicht. Es war uns möglich, in Sassnitz in einen bereitstehenden Eisenbahnzug zu steigen. Rasch rollte unser Flüchtlingszug nun von dannen — über den Rügendamm nach Stralsund und weiter in's Mecklenburger Land hinein. Hier atmeten wir auf, denn wir wussten, dass unser Braunsberger Gestüttreck nach Mecklenburg in Marsch gegangen war und diese Gewissheit, dort mit ihm zusammenzutreffen, gab uns neuen Mut.

 

Dann fuhren wir nach Redefin, wo wir  sogleich ein Quartier fanden.

 

Unser Braunsberger Gestüttreck war, entgegen unseren Erwartungen, noch nicht eingetroffen. Erst einige Tage später erlebten wir seine Ankunft. Müde von der langen, beschwerlichen Reise, schleppten die Hengste sich mit den Planwagen vorwärts. Mensch und Tier hatten viel durchmachen müssen während der sechs Wochen, die sie für den Treck gebraucht hatten. Redefin sollte aber auch nicht ihr letztes Quartier bleiben. Denn als Mecklenburg später durch die Russen besetzt wurde, musste abermals auf den Treck gegangen werden.

 

Als der Krieg dann schließlich sein Ende fand, und Vater aus der Gefangenschaft zurückkam, siedelten wir nach Celle über, wohin die Reste der ostpreußischen Gestüte gekommen waren. Die Eisenhahnfahrt war recht abenteuerlich; sie geschah zum Teil mit Kohlenzügen, Pferdefuhrwerken und Lastkraftwagen und wir waren froh, dann endlich wieder ein Quartier und somit ein Dach über unseren Köpfen zu haben. Im Mai verzogen wir nach Warendorf, wo selbst mein Vater wieder seine Anstellung fand. Hier erlebten wir die Freude, auch ostpreußische Hengste wiederzusehen, zu welchen auch der Fuchshengst „Julmond“ gehörte, der den ganzen Treck von Braunsberg bis nach Celle unter dem Sattel zurückgelegt hatte. Jetzt steht Julmond hier im benachbarten Velsen, wo ein westfälischer Pferdeliebhaber ostpreußische Pferde züchtet und so oft meine Zeit es erlaubt, fahre ich dorthin, um das edle Tier zu besuchen. Dann stehe ich vor seiner Box und streichle den schönen Kopf des Hengstes, der mich mit seinen großen dunklen Augen anblickt und auf die Leckerbissen wartet, die ich ihm bringe. Dann halten wir beiden Ostpreußen still Zwiesprache und gedenken unserer verlorenen Heimat jetzt nach 10 Jahren . . . ! Ich erinnere mich dann des Augenblicks, als der Braunsberger Landstallmeister auf diesem Hengst an unserem  Hause vorbeiritt, als er mit dem Gestüttreck den Gestüthof für immer verließ und in Schnee und Eis der Ungewissheit entgegen zog! Der helle Schweif des Hengstes wehte wie eine Fahne hinterher.

 

 

Seite 10   Hochschulinstitut für Leibesübungen an der Albertus-Universität Königsberg/Pr.

Es ist geplant, im Raume Hannover ein Treffen ehemaliger Lehrer und Studierender des Hochschulinstituts für Leibesübungen Königsberg zu veranstalten. Interessenten werden gebeten, ihre Anschrift zu senden an Oberreg.- u. -schulrat i. R. Schurig, Hannover, Bürgermeister-Fink-Straße 39.

 

 

„Königsberg-Medaillen“ verteilte zur Erinnerung an die Kämpfe um Königsberg 1945 der sowjetische Militärattaché, General Zotow, auf einem Empfang in der Pariser Sowjetbotschaft an Angehörige des ehemaligen französischen Geschwaders „Normandie-Njemen“, das an diesen Kämpfen teilgenommen hatte.

 

 

Seite 10   Der Sängerbund Ostpreußen

Der Deutsche im Osten war sehr sangesfreudig. Bereits vor mehr als hundert Jahren bestanden in der damaligen Provinz Preußen Männergesangvereine. Nach dem Vorbilde der im Jahre 1809 von Karl Friedrich Zelter gegründeten Zelterschen Liedertafel entstanden überall im Lande Preußen Männergesangvereine. Die ersten Liedertafel waren 1816 in Elbing - 1823 in Danzig, dann folgten 1846 in Christburg — 1847 Marienburg, Königsberg Pr. usw. Die Ziele dieser Männergesangvereine waren ein starkes Bekenntnis zum Deutschtum und unvergängliche Liebe zur Heimat! Im August 1847 erfolgte ein Zusammenschluss beim ersten Preußischen Sängerfest in Elbing. Dieses Fest fand so großen Beifall, dass weitere Sängerfeste in Preußen folgten. Bis zum Jahre 1862 waren sechs preußische Sängerfeste in den Städten Königsberg/Pr., Danzig und Elbing. Beim siebenten Pr. Sängertest im Jahre 1862 gründeten die einzelnen Gesangvereine aus 58 Städten den Sängerbund der Provinz Preußen. Der preußische Sängerbund gehörte mit zu den Gründern zum deutschen Sängerbund am 21. September 1862. Bis zum Jahre 1881 waren weitere sieben Sängerfeste in den Städten Königsberg/Pr., Memel, Tilsit, Danzig, Graudenz und Elbing.

 

Im Jahre 1881 wurde die bisherige Provinz Preußen in Ost und Westpreußen geteilt und der Sängerbund nannte sich jetzt Preußischer Provinzial-Sängerbund. Bis zum Jahre 1906 blieb dieser Zusammenschluss, und er hatte noch achtmal seine beliebten Sängerfeste durchgeführt. Von 1906 bis 1923 bestanden drei Sängerbünde. Am 10. Juni 1923 vereinigten sich die drei Sängerbünde zum Sängerbund Ostpreußen. Dieser Bund umfasste das ganze Gebiet östlich der Weichsel mit Freistaat Danzig und Memelgebiet. Er war in 14 Gaue untergliedert. In 252 Gesangvereinen sangen etwa 11000 Sänger und 6000 Sängerinnen. Die Frauen waren als Frauen-Chöre den ännergesangvereinen angeschlossen.

 

Das letzte große Sängerfest, das 25. seit Bestehen des Pr. Sängerbundes war im Jahre 1936 in Elbing. 5000 Sänger waren versammelt, und zwar aus dem Freistaat Danzig, aus dem Korridorgebiet, aus dem Memelland, aus Lettland, Estland und Finnland. Es war eine große Kundgebung für das Deutschtum im Ostseeraum. Wer an diesem Treffen teilgenommen hatte, wird dieses Erlebnis von der gewaltigen Kraft des deutschen Liedes nicht vergessen und heute noch daran denken. In den letzten Jahren galten als die besten Chorleiter die Herren Wendel-Scheinpflug, Schirmer, Fiebach, Hausburg, Heß und Oesten. Die Glanzpunkte im gesanglichen und musikalischen Leben beim Sängerbund Ostpreußen waren die Dirigenten Professor Firchow, Professor Dehne, Studienrat Hartung, Domorganist Wilhelmi, Musikdirektor Gerhard Wagner und Dozent Josefski.

 

An allen deutschen Sängerbundfesten haben ostpreußische Sänger in großer Zahl teilgenommen und haben beachtliche Erfolge gefeiert. — Bei dem deutschen Sängerfest in Wien 1928 sangen ostpr. Sänger in der großen Sängerhalle die alten ostpreußischen Heimatlieder unter großem Beifall.

 

Mit vielen Vereinen des In- und Auslandes waren ostpreußische Gesangvereine in guter Freundschaft verbunden. Heute gehört der einst so stolze und erfolgreiche Sängerbund Ostpreußen der Vergangenheit an. Seine Sänger sind verstreut und viele deckt bereits der grüne Rasen. Durch die Entstehung der Landsmannschaften haben sich auch viele ostpreußische Sänger getroffen und in Hamburg im Jahre 1950 einen Ostpreußen-Chor gebildet mit dem Ziel, die hohe Tradition des alten ostpreußischen Sängerbundes zu wahren und zu pflegen mit der Hoffnung, dass unser deutsches Lied recht bald im alten Ordensland Preußen erklingen möge. Karl Ruchatz

 

 

Seite 10   Im Königsberger Stadttheater. Von Herbert Meinhard Mühlpfordt.

II.

1814.

In den dunklen Hintergrund der Proszeniums, löge des ersten Ranges im vornehmen Zuschauerraum des Königsberger Stadttheaters fiel ein schmaler Lichtstreif. Plötzlich füllte ihn ein schwarzer Schatten aus: ein nicht großer, feingliedriger Herr betrat den kleinen Raum und ließ sich in den Ecksessel nach dem Rang Balkon zu nieder. Er hatte ein bartloses, hochmütiges Gesicht und mochte Anfang der Fünfziger sein; er trug schwarze Eskarpins mit seidenen Strümpfen, ein feines Spitzenjabot guckte in Blütenweiße aus dem modischen Rock mit goldbesponnenen Knöpfen hervor und aus seinen Ärmeln fielen Manschetten aus zartestem Leinen.

 

Alle Lorgnons richteten sich auf den Ankömmling, der sich gegen verschiedene Bekannte freundlich-gemessen verneigte. „Der Etatsrats von Kotzebue“ flüsterte eine Schöne im Parterre ihrer Nachbarin zu.

 

Ja, er war gekommen, eins seiner eigenen Dramen anzusehen. Seit er nun, nach Napoleons Sturz, als russischer Generalkonsul in Königsberg in einem schönen Hause auf dem Königsgarten, nahe dem Stadttheater, wohnte, war er „artistischer Leiter“ des Stadttheaters. So war es nur natürlich, dass er dafür sorgte, dass seine Stücke, welche die Königsberger wie mit magischer Gewalt ins Theater zerrten, oft genug gegeben wurden. Daneben beherrschten Müllner, Houwald, Moreto mit seiner „Donna Diana“ und Calderons „Das Leben ein Traum“ den Spielplan.

 

Heute prangte auf dem Theaterzettel der Titel von Kotzebues Lustspiel „Die deutschen Kleinstädter“, das er just vor zehn Jahren geschrieben hatte.

 

Mit Vergnügen folgte der im Grunde so eitle Mann den lustigen Vorgängen auf der Szene und lächelte selbstzufrieden über die satirischen Bemerkungen des sprühend-temperamentvollen Volkleins auf der Bühne gegen die Titelsucht, die Klatschsucht und ähnliche Eigenschaften der „Krähwinkler“ bei dem Gedanken, dass er es ja war, der den Schauspielern diese witzigen und spritzigen Bemerkungen in den Mund gelegt hatte.

 

Er wusste: diese Schwächen, die er dort in dem Lustspiel geißelte, würden nie aussterben,

solange es Menschen gab, und deshalb seinen Stücken Dauer verleihen. Dass er diese Schwächen—Oberflächlichkeit, Klatschsucht, Eitelkeit, Intrigensucht und Frivolität — im hohen Maße selbst besaß, focht ihn dabei nicht im Geringsten an.

 

Keiner verstand es so gut wie er, die Schwächen und schlechten Neigungen des gebildeten und die Eitelkeiten des ungebildeten Publikums zu kitzeln.

 

Er wusste genau, wie man Stücke fabrizieren musste: Um irgendeine gute dramatische Situation, die ihm aufgegangen, leimte er irgend einen Cannevas zusammen, gleichsam so drum herum. Das waren jedenfalls seine eigenen Worte, Das Wichtigste aber war eine gehörige Dosis Sentimentalität — durch sie konnte man das deutsche Gemüt im Handumdrehen gewinnen — das sogenannte gute Herz machte alle Fehltritte wieder gut — und wenn dann noch die erhabene Gestalt eines großmütigen Wohltäters dazu kam, so war das ein solcher Gewinn, dass man es sich leisten konnte, zwischendurch alle sittlichen Kräfte des öffentlichen und literarischen Lebens getrost zu verhöhnen. Selbst die frivolsten Frechheiten konnte man wagen, wenn man sie nur mit einer nicht sparsam darüber ausgegossenen süßlichen Tugendsentimentalität verzuckerte. Dann war einem der jauchzende Jubel der Zuschauer gewiss!

 

Selbst der Herr Geheime Rat v. Goethe führte seine, Kotzebues, Stücke am Weimarer Hoftheater laufend auf und hatte mehr als einmal eine Lanze für ihn gebrochen und ihn sogar „einen höchst bedeutsamen Meteor“ genannt!

 

Anders freilich dachte der sanguinische Ernst Moritz Arndt über ihn, der 44-jährig, von Januar bis März 1813 als Begleiter des Freiherrn vom Stein in Königsberg weilte. Er hatte Kotzebue hier kennen gelernt und schrieb über ihn: „Er machte, wie man ihn sah, einen sehr gemeinen Eindruck — eine der widerlichsten Erscheinungen, die mir in meinem Leben vorgekommen sind. Er trat auf mit der Haltung eines Altflickers und mit einer unverschämten Offenheit, die nichts von der Offenheit der Natur hatte ... In seinen freundlichen Augen war zugleich etwas schleichend Lauerndes und unverschämt Faunisches . . .“

 

Aber dieses Urteil kannte Herr v. Kotzebue nicht und zufrieden dachte er, dass doch die Theaterdirektionen allen Grund hatten, ihm dankbar zu sein; denen machte er volle Häuser! So war es nicht mehr als recht und billig, dass, zumal bei seinen guten Beziehungen zu aller Welt, seine Stücke so weitgehend den Spielplan beherrschten — was natürlich immer gute Tantiemen abwarf . . .

 

So sonnte sich August v. Kotzebue auch heute in der strahlenden, wärmenden Gloriole eines Dichters von Gottes Gnaden, dem das begeisterte Publikum aus Parterre, Rängen und von der Galerie frenetisch zu klatschte, was er mit selbstgefälligem Lächeln dankbar quittierte.

 

Aber die Welt ist wandelbar — nichts ist von Dauer — der Mann mit den kalten Augen in seiner Loge konnte nicht ahnen, welch ein trauriges Ende er bereits sechs Jahre später in Mannheim nehmen sollte, und dass noch im gleichen Jahre die Königsberger Studenten hier selbst, wo er ebenso gefeiert wurde, im Stadttheater, der Stätte seines Wirkens, sogar gegen eine Totenfeier für ihn protestieren würden.

 

 

III.

3. X. 1833.

Als Professor der Philosophie war 1833 auf den Lehrstuhl Kants der aus Magdeburg gebürtige Dr. Karl Rosenkranz berufen worden. Bereits neun Jahre in Königsberg ansässig, und, wie er selbst betont, „durch tausendfache Beziehungen mit der Pregelstadt verwachsen und kraft solcher Verwurzelung ein lebendiges Glied des Organismus der neuen Heimat geworden“, schrieb er ein Buch über Königsberg und die Königsberger. Er nennt es „Königsberger Skizzen“. Es erschien 1842 in Danzig und gab in zahlreichen Kapiteln die Eindrücke skizzenhaft wieder, die Stadt und Bewohner auf den Verfasser gemacht hatten. Neben etlichem falsch Gesehenem und einigen Unrichtigkeiten, die einem gebürtigen Königsberger kaum unterlaufen wären, enthält das Buch neben Sorgen, die heute keinen mehr drücken, weil die Zeit über sie hinweggegangen ist, eine Reihe treffender Beobachtungen und gelungener z. T. recht amüsanten Schilderungen und Plaudereien.

 

Am ersten Tage seines Hierseins ging Rosenkranz ins Stadttheater. Hören wir, was er darüber zu sagen hat:

 

„Es war am 3. Oktober 1833, als ich den ersten Tag in Königsberg verlebte und abends das Theater besuchte. Man gab die „Stumme von Portici“. Zunächst fiel mir die fast allgemein sehr ernstliche und in der Tat sehr notwendige Kopfbedeckung des Publikums auf. Nur die Herren Offiziere, die fast den ganzen Tag Mütze oder Tszacko tragen müssen, erleichterten sich hier den Kopf oder die älteren und jüngeren Herren prunkten barhaupt, die eine Perücke trugen, also gegen Erkältungen hinreichend geschützt waren“.

 

„So dann aber umrauschte es mich von Papiertüten, welche da, wo mehrere Damen familienweise zusammensaßen, mit Bonbons, Kuchen usw. hin- und herwanderten. Äpfel und Birnen kaute man vom Parkett bis zur Galerie“.

 

„Die Ostpreußischen, Litauischen Physiognomien der Soldaten, welche Neapolitaner darstellen sollten, und als fürstliche Leibwache den an den sieben-jährigen Krieg erinnernden Kommisssäbel nebst Patronentasche führten, machten einen so seltsamen Eindruck auf mich, dass ich, von diesem nordischen und preußischen Süden in eine neue Welt versetzt, nach dem zweiten Akt das Theater verließ und die Konditorei aufsuchte, wo ich dann im Publikum die gleichen Physiognomien, blondhaarig, blauäugig und rotbackig, Groc, Punsch und Glühwein in kolossalen Quantitäten verzehren sah und zwar mit dem Bewusstsein, dass dieser Genuss wesentlich ein notwendiger integrierender Teil des Theaterbesuches sei“.

 

An anderer Stelle seines Buches stellte Rosenkranz fest, dass die deutsche dramatische Schaffensfähigkeit stark herabgedrückt sei durch Eklektizismus, stereotype Charaktere und Wendungen in den Dramen, Erstarren der Phantasie, Hinzielen auf äußere sinnliche Effekte, Herrschaft des französischen Spielplans und Einseitigkeit der Operntendenz, sowie nicht zuletzt durch den Skeptizismus der Zeit und die Verwirrung der Meinungen.

 

Als Gegenmittel gab Rosenkranz eine hochwertige Kritik, Hebung der schauspielerischen Leistung und Preisausschreiben für gute Dramen an.

 

Seine Schlussworte über das Haus am Königsgarten waren bittere: „Das Theater der Residenz, wie sein stolzer Titel klingt, ist von außen ungastlich anzuschauen und auch im Innern zunächst nicht sehr erquicklich. Aus einem Vorurteil der Wohlhabenderen und Gebildeteren unserer Miteinwohner, die Reisen machen und andere Theater besuchen können, ist es oft ganz verödet und bietet dann einen unheimlichen Aufenthalt dar, in welchem Frost, Dunkelheit, Kahlheit der Architektur, der Lichtqualm des Orchesters, Vorhören der heiseren Souffleurstimme eine entsetzliche Stimmung erzeugen können. Hoffen wir, dass auch dieses Institut sich von neuem erhebe, dass es in seiner winterlich trüben Hülle eine reizende Knospe der menschlichen Kunst zeitige“.

 

Wir sehen also, dass der 3. Oktober 1833 offenbar kein Ruhmestag des Stadttheaters gewesen ist und dass seine künstlerischen Leistungen leider ganz und gar nicht auf der Höhe standen, wie es der Haupt- und Residenzstadt Königsberg, die damals doch die immerhin stattliche Einwohnerzahl von 70000 Seelen hatte, zugekommen wäre.     Fortsetzung folgt

 

 

 

Seite 11 und 16   Hugo Kaftan: Der Große Kurfürst und sein Generalmarinedirektor. 1. Fortsetzung

Benjamin Raule

Foto: Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten (Von Andreas Schlüter)

Für den Kurfürsten ergab sich die Notwendigkeit, seine Flottenpolitik wieder aufzunehmen. Bei der Beschaffung der benötigten Flotte war ihm ein Mann behilflich, der ihm später als der treueste Berater in Marine- und Kolonialangelegenheiten zur Seite gestanden hat: Benjamin Raule.

 

Holländer von Geburt war Raule, der Großkaufmann und Reedereibesitzer der Stadt Middelburg, durch den holländischen Krieg von 1674 in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Nun hatte er seine Dienste dem Kurfürsten angeboten.

 

Darob wehte ein scharfer Wind in Amsterdam: „Jedem Untertanen des holländischen Staates ist es bei Leibesstrafe verboten, in fremde Dienste zu treten“. So lautete die Verordnung der Holländischen Generalstaaten, die anno 1675 in den Gassen Amsterdams zum öffentlichen Anschlag gebracht wurde.

 

„Der Rat der Stadt Amsterdam ist fest entschlossen, der kurbrandenburgischen Seeräuberei schnellstens ein Ende zu bereiten", wurde zur selbigen Zeit um das Mittagsgeläut vom Rathaus aus dem Fenster der „Kammer der Gerechtigkeit“ bekanntgegeben.

 

Was war nun die Ursache dieser Verlautbarungen in Amsterdam?

 

Eben dieser seeländische Reeder, Schöffe und Rat Benjamin Raule hatte sich dem Kurfürsten von Brandenburg gegenüber erboten, auf eigene Kosten zum Kampf gegen die Schweden in der Ostsee gut armierte Schiffe laufen zu lassen. Der Kurfürst hatte dieses Angebot angenommen und alsbald kämpften elf Schiffe unter der brandenburgischen Flagge gegen schwedische Vormacht und Handel im Ostseeraum.

 

Innerhalb weniger Wochen waren allein einundzwanzig schwedische Schiffe gekapert worden und nicht wenige dieser Schiffe gehörten den Holländern, die unter schwedischer Flagge dem einträglichen Kornhandel mit den Ostseestaaten oblagen. Die Amsterdamer Handelsherren erlitten erhebliche Verluste; Handel und Spekulationen versagten, die Kornbörse geriet in ärgste Verlegenheit. Das brachte die holländischen Geschäftemacher hoch zu heller Empörung und Wut gegen den Verräter seines eigenen Vaterlandes, den ehemaligen Regenten von Seeland, Benjamin Raule.

 

Was hatte diesen wahnsinnigen Raule veranlasst, Kurbrandenburgs Seefahrergelüste zu wecken und aufs tatkräftigste zu fördern? War es überhaupt denkbar, als Holländer einem deutschen Fürsten zu dienen?

 

Ein Abenteurer in fremden Solde, der seinen Eid „Holland allezeit“ gebrochen und andere zum Treubruch und Meineid verleitete. Überall und laut erhoben sich die Verwünschungen: „Nieder mit Raule! Möge dieser Abtrünnige wie ein Hund verrecken. Zündet sein Middelburger Haus an und legt es in Trümmer“.

 

Und wo einer der Holländer von diesem Raule für Brandenburg Handgeld genommen und man seiner habhaft geworden, setzte es harte Schläge, Blut und Knochenbrüche.

 

Zusammen mit den Dänen lieferte Raule mit seinen dem Kurfürsten inzwischen zur Miete überlassenen Schiffen die siegreiche Seeschlacht bei Bornholm (5. und 6. Juni 1676) und blockierte während der Belagerung Stettins (1677) mit seiner Flotte die Festung von See her. Auch bei der Landung auf Rügen haben brandenburgische Schiffe erfolgreich teilgenommen. Der Kurfürst dankte dem bewährten Kommandeur Raule durch seine Bestallung zum Obberdirektion in Seesachen.

 

Der Friede von St. Germain (en Laye) vom 29. Juni 1679 brachte dem Großen Kurfürsten eine schlimme und tief kränkende Enttäuschung. Wiederum vom Kaiser im Stich gelassen, musste er Vorpommern, das er sich erobert, an Schweden abtreten: Stettin, das „Tor zur Welt“, wie er diese Stadt selber genannt hat, und Stralsund gingen ihm verloren.

 

Als er schweren Herzens die Friedensurkunde unterzeichnete, rief er die Worte aus, die Virgil in der Äneide der zum Tode bereiten Königin von Karthago in den Mund legt: „Aus meinem Gebein möge ein Rächer auferstehen“ (exoriar-aliquiss nostris ex ossibus ultor). Zur Friedenspredigt ließ er den Text wählen: „Es ist gut auf den Herrn vertrauen und sich nicht verlassen auf Fürsten“, und damit meinte er seinen Kaiser.

 

Trotz dieses schmerzvollen Missgeschicks ließ der Kurfürst sich nicht entmutigen, vielmehr schritt er auf neuen Wegen voran. Und neben ihm Benjamin Raule.

 

Von den ihm verbliebenen Häfen Kolberg, Pillau und Memel fasste er Pillau als Flottenstützpunkt ins Auge. Dieses Pillau bezeichnete Friedrich Wilhelm als „Der Schlüssel unserer Lande, das höchste Regal, was er hätte, die beste Versicherung des Staates, unser vornehmstes, wichtiges und gewisses Einkommen“.

 

Des Großen Kurfürsten Kolonialpolitik

Eine neue Zeit musste erst für Brandenburg anheben, ehe es sich aus eigener Kraft hinauswagte auf das offene Meer. Sie schuf der Große Kurfürst. Unter seinem mächtigen Schutz konnte der rote Aar getrost seine Schwingen ausbreiten, um in fernen Weltteilen zu verkünden, dass er der Bote eines Fürsten sei, der getreu seinem Wahlspruch: „Herr lass mich wissen den Weg, darauf ich wandeln soll“ im Vertrauen auf Gott den Weg auch über die Meere gefunden hatte.

 

Dem Großen Kurfürsten war der Ruhm vorbehalten, als erster die engen Bande, in die

Brandenburgs Handel gekettet war, zu lösen und ihn zum Welthandel zu gestalten. „Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Etats, wodurch die Untertanen beides zu Wasser als auch durch die Manufakturen zu Lande ihre Nahrung und Unterhalt erlangen“.

 

Diese eigenen Worte des Großen Kurfürsten aus späteren Jahren bilden gewissermaßen sein volkswirtschaftliches Glaubensbekenntnis für die Friedensjahre seiner an Kämpfen reichen Regierung.

 

Mit der Kolonialpolitik Brandenburg-Preußens und damit auch der Geschichte der Flotte aufs

engste verknüpft ist Benjamin Raule, der in schweren Tagen ein treuer Diener des Kurfürsten gewesen ist und der seine rechte Hand war bei allen kommerziellen und maritimen Unternehmungen.

 

In Bezug auf sein späteres Dienstverhältnis sagte einmal der von seinem Vaterland einst so geachtete, später umso mehr geächtete Holländer Benjamin Raule: „Ich diene nur um Ehre und um nach meinem Tode einen roten Buchstab im Kalender zu haben“.

 

Im August 1679 entbot der Kurfürst Raule nach Potsdam, „um wegen des preußischen Wesens Richtigkeit zu treffen“, und zur Bezeugung seines Dankes schenkte er ihm ein Haus in Pillau.

 

Am 12. Januar 1680 erhielt Raule den Auftrag, Schifffahrt und Seehandel in Preußen aufzurichten. Die preußische Regierung wurde angewiesen, ihm hilfreiche Hand zu leisten, aus den Bernsteingeldern wurden 6000 Thaler zur Erbauung von Baracken für die Matrosen, sowie von Magazinen und Gebäuden für ein Marinekollegium in Pillau bestimmt und überdies das erforderliche Schiffsbauholz zur Verfügung gestellt.

 

Raule reiste alsbald nach Königsberg und bezog dort auf dem Kneiphofe das bisher von dem Burggrafen Klein bewohnte Haus. In erster Reihe sucht er eine Schiffsbaukompagnie mit einem Kapital von 50 000 Thalern zu gründen. Zehn Flauten von 150 - 175 Lasten sollten der Anfang sein. Zu viel versprach er sich freilich von den Königsbergern nicht: „es ist unmöglich, dass man diesen Leuten solche Neuheiten schmackhaft machen kann, sie können es denn mit ihren Händen begreifen“. In der Tat scheiterte auch der Plan.

 

Raule begann dann „ein ganz particulieres Commercium und Schiffsbau, so diesen Leuten unbekannt“, und trug für die Anlage einer Schiffsbaustelle und eines neuen Kanals in Pillau Sorge.

 

Außerdem machte er mannigfache Vorschläge, wie eine Erhöhung der Zölle herbeizuführen, Maß und Gewichte zu ordnen, die Leichterfahrzeuge und das offene Haff zu verbessern, die Schleusen bei Tapiau und Labiau zu konservieren, die fremden Kaufleute (Schotten) einzuschränken, eine Aufsicht über die gestrandeten Güter einzuführen sei und dgl. m., Vorschläge, die der Kurfürst fast durchweg genehmigte.

 

Die erste Afrikareise

Der Obermarinedirektor fühlte sich in seiner Flotte, die Anfang 1680 schon 28 Schiffe umfasste, stark genug, um ein überseeisches Unternehmen zu wagen. Auf eigene Kosten und Gefahr rüstete Raule die beiden Fregatten „Das Wappen von Brandenburg“ unter Kapitän Bartelsen und „Morian“ unter Kapitän Blonck für die Afrikafahrt aus. Beide Kapitäne erhielten vom Kurfürsten zu der Handelsfahrt nach den Küsten von Angola und Guinea die Instruktionen.

 

Der Kurfürst stellte dazu 20 gesunde Musketiere nebst 2 Unteroffizieren von den in Preußen stehenden Regimentern zu Fuß, gehörig montiert (ausgestattet.) Auch der erbetene Festungsingenieur fehlte nicht.

 

Am 17. September 1680 unter dem Donner der Kanonen und dem lebhaften Zuruf: „Vivat Raule“ segelten das „Wappen von Brandenburg“ und der „Morian“ von des Kurfürsten Seeport Pillau aus ab. Raules erster glückhafter Tag. Der rote Adler im weißen Felde hatte seinen verheißungsvollen Flug über die Weltmeere angetreten.

 

Nach genau einem Jahre hatten die Bewohner Pillaus die Freude, den heimgekehrten „Morian“ wieder in ihrem Hafen begrüßen zu können. Leider fehlte das größere Schiff, das „Wappen von Brandenburg“. Unweit Axim an der Goldküste Afrikas hatten die Holländer unter wichtigen Vorwänden sich des „Wappens“ bemächtigt und Kapitän wie Besatzung ins Gefängnis geworfen. Der „Morian“ hatte sich einem gleichen Schicksal nur durch die Flucht entziehen können.

 

Die von dem „Morian“ heimgebrachten Tauschobjekte, vornehmlich Feingold und Elfenbein wogen bei weitem nicht den Verlust des „Wappens“ auf und deckten keineswegs die Kosten des Unternehmens.

 

So hatte diese erste Fahrt ins Weltmeer hinaus mit dem halben Ruin Raules und mit einer starken Erbitterung beim Großen Kurfürsten über die Anmaßung der Holländer geendet. Erst fünf Jahre später gelang es Friedrich Wilhelm, das „Wappen“ freizubekommen.

 

Mag wohl auch mancher Vorwurf seitens der Geldgeber („Liebhaber“) im Stillen geäußert oder offen laut geworden sein, den Kurfürst erfüllte das Ergebnis trotzdem mit Genugtuung und Stolz. Gedenkmedaillen und erste „eigene“ Dukaten, die er aus afrikanischem Guineagold schlagen ließ, legen hierfür beredtes Zeugnis ab.

 

Der eigentliche Wert des Unternehmens bestand in einem Vertrag, der zwischen den eingeborenen Häuptlingen der Goldküste aus dem Stamm der Anta und dem Bevollmächtigten des Kapitäns Blonck feierlich abgeschlossen war.

 

Dieser Vertrag von Poquesoe (16. Mai 1681) erlaubte den Brandenburgern, an dortiger Küste eine Festung zu errichten. Die Häuptlinge und ihr Stamm wollten sich dem Kurfürsten als ihrem Herrn unterstellen Auch würden sie mit niemand anders als mit Sr. Churfürstl. Durchlaucht Schiffen Handel treiben. Darin lag die besondere Zukunftsbedeutung der ersten Guineafahrt, dass nunmehr der Weg frei und geebnet war zur Kolonialgründung in Afrika.

 

 

Der verleumdete Generalmarinedirektor

Die treuen und nützlichen Dienste, die Benjamin Raule dem Kurfürsten zu Kriegs- und Friedenszeiten untertänigst geleistet hatte, wurden am 20. Februar 1681 durch die Bestallung zum „General-Direkteur de Marine mit Obristenrang“ anerkannt. Es verblieb dabei bei dem bisherigen Gehalt, der Kurfürst versprach jedoch, die zu leistenden Dienste bei vorfallender Gelegenheit in Gnaden anerkennen zu wollen.

 

Vier Monate dauerte nun schon im Dezember 1681 die Unpässlichkeit des Generalmarinedirektors. Allein noch vor Tagen war er von einer solchen unmenschlichen Kolika martyrisiert worden, dass alle Medici konfus stunden und ferner keinen Rat mehr wussten.

 

Raule sah deshalb auch keine Möglichkeit, die höchst nötige Reise nach dem kurfürstlichen Hofe anzutreten, zumal kaum eine Post von Berlin kam, die ihm nicht Kummer und Ärger brachte. Waren es durchweg leichtfertige, zu seinem Verderb ausgeheckte Lügen, die außer Zweifel Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht noch prozentual vergrößert wurden. Darum konnte er es nicht unterlassen, so schwach er noch war, über alle ihm bekannten Punkte dem Kurfürsten untertänigsten Bericht zu geben. Und inner 4 Monaten waren recht viele dieser Sachen zusammengekommen, die Raule in seinem Bericht ausführlich behandelte, von denen ich hier aber nur wenige und nur zur Charakterisierung der damaligen Zeit zu bringen vermag.

 

Bei dem öffentlichen Verkauf der spanischen Güter von dem gekaperten spanischen Königsschiff „Carolus secundus“ sollte Raule in Pillau einigen Betrug gepflegt haben, damit er selbige Güter zum großen Teil für sich selbst erhandeln konnte.

 

Von Kopenhagen von dem holländischen Residenten waren Briefe gekommen, worin bezeugt wurde, dass die kurfürstlichen Matrosen unbezahlt blieben, das Werkvolk weglaufe und in Pillau durch Raules schlimme Direktion alles in Konfusion wäre.

 

Dass Raule denen Matrosen Quittungen abzwünge und ihnen 3 Monats-Traktamente weniger zahlte als sie quittierten.

 

Dass der Geschwaderchef Kapitän Lacher alle neutralen Schiffe visitierte und plünderte, anscheinend mit Wissen oder im Auftrage des Generalmarinedirektors.

 

Dass Raule in Kopenhagen ohne Bewilligung des Königs Volk werben lasse.

 

Dass in Holland, Seeland, Hamburg und überall das Gerücht laufe, Raule wäre nun bei dem Kurfürsten vollkömmlich in Ungnade gefallen, auch schon in Haft, oder wohl gar allbereits 8 Tage von Chagrin und Kolika begraben; und Raules Familie sollte nun für allen Schaden haftbar gemacht, und vollends ruiniert werden.

 

Und wieder erhebt sich in Paranthese die Frage, ob denn heute so etwas möglich wäre, heute nach nahezu 300 Jahren? Und man kann nur bedauernd nicken. Ja, wir haben noch schlimmeres erlebt.

 

Aber bleiben wir beim Thema.

 

Und Raule widerlegte Punkt für Punkt in seiner umfangreichen Rechtfertigung. „Wenn ich den Vorsatz hätte, Eure Churfürstliche Durchlaucht zu betrügen oder dero Ungnade auf mich zu laden, so wären da wohl andere Mittel zu, die nicht ecclatieren sollten“, führte er an einer Stelle aus.

 

An anderer Stelle: „Ich will lieber wie ein Wurm Erde fressen, als alle Zeit so travailliert zu werden“. Dann machte Raule dem Kurfürsten, wie schon so oft, den Vorschlag, selbsten für 100 000 Taler Schiffe anzukaufen und ein formal Admiralitäts-Collegium zu errichten, um dadurch dem Kurfürsten und seinen Ministern allen Argwohn zu benehmen und zu erweisen, wie treu, ehrlich und vigilant er alle Zeit gedienet.

 

Dafür wollte er dem Kurfürsten 10 wohl versehene und ausgerüstete Schiffe von 60 bis 10 Stücken (Kanonen) verkaufen, ungeachtet die wohl 140 000 Taler wert oder dafür nicht einmal zu kaufen seien.

 

Weitere Vorschläge machte er über den Schiffsbau in Pillau, die Handelsgeschäfte nach Ost- und Westindien, den dauernden Unterhalt von 100 bequemen Offizieren für die Marine, „inmaßen er nichts anderes suche, als Seine Churfürstliche Durchlaucht zu behagen und dero Marine so considerabel zu machen, dass er ohne Zweifel nach seinem Tode große Reputation davon nachlassen werde“.

 

Da ihm die deutsche Sprache schwer geläufig war, diktierte er dies umfangreiche Schriftwerk seinem Privatsekretär de Lange und unterzeichnete wie immer: „Verbleibe stets Euer Churfürstlichen Durchlaucht untertänigster Knecht Benjamin Raule“.

 

Zweite Afrikareise

Die zweite Afrikareise durfte nicht lange auf sich warten lassen; denn in dem Vertrage von Poquesoe war die Rückkehr der Brandenburger nach 10 Monaten festgesetzt worden. Dieser Umstand führte zur beschleunigten Gründung der Brandenburgisch-Afrikanischen Gesellschaft.

 

Die beiden Schiffe, der „Churprinz“ und der erprobte „Morian“ wurden für diese 2. Fahrt ausersehen. Kapitän de Voß, der Geschwaderführer neben Kapitän Blonck, erhielt besondere Instruktionen. U. a. ward er angewiesen, bei den Mohren eine gute und gelinde Regierung zu führen, sowie Obacht zu haben, dass so viel wie möglich ungefälscht und ungemachet Gold gehandelt werden“.

 

Eine besondere Order erhielt Major von der Groeben, ein vielgereister Mann und erfahrener Soldat, der als Staatsbevollmächtigter des Gr. Kurfürsten das Unternehmen zu begleiten bestimmt wurde.

 

Er sollte u. a. den Häuptlingen Präsente überbringen und „dazu auch die principalste Herren mit ihren Frauens auf den Schiffen traktieren“. Auch die Erstellung einer Festung war ihm anbefohlen worden.

 

Im Frühsommer 1682 begab sich das Geschwader auf die Fahrt, der „Churprinz“ von Pillau aus, der „Morian“ gesellte sich von Glückstadt, der holsteinischen Seefestung, hinzu.

 

Unter den Mohren in Afrika

Begleiten wir nun die Afrikareisenden und vernehmen ergötzliche Einzelheiten über Leben und Treiben der Schwarzen in den afrikanischen Küstenstrichen.

 

Von Kapo Verde an bis nach Sierra Leona und auch weiter leben die Mohren unter dem Gebot ihrer Könige, die sie dem Verbrechen nach hart und linde strafen. Wenn sich einer schwer vergangen hat, wird öffentlich unter dem Vorsitz des Königs Gericht gehalten, um ihn stehen etliche Edelleute oder Richter.

 

Alsdann kommt der Kläger hervor, fällt auf die Knie, stützt das Haupt mit den Ellbogen und spricht zum Könige „Donda“, dem die Richter antworten: „Mo“. Darauf wird in des Königs Gegenwart die Klage einem von den Räten vorgetragen, der sie öffentlich den anderen Richtern erzählt. Solches geht nach der Reihe herum bis an den letzten Rat, der die Klage nebst Urteil, so die andern gesprochen, dem Könige vorbringt. Dieser fasst das Urteil zusammen oder ändert es nach seinem Gutdünken.

 

Hat der Verklagte den Tod verwirkt, so werden seine Güter bis auf Kindeskinder konfisziert; er selbst wird in den Krieg geschickt, wo er an der Spitze wie ein Leibeigener gegen den Feind bis auf den Tod fechten muss.

 

Auf der Greinküste, wo die Bewohner mit Elfenbein und mit dem in den Flüssen gefundenen Gold handeln, fragte Herr von der Groeben die Schwarzen der Kuriosität halber auf Portugiesisch, wer denn da „oben“ donnere und wie sie ihn anbeteten.

 

Darauf berichteten sie ihm, es donnere oben der große Monarch, welchem zu Ehren sie alsdann einen Tanz ausführten: Etliche nahmen ihre Assigaien (das sind Spieße), andere ihre Messer, ein Teil brummte durch die Nase.

 

Darauf liefen sie ganz behende wie verzückt oder toll mit raren Gebärden im Sande herum, schrien, verletzten sich mit ihren Assigaien und Messern, verkehrten die Augen, knirschten mit den Zähnen und machten die wunderlichsten Gebärden von der Welt, bis zuletzt einer ganz unsinnig aus eifriger Andacht verrückt wurde.

 

Da liefen die andern zu, nahmen ihm mit Gewalt den Spieß oder Assigai aus der Hand und klopften ihm so lange auf den Kopf, bis ihm der Eifer verging und er sich besänftigen ließ.

 

Herr von der Groeben begehrte auch zu wissen, wie sie aus Freuden tanzten. Da baten sie, er möchte ihnen auf Schalmeien blasen lassen. Die Musikanten erhielten den Befehl, einen polnischen Tanz aufzuspielen.

 

Wonach die Schwarzen so behende hüpften, dass es ihnen kein Tanzmeister nachtun sollte. Ja, sie observierten die Kadanz sowohl als der beste Pole, welches allen Mohren angeboren scheint, liefen mit ihren Assigaien gegen sie ganz schnell und parierten in einem Augenblick, dass sich alle darüber verwundern mussten.

 

Die etwa 30 Meilen lange Zahn- oder Quaquaküste führt den Namen von der Sprache der Einwohner, da in ihrem Wortschatz alles auf quaqua endet. Von der Groeben gemahnte es, da er sie reden hörte, als wenn ein Haufen Enten in einem Pfuhl zusammen schnatterte.

 

Die Schiffsleute getrauten sich aber nicht an Land zu gehen, weil es ungesund ist und an vielen Orten noch Schwarze wohnen, so die Leute fressen.

 

Sooft die Schwarzen an Bord kamen, schrien sie: „Qua qua qua“, welches so viel wie Freundschaft bedeuten sollte. Es waren alles baumstarke Leute, die an ihrem Leibe keinen Faden wie Wolle oder Leinwand tragen, sondern ihre Scham mit dem Bast der Bäume bedecken.

 

An dem Tage, da die Schiffsleute zu Segel gehen wollten, kam ein Neger mit zweien seiner Weiber, jede dem Anschein nach vierzig Jahre alt, an Bord, um selbige gegen zwanzig Stangen Eisen zu verkaufen. Weil sie aber hässliche alte Teufel waren, kam das Handelsgeschäft nicht zustande.

 

Groeben lässt sich hierzu mit folgendem Privatissimum vernehmen: „Wäre dieser löbliche Gebrauch bei uns gültig, es möchten die europäischen Weiber noch wohlfeiler sein als die in Afrika, in Maßen mancher Mann sich von seinem bösen Weibe erledigen wollte, sie nicht nur wohlfeil verkaufen, sondern wohl gar mit einer Schenkage dem Käufer überlassen würde.

 

Dieses sage ich nur von den bösen Weibern, denn alle guten sein lobenswert, von denen ich auch selbst ein Kaufmann sein wollte.

 

Endlich ist Groeben auf dem „Churprinz“ nach Abeni gekommen, all wo die Schwarzen das erste Gold an Bord brachten. Sie boten ihnen auch zwei ihrer Kinder, kleine Mädchen von fünf Jahren, feil, so die grausamen Eltern um drei Musketen weglassen wollten. Eins kaufte der Kapitän, weil es schön war, gegen drei Musketen und eine Schnur Korallen.

 

Den folgenden Tag fanden sich abermals viele Neger mit Gold zu ihnen, um Musketen und einige leinene Kleider zu kaufen. Am Nachmittag kam eine Kanoe (Boot) mit vier Schwarzen, selbige nahmen gegen eine Bende Gold — d. i. ein Gewicht von zweiunddreißig Talern — Musketen.

 

Nach geschehenem Kauf begehrte ihr Häuptling ein Geschenk zum Andenken, dass sie auf dem Schiff gewesen. Dem antwortete Groeben, sie sollten ihm auch ein Andenken geben, dass er Afrika besucht hätte. Da sagte der Schwarze: „Ich schwöre bei meinem Fetisch, komm an Land, so will ich dir nicht allein Palmwein, Hühner und Ochsen geben, sondern auch mein Weib selbst deiner Liebe zu Dienst unterwerfen“.

 

Dieser Gebrauch ist bei ihnen sehr gewöhnlich, da sie von ihren Frauen nicht so großes Werk machen, als dies die Europäer tun. Sondern sie tragen die offenen als heimlichen Hörner zur Zierat auf dem Haupte und leben des Ciceronis Lehre sehr nach, die er in den Libris Officiorum abgefasst hat: „Den Freunden soll alles gemein sein“.

 

Ja, bei ihnen ist es so gemein, dass man dasjenige, worüber man bei uns so stark eifert, nicht allein Freunden, sondern auch den Fremden mitteilen wollte.

 

 

 

Seite 12   Der kleine „Helmfried Unbekannt“

Ein Kind fand durch Verantwortungsgefühl des Pflegevaters seine Angehörigen.

„Ich sehe es als meine unbedingte Pflicht an, über die Herkunft des Kindes Klarheit zu schaffen . . .“

 

Mit diesen Worten wandte sich im vergangenen Jahr der Pflegevater eines Findelkindes an den Kindersuchdienst Hamburg des DRK. Er hatte dieses Kind 1946 aus einem Auffanglager in der sowjetisch besetzten Zone übernommen und später adoptiert. Es ließ ihm aber keine Ruhe, über die Herkunft des kleinen Henfried, so nannte sich der Junge selbst einmal, Näheres zu erfahren. Eigene jahrelange Nachforschungen blieben ohne Erfolg. Die Anhaltspunkte waren aber auch mehr als dürftig.

 

Henfried kannte zwar seinen Familiennamen, sprach ihn aber noch so kindisch undeutlich aus, dass er nie mit Sicherheit feststand. Er klang wie Badergretsch oder Margretsch. Im Übrigen war das Kind etwa vier Jahre alt, hatte am rechten Ellenbogen eine größere Narbe, die von einem Durchschuss herstammen konnte und ist nach Auskunft der Lagerleitung von einer Flüchtlingsfamilie K. aus Ostpreußen mitgebracht worden.

 

Als man Henfried nach seinen Angehörigen fragte, sagte er nur: „Mama und Papa lagen tot auf dem Schnee und Brüderchen und Schwesterchen auch“. Auf die Frage, wo er denn herkäme, nannte er „Bienau“ als Heimatort.

 

Es stellte sich bald heraus, dass diese Angabe des Jungen nicht stimmen konnte. Niemand kannte ihn. Auch Namensvergleiche mit den vorhandenen Karteien blieben ohne Resultat.

 

Ein Weg musste gefunden werden, um Augenzeugen zu ermitteln, die sich der zweifellos eingetretenen Familienkatastrophe entsinnen konnten. Nach vieler Mühe gelang es zunächst, die Flüchtlingsfamilie ausfindig zu machen, die den Jungen seinerzeit mitbrachte. Sie konnte einige Anhaltspunkte für das Heimatgebiet des Kindes geben, nannte vor allem aber den genauen Tag der Übergabe. Darüber hinaus wurde die ehemals vorhanden gewesene Bekleidung genau beschrieben.

 

Alle diese Angaben konnten nun für die Veröffentlichung in Rundfunk und Heimatpresse Verwendung finden. Was erhofft wurde, trat ein. Ein erster Hinweis wurde gegeben, da es sich nach der Schilderung des Schicksals bei Henfried Badergretsch um den Sohn Helmfried des Melkermeisters Grätsch aus dem Kreis Mohrungen handeln könnte.

 

Nun erfolgten Befragungen früherer Bewohner dieses Heimatgebietes. Sie führten jetzt zur lückenlosen Klärung. Nach übereinstimmenden Aussagen wurde folgendes festgestellt:

 

Das Ehepaar Grätsch ging mit seinen Kindern Helmfried, Helga, Hartmuth und einer verheirateten Tochter, die einen Säugling bei sich hatte, am 21. Januar 1945 auf die Flucht. Es war bitter kalt. Die Wagen kamen nur mühsam voran, weil die Straßen von Flüchtlingstrecks verstopft waren. Herr G. glaubte, seiner Familie diese Anstrengungen nicht mehr zumuten zu können und kehrte um. Kurz darauf gerieten sie ins Kampfgebiet. Durch einen plötzlichen Feuerüberfall wurden alle Familienmitglieder getötet bis auf Helga, Hartmuth und Helmfried, die verwundet wurden. Während Helga und Hartmuth in das Heimatdorf wanderten und dort bei verbliebenen Einwohnern Aufnahme fanden, irrte der kleine Helmfried hilfesuchend zwischen sowjetischen Soldaten umher. Ein Offizier nahm sich seiner an und übergab ihn einem vorüberziehenden Flüchtlingstreck. So kam er später in das Auffanglager. Alles Weitere war nun verhältnismäßig leicht zu klären. Ein älterer Bruder von Helmfried wurde gefunden, der mit den übrigen drei Geschwistern in Verbindung stand. Er hatte vom Schicksal seiner Familie durch andere Flüchtlinge bereits Kenntnis erhalten und war überglücklich, den kleinen Bruder zu finden.

 

Für Helmfrieds falschen Namen gab es eine leichte Erklärung. Er hat einen zweiten Vornamen „Bardo“, und daraus entstand der falsche Familienname Badergretsch.

 

Wie groß die Freude auf allen Seiten ist, gern aus einem Dankschreiben hervor, das der Kindersuchdienst von Helmfried und seinem Pflegevater erhielt, die von dieser Wendung tief beeindruckt sind.

 

Die Klärung dieses Falles ist aber nicht zuletzt auch der tatkräftigen Mithilfe des Pflege- bzw. Adoptivvaters zu danken, der es für seine selbstverständliche Pflicht hielt, alles zu tun, um die Herkunft des Jungen zu klären. Er tat dies selbst auf die Gefahr hin, dass er das Kind vielleicht sogar abgeben müsste, falls ein Elternteil gefunden werden konnte. So aber wird der Junge bei ihm bleiben, denn die Geschwister von ihm sind damit einverstanden.

 

Helmfried gehört zu den vielen Tausenden von kleinen Kindern, die durch den Krieg von ihren Angehörigen getrennt wurden, und die mit ihnen über den Kindersuchdienst wieder zusammenfanden. Viele erfuhren damit erstmals wieder ihre genauen Namen und Personalien. Walter Stiewe

 

 

Seite 12   Starker Tobbak.

Wilhelm Reichermann: Starker Tobbak. 64 Seiten, Preis DM 2,50. Gräfe & Unzer Verlag, München-Wiessee/Obb.

Es sind jetzt gerade 110 Jahre her, da wurde im ostpreußischen Städtchen Kreuzburg ein Mann geboren, der, mit köstlichem Humor begabt, ein plattdeutsches Gedicht an das andere reihte und sie unter dem Titel „Ut Noatange“ herausgab. Insgesamt wurden es 11 Bändchen. Sie fanden starken Widerhall und haben den Namen unseres Heimatdichters bekannt und berühmt gemacht. Seine Freunde ehrten den großen Sohn der Stadt Kreuzburg, indem sie ihm im lieblichen Stadtgrund ein Denkmal errichteten. Unverwüstlich sind seine „Plattdütsche Spoasskes“, und es gab viele

Ostpreußen, die einen großen Teil seiner Verse auswendig kannten und sie bei entsprechender Gelegenheit gern zitierten. Ostpreußen, die einen großen Teil seiner Verse auswendig kannten und sie bei entsprechender Gelegenheit gern zitierten. Ich denke da z. B. an den schönen Schluss des Gedichtes „Am Telefon“:

 

„Nu röckt de Herr all Korn und Kämel

Per Telefon von Schmelz bet Memel!“

 

Im vorigen Jahr hat nun der rührige Verlag Gräfe & Unzer, jetzt München-Wiessee/Obb., eine große Anzahl der gelungensten Gedichte aus allen 11 Bändchen unter dem Titel „Starker Tobbak“ neu erscheinen lassen und damit einen Herzenswunsch tausender Reichermann begeisterter Ostpreußen erfüllt. Ich wünsche dem Büchlein, zu dem Eugen O. Sporer, München, eine sinnfällige Umschlagzeichnung geliefert hat, weiteste Verbreitung, denn es ist ein Stück lebendigsten Ostpreußentums und eine Quelle übermütiger Freude, die wir ja alle so dringend brauchen.  

 

 

Liebes altes Königsberg

Wilhelm Matull: Liebes altes Königsberg. Ein Buch der Erinnerungen. 192 Seiten, Preis DM 5,80. Verlag Rautenberg & Möckel, Leer/Ostfriesland.

Der frühere Schriftleiter und Musikkritiker der „Königsberger Volkszeitung“ und jetzige Direktor der Landeszentrale für Heimatdienst bei der Niedersächsischen Landesregierung, Wilhelm Matull, hat mit diesem Büchlein zur bevorstehenden 700-Jahrfeier unserer Provinzialhauptstadt eine Erinnerungsgabe von bleibendem Wert geschaffen. Aus jeder Zeile spürt man die große Liebe des Verfassers zu unserem alten Königsberg, das seine Vaterstadt war und in dem er fast sein ganzes Leben tätig gewesen ist. Gestützt auf zahlreiche Quellen, ist er mit wissenschaftlicher Gründlichkeit zu Werke gegangen und hat Werden und Leistung der lieben, alten Pregelstadt in allen Phasen aufgezeichnet. Dabei hat er nicht etwa nur allgemein bekannte Tatsachen aneinandergereiht und sinnvoll verbunden, sondern manche unbekannte Einzelheit zu neuem Leben erweckt, die in Gefahr war, vergessen zu werden. Nur einen Vorwurf kann ich dem Verfasser nicht ersparen: Bei der Fülle des Stoffes, die alle Lebensgebiete umfasst, wäre eine breitere Anlage des Buches am Platze gewesen, zumal da es, gewissenhaft und oft mühsam erarbeitet, für die spätere Forschung von echtem geschichtlichen Wert ist. So war es bei allem erkennbaren Willen zur Gründlichkeit nicht zu vermeiden, dass mancher Abschnitt zu kurz kam und mancher Wunsch offen blieb. Doch diese Tatsache soll uns die große Freude an diesem mit warmem Herzen geschriebenen Büchlein nicht trüben. Sie kann ebenso wenig die ehrliche Anerkennung schmälern, die wir dem Verfasser für seine Leistung schuldig sind.

 

Dreizehn wertvolle Zeichnungen von Kurt Kumpies und der gefällige Entwurf des Einbandes von Brigitte Ludszuweit schmücken das „Liebe alte Königsberg“, dem ich einen Ehrenplatz in vielen ostpreußischen und in allen Königsberger Familien wünsche.

 

 

 

Der Sender Kaliningrad (Königsberg) klagte die dortige Bevölkerung in der Landwirtschaft der Gleichgültigkeit gegenüber der Saatgutbeschaffung an. Außerdem fehle es an Saatgut zum Getreide- und Kartoffelanbau, um wenigstens die Hälfte des Aussaatplanes zu erfüllen.

 

 

Seite 12   Unsere Buchbesprechung

Gefährliche Grenzen der Politik

Gefährliche Grenzen der Politik, von Generaloberst a. D. Lothar Rendulic,, Pilgram Verlag, Salzburg. 334 Seiten, Ganzleinen mit Schutzumschlag. 14,80 DM.

Soldat und Politiker zugleich ist der Verfasser dieses Buches, der den Versuch gemacht hat, in philosophisch klarer und doch allgemein verständlicher Form das Wesen der Politik und ihre Beziehungen zu den großen allgemeinen Problemen der Menschheit aufzuzeigen. Gestützt auf ein umfassendes Geschichts- und Rechtswissen, auf praktische Erfahrungen, die er als Militärattaché in europäischen Hauptstädten und als Soldat in zwei Weltkriegen sammeln konnte, ist er wie wenige berufen, sich an dieses Thema zu wagen und es zu meistern. Es war vor tausend Jahren genauso zeitnahe wie heute und beansprucht deshalb das Interesse aller Menschen, die das Verlangen haben, sich über die Kräfte zu unterrichten, die von jeher die Schicksale der Völker bestimmten. Rendulic geht bei seinen Betrachtungen so methodisch und schrittweise vor, wie es eben nur ein Generalstäbler vermag, der alle Voraussetzungen, Möglichkeiten und Risiken zu prüfen und einzusetzen gewohnt ist. So kommt er zu klaren und eindeutigen Schlüssen, die immer wieder überraschen und Zusammenhänge aufdecken, an denen man oft achtlos vorbeigegangen ist. Überdies hat er den Mut, alle Dinge beim rechten Namen zu nennen und manchen politischen Kernsatz der Vergangenheit beweiskräftig zu widerlegen. Ausgehend von den allgemeinen Grundbegriffen des menschlichen Zusammenlebens, stellt er immer wieder ihre Zusammenhänge mit den politischen Triebkräften heraus, denen sich kein Volk und kein einzelner entziehen kann. Er spricht von Schicksal, Charakter und Geist, von Macht, Freiheit und Moral, von Staat und Parteien, von Völkerrecht und Krieg. Auch von vielen verblichenen Versuchen, einen Krieg zu verhindern, gibt er Bericht. So erwähnt er u. a. den seltsamen Pakt, der 1928 in Paris geschlossen wurde, in dem zahlreiche Staaten durch ihre Unterschrift kurzerhand erklärten, dass sie in Zukunft auf den Krieg als Mittel der Politik verzichten wollten. Und was wurde daraus? 14 neue Kriege von 1935 - 1945!

 

Den letzten Absatz seines Buches widmet Rendulic der politischen Persönlichkeit und schließt mit den Worten: „Es berührt das gesamte politische, vornehmlich das internationale Leben der Welt, dass unsere Zeit keine überragende politische Persönlichkeit besitzt.“.— So treiben wir also wieder in den Krieg hinein? Es ist unmöglich, diese Frage mit Ja oder Nein zu beantworten. Aber eines steht fest: Die Unsicherheitsfaktoren der Kriegführung sind inzwischen so gewaltig gewachsen, dass „der Krieg von seiner Eignung als Mittel oder Instrument der Politik sehr viel verloren hat“. „Dies kann wohl“, so folgert Rendulic, „mit Recht als ein Lichtstreifen am Horizont gewertet werden. Umso größer aber ist das Gefahrenfeld für die Politik, das durch die ungeheure Problematik des Krieges geschaffen wurde“.

 

— Ein hochinteressantes Buch, das sehr nachdenklich macht!

 

 

 

Seite 12   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (20)

Liebe ostpreißische Landsleite!

Se wissen ja auch, dass der März, wo wir nu reingetrampelt sind, der Friehlingsmonat is, wenigstens im Kalender. Bei uns konnten wir uns aufem Kalender allerdings meist nich verlassen, weil indem dass es schneien und frieren tat, wie es wolld, auch wenn manchmal der Krokus all de Nas raussteckd. Es war immer noch sicherer, Pelzbixen und doppelte wollene Socken zu tragen. Ausnahm machden bloß die jungen Leite, wo zuviel Hitz hädden und deshalb dem Friehling all gar nich erwarten konnden. Das nennd einer denn Friehlingsgefiehle, und das Fest vonnem Gesangverein war sozusagen de Generalprob, wer geradzig wem mit seine Gefiehle beglicken wolld. Soweit war denn ja auch alles in Ordnung, denn meist hädden se ja ehrliche Absichten, besonders de Mergellens. Deshalb staffierden se sich aus mit dinne, bunte Kodders, wo ihnen besonders verfiehrerisch erscheinen ließen, und denn gingen  se aufem Schrumm und scherbelden, dass de Flicker flogen. Und de Musekanten mißden blasen, dass ihnen de Augen iebergingen, und dafür spendierd denn zwischendurch immer einer, wo sich peerschen wolld, e Tulpche Bier. So kam denn jeder auf seine Rechnung. Schlimm wurd es bloß, wenn e Mergell sich auf die Mannsbilder stirzen tat, wo all e bißche anfing abzubliehen. Se hädd Jahr fier Jahr dem Anschluss verpasst und war nu dinn geworden wie e Hering, dass einer sich an ihr e Splitter einreißen konnd. Ja, de Sehnsucht zehrt! Oder se war außem Leim gegangen, weil se sich in ihre Betriebnis mit viel und gutes Essen treesten tat, nach die Remiese — de Emma sagt, das heiß Dewiese, aber die irrt sich bestimmt, denn Dewiesen sind ausländisches Geld, das muss ich als frieherer Postbeamter z. A. doch wissen! — also nach die Remiese: Kann schon de Seele sich nich laben, denn muss der Magen bei was haben. Und nu hädd se entweder hinten zu viel oder vorne, oder menchsmal auch hinten und vorne. Jede hädd ebend ihr besonderes Rezept, sich mit die Einsamkeit abzufinden. E ganz andrem Weg ging unsre Friedche Kallweit — mit zwei l! — aus Adlig-Schlucken. Se war so Mitte dreißig, hädd e bißche breite Hiften und e staatsches Doppelkinn. Die tat nich bescheiden wie e Gänseblumche auf das große Glick lauern, sondern nahm sich die Kerdels beim Krepschull und schleppd ihnen weg. Wenn die inne Gastwirtschaft zum Tanzen aufkreizd, denn wollden de Männer am liebsten flichten, aber denn war es meist all zu spät dazu. Se ging forsch auf ihnen los, und denn war es passiert. Auf die Art hädd se auch bald e großem Erfolg, nämlich in sechs Jahre vier kleine Kallweitchens, auch jeder mit zwei l, bloß keinem Mann nich. Und denn mißd se immer aufes Gericht wegen die Elemente. All wieder brabbelt de Emma dazwischen und sagt, das heiß Alimente, denn Elemente sind Feier, Wasser, Luft und Erde. Aber das is ganz gewiss nich richtig, denn wenn Elemente all wirklich was anderes bedeitet wie Kindergeld, denn sind es die Batterien bei die elektrische Anlagen. Das weiß ich vonnem Telefon, wo de Emma keinem blassen Dunst nich von hat. Also bleiben wir man ruhig bei die Elemente. Um ganz sicher zu gehen, schnappd de Friedche sich jedes Mal demselben Kerdel, wenn se aufes Gericht ging, wo geniegend Zechienen hädd, und der mißd denn rieberkommen mit die Schmalzstullen. Freiwillig tat er es natierlich nich, sondern immer bloß mittes Gericht. Zuletzt wurd es dem Amtsrichter aber zu dumm, und er meind: „Freilein Kallweit, nu haben Se all das vierte Kind von demselben Mann. Warum heiraten Se ihm eigentlich nich?" „Ja, Herr Richter", meind dadrauf de Friedche, „so simpatisch is er mir nu auch wieder nich!" Na, jedenfalls ging das so aber auch nich weiter, und deshalb ließ se sich von einem Kuppscheller zufreien. Der kam ieberall rum und brachd ihr gegen Prowisjon tatsächlich einem Mann. Aber der war all ieber sechzig und hädd e paar Dittche Rente und wolld bloß irgendwo unterkriechen wie e Keichel untre Kluck. Das heiß, se solld ihm bekochen und bewaschen und beprudeln ,und dafier war se denn Frau. Aber das war gar nich nach ihre Nas, und wie er denn noch e Bemerkung ieber ihre vier Kinders machd, da verlor se de Fassong und priegeld ihm mittem Holzschlorr auße Stub raus. Dafier kriegd se denn später e Geldstraf wegen tätliche Beleidigung. Emmend hädden se ihr sogar eingespundt wegen Körperverletzung, denn se hädd ihm de Brill zerkeilt, dass er von die Scherbels anne Stirn bluten tat, aber se konnd sich rausreden. Nach dieses Erlebnis war se e Weilche still, aber nich lang, nämlich bis ich ihr dem guten Rat gab, es mal mitte Zeitung zu probieren. Natierlich dirfd se nich gleich mitte Tier innes Angtreeh fallen und von ihre vief kleine Kallweitchens erzählen. Das mißd se ihm, wenn sich einer fand, schonend beibringen, sagd ich ihr, so pöh a pöh, dass es ihm nich gleich de Red verschlug. So hab ich ihr denn e Annongse fiere Ostdeitsche Volkszeitung aufgesetzt: Einsames Mädchen in den besten Jahren, gesund und gut erhalten, mit einem kleinen Schönheitsfehler, sucht auf diesem Wege edeldenkenden Herrn bis 50 zwecks späterer Heirat! Der „kleine Schönheitsfehler“ waren natierlich die Kinderchens und nich womeeglich das Doppelkinn. Se kriegd drei Angebote und schrieb ganz aufgeregt foorts an alle drei. Dabei hädd se aus Versehen zwei edeldenkende Bewerber auf ein und demselben Tag bestellt. Und wie die nu kamen und ihr besichtigen wollden, da gab es e großem Krach. Was die beide ihr erzählt haben, konnd de ganze Nachbarschaft mitheeren, und das waren bestimmt keine Komplimente. Se wollden ihr nich emal magrietsch haben, und so war nu wieder alles Verblasen. Und denn kam der Dritte, de letzte Hoffnung! Um ihm schonend vorzubereiten, hädd se bloß einem kleinen Kallweitche zu Haus, die andern drei hädd se bei Bekannte untergebracht. Er war sehr nett, und wie se wegen das Kindche anfing zu schluchzen und von die Schlechtigkeit der Männer zu reden, da ging ihm das Herz auf und de Augen ieber, so dass er dem Scheenheitsfehler iebersehen wolld. Denn haben se sich lang geschrieben, und jedes Mal, wenn er wieder auf Besuch kam, war e kleiner Kallweitche mehr inne Stub. So schonend hat se ihm das beigebracht. Dabei sagd se immer, se hädd solche Angst, dass se ihm wieder verlieren konnd, deshalb hädd se ihm nich alles auf eenmal jesagt. Dreimal ging das auch gut, er war ebend wirklich e edeldenkender Mensch Aber das vierte Mal wurd es ihm doch zu dumm, und er fragd bloß: „Wie viele kommen denn nu noch?“ Damit drehd er sich aufem Absatz rum, knalld de Tier zu und machd sich dinn. War er nu vleicht doch kein edeldenkender Mann nich? So stirzd de Friedche ganz kurz vorem Ziel, und de drei fuffzig fier die Annongse waren auch futsch und umsonst rausgeschmissen. Sehn Se, so schlecht is de Welt. Aber denn hat de Friedche zuletzt doch noch einem zergrabbelt, aber bei dem mißd se rackern und schuften, und zwischendurch hat er ihr von Zeit zu Zeit e bißche das Fell versohlt, dass se nich auf dumme Gedanken kam. Und auf die Art hat er aus ihr noch e ganz vernimftge Frau gemacht. Wodraus einer sehen kann, dass es aufe Welt manchmal doch noch sowas wie Gerechtigkeit gibt. Der Walter Piepereit aus Auxkallningken hädd ja e andre Meinung dadrieber, indem dass ihm seine Mutter entmindigen wolld, dass der jingere Bruder dem Hof kriegen solld. Dazu hädden se ihm inne Königsberger Nervenklinik eingesperrt. Aber weil er nich gemeingefährlich war, dirfd er sich inne Anstalt frei bewegen. So konnden se ihm am besten beobachten. Wenn er denn morgens gut gefriehstickt hädd, band er seine Zahnbirst an einem Bindfaden und fiehrd ihr wie e Hundche durchem Korridor spazieren. Einmal traf ihm nu der Herr Oberarzt, und weil er ihm aufe Prob stellen wolld, fragd er: „Na, Herr Piepereit, wie geht es Ihrem Fiffi?" „ Aber Herr Doktor", meind da der Walterche ganz empeert, „das is doch kein Fiffi nich, das is doch meine Zahnbirst!“ Da wurd der Doktor e bißche nachdenklich und wolld nu vleicht doch dem Entmindigungsantrag ablehnen. Aber da machd der Walter was ganz Dammliches, was er nich hädd machen solld. Wie der Herr Oberarzt nämlich umme Eck verschwunden war und der Walter dachd, nu heert er nuscht mehr, da kehrd er sich um und sagd zu seine Zahnbirst: „Na, Fiffi, dem haben wir aber scheen aufem Arm genommen!" Aber der Doktor hadd es doch geheert, und auf die Art wurd der Walter Piepereit seinem Hof los. Und seit die Zeit schimpft er ieber die Ungerechtigkeit, wo aufe Welt herrschen tut Herrjees, mein Brief wird ja viel zu lang! Schnell noch scheenem Dank an aller, wo mir ostpreißische Wippchens eingeschickt haben. Schickt man noch mehr, es sind noch vier Wochen Zeit, de Preisverteilung kommt erst im April!

 

Herzliche Grieße in alter Heimattreie! Ihr

Ernst Trostmann, Landbriefträger i.A.

 

 

 

Seite 13   Suchdienst – Gefallene und gestorbene Wehrmachtsangehörige.

Anfrage und Mitteilung zu dieser Liste sind unter Angabe des Namens und Vornamens des Gemeldeten (zweiter Name in der Suchmeldung( an den Suchdienst München, Rundfunkauskunft München 13, Infanteriestraße 7a, zu richten.

 

Martha Sinagowitz, aus Alt-Kiwitten, Kreis Ortelsburg, für August Sinagowitz, geb. 03.10.1909 in Olschienen.

 

Ida Tremer, aus Baltumtruschet/Seeligenfeld, Kr. Rastenburg, für Karl Tremer, geb. 04.02.1912 in Gudick.

 

Karl Tobaschus, aus Bergesruh, Kr. Goldap, für Arthur Tobaschus, geb. 03.09.1919 in Bergesruh.

 

Karl Schawobl, aus Bordehen, Kr. Preußisch-Holland, für Emil Schawobl, geb. 24.01. 911 in Plawischken.

 

Otto Streich, aus Borken, Kr. Lyck, für Walter Streich, geb. 21.04.1923 in Borken.

 

Maria Stein, aus Braunsberg 2, Hofgasse 4, für Paul Stein, geb. 29.05.1912 in Bohnsack.

 

Käthe Schutzkus, aus Elchtal, Kr. Labiau, für Hermann Schutzkus, geb. 18.09.1905 in Exter.

 

Herr Schapp, aus Forstamt Graben, Post Nanetzken, Kreis Labiau, für Gustav Schapp, geb. 15.04.1918 in Meierhof.

 

Anna Schütze, aus Gemmen, für Arthur Schütze, geb. 02.02.1890.

 

Heinrich Schubert, aus Georgenswalde, Seestraße, Haus Kieselbach, für Heinz Schubert, geb. 15.05.1928 in Georgenswalde.

 

Elfriede Schulz, aus Goldap, Töpferstraße 14, für Otto Schulz, geb. 19.0 8.1909 in Sarbossen.

 

Gustav Szibaski, aus Groß-Garten, Kreis Angerburg, für Willi Szibaski, ,geb. 04.01.1917 in Groß-Garten.

 

Familie Schulz, aus Groß-Klitten, Kr. Bartenstein, für Otto Schulz, geb. 13.10.1913 in Groß-Klitten.

 

Erna Spredtke, aus Gumbinnen, Friedr.-Wilh.Straße 10, für Gerhard Spredtke, geb. 14.04.1920 in Danzig.

 

Hilde Schurhoff, aus Gumbinnen, Riedhof, für Hans-Eugen, Schurhoff, geb. 01.05.1912.

 

Marta Schroeter, aus Haushagen, Kr. Preuß.Eylau, für Werner Schroeter, geb. 13.05.1924 in Markröhlitz.

 

Frau Pagelienen, aus Heydekrug, für Christoph Simoneit, geb. 04.04.1892.

 

Frieda Simoneit, aus Hohenfürst über Heiligenbeil, für Adolf Simoneit, , geb. 03.09.1899 in Eszerninken.

 

Gustav Schulz, aus Königsberg, Alter Garten 12/13, für Rudi, Schulz, geb. 27.08.1925 in Königberg.

 

Gustav Schumann, aus Königsberg, Karporuerstraße 28, für Willi Schumann, geb. 19.08.1915 in Korschen, Kr. Rastenburg.

 

Paul Schuhl, Königsberg, Samitterallee 135, für Siegfried Schuhl, geb. 01.07.1923 in Königsberg.

 

Familie Skibba, aus Korschin, Kr. Rastenburg, für Georg Skibba, geb. 15.09.1902 in Jarkowen.

 

Georg Schützler, aus Labion, Friedrichstr. 24, für Günther Schützler, geb. 02.07.1925 in Karkelbeck. Kr. Memel.

 

Johanna Schröder (geschrieben steht Schöder), aus Lihdengrund, Kr. Ortelsburg, für Friedrich Schröder, geb. 20.05.1906 in Kransberg.

 

Richard Wölke, aus Lyck, frühere Straße der SA, für Hans Wölke, geb. 12.04.1924 in Lyck.

 

Helene Skilandat, aus Mitgethen, Soldauer Weg, für Hans Skilandat, ,geb. 24.01.1926 an Zinten.

 

Gertrud Schaar, aus Mohrungen, Treschowweg 4a, für Reinhold Schaar, geb. 16.02.1925 in Untereissein.

 

Familie Scheibner, aus Mulden, Kr. Gerdauen, für Kurt Scheibner, geb. 23.06.1920 in Prettlack.

 

Anna Schiemann, aus Mulsen (Samland), für Hermann Schiemann, geb. 03.08.1902 in Kleinkkreuz

 

Berta Silbe, aus Nattern über Allenstein, für Kurt Silbe, geb. 11.07.1910 in Schmelz.

 

Elisabeth Saboczinski, aus Neidendorf bei Soldau, Kreis Neidenburg, für Leo Saboczinski, geb. 17.10.1920 in Groß-Sakrau.

 

Anna Schulz, aus Nowinka, Kr. Sudauen, für Withold Schulz, geb. 13.06.1926 in Dubowo.

 

Gustav Schwarz, aus Papppelheim, Kr. Bartenstein, für Hans Schwarz, geb. 30.04.1927 in Charlottental.

 

Elisabeth Scharley, aus Pülz, Kr. Rastenburg, für Gustav Scharley, geb. 06.01.1904 in Heinrichsorgel

 

Familie Schütz, aus Preußisch-Holland, für Gustav Schütz, geb. 04.07.1891 in Wargau.

 

Ella Schüttke, aus Ragnit, Markt 6, für Max Schüttke, geb. 21.04.1900 in Gr-Kryszauen.

 

Familie Schulz, aus Rastenburg, frühere Ad.-Hitler-Str. 12a, für Gerhard Schulz, geb. 09.10.1929 in Benkheim.

 

Maria Sbrisny, aus Samlack, für Otto Sbrisny, geb. 13.09.1901 in Rudwangen, Kreis Rössel

 

Amalie Schmidt, aus Sensburg, Neue Schulstraße 1, für Herbert Schmidt, geb. 12.07.1919 in Sensburg.

 

Franz Talaska, aus Simon, Kr. Horn, für Mergetzulav Talaska., geb. 04.08.1925.

 

Josef Swiontkowski, aus Soldau Kr. Neidenburg, Gartensiedlung 19, für  Eugen Swiontkowski, geb. 13.12.1923 in Soldau.

 

Ernst Suhr, aus Sorgenau, Kr. Samland, für Hans Suhr, geb. 10.09.1926 in Groß-Kuhren.

 

Johann Sypereck.aus Stalupianka, Kr..Goldap, für Eduard Sypereck, geb. 14.01.1924 in Stalupianka.

 

Familie Schwabe, aus Sumpf über Mühlhausen, Kr. Preuß.-Holland, für Karl Schwabe, geb.06.02.1893 in Stralsund.

 

Mina Schulz, aus Tapiau, Rosengarten 1, für Arthur Schulz,  geb. 27.09.1901 in Pomanen.

 

Maria Schell, aus Reichenbach, Kreis Preußisch-Holland, Gasthaus Vereinszimmer, für Kurt Schell, geb. 27.08.1915 in Wolfseck.

 

Helene Stenzel, aus Rössel, Fischerstraße 5b, für Heinz Stenzel, geb. 10.11.1919 in Rastenburg.

 

Maria Schikowski, aus Rössel, Lindenweg 2, für Franz Schikowski, geb. 17.04.1901 in Klawsdorf.

 

Familie Schirrmacher, aus Rositten, Kr. Preußisch-Eylau, für August Schirrmacher, geb. 31.12.1896 in Rositten

 

Rahel Schneider, aus Salzbach 4. für Emil Schneider geb. 17.08.1918 in Fürstenfeld

 

Anna Schippel, aus Sattichen. Kr. Treuburg, für  Ernst Schippel, geb. 18.09.1908 in Kaltenbach

 

Familie Stengel, aus Schalau, Kr Tilsit-Ragnit für Otto Stengel, geb.06.10.1905 in Hermsdorf

 

Auguste Schossky, aus Schildeck Kr. Osterode, für Wilhelm Schossky, geb. 08.09.1915 in Panzerei

 

Felix Schimanski, aus Schlodien, Kr. Preußisch-Holland, für Paul Schimanski, geb. 20.02.1925 in Schlodien

 

Josef Schendra, aus Schlodrau, Kreis Preußisch-Holland, für Willibald Schendra, geb. 16.09.1921 in Karlowitz

 

Josef Scherscheuewitz, aus Schönfelde, Kreis Allenstein, für August Scherscheuewitz, geb. 11.07.1918 in Schönfelde

 

Fritz Scherhaus, aus Schönlinde, Kreis Gerdauen, für Egon Scherhaus, geb. 07.01.1916 in Schönlinde.

 

Familie Schimikowski, aus Seeresen, für Franz Schimikowski, geb. 25.08.1915 in Achlsau

 

Else Augustin, aus Sensburg, Strandstraße 1, für Otto Schiemann, geb. 04.03.1919 in Sensburg.

 

Gertrud Felknyer, aus Tilsit, Philosophengang 26, für Alfred Woischwill, geb. 02.10.1912 in Tilsit

 

Herr Schiwkowski, aus Waldburg, Kreis Ortelsburg, für Walter Schiwkowski, geb. 15.01.1924 in Alt-Galbutz

 

Alex Schabeka, aus Widminnen, Kreis Lötzen, für Wassili Schabeka, geb. 08.01.1926 in Mogilew

 

Frieda Schappeit, aus Willkischken, Kreis Tilsit, für Ewald Schappeit, geb. 11.11.1902 in Tilsit.

 

Frieda Schöttke, aus Zimmerbude, Kreis Samland, für Karl Schöttke, geb. 11.07.1909 in Zimmerbude.

 

Valentin Schwarz, aus Trautenau, Kreis Heilsberg, für Franz Schwarz, geb. 17.06.1921 in Trautenau

 

Familie Schröter, aus Trautenau, Kreis Heilsberg, für Alfred Schröter, geb. 02.02.1926 in Trautenau.

 

Max Schröder, aus Waldorf bei Insterburg, für Kurt Schröder, geb. 14.06.1922 in Waldorf

 

Wilhelmine Syska, geborene Batzek, aus Wildheide, Kreis Ortelsburg, für Wilhelm Syska, geb. 26.11.1899 in Faistenwalde.

 

Valeitias Sieverts, aus Windau über Neidenburg, Talsenstraße 33, für Alexander Sieverts, geb. 04.11.1923 in Ugahle

 

Anna Rimkat, aus Allenstein, Hindenburgstraße 19, für Paul Rimkat, geb. 21.11.1913 in Akmannischken

 

Viktor Bludan, aus Altwartenburg, Kr. Allenstein, für Herbert Roth, geb. 06.06.1925 in Blankenburg

 

Friedrich Sarge, aus Biethen, Kr. Wehlau, für Gustav Sarge, geb. 13.01.1915 in Rabitten

 

Hermann Riedl, aus Breitenhausen, für Hermann Riedl, geb. am 18.10.1913 in Haberswöhr

 

Hermann Rogalla, aus Buschwalde, Kreis Neidenburg, für Fritz Rogalla, geb. 30.11.1913 in Buschwalde

 

Charlotte Templin, aus Deutsch-Thierau, bei Schmiedemeister Teitz, Kr. Heiligenbeil, für Edmund Templin, geb. 14.05.1919 in Mrogowo, Kreis Lipno

 

Heinrich Rauter, aus Dietrichswalde, Kreis Kulm, für Heinz Rauter, geb. 27.11.1921 in Weburg

 

August Riediger, aus Groß-Tromp, Post Tiedmannsdorf, Kreis Braunsberg, für Johann Riediger, geb. 15.03.1920 in Groß-Tromp

 

Gustav Rohleder, aus Hagenau bei Goldberg, Goldberger Straße 5, für Heinz Rohleder, geb. 15.12.1926 in Goldberg

 

Emilie Ringst, aus Holm bei Tiegenort, Kr. Groß-Werder, für Paul Ringst, geb. 25.10.1911 in Tiegenort

 

Wilhelm Roßlan, aus Kannwiesen, Kr. Ortelsburg, für Wilhelm Roßlan, geb. 21.12. 912 in Kannwiesen

 

Hildegard Ridzek, aus Königsberg, Schulzstraße 3, für Otto Ridzek, geb. 04.03.1913 in Eydtkau

 

Familie Reimann, aus Korschen, Poststraße 5b, für Hugo Reimann, geb. 18.09.1919 in Krausen

 

Anneliese Seye, aus Lensbeck, Kr. Sensburg, für Hans Seye, geb. 11.03.1920 in Lensbeck

 

Auguste Rosenberg, aus Liebewalde, Kr. Mohrungen, für Kurt Rosenberg, geb. 27.06.1921 in Heiligenwalde

 

August Ruhnau, aus Lilienthal, Kr. Braunsberg, für August Ruhnau, geb. 05.05.1920 in Lilienthal

 

Herr G. Roßbach, aus Lötzen, früherer Adolf-Hitler-Platz 3, für Gerhard Roßbach, geb. 24.08.1920 in Lötzen

 

Johann Rusch, aus Marienhof, Kr. Meßnitz, für Albert Rusch, geb. 13.05.1905

 

August Rordek, aus Markshöfen, Kr. Ortelsburg, für Paul Rordek, geb. 12.11.1907 in Markshöfen

 

Familie Rieck, aus Myrthenhof, Norkitten, Kr. Insterburg, für Gustav Rieck, geb. 31.07.1910 in Myrthenhof

 

Theodor Rogge, aus Pillau, Gorch-Fock-Straße 9, für Walter Rogge, geb. 19.11.1925 in Watzum

 

Irmgard Rieder, aus Preußisch-Eylau, Scharnhorststraße 1, für Josef Rieder, geb. 22.11.1920 in Daun

 

Fritz, Sadowski, aus Schakenau, Kr. Insterburg, für Eberhard Sadowski, geb. 16.02.1923 in Bokirren

 

Anna Seifert, aus Wirbeln, über Insterburg Land II, für Franz Seifert, geb. 05.05.1912 in Hohenradl

 

Viktor Bludau, aus Altwartenburg, Kr. Allenstein, für Hubert Roth, geb. 06.06.1925 in Blankerberg

 

Eduard Schimmelpfennig, aus Angerapp, Geidwallerstraße 28, für Wolfgang Schimmelpfennig, geb. 09.01.1925 in Angerapp.

 

Martin Schernus, aus Auritten, Kreis Heydekrug, für Martin Schernus, geb. 28.11.1926 in Neusaß-Skories

 

Monika Schröder, aus Bartenstein, Erich-Koch-Straße 11a, bei Scheel, für Heinz Schröder, geb. 05.04.1907 in Königsberg

 

Familie Scharein, aus Dittersdorf, für Heinz Scharein, geb. 10.03.1922 in Rosewitz.

 

Familie Schilling, aus Geuden, Kreis Mohrungen, für Paul Schilling, geb. 25.01.1918 in Preußisch-Mark

 

Elisabeth Schaukat, aus Groß-Laschaninkau, Kreis Insterburg, für Fritz Schaukat, geb. 06.09.1901

 

Rosa Schipper, aus Groß-Parleese, Kr. Rössel, für Viktor Schipper, geb. 03.10.1914 in Sternsee

 

Familie Schikowsky, aus Groß-Purden, Kr. Allenstein, für Eduard Schikowsky, geb. 14.06.1907 in Groß-Purden

 

Martha Schintenings, aus Groß-Schwaraunen, für Kurt Schintenings, geb. 07.12.1922 in Komzszowilken

 

Familie Schakat, aus Groß-Wohnsdorf, Kr. Bartenstein, für Fritz Schakat, geb. 30.07.1903 in Gumbinnen

 

Familie Schillumeit, aus Gudgaller, Kr. Tilsit, für Walter Schillumeit, geb. 20.01.1909 in Weißweinen

 

Emilie Schalon, aus Hohenburg 75, Bezirk Zichenau, für Wilhelm Schalon, geb. 03.04.1917 in Samara (Russland)

 

Wilhelmine Schliewski, aus Klein-Hauswalde, Kr. Mohrungen, für Kurt Schliewski, geb. 14.01.1920 in Grünhagen

 

Franz Scherwitz, aus Königsberg, Bismarckstraße 10a, für Gerhard Scherwitz, geb. 05.04.1917 in Königsberg

 

Susanne Schimmelpfennig, aus Königsberg, Gerhardstraße 4, für Eckhard Schimmelpfennig, geb. 29.01.1922 in Königsberg

 

Ernst Volkmann, aus Königsberg, Heumarkt 4, für Erich Wohlgemuth, geb. 22.11.1912 in Schaaksvitte

 

Familie Schaak, aus Königsberg, Mozartstraße 23, bei Eckert, für Kurt Schaak, geb. 08.01.1921 in Heinrichswalde

 

Auguste Schikorra, aus Königsberg, Sternwartstraße 53 - 54, für Waldemar Schikorra, geb. 12.03.1907 in Königsberg

 

Gustav Schink, aus Königsberg, Vorstädtische Langestr. 90. für Heinz Schink, geb. 22.04.1922 in Königsberg

 

Familie Schablowski, aus Kreywöhnen, Post Kampspowilken, für Louis Schablowski, geb. 27.03.1890 in Kellerischken

 

Diese Listen sind bereits im Rundfunk verlesen worden. Es kann daher In Einzelfällen vorkommen, dass eine hier aufgeführte Heimkehrernachricht den Angehörigen vom Suchdienst schon bekanntgegeben wurde. Wenn Angehörige der Vermissten in den hier aufgeführten Listen in jüngerer Zeit bereits vom Suchdienst eine Heimkehrernachricht erhielten, so ist daher eine neuerliche Anfrage unnötig, da es sich um dieselbe Nachricht handelt.

 

Frieda Schneider, aus Lindwehr, Kr. Insterburg, für Otto Schneider, geb. 19.04.1912 in Langellen

 

Gertrud Schill, aus Löwenhagen, Kr. Königsberg, für Wilhelm Schill, geb. 23.08.1897 in Jungferndorf

 

Johann Schäfer, aus Loga bei Löhr, für Johann Schäfer, geb. 11.01.1925 in Glov

 

Minna Scheffler, aus Loschken über Bokellen bei Insterburg, für Franz Scheffler, geb. 27.01.1902 in Ischogruben

 

August Schimmang, aus Michalken 2, Kr. Hoyerswerda, für Max Schimmang, geb. 09.09.1926 in Michalken

 

Gustav Schielion, aus Moitinen, für Alfred Schielion, geb. 16.11.1925 in Allenstein

 

Otto Schneider, aus Neudamm bei Königsberg, Königsberger Straße 6, für Max Schneider, geb. 20.12.1920 in Kauno

 

Georg Schneider, aus Oppen, Kr. Wehlau, für Otto Schneider, geb. 05.06.1908 in Turschinen

 

Charlotte Schirrmacher, aus Preußisch-Eylau, Schlachthof, für Konrad Schirrmacher, geb. 07.04.1908 in Königsberg

 

Albert Schlagonski, aus Projestiten, Kr. Samland, für Helmut Schlagonski, geb. 05.11.1927 in Argeldorf

 

 

Seite 13   Aus dem Ural zurück

Eine ihrer glücklichsten Stunden erlebte die 46-jährige Ehefrau Helene K. aus Gumbinnen (Ostpreußen) als sie nachts um 2.30 Uhr an das Fenster ihres Sohnes Erwin klopfte. Die Frau ist nach langjähriger Zwangsarbeit im Ural Ende Januar nach Deutschland zurückgekehrt und hat ihren einzigen Sohn glücklich verheiratet wiedergefunden. Von Berlin aus hatte sie über den Suchdienst des DRK die Anschrift ihres Sohnes und auch ihres Ehemannes erfahren. Den Brief ihres Mannes wird sie nie in ihrem Leben vergessen. Er schrieb unter anderem: „Ich bin wieder verheiratet. Fünf Jahre hindurch habe ich Dich suchen lassen. Alles war umsonst. Ich glaubte, Du seiest tot“. Vor fünf Jahren hatte er die Todeserklärung seiner Frau Helene beantragen lassen.

 

 

Seite 13   Städter aufs Land

Allenstein. Im südlichen Ostpreußen, das von Polen verwaltet wird, werden Vorbereitungen für die Aufnahme von neuen Landarbeitern getroffen. Aus Bialystok, Warschau, Plozk und Bromberg sollen noch vor Beginn der Frühjahrsarbeiten Städter eintreffen, die zum Einsatz in der Landwirtschaft abkommandiert wurden. 16 Kolchosen sollen mit ihrer Hilfe ihr Bearbeitungsgebiet im Regierungsbezirk Allenstein verdoppeln. Bisher wurde das den Kolchosen in diesem Bezirk zur Verfügung stehende Land nur zu 65 bis 80 Prozent genutzt.

 

 

Seite 13   Heimkehrer-Aussagen über Vermisste. Wer kennt die Angehörigen?

Heimkehrer haben beim Suchdienst Aussagen über Vermisste gemacht. Die Angehörigen dieser Vermissten konnten bisher nicht ermittelt werden. Erkennen Sie aus den nachstehend aufgeführten Personalangaben einen der Vermissten und können Sie Auskunft über dessen Angehörige geben? Helfen auch Sie, die Angehörigen ausfindig zu machen. Jede zutreffende Meldung bedeutet ein geklärtes Vermisstenschicksal! Geben Sie Ihren Hinweis zur Auffindung der Angehörigen bitte unverzüglich unter Angabe der Befragungsnummer der Liste (jeweils am Ende der Suchanzeige) an das Deutsche Rote Kreuz, Suchdienst München. Abt. Nachforschungsstelle für Wehrmachtsvermisste München 13, Infanteriestraße 7a.

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Viktor Müller, geb. 1905 in Ostpreußen, Polizei-Wachtmeister bei der Feldpostnummer 16792, A 5273

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Günther Nietschke, geb. etwa 1920 in Ostpreußen, Stadtinspektor, zuletzt bei der SS-Division Hohenstaufen, A 9065

 

Ostpreußen: die Angehörigen von August Pagel, geb. etwa 1903, verh., Landarbeiter, Obergefreiter bei der Veerinär-Kompanie der 155. Kosaken-Division, Feldpostnummer 30/849, C 1012

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname vermutlich Hans Pökern, geb. etwa 1916/1917 in Ostpreußen, ledig, Unteroffizier beim Infanterie-Regiment 22 der 1. Division, C 1011

 

Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Radtke, verh., Beruf: Metzger, SS-Rottenführer, A/1022

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Otto Rösel, geb. etwa 1910 in Ostpreußen, verh., mehrere Kinder, Landwirt, Obergefreiter, A 9366

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Kurt Saworski, geb. etwa 1910, verh., Obergefreiter beim Jäger-Regiment 99 der 1. Gebirgsjäger-Division. B/6640

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Ludwig Schröder, geb. etwa 1925/1926, vermutlich in Königsberg, ledig, Abiturient, Gefreiter bei der 14. Kompanie Fallschirm-Panzergren.-Regiment 3, Feldpostnummer L 62297, B 7853

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Kurt Schwengler, geb. etwa 1917/1920, verh., Obergefreiter, A 9085

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von Josef Telmann, Meister der Gendarmerie, A 10353

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Paul Vollert, geb. etwa 1903, B/8645

 

vermutlich Königsberg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Rose, geb. etwa 1910/1915, verh., Berufssoldat, Oberzahlmeister, A 8864

 

Masuren (Ostpreußen): die Angehörigen von Willi Roek oder Rock, geb. etwa 1920, ledig, Unteroffizier beim Stab Sicherungs-Regiment 46, Feldpostnummer 24 879, A 1888

 

vermutlich Tilsit (Memelland): die Angehörigen von: Vorname unbekannt Gericke oder Goericke, geb. etwa 1915, Unteroffizier bei der 349. Volksgrenadier-Artillerie Schlossberg (Ostpreußen), A 7117

 

der Gegend von Memel: die Angehörigen von Hans Preß, geb. etwa 1920, verh., zuletzt bei der 4. Kompanie Bataillon 999, A 9233

 

der Gegend von Neidenburg: die Angehörigen von Hans Krassowski, geb. etwa 1900/1902, verh., 2 Kinder, 1919 aus der Ukraine gekommen, Landwirt, Hauptwachtmeister bei der Schutzpolizei Königsberg, A 8585.

 

der Umgebung von Ortelsburg: die Angehörigen von Kurt Großmann, geb. etwa 1925, ledig, von Beruf Schmied, Gefreiter, A 9995

 

dem Kreis Schloßberg (Ostpreußen): die Angehörigen von: Vorname unbekannt Naujokard, geb. etwa 1917. C 1298

 

Tilsit (Ostpreußen): die Angehörigen von: Vorname unbekannt Glut oder Gluth, geb. etwa 1924, von Beruf Schneidermeister, zuletzt bei der Infanterie-Kriegsschule Metz, A 7539

 

Arnswalde bei Goldap: die Angehörigen von Günther Biernetzki oder Bieanetzki, geb. etwa 1922 in Arnswalde, ledig, Landwirt, Obergefreiter bei der Feldpostnummer 12 423, A/7333

 

Insterburg, Schlageterstr. 5: die Angehörigen von Max Kanischkis. geb. 22.02.1926, Gefreiter, B/628

 

Königsberg: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Kowalski, geb. etwa 1916 in Königsberg, Oberfeldwebel beim Regiment 531 der 383. Grenadier-Division, A/9921

 

dem Kreis Lyck (Ostpreußen): die Angehörigen von: Vorname vermutlich Fritz Göhl, geb. etwa 1923, ledig, vermutlich Landarbeiter, Obergefreiter bei einem Sturm-Bataillon, A/8668

 

vermutlich aus Pillau: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Pratt, geb. etwa 1902/1903, verh., Oberbeschlagmeister beim Alarm-Bataillon Kanl. A/3416

 

Tilsit oder Memel: die Angehörigen von: Vorname unbekannt Kroll, geb. etwa 1905, Bauer, SS-Rottenführer bei der SS-Division Lahn, A/10684

 

Ostpreußen: die Angehörigen von der: Vorname unbekannt Heide, geb. etwa 1918/1922, Eltern hatten Hof und Gastwirtschaft, Unteroffizier oder Hauptfeldwebel beim Regimentsstab Panzer-Regiment 24, B/5978

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Alfred Hennig, geb. etwa 1913/1914 in Ostpreußen, ledig, Stabsgefreiter bei der Feldpostnummer 06 542, B/7859

 

vermutlich aus Ostpreußen: die Angehörigen von: Vorname vermutlich Willi Matthes, geb. etwa 1926 in Ostpreußen, ledig. Kanonier beim ArtillerieRegiment 11, Feldpostnummer 32 895 A, A/8824

 

Ostpreußen: die Angehörigen von Gustav Rautenberg, geb. etwa 1915, ledig, Unteroffizier bei einer 6. Kompanie der 357. Infanterie-Division, C/1629

 

 

Seite 13   Zivilgefangene

Nachrichten an den Suchdienst Hamburg, Abteilung II, Hamburg-Altona, Allee 131.

 

Insterburg: die Angehörigen des Fleischers Kurt Seidemann, geb. etwa 1928.

 

Königsberg: die Angehörigen des Bau-Ing. Gerhard Janson, alias von Ramke, geb. etwa 1924.

 

Königsberg: die Angehörigen einer Erna Rose oder Rosen, geb. etwa 1923.

 

Königsberg: die Angehörigen eines Lothar Sandowetz, geb. etwa 1919.

 

Königsberg: die Angehörigen des Arbeiters Paul Sehking, geb. etwa 1907.

 

Königsberg: die Angehörigen der Hausfrau Frieda Seifert, geborene Kunter, geb. etwa 1917.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Arbeiters: Vorname unbekannt Rollhagen, geb. etwa 1924.

 

Ostpreußen: die Angehörigen eines Kurt Rupsch, geb. etwa 1928.

 

Ostpreußen: vermutl. Neuhausen bei Königsberg: die Angehörigen der Haustochter Waltraut Rutsch, geb. etwa 1929.

 

Ostpreußen: die Angehörigen einer Erna Seidel, geb. etwa 1925.

 

die Angehörigen des Kurt Baumgart, geb. etwa 1924.

 

dem Kreise Lyck: die Angehörigen des Max Bendsko, geb. etwa 1929, Landarbeiter.

 

Königsberg: die Angehörigen des Bruno Schlage, geb. etwa 1893, Maurerpolier.

 

Königsberg: die Angehörigen der Lene Storr, geb. etwa 1929.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Alfons Bandereikus, geb. etwa 1925.

 

die Angehörigen einer Herta Britter, weitere Angaben fehlen.

 

Ostpreußen: die Angehörigen des Kurt Peters, geb. 25.03.1923. Ostpreußen:

 

die Angehörigen der Traute Pawelak, geb. etwa 1922.

 

 

 

Seite 15   Familienanzeigen

Mitten aus vollem Schaffen und nach 45-jähriger glücklichster Ehe entschlief am 6. Januar 1955 unerwartet mein innigstgeliebter Mann, unser lieber, guter Vater, Großvater und Bruder

Georg Tischler, Dr. phil., Dr. med. h. c., Dr. agr. h. c. o. ö. Professor an der Universität.

Ehrenmitglied verschiedener inländischer u. ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften

im 77. Lebensjahre. Gisela Tischler, geb. Freiin v. Funck. Museumsdirektor Dr. Fritz Tischler, Duisburg. Prof. Dr. Wolfgang Tischler, Kiel. Barbara Tischler, geb. Wendig. Ursula Tischler, geb. Wendig. 7 Enkelkinder. Marie Lange, geb. Tischler. Kiel, Esmarchstraße 18. Die Trauerfeier fand am Montag, dem 10. Jamuar 1955, in der Kapelle des Nordfriedhofes statt.

 

Am 4. März 1955 entschlief sanft nach schwerem Leiden meine liebe Schwester, unsere gute Tante und Großtante, Frau Marta Hess, geborene Jodtka, im fast vollendeten 83. Lebensjahre. Meta Roßmann geb. Jodtka. Leni Roßmann. Hans Roßmann und Familie. Irmgard Mende geb. Roßmann. Bernhard Mende. Waiblingen/Stuttgart, Winnender Steige 24. Früher Tilsit, Bismarckstraße 16 .

 

Fern der geliebten Heimat entschlief am 7. Februar 1955 meine geliebte Tochter, Schwester, Schwägerin und Tante, Fräulein Elise Grunwald, im Alter von 45 Jahren. In tiefer Trauer: Frau Auguste Grunwald (Mutter), nebst Anverwandte.Rohrbach bei Landau (Rheinpfdlz). Früher: Canditten, Ostpreußen.

 

Unsere hochverehrte Diakonisse Auguste Kalex ist heimgegangen. Vom 18. Lebensjahre ab war sie 35 Jahre hindurch die liebevolle Betreuerin der Kleinsten der Königsberger Blindenschule und wirkte umsichtig und helfend als Arzt-Schwester für alle Anstaltsangehörigen. Durch ihre stete Einsatzbereitschaft, ihr mütterliches Wesen und ihre frische, frohe, stets gleichbleibende Natur war sie bei allen Blinden und Mitarbeitern beliebt und von ihnen verehrt. Wir alle, die wir sie kennen und schätzen gelernt haben, werden ihrer stets in Dankbarkeit gedenken. Im Namen der ehemaligen ostpreußischen Blinden und ihrer Mitarbeiter: Grasshof, Direktor. Soest, im März 1955

 

 

Seite 15   Suchanzeigen

Martha Heydasch, geb. 25.05.(Jahr nicht angegeben) in Warpuhnen, Kreis Sensburg, wurde am 9. April 1945 aus Warpuhnen von den Russen verschleppt. Sie soll zuerst in Rastenburg, dann in Pr.-Eylau und zuletzt in Königsberg, Schrötterstraße 78, gewesen sein. Sie selbst hat nie geschrieben. Wer war mit ihr zusammen oder kann irgendwelche Angaben machen. Nachr. wird erbeten an Frau Maria Gayko, geb. Heydasch, Wankum 18, Kreis Geldern, Rhld. (22a).

 

Wer kann mir Auskunft über meine Söhne geben: 1. Gefr. Rudolf Giesa, geb. 03.12.1923, aus Raunau/ Ostpr.eußen, Feldpost-Nr. 12 624 E. Vermisst Januar 1944 bei Leningrad. — 2. Soldat Gerhard Giesa, geb. 25.07.1926, aus Raunau/Ostpreußen, zuletzt Januar 1945 Truppenübungspl. Stablack-Süd/Ostpreußen. Nachr. erbittet Wilhelm Giesa (14b) Herbertingen/ Württbg., Angerstraße 23, Kreis Saulgau.

 

Wer war mit meinem Sohn, Gerhard Bothke, geb. am 21.05.1927, in Braunsberg (Ostpr.) im RAD. in Oberbayern unter der Feldpostnummer 47 198 zusammen? Am 23. April 1945 kam er noch zum Einsatz bei München als SS-Kanonier unter der Feldpostnummer 25 729. Um Nachricht bittet seine Mutter Fr. Bertha Bothke, Korbach-Waldeck, Violinenstraße 2.

 

Gesucht wird Franz Gustav Fischer, geb. 12.11.1893 in Trömpau. Keis Königsberg, aus Königsberg Preußen, Ludwigswalderweg30. Zuletzt Volkssturm Königsberg eingesetzt. Nachricht erbittet Kurt Fischer, Düsseldorf - Lohausen, Niederrheinstraße 121

 

Stalingradkämpfer Wer kennt meinen Sohn, den Obergefreiten Leonhard Ritter, geb. d. 29. Juni 1919 in Urygallen, Kreis Johannisburg/Ostpreußen. Er kämpfte zuletzt bei Stalingrad bei 6. Armee, 24. Panzerdivision, Feldpostnummer 33 426. Seine letzte Nachricht war vom 30.12.1942. Kameraden, wer war mit meinem Sohn zusammen, wer kann mir Auskunft geben über das Schicksal meines Sohnes? Nachr. erb. an Frau Ritter, Bestenbostel, Krs. Burgdorf über Schwarmstedt, Hannover (20).

 

 

Seite 16   Professor Georg Tischler gestorben. Mit Foto.

In Kiel starb am 6. Januar 1955 im 77. Lebensjahr der emeritierte ord. Professor der Botanik, Dr. phil., Dr. med. h. c, Dr. agr. h. c. Georg Tischler. Der Verstorbene wurde am 22. Juni 1878 in Losgehnen bei Bartenstein geboren, besuchte das dortige Gymnasium und studierte die ersten beiden Semester in Königsberg.

 

Nach vorherigem Wirken auf den botanischen Lehrstühlen der Technischen Hochschule Braunschweig und der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim war er von 1922 bis 1951 Direktor des Botanischen Instituts und Gartens der Universität Kiel. Mit seiner Berufung gewann die Landesuniversität einen Mann, von sprühendem Geist und lebhafter Anteilnahme an allen Fragen des akademischen Lebens und hat in ihm eine ihrer markantesten Persönlichkeiten als Forscher und Lehrer verloren.

 

Tischler, der 1899 bei dem berühmten Botaniker Strasburger in Bonn promovierte, hat bei aller Vielseitigkeit seiner Interessen und Forschungen vornehmlich auf dem Gebiet der Zellenlehre gearbeitet und muss als einer der bedeutendsten Zellenforscher gelten.

 

Seine „Allgemeine Pflanzenkaryologie“ ist in der Weltliteratur ein einmaliges Standardwerk, das einerseits durch die zusammenfassende Darstellung des gesamten derzeitigen Wissens, andererseits durch das klare Aufzeigen der Probleme einen tiefgreifenden Einfluss auf die ganze Zellkernforschung genommen hat und dieses, vermöge einer genialen Vorausschau, die Tischler zueigen war, auf lange Zeit auch weiter tun wird.

 

Bis zuletzt hat Tischler mit ungebrochener Kraft fruchtbar arbeiten können; ihm hat die Emeritierung alles andere als geruhsame Muße, sondern nur Befreiung von amtlichen Verpflichtungen bedeutet, um nur intensiver seiner geliebten Forschung leben zu können.

 

In Anerkennung seiner auch für die Vererbungslehre und Züchtung so wichtigen Grundlagenforschung sind ihm neben vielen anderen Ehrungen die Würde eines Ehrendoktors der Medizinischen Fakultät der Kieler Universität sowie die Ehrendoktorwürde der Landwirtschaftswissenschaften seitens der Universität Bonn zuteil geworden.

 

 

Seite 16   Professor Dr. Andrée 75 Jahre alt

Professor Dr. phil. Karl Andree vollendete am 10. März 1955  in Göttingen sein 75. Lebensjahr. Prof. Andree war langjähriger Ordinarius der Geologie und Paläontologie an der Alberlus-Universität in Königsberg. Als Direktor der berühmten Bernsteinsammlung der Albertus-Universität zu Königsberg und durch seine wertvollen Arbeiten, die in den Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft veröffentlicht wurden, wurde Prof. Dr. Karl Andrée weit über die Grenzen Ostpreußens bekannt. Auch nach der Vertreibung hat der Königsberger Gelehrte seine Arbeiten fortgesetzt und ein neues Buch über den Bernstein im Kosmos-Verlag erscheinen lassen. Dieses schöne Buch behandelt den Bernstein in einer nach jeder Hinsicht erschöpfenden und höchst anschaulichen Weise.

 

Wir haben die hervorragenden Verdienste des Jubilars anlässlich seines Goldenen Doktorjubiläums in der Nr. 10 vom Oktober 1954 ausführlich gewürdigt. Wir wünschen dem Jubilar alles Gute für sein weiteres Wirken und einen gesegneten Lebensabend. Prof. Dr Andrée wohnt heute in Göttingen, Kantstraße 15

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